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Meinungs-Anzeiger

Charlotte Walser rechnet mit dem Parlament ab.

Zusammen mit Sascha Britsko ist Charlotte Walser das Schicksal der ukrainischen Flüchtlinge in der Schweiz ein Herzensanliegen. Gibt es zunehmend Beschwerden, dass die Arbeitsfähigen nicht arbeitswillig sind, dann steuern die beiden mit ein paar unrepräsentativen Erfolgsstorys in der pluralistischen Forumspublizistik von Tamedia dagegen.

Dass geflüchtete Ukrainer mit dem Spezial-Schutzstatus S zunehmend für Unmut sorgen, weil es Schweizer gibt, die ein Leben lang arbeiteten und nicht dermassen viele Sozialleistungen beziehen können, na und. Das kratzt Walser doch nicht. Sie trauert wohl immer noch ihrer Tätigkeit für InfoSüd und die UNHCR, die UNO-Flüchtlingsorganisation, nach.

Also erhebt sie larmoyant Klage. Mit einem schön demagogischen Einstieg, der zwei Ereignisse zusammenstöpselt: «Die Ukraine war in den vergangenen Tagen wieder von schweren Angriffen betroffen – den schwersten seit Kriegsbeginn. Der heftige Raketenbeschuss hielt das Schweizer Parlament aber nicht davon ab, den Schutzstatus S für ukrainische Flüchtlinge infrage zu stellen.»

Dass die parlamentarischen Mühlen langsam mahlen und der Zeitpunkt der Debatte überhaupt nichts mit schweren Angriffen zu tun hat – was soll’s, macht sich doch gut. Ausserdem stellte das Parlament den Schutzstatus S überhaupt nicht infrage. Was soll’s.

Aber, da muss Walser ganz streng werden, was erlauben sich die Parlamentarier? «Denn noch ist es – glücklicherweise – nicht das Parlament, das in der Schweiz entscheidet, welche Regionen auf der Welt sicher sind oder wem Verfolgung droht. Auch wenn es sich anmasst, diese Frage vom Ratssaal aus beurteilen zu können.»

Unglaublich, was sich Walser da anmasst, aus dem Glashaus an der Werdstrasse oder aus ihrer Verrichtungsbox massregeln zu können. Vielleicht ist es ihr nicht bekannt, dass nicht allzu wenige Ukraineflüchtlinge gerne Ferien machen – in der Ukraine. Denn weite Teile des Landes sind nach wie vor vom Krieg verschont. Aus diesem Grund, und das verschweigt Walser wohlweislich, will das Parlament den Schutzstatus S aberkennen, wenn sich der Flüchtling länger als 14 Tage nicht in der Schweiz aufhält. Schmerzlich, dass so die Ferien dramatisch verkürzt werden.

Zum Schluss ihrer kurzen Philippika geht Walser richtig in die Vollen:

«Welchen Schaden es mit dem Entscheid verursacht, scheint dem Parlament egal zu sein. Für ein bisschen symbolische Härte nimmt es in Kauf, mit dem Schweizer Alleingang die EU zu verärgern, die auf ein koordiniertes Vorgehen setzt. Es nimmt in Kauf, Russland als Aggressor zu erfreuen. Und es stösst die ukrainischen Flüchtlinge vor den Kopf. Die implizite Botschaft an sie lautet: Ihr seid hier nicht mehr erwünscht. Offenbar war es das mit Solidarität, zumindest im Bundeshaus. Ein trauriges Zeichen.»

Bevor wir die Taschentücher zücken oder uns gegenseitig ins Hemd heulen, schauen wir uns die Behauptungen genauer an. Die Schweiz könnte die EU verärgern? Die EU, die inzwischen selbst einräumt, dass sie die Flüchtlingsproblematik nicht im Griff hat, deren «koordiniertes Vorgehen» so aussieht, dass Mitgliedstaaten den Flüchtlingswahnsinn nicht mehr mitmachen und ihre Grenzen schliessen – oder Flüchtlinge einfach durchwinken, sich keiner an die Quotenregelungen halten will? Absurd.

«Russland als Aggressor erfreuen»? Was soll Russland denn freuen, wenn die Schweiz keine nicht asylwürdigen Flüchtlinge mehr aufnimmt? Absurd.

«Stösst Flüchtlinge vor den Kopf»? Wohl nur solche, die meinen, Asyl sei ein garantiertes Recht, das man nur einzufordern hat, und schon kann man seinen SUV auf Kosten des Schweizer Steuerzahlers auftanken und sich endlich mal das Gebiss regeln lassen. Absurd.

«War es das mit der Solidarität»? Die Schweiz zahlt 1,7 Milliarden Franken für Ukraine-Flüchtlinge im Jahr. Plus Hunderte Millionen «Wiederaufbauhilfe», bis 2036 soll sich das auf 5 Milliarden Franken summieren. Das soll in den Augen von Walser keine Solidarität sein? Absurd.

«Ein trauriges Zeichen»? Allerdings. Für verpeilte Weltfremdheit, Realitätsferne, präpotente Rechthaberei. Natürlich soll man seinen Lesern nicht unbedingt nach dem Mund schreiben. Aber der Mehrheit dermassen frech eins über die Rübe zu geben, dazu noch den Schweizer National- und Ständerat abkanzeln, das braucht schon eine ungesunde Menge an oberlehrerhafter Verbohrtheit.

Wumms: Philipp Gut

Der ehemalige stv. Chefredaktor der WeWo legt sich mit dem ehemaligen WeWo-Reporter Pelda an.

Muss man das tiefenpsychologisch deuten? Gut, unter nicht ganz geklärten Umständen von der Position des stellvertretenden Chefredaktors bei der WeWo entfernt, brät Kurt Pelda, unter nicht ganz geklärten Umständen von der WeWo zu CH Media abgewandert, eine über.

Gut war noch nie Anhänger des verbalen Floretts, eher ein Liebhaber des Zweihänders, der Hellebarde, des Morgensterns. Und den schwingt er hier gegen Pelda:

«Es fängt damit an, dass der Schweizer Reporter offensichtlich gegen russische Gesetze verstossen hat, indem er ohne Genehmigung die Grenze überquerte. Pelda hat nicht in Abrede gestellt, dass er ohne gültige Einreisepapiere nach Russland gelangt ist. Auch reiste er nicht als Privatperson auf eigene Faust nach Russland, sondern mit ukrainischen Truppen, die bei Kursk auf russisches Territorium vordrangen. Auch dies bestreitet Pelda nicht

Es hat allerdings etwas leicht Lächerliches, wenn Gut in einem Kriegsgebiet auf die Einhaltung formalbürokratischer Regeln besteht. Hätte Pelda denn bei russischen Behörden vorstellig werden sollen und sagen: hört mal, ich gedenke, mit ukrainischen Truppen russisches Territorium zu betreten, welches Visum brauche ich genau dafür, und wo soll ich das abstempeln? Oder reicht auch ein Einschussloch?

Nun war Pelda hier eindeutig ein eingebetteter Journalist, wie man es aus Angriffskriegen der USA kennt. Auch das kritisiert Gut: «Damit verbunden ist die Frage, inwiefern es sich bei dieser Berichterstattung im Verbund mit ukrainischen Truppen um «unabhängigen Journalismus» handelt

Es gibt Dafür und Dawider, allerdings macht Pelda, wie Gut immerhin zitiert, die Rahmenbedingungen öffentlich, was eine solche Teilnahme zwecks Berichterstattung transparent und akzeptabel macht:

«Sämtliche Fotos und Videos müssen vor der Publikation dem ukrainischen Verteidigungsministerium vorgelegt werden.» Dabei seien mehrere Bilder «zensiert» worden. «Ausserdem mussten wir eine zweisekündige Videosequenz entfernen, die ein blaues russisches Postauto zeigt.»

Heikler ist tatsächlich eine andere Tätigkeit Peldas; nicht als embedded journalist, sondern als Helfer, der Hilfsgüter in die Ukraine bringt:

«Er berichte «nicht nur über das Kriegsgeschehen, sondern bringt auch Hilfsgüter in die Region», heisst es auf der Website des Vereins Swiss UAid, den Pelda gegründet hat. Er liefere «Autos für die Verteidiger», konnte man im Journal 21 lesen. Und die NZZ schrieb schon vor gut einem Jahr, es sei «nicht übertrieben, zu sagen, dass Pelda und Swiss UAid ein ganzes Spital» aus der Schweiz in die Ukraine zügelten. Die Möbel und Geräte stammten vom See-Spital in Kilchberg.»

Es wäre ja vielleicht nett gewesen, wenn Gut seinen ehemaligen Kollegen Pelda um Stellungnahme gebeten hätte, so im Rahmen eines seriösen Journalismus. Aber dann hätte er wohl am Schluss nicht nochmal den Morgenstern schwingen können:

«Der Eindruck verdichtet sich, dass sich hier ein sich unabhängig gebender Journalist, der den Vorwurf weit von sich weisen würde, in irgendeiner Form einseitig und parteiisch zu sein, gerade in aller Öffentlichkeit selbst entzaubert.»

Der Eindruck verdichtet sich auch, dass Gut noch irgend ein Hühnchen aus gemeinsamer Vergangenheit mit Pelda zu rupfen hat. Anders ist diese Kollegenschelte nicht zu erklären. Oder stört sich Gut daran, dass die russische Seite offensichtlich zu blöd ist, mit embedded journalists Propaganda für die eigene Sache zu machen?

Apropos, es ist ja völlig ungeklärt, unter welchen Bedingungen der Dokumentarfilm «Russians at War» entstand, welche Vorgaben der Autorin gemacht wurden. Ausgeschlossen ist, dass sie ohne Wissen und Einwilligung der russischen Armee filmte. Das wäre noch abzuklären.

Keine Abklärung braucht hingegen, dass die Absetzung ihres Films durch das feige Zurich Zensur Festival ein Skandal ist. Die bislang ausbleibende Reaktion auf die ungeheuerliche Einmischung der ukrainischen Regierung und der ukrainischen Botschafterin in Bern ist ein Armutszeugnis der Schweizer Politik. Dass keiner der über den grünen Teppich eitel tänzelnden Promis und Möchtegern-Promis darüber ein Wort verlor, ist erbärmlich und armselig.

Werber-Geschnatter

Armer «Blick». Kaum rebranded, wird er – rebranded.

Eigentlich sind die Veränderungen minimal und marginal. Das Logo wurde wieder ans Original angenähert, nachdem ihm ein «Star-Werber» ein Regenrohr in Form eines l verpasst hatte. Das c, etwas für Feinschmecker, ist wieder etwas eckiger am Schluss der Rundung geworden, und das ganze eine Spur mehr bold. Damit dürfte schon ein hübscher Batzen in den Ausguss geflossen sein.

Aber damit ist Brandpulse natürlich noch nicht am Ende der Kunst. Denn dank Digitaltechnik kann das nun «durchdekliniert» werden:

Wobei auch vor absurden Visualisierungen nicht zurückgeschreckt wird:

Aber viel wichtiger als diese (wenigen) Taten sind natürlich viele Worte. Das typische Werbefuzzi-Gequatsche.

«Im Vordergrund stand der Anspruch, die Medienmarke Blick zu modernisieren und gleichzeitig zu homogenisieren, die qualitative Wahrnehmung zu steigern und die Marke moderner, attraktiver und frischer zu machen – ganz im Sinne von: Raus aus alten Mustern, rein in neue Formen.»

«Strategiephase … Brand Assessment … mit dem Farbanteil spielt … aus der bisherigen Box herausgenommen … Neu erscheint es auf einer weissen Bühne und verkörpert in seiner Modernität Frische und Impact.»

ZACKBUM-Leser winseln um Gnade? Nein, da müsst ihr durch: «Die für Marketingaktivitäten und Eigenwerbung eingesetzte Imagery fokussiert auf den Menschen.» Und einer geht noch: «Generell lag der Fokus auf digitalen Lösungen inklusive Motion-Designs

Natürlich muss auch der «Chief Commercial Officer» Max Buder Begeisterung heucheln: «Der neue Markenauftritt von Blick, entwickelt in enger Zusammenarbeit mit Brandpulse, setzt ein starkes Zeichen für unsere Zukunft. Er verbindet Tradition mit Innovation und unterstreicht unsere Position als führende Stimme in der Schweizer Medienlandschaft.»

Nun ist es allerdings so, dass im Print das Logo keineswegs aus seiner Box befreit ist:

Wir kommen zum herausfordernden Intelligenztest, wer findet alle Unterschiede? Der Vorher-nachher-Vergleich:

Gehen wir doch vier Jahre zurück:

Und zurück:

Und? Eindeutiger Befund: das Logo vom «Star-Weber» Frank Bodin ist mit Abstand das am meisten verunglückte. Das neuste ist wieder back to the roots, wie der Werber banglishen würde. Allerdings verzichtet es auf den eckigen i-Punkt, der zwar besser ist, aber dessen Wiederverwendung die Frage aufwerfen würde, wieso man dann nicht einfach das alte Logo eins zu eins genommen hätte, kostenfrei.

Allerdings gibt es in dieser schönen, neuen Werberwelt ein kleines Problem. Denn solche Redesigns machen zwar Werber für Werber und präsentieren sie vor völlig überforderten Managern, die froh sind, wenn sie an der richtigen Stelle der Präsentation «ach ja» sagen dürfen.

Aber eigentlich ist die Übung für die Leser gedacht, obwohl meist nicht viel an die Leser gedacht wird.

Und da machte der «Blick» den Fehler, seine Leser online um ihre Meinung zu bitten. Darauf wurde er zugeschüttet mit Schimpferei. Unübersichtlich, verwirrlich, zu viel Werbung, bitte zurück. Nach einer Schrecksekunde, in der sich die Kommentarspalte mit schimpfenden Rohrspatzen füllte, griff die Redaktion beherzt ein und spülte die meisten kritischen Kommentare.

Nach der Devise: Eure Meinung interessiert uns. Aber nur, wenn sie unsere Meinung ist.

Bei dieser neusten Übung wurde sinnlos ein Haufen Kohle verbraten, die besser für bessere Inhalte ausgegeben worden wäre. Aber wer kaum Inhalt hat, muss halt ständig an der Form rumschrauben, um einen beschäftigten Eindruck zu machen. Man will sich nicht vorstellen, wie lange die «Strategiephase» dauerte, wie viele «Strategieworkshops» stattfanden, welche Mengen an Kaffee, Chai Latte mit Hafermilch, veganen Sushis und (niemals, aber man darf ja vermuten) verbotenen Substanzen verbraucht wurden.

Damit das Logo «aus der bisherigen Box herausgenommen» wurde – um dann wieder in die bisherige Box gesteckt zu werden. Auf die Idee muss man erst mal kommen, die ist natürlich eine Box voll Geld wert.

Assange has left the building

Damit wurden früher tobende Elvis-Fans zum Ausgang getrieben. Heute eiern die Medien herum.

Persoenlich.com hat sich die Mühe gemacht, die Stellungnahme von Schweizer Berufsorganisationen und NGO einzuholen. Während «Reporter ohne Grenzen» sich einfach erleichtert zeigt und den Deal begrüsst, der zur Freilassung führte, meckert investigativ.ch daran herum. «Pressefreiheit verträgt grundsätzlich keine Deals mit Staatsbehörden», behaupten die Sesselfurzer. Nach ihnen hätte Assange wohl im Hochsicherheitstrakt krepieren sollen.

Syndicom hingegen begrüsst nicht nur die Freilassung, sondern kritisiert auch die «absolut unmenschlichen Haftbedingungen». Impressum fordert einen besseren Schutz von Whistleblowern.

Während sich bereits am zweiten Tag nach der Freilassung von Julian Assange die Mainstreammedien auf eher neutrale Reiseberichterstattung beschränken (nachdem sich vor allem bei Tamedia Kritikaster ausgetobt hatten), weist Renzo Ruf in der NZZ darauf hin, dass Assange sich für den Verstoss gegen ein Gesetz schuldig bekannt hatte, «das ursprünglich im Ersten Weltkrieg zur Verhinderung von Spionagetätigkeiten verabschiedet worden war».

Ansonsten regiert mal wieder die SDA; srf.ch, mangels eigenen Kräften, übernimmt die dpa.

Das war’s?

Ein wenig Würdigung, ein wenig Kritik, Vollpfosten wünschen dem Mann, dass er als tapferer Märtyrer in seiner Zelle hätte verfaulen sollen, denn ein aufrechter Verteidiger der Pressefreiheit gehe doch keine Deals ein.

Besonders lachhaft sind Kritiken an Assanges Grundhaltung, dass es die Aufgabe seiner Plattform sei, ihr zugespielte geheime Dokumente integral und ungeschwärzt zu veröffentlichen, auch wenn das darin angeführte Personen in Schwierigkeiten oder gar in Gefahr bringen könne.

Allerdings wäre die Alternative dazu das, was seit Jahren internationale Gangs von sogenannten «Investigativjournalisten» machen. Die bekommen von anonymen Quellen Millionen von vertraulichen und gestohlenen Geschäftsunterlagen zugespielt. Dann werten sie die monatelang im Geheimen aus und gehen mit krachenden Titeln über der Hehlerware an die Öffentlichkeit. Blutgelder, Oligarchen, Diktatoren, hochrangige Politiker, es werden Enthüllungen und Entlarvungen angekündigt (wie in der Titelillustration hier).

Dann gebären die Berge kleine Mäuse, unlängst beschwerte sich sogar ein Schweizer Vertreter dieser Zunft darüber, dass er versucht hatte, einen Skandal hochzuschreiben, der dann keiner wurde. Weil sich das Publikum nach der x-ten Wiederholung gähnend abwandte.

Das Problem dieser Methode ist allerdings: niemand kennt die Motive der Datendiebe; auffällig ist nur, dass die USA als Weltzentrale von Geldwaschmaschinen und anonymen Briefkästen nie vorkommen. Anschliessend treffen die Journalisten eine Auswahl nach Gutdünken, wen sie ans mediale Kreuz nageln wollen – und wen nicht. Schliesslich arbeiten die Ankläger, Richter und Henker mit juristisch abwattierten Konjunktiv-Unterstellungen, bis sie gelegentlich knirschend einräumen müssen, wie im Fall von Gunter Sachs selig, dass sie sich völlig verhauen haben.

Die Freilassung von Assange wäre eine Gelegenheit gewesen, dieses Verhalten kritisch zu hinterfragen. Aber doch nicht im Journalismus, der gegen alles kritisch austeilt – ausser gegen sich selbst.

Wumms: SRF

Der Gebührensender und der Persönlichkeitsschutz.

Die Krachwumm-Sendung «Rundschau» wurde anhand eines internen Dokuments und angesichts einer hohen Fluktuation sowie Burnouts von CH Media kritisch beäugt. Im «Rundschau»-Stil knöpfte sich Francesco Benini das offenbar ruppige Verhalten des Chefs Mario Poletti vor, dem unter anderem Thesenjournalismus von seiner eigenen Redaktion vorgeworfen wird.

Daraufhin biss die «Rundschau» zurück. Mit einer Stellungnahme wies sie alle Vorwürfe energisch, aber faktenfrei zurück. Gezeichnet war es «für die Redaktion» von zwei Mitarbeitern, eingehend wurde erwähnt, dass «der weitaus grösste Teil der 16 Reporter:innen, die für das Politmagazin tätig sind», diese Replik verfasst hätten. Wobei sich der Staatsfunk offenbar der modernen Sprachvergewaltigung befleissigt.

Daher gelangte ZACKBUM mit diesen drei Fragen an die Medienstelle von SRF:

  1. Es heisst einleitend, der «weitaus grösste Teil» der Reporter habe diese Stellungnahme verfasst. Wie gross ist dieser grösste Teil in Zahlen?
  2. Die Stellungnahme ist mit «im Namen der «Rundschau»-Redaktion von zwei Personen unterzeichnet. Wie kann das sein, wenn nicht alle Mitglieder der Redaktion damit einverstanden sind?
  3. Wie lauten die Namen der Unterzeichner und der Nicht-Unterzeichner?

Darauf bekamen wir diese Null-Antwort:

«SRF nimmt aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht weiter Stellung zum Fall.»

Bekäme die «Rundschau» eine solchen Schmarren vorgesetzt, sie würde sich in einer Sendung höchlichst erregen. Aber bei SRF ist das offenbar erlaubt. Was die Nennung der Anzahl der Mitverfasser dieser Antwort mit Persönlichkeitsschutz zu tun haben soll? Nichts.

Eine Antwort auf die Frage, wieso das Schreiben «im Namen der Redaktion» verfasst wurde, obwohl offensichtlich nicht alle Mitarbeiter damit einverstanden waren, fällt ebenfalls nicht unter Persönlichkeitsschutz.

Und wieso sollte es schützenswerte Bereiche der empfindsamen Persönlichkeiten der «Rundschau» verletzen, wenn Unterzeichner und Nicht-Unterzeichner mit ihrem Namen hinstehen? Wären die zu feige dafür? Wurden sie überhaupt angefragt, ob sie damit einverstanden wären, bevor die Medienstelle ihre Persönlichkeiten schützte?

Das wäre dann kein Thesen-, aber auch kein Haltungsjournalismus. Mit solchen wurstigen Antworten giesst SRF in seiner strahlenden Arroganz weiter Wasser auf die Mühlen der Initiative, die den Zwangsbeitrag deutlich absenken will. Denn das ist nun das Gegenteil von «Service Publique».

Arroganter Gebührenfunk

Die «Rundschau» kritisiert gnadenlos. Nur nicht sich selbst.

Offensichtlich knistert es im kleinen, glücklichen Team der «Rundschau». Francesco Benini von CH Media wurde ein internes Papier zugespielt, in dem 8 der 17 Mitarbeiter sich unter dem Titel «Plattform zur Verbesserung des Klimas im Ponyhof» echauffierten.

In einem halben Jahr sei knapp ein Viertel der Belegschaft abgesprungen. Schlimmer noch:

«In den vergangenen zwei Jahren erlitten zwei Mitarbeiter des SRF-Magazins ein Burn-out. Ein dritter stand kurz vor einer Erschöpfungsdepression. Ein vierter erlitt bei Dreharbeiten im Winter schwere Erfrierungen an einer Hand und musste sich in Spitalpflege begeben

Der Chef Mario Poletti antworte auf Beschwerden jeweils, dass die «Rundschau» kein Ponyhof sei. Auf diesem Ponyhof herrsche aber ein ruppiger Ton, geringe Wertschätzung, jeder sei selber dafür verantwortlich, dass er nicht krank werde, abgefrorene Finger seien «bonusrelevant», «Feuerwehreinsätze», am schlimmsten aber: der Chef verlange Thesenjournalismus.

Poletti stelle eine These auf – und dann versuchten die Reporter, die Annahme «auf irgendeine erdenkliche Weise zu bestätigen, obwohl die Realität etwas anderes zeigt». Das sei «sehr bedenklich.»» Es gebe «vorgefertigte Ideen und Vorstellungen von Protagonisten, Szenen und Schauplätzen».

Noch schlimmer: «Die «Rundschau»-Mitarbeiter fragen sich, «wieso Chefredaktor Tristan Brenn und SRF-Direktorin Nathalie Wappler untätig bleiben.» Das alles stand in diesem Papier.

Blieben sie offenbar nicht. Denn die «Rundschau» veröffentlichte eine «Stellungnahme zur Berichterstattung bei CH Media».  Hoppla. Der Lead: «Der weitaus grösste Teil der 16 Reporter:innen, die für das Politmagazin tätig sind, hat im Nachgang zum Artikel die nachfolgende Stellungnahme verfasst. Darin distanzieren sie sich von der Berichterstattung und stellen sich hinter Redaktionsleiter Mario Poletti.»

Unterzeichnet ist das Teil von zwei Redaktoren, «im Namen der «Rundschau»-Redaktion». Das ist interessant, weil nirgends ausgewiesen wird, wie gross denn der «weitaus grösste Teil» ist.

Und der Inhalt? «Einige Passagen sind nicht korrekt, andere aus dem Zusammenhang gerissen.» Das ist der Stehsatz jeder Erwiderung auf eine kritische Berichterstattung, das würde von der «Rundschau» in der Luft zerrissen – ginge es nicht um sie selbst. Dann folgt der Schuss in den eigenen Fuss: «Das zitierte Papier war eine Diskussionsgrundlage für eine Retraite, die vor einem Jahr stattgefunden hat.» Also existiert es und die zitierten Äusserungen sind korrekt wiedergegeben.

Dann folgt die Nebelgranate eins: «Wir erleben Redaktionsleiter Mario Poletti als engagierten Chef, der mit Herzblut im Journalismus tätig ist.»  Das Gegenteil wurde nicht behauptet.

Nebelgranate zwei: «Einige der genannten Inhalte sind falsch. Dies hat sich in Gesprächen, die auf dieses interne Schreiben folgten, herausgestellt. Andere sind Momentaufnahmen und Aussagen einzelner Journalist:innen.» Welche Inhalte sind denn falsch? Und welche «Momentaufnahmen» ansonsten zurechnungsfähiger Journalisten?

Dann folgt Nebelgranate drei, die allerdings auch eine gehörige Portion Lachgas verströmt. Die Arbeitslast sei tatsächlich hoch. «Dies ist allerdings nicht der Redaktionsleitung geschuldet, sondern eine Folge des zunehmenden Drucks, den alle Medienhäuser der Schweiz erleben.» Beim gebührenfinanzierte Staatssender SRF, bei dem jede Menge Sesselfurzer beschäftigt sind, der sich keinesfalls dem gleichen Druck wie private Medienhäuser ausgesetzt sieht, herrsche deswegen «unbestritten hohe Arbeitslast»?

Und natürlich wehre man sich gegen «den beschriebenen Thesen-Journalismus». Indem man einfach behauptet: «Es ist nicht korrekt, dass die Redaktionsleitung dies fördert oder gar verlangt.» Nicht korrekt? Merkwürdige Formulierung.

Aber am allerschlimmsten ist: würde auf einen kritischen Beitrag der «Rundschau» so ein windelweiches Dementi erfolgen, die Redakteure würden sich – trotz hoher Arbeitslast – einen Spass daraus machen, das in der Luft zu zerreissen. Nicht ohne hämisches Mitleid zu verströmen, dass hier Lohnabhängige sich für ihren Chef in die Bresche werfen müssen. Wobei offensichtlich nicht einmal alle «Rundschau»-Redakteure an Bord geholt werden konnten. Trotzdem wird «im Namen der Redaktion» geantwortet.

Das Problem ist: wenn diese Redaktion dermassen unprofessionell, ausweichend und windelweich auf eine dokumentierte Kritik antwortet, was ist dann von ihren Recherchierkünsten bei ihren Beiträgen zu halten?

Benini weist zu recht auf den jüngsten Fall hin, wo die «Rundschau» eine wüste Gewaltanwendung gegen eine Frau dokumentierte, die auf Video festgehalten worden war und vor über zwei Jahren stattfand. Die kleine «Schaffhauser AZ» recherchierte dann nach und stiess auf eine ganze Reihe von Ungereimtheiten in diesem Beitrag.

Benini bilanziert: «Der Text der Wochenzeitung lässt den Schluss zu, dass die «Rundschau» in ihrem Beitrag relevante Fakten unterschlug, falsche Fährten legte und Vorwürfe präsentierte, die keiner Prüfung standhalten.» Auch auf diese Kritik reagierte die «Rundschau» ungnädig und dünnhäutig.

Eine Nabelschau bei der «Rundschau», ein kritisches Hinterfragen der eigenen Kritikfähigkeit, das wäre dringend nötig. Wird aber nicht stattfinden.

Dröhnendes Schweigen

Ex-Bundesrichterin, grün, kritisch. Aber in die falsche Richtung.

Zunächst wollte Philipp Gut sein Mütchen an ihr kühlen. An der Kanti Baden habe «Klimapropaganda» stattgefunden, unter Teilnahme lauter Befürworter der Verurteilung der Schweiz im Klimaprozess in Strassburg.

Aber die «Weltwoche» pflegt noch Rede und Gegenrede. Also durfte die ehemalige Bundesrichterin Brigitte Piffner ebenfalls in der WeWo richtigstellen: «Ich vertrete die Auffassung, dass der EGMR zunehmend ins Gebiet der Politik hineinfunkt; das ist nicht seine Aufgabe.» Das habe sie auch in Baden unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

Reaktion ihrer politischen Bundesgenossen: fassungsloses Schweigen. Da sagte sich Rico Bandle von der «SonntagsZeitung» als Einziger: das will ich genauer wissen – und interviewte Pfiffner ausführlich. Schöner Titel: «Grüne Alt-Bundesrichterin kritisiert Urteile gegen die Schweiz scharf».

In der Tat:

«Ich habe zwei der letzten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die die Schweiz betreffen, sehr intensiv studiert: jenes zu den Klimaseniorinnen und jenes zum Racial Profiling (Diskriminierung eines Dunkelhäutigen bei einer Polizeikontrolle, Anm. der Red.). Beide sind aus meiner Sicht juristisch nicht haltbar.»

Und noch schlimmer: «Ich bin zwar eine Grüne, in diesem Punkt muss ich Albert Rösti aber recht geben. Das Gericht überschreitet klar seine Kompetenzen, wenn es Gesetzgebung und gar Volksabstimmungen eines Landes übersteuert.»

Auch das Urteil zum Thema Racial Profiling, in dem die Schweiz unterlag, wird von Pfiffner hart kritisiert. Wohlgemerkt auf einer rein juristischen Ebene; politischen Wertungen enthält sie sich, ihr geht es als Juristin in erster Linie darum, dass sich hier ein Gericht unglaubwürdig macht und somit seine normsetzende Kraft verliert.

Bandle fragt auch das Urteil gegen den AfD-Brandstifter Höcke ab, der wegen der in Deutschland verbotenen Verwendung nationalsozialistischer Zeichen oder Sprüche verurteilt wurde. Auch hierzu hat Pfiffner eine klare Meinung, mit der sie nicht hinter dem Berg hält:

«Ich kann und möchte nicht über die Gefährlichkeit der AfD urteilen. Was ich aber sagen kann: Wenn ein Gericht gegen eine Partei mit 20 bis 30 Prozent Wähleranteil vorgeht, so hat das Land ein grosses staatspolitisches Problem. Ich würde für grösstmögliche Zurückhaltung plädieren. Gerichte sind nicht da, um in die Politik einzugreifen.»

Nun könnte da ein anderer ausgewiesener Fachmann vielleicht anderer Ansicht sein. Nun müsste eigentlich die Grüne Partei und alle, die das Strassburger Urteil lauthals begrüsst und abgefeiert haben, zu dieser Ansicht aus berufenem Mund etwas sagen.

Während Pfiffners Auftritt in der WeWo noch indigniert totgeschwiegen wurde (falsche Plattform), konnte das Interview in der SoZ nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Wie immer, wenn die SDA einen Inhalt aufnimmt, gab es Echo in den übrigen Medien. Dort wurde schlichtweg die SDA-Zusammenfassung referiert, Berichterstatterpflicht.

Und sonst? Schweigen. Tiefes Schweigen. Indigniertes Schweigen. Debatte, Streitkultur, Gegenworte? Ist schon lustig: wozu das angebliche Sprachrohr der Putin-Versteher, das rechtspopulistische Monolautsprecher-Organ von Blochers Gnaden fähig ist, nämlich Widersprüche zu (fast) allem zuzulassen, dazu ist die versammelte grünlinke Intelligenz nicht in der Lage.

Kommt halt davon, wenn man in seiner eigenen Gesinnungsblase unter Luftabschluss verfault. Da wird jeder Hauch Frischluft ignoriert, wenn er aus der falschen Ecke kommt. Kommt er aus der eigenen, wird er auch ignoriert. Stürmt’s, dann ist doch höchstens gut für die Windräder. Aber Debatte? Kä Luscht.

Eine Stimme der Vernunft

Ach, wenn es die NZZ nicht gäbe.

Mal Hand aufs Herz: wäre die Welt ärmer, wenn Pietro Supino beschlösse, dass Tx sein Geld auch ohne Newskopieranstalten verdienen sollte? Wenn der Wannerclan seinen Kopfblattsalat entsorgte? Wenn das Ex-Boulevardorgan mit Regenrohr in den Abfluss gurgelte? Gut, ohne «Blick» mitsamt Heads, Chiefs und Leitern wäre die Welt weniger lustig, zugegeben.

Aber passend zum weinerlichen «Offenen Brief» von auf den Schlips getretenen, jammernden Wissenschaftlern (ja, das gilt auch für Nicht-Pimmelträger unter ihnen), veröffentlichte die NZZ ein langes Interview mit dem Islamwissenschaftler Reinhard Schulze. Der war von 1995 bis 2018 Professor für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie in Bern. Er baute dieses Institut auf, das nun entsorgt werden musste.

Schon das Titelzitat lässt an seiner Einschätzung keinen Zweifel: «Dass die Linke so etwas als Wissenschaft darstellt, ist ein Grauen». Zu Fall brachte das Institut nicht zuletzt ein Tweet eines Mitarbeiters, der zum Hamas-Massaker vom 7. Oktober schrieb, das sei das «beste Geschenk, das ich vor meinem Geburtstag bekommen habe». Nicht nur das, er wurde anfänglich von der Institutsleiterin, zufällig seine Gattin, energisch verteidigt.

Wie erklärt Schulze diese Fehlentwicklung? «Abgesehen von der Ungeheuerlichkeit dieses Tweets: Ignoranz und Arroganz, ein völliges Missverständnis der eigenen Rolle als Islamwissenschafter in der Öffentlichkeit. Auch eine infantile Unfähigkeit, sich später für diesen menschenverachtenden Schwachsinn zu entschuldigen.»

Heutzutage, wie die weinerlichen Briefschreiber beweisen, müssen leider wieder Selbstverständlichkeiten gesagt werden:

«Unser Anliegen war es immer, hochgradig zu differenzieren, etwa den innerpalästinensischen Diskurs zu analysieren: Was sind das für politische Positionen, wieso werden sie vertreten, gibt es antisemitische Elemente? Nun wird das Gegenteil gemacht: Es wird entdifferenziert und moralisch geurteilt. Es wird eine palästinensische Persönlichkeit geschaffen, die von einem angeblich homogenen Israel unterdrückt wird. Diese Reduktion, diese Schaffung von Volkskörpern ist ein ursprünglich sehr rechtes politisches Konzept. Dass so etwas von Linken im 21. Jahrhundert als Wissenschaft dargestellt wird, ist ein Grauen

Ein Labsal, differenzierte und kluge Ansichten zu hören wie eine Einordnung des Slogans «From the river to the sea»: «Diese Parole ist heute fester Bestandteil eines nationalistischen Diskurses. Dies bedeutet, dass Zugehörigkeit ausschliesslich über Herkunft definiert und die Nation als kollektive Identität in der Geschichte fundamentiert wird. Nicht wenige palästinensische Historiker haben diesen Nationalismus, der Ausschluss, Gewalt und Krieg bedeutet, kritisiert – ähnlich wie israelische Historiker den religiösen Nationalismus in Israel kritisieren. Dass an westlichen Universitäten der palästinensische Nationalismus und damit auch der religiöse Nationalismus der Hamas dermassen unkritisch wahrgenommen, ja gefeiert werden, ist mehr als unverständlich

ZACKBUM kann gar nicht genug zitieren: «Ultrareligiosität ist eine völlig neue Form des muslimischen Religionsverständnisses, die sich seit den achtziger Jahren herausgebildet hat. Der Jihadismus ist nur ein Teilaspekt davon. Die Vorstellung, dass der «Islamismus» neben «links» und «rechts» eine dritte Form von Radikalismus und damit eine homogene und eigenständige politische Haltung darstellt, ist falsch. Der religiöse Ultranationalismus der Hamas unterscheidet sich fundamental von der ultrareligiösen Islamdeutung des sogenannten Islamischen Staats oder vom religiösen Ethnonationalismus der Taliban

Auf seine Weise zieht Schulze ein Fazit, wohin sich der «wissenschaftliche Diskurs» inzwischen bewegt hat. Nämlich nach unten, ins Seichte, in Echokammern, in Ausschliesslichkeiten, Setzungen, in den völligen Verzicht, zwischen Mensch, Meinung und angeblicher Haltung zu differenzieren:

«Mir hat nie jemand vorgehalten, ich dürfe als alter weisser Mann aus Deutschland nicht über den Islam reden. Das wäre nun sicher anders.»

Oder anders gesagt: einem solchen alten weissen Mann aus Deutschland zu lauschen, das ist unvergleichlich viel interessanter als dem Gejammer und Gegreine von inzwischen über 1000 Unterzeichnern eines «Offenen Briefs», der das Elend der aktuellen Geisteswissenschaften erbärmlich auf den Punkt bringt.

 

Gegen die Stimme der Vernunft

Weinerlich im Elfenbeinturm. So sind die woken Wissenschaftler.

505 Unterzeichner aus der Schweiz hat ein «Offener Brief» gefunden. Von Dr. Adam Knowles, «Department of Philosophy, University of Zurich», die offenbar in den englischen Sprachraum disloziert ist, bis Dr. Zoé Kergomard, «Historisches Seminar, University of Zurich». Von Nr. 24 bis 159 handelt es sich allerdings, wissenschaftliches Neuland, um «Prof. Anonymous», «Dr. Anonymous» oder schlicht um «Anonymous, student». Eine Meinung haben, aber zu feige sein, dazu zu stehen. Das macht den unerschrockenen Forscher in seinem Elfenbeinturm aus.

Weitere Auskunft: «Dieser Brief wurde von mehreren Mitarbeiter*innen der Universität Bern zusammen mit Kolleg*innen aus den Universitäten Basel, Lausanne und Zürich verfasst.
Der Brief wurde am 27. Februar 2024 online gestellt und am 13. März 2024 mit über 1000 Unterschriften an akademische Institutionen in der Schweiz übermittelt

Es geht hier mal wieder, wie meist bei aufgeregten Intellektuellen auf Nabelschau, um alles: «Für Wissenschaftsfreiheit in der Schweiz». Himmels willen, ist die etwa gefährdet? Herrschen bald russische, chinesische, nordkoreanische Zustände in der Schweiz? Offenbar: diese «Wissenschaftler*innen» können zwar kein korrektes Deutsch, aber sie schreiben diesen

«Offenen Brief, weil wir uns grosse Sorgen über die Erosion der akademischen Freiheit sowie über das zunehmend anti-wissenschaftliche Klima in der Schweiz machen. Insbesondere möchten wir mit diesem Brief auf die verstärkten Angriffe von Teilen der Medien und Politik auf die Sozial- und Geisteswissenschaften eingehen.»

Sie warnen vor den Folgen eines «wissenschaftlich unqualifizierten und verpolitisierten Medien-Framings».

Ausgelöst wurde dieses Gejammer offenbar durch die völlig berechtigte, nicht nur mediale Kritik an Auswüchsen in wissenschaftlichen Elfenbeintürmen, wo ein Doktorand an der Uni Basel so unwidersprochen wie unwissenschaftlich behaupten darf, Israel setze Wildschweine aus, um Ernten von Palästinensern zu zerstören. Beleg- und beweisfrei, versteht sich. An den Unis von Basel und Bern, und nicht nur dort, herrscht ein ungehemmter Wildwuchs, wurden Greueltaten der Hamas gefeiert, unterstützt, verharmlost. Dass solcher Unfug nicht geduldet werden kann, versteht sich von selbst.

Aber natürlich wird das sprachlich dürftig aufgepumpt: «Durch eine sogenannte „Anti-Woke“-Agenda werden bestimmte Forschungsrichtungen, die den gegenwärtigen, gesellschaftlichen und kulturellen Wandel kritisch reflektieren (z.B. Geschlechterforschung, Postkoloniale Studien, critical race studies), von bestimmten politischen Kräften fälschlicherweise als unwissenschaftlich dargestellt. Einflussreiche Teile der Medien, die dem Wandel kritisch gegenüber stehen, liefern weithin verzerrte, vereinfachende und in vielen Fällen sachlich falsche Darstellungen von Institutionen, einzelnen Wissenschaftler*innen oder ganzen Disziplinen.»

«Als unwissenschaftlich dargestellt»? Dabei fehlt doch jeder Beweis, dass es sich hier um Wissenschaften handeln soll. Dadurch sei eine «Atmosphäre der Verunsicherung und Selbstzensur entstanden». Schliesslich endet das Pamphlet mit einer Reihe von Forderungen, darunter

  • «fordern wir die Zivilgesellschaft und Regierungsbehörden auf, die Autonomie und Integrität akademischer Institutionen aktiv zu verteidigen, und diese als wichtige Räume für die Entwicklung von neuem Wissen und die Förderung von Vielfalt, Inklusion und demokratischer Werte anzuerkennen.»

Vielfalt, Rede und Widerrede, Erkenntnisförderung im Diskurs, so geht Geisteswissenschaft. Ginge.

Besser als Christina Neuhaus in der NZZ kann man darauf nicht replizieren: «Das ist – mit Verlaub – nicht nur schlecht geschrieben, sondern auch dürftig durchdacht. Für die Unterzeichner des offenen Briefs ist politisch gefärbte Wissenschaft offenbar zum Dogma geworden. Deshalb rufen sie nach einem Panic-Room im woken Elfenbeinturm, der sie vor kritischen Nachfragen schützen soll. Forschungsfreiheit? Gefährdet! Pressefreiheit? Haltet’s Maul!»

Zu feige, diesen Offenen Brief zu unterzeichnen. Sich weinerlich darüber beschweren, dass unreflektierte Jubelschreie über ein Massaker und deren Verteidigung kräftig Gegenwind auslöst. Aber am allerschlimmsten ist: wenn (wohlbezahlte) akademische Forschung und Positionierung Sinn machen soll, dann muss sie sich Konflikten, Widerworten, Kritiken aussetzen können.

Wir plaudern über Gender, 164 sexuelle Orientierungen, über postkoloniale Aneignung, über Safe Rooms, wir machen Veranstaltungen, an denen CIS-Männer keinen Zutritt haben, wir wollen in aller Ruhe leiden und klagen und auch noch für bezahlt werden: wie tief sind diese Wissenschaftler gesunken?

Das kann man daran ermessen, dass es offensichtlich keinem der Unterzeichneten peinlich ist, seinen Namen unter ein solches Gegreine zu setzen. Noch peinlicher ist, dass von ihnen die Teilnahme «anonymer» Unterzeichner geduldet wird. Von jetzt an behauptet ZACKBUM, dass beispielsweise dieser Artikel von René Zeyer mutig mit Namen unterschrieben ist. Plus 37 anonyme Autoren, die angesichts der Repression, die ZACKBUM öffentlich erleidet, sich unwohl fühlen würden, käme ihr Name ans Licht. So tief ist die Medienkritik in der Schweiz gesunken!

Man muss leider konstatieren, dass hier ein altes Vorurteil seine neue Bestätigung findet: es gibt nichts Dümmeres als einen Wissenschafter in seinem Elfenbeinturm, der an der Ungerechtigkeit der Welt leidet. Ist das vielleicht peinlich.

Leonard Cohen brachte das Äusserste an Peinlichkeit auf den Punkt: «white man dancing». Es gibt aber noch eine Steigerung: «anonymous scientists moaning».

 

 

Blocher

Ein kleines Wunder. Ein gelungener Dok-Film von SRF.

«Christoph Blocher – Leben und Kampf für seine Schweiz» ist das, was ein gelungenes Porträt sein sollte. Eine kritische Würdigung von Mensch und Werk.

Wenn so viele TV-Dokumente vorhanden sind wie bei Christoph Blocher, wäre es ein Einfaches, die so zusammenzuschneiden, dass eine Karikatur, ein Verriss, eine Hinrichtung herauskommt. Dafür bietet der Mann mit seinem Holzfällerstil in der Politik auch genügend Anlass.

Allerdings stammt der Film von Hansjürg Zumstein. Der hat in seiner Karriere Meilensteine des Schweizer Dokumentarfilms geschaffen. Grounding der Swissair, das Bankgeheimnis, der Zusammenbruch des Erb-Imperiums, die Fifa. Komplexe Themen, die einen weniger versierten Regisseur dazu verleiten könnten, aus der Überfülle des Material etwas zu schnitzen, das den eigenen oder den allgemeinen Vorurteilen entspricht.

Gerade bei Blocher böte sich das an; kaum einer hat in den letzten 30 Jahren so polarisiert. Für die einen ist er der Gottseibeiuns, der Führer von Herrliberg, wie ihn ein Kläffer aus dem Hause Ringier regelmässig beschimpft. Für die anderen ist er ein Heilsbringer, der Mann, der unerschrocken die Unabhängigkeit der Schweiz verteidigt.

Zumstein gelingt das Kunststück, in anderthalb Stunden die Biographie, den Unternehmer, den Politiker, den Bundesrat und den Volkstribun zu porträtieren. Und den Kunstsammler und den Ehemann. Es ist interessant zu beobachten, wie für seine Verhältnisse sanft Blocher antwortet, wenn er kritisch-respektvoll befragt wird. Offensichtlich ist es Zumstein gelungen, Vertrauen zu erwerben, daher gewährt ihm Blocher auch tiefe Einblicke in sein Privat- und Innenleben, wie er es zuvor noch nie tat.

Geradezu anrührend seine Erzählung, wie er seine Frau kennenlernte. Es gäbe da zwei Versionen; seine laute, dass er sie in der Badeanstalt zuerst sah und dachte, das sei aber eine ausnehmend hübsche Frau. Ihre Version sei, dass man im Zug ins Gespräch gekommen sei, beide hätten Nathan der Weise gesehen, und Christoph habe so interessant darüber gesprochen, dass sie animiert gewesen sei. Die Version meiner Frau ist mehr das Hochgeistige, meine das Menschliche, kommentiert Blocher schalkhaft.

Er gesteht seine Unsicherheit nach Entscheidungen ein, lobt die Rolle seiner Frau, gibt sich bescheiden; man solle nicht sagen, man habe etwas erfolgreich geschafft; es ist recht herausgekommen, das sei der passende Ausdruck.

Der Film zeigt auch ausführlich den Redner Blocher, in seiner folkloristischen Umgebung mit Treichlern, Alphornbläsern und Alpaufgängen. Bei einem Anlass hat er als Vorredner Roger Köppel; geradezu peinlich, wie sich hier der Unterschied zwischen einer volkstümlichen Urgewalt und einem etwas kreischigen Nachahmer zeigt.

Ems-Chemie, seine Abwahl aus dem Bundesrat, kein wichtiges Thema lässt Zumstein aus. Er schöpft aus der Fülle von Begegnungen über viele Jahre hinweg, lässt auch dem aktuellen Blocher viel Zeit, seine Sicht der Dinge darzulegen. Ist das der echte Blocher oder der Machtmensch mit Kalkül, der genau weiss, welche Akzente er setzen will? Diese Frage ist schwer zu beantworten, aber näher ist wohl noch niemand diesem Ausnahmepolitiker gekommen. Gerechter hat ihn auch noch niemand dargestellt.

Bezeichnend, dass einzig das SP-Urgestein Helmut Hubacher im Film auftritt und Contra gibt, aber auch mit Respekt. Bei seinen gewählten Worten und intelligenten Analysen bedauert man wieder, dass Hubacher im hohen Alter verstorben ist; immerhin bewahrt ihn das davor, unter der Mediokrität und Banalität seiner Nachfolger leiden zu müssen.

Dieser Film ist gleichzeitig das Vermächtnis von Zumstein; er wurde pensioniert, nicht ganz freiwillig. Damit hat sich SRF des einzigen Dokfilmers von Format beraubt; bislang ist keiner in Sicht, der in die sehr, sehr grossen Fussstapfen von Zumstein treten könnte.

Und Blocher, der kräftig austeilt (aber auch einsteckt), hat das Glück gehabt, das letzte Thema von Zumstein zu sein. Wohlverdient, eine der seltenen Sternstunden des Schweizer Farbfernsehens. Das wäre übrigens auch mit 200 Franken Zwangsgebühren problemlos möglich und würde SRF weiterhin zur Ehre gereichen. Gäbe es mehr solche hochklassigen Dokfilme, würde nicht nur der Auftrag von SRF erfüllt, sondern der Sender würde sich auch wohltuend vom oberflächlichen Gewäffel und Gekreische der Medienhäuser abheben, wo die richtige Meinung immer wichtiger wird als Kompetenz und Kenntnis.