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Werber-Geschnatter

Armer «Blick». Kaum rebranded, wird er – rebranded.

Eigentlich sind die Veränderungen minimal und marginal. Das Logo wurde wieder ans Original angenähert, nachdem ihm ein «Star-Werber» ein Regenrohr in Form eines l verpasst hatte. Das c, etwas für Feinschmecker, ist wieder etwas eckiger am Schluss der Rundung geworden, und das ganze eine Spur mehr bold. Damit dürfte schon ein hübscher Batzen in den Ausguss geflossen sein.

Aber damit ist Brandpulse natürlich noch nicht am Ende der Kunst. Denn dank Digitaltechnik kann das nun «durchdekliniert» werden:

Wobei auch vor absurden Visualisierungen nicht zurückgeschreckt wird:

Aber viel wichtiger als diese (wenigen) Taten sind natürlich viele Worte. Das typische Werbefuzzi-Gequatsche.

«Im Vordergrund stand der Anspruch, die Medienmarke Blick zu modernisieren und gleichzeitig zu homogenisieren, die qualitative Wahrnehmung zu steigern und die Marke moderner, attraktiver und frischer zu machen – ganz im Sinne von: Raus aus alten Mustern, rein in neue Formen.»

«Strategiephase … Brand Assessment … mit dem Farbanteil spielt … aus der bisherigen Box herausgenommen … Neu erscheint es auf einer weissen Bühne und verkörpert in seiner Modernität Frische und Impact.»

ZACKBUM-Leser winseln um Gnade? Nein, da müsst ihr durch: «Die für Marketingaktivitäten und Eigenwerbung eingesetzte Imagery fokussiert auf den Menschen.» Und einer geht noch: «Generell lag der Fokus auf digitalen Lösungen inklusive Motion-Designs

Natürlich muss auch der «Chief Commercial Officer» Max Buder Begeisterung heucheln: «Der neue Markenauftritt von Blick, entwickelt in enger Zusammenarbeit mit Brandpulse, setzt ein starkes Zeichen für unsere Zukunft. Er verbindet Tradition mit Innovation und unterstreicht unsere Position als führende Stimme in der Schweizer Medienlandschaft.»

Nun ist es allerdings so, dass im Print das Logo keineswegs aus seiner Box befreit ist:

Wir kommen zum herausfordernden Intelligenztest, wer findet alle Unterschiede? Der Vorher-nachher-Vergleich:

Gehen wir doch vier Jahre zurück:

Und zurück:

Und? Eindeutiger Befund: das Logo vom «Star-Weber» Frank Bodin ist mit Abstand das am meisten verunglückte. Das neuste ist wieder back to the roots, wie der Werber banglishen würde. Allerdings verzichtet es auf den eckigen i-Punkt, der zwar besser ist, aber dessen Wiederverwendung die Frage aufwerfen würde, wieso man dann nicht einfach das alte Logo eins zu eins genommen hätte, kostenfrei.

Allerdings gibt es in dieser schönen, neuen Werberwelt ein kleines Problem. Denn solche Redesigns machen zwar Werber für Werber und präsentieren sie vor völlig überforderten Managern, die froh sind, wenn sie an der richtigen Stelle der Präsentation «ach ja» sagen dürfen.

Aber eigentlich ist die Übung für die Leser gedacht, obwohl meist nicht viel an die Leser gedacht wird.

Und da machte der «Blick» den Fehler, seine Leser online um ihre Meinung zu bitten. Darauf wurde er zugeschüttet mit Schimpferei. Unübersichtlich, verwirrlich, zu viel Werbung, bitte zurück. Nach einer Schrecksekunde, in der sich die Kommentarspalte mit schimpfenden Rohrspatzen füllte, griff die Redaktion beherzt ein und spülte die meisten kritischen Kommentare.

Nach der Devise: Eure Meinung interessiert uns. Aber nur, wenn sie unsere Meinung ist.

Bei dieser neusten Übung wurde sinnlos ein Haufen Kohle verbraten, die besser für bessere Inhalte ausgegeben worden wäre. Aber wer kaum Inhalt hat, muss halt ständig an der Form rumschrauben, um einen beschäftigten Eindruck zu machen. Man will sich nicht vorstellen, wie lange die «Strategiephase» dauerte, wie viele «Strategieworkshops» stattfanden, welche Mengen an Kaffee, Chai Latte mit Hafermilch, veganen Sushis und (niemals, aber man darf ja vermuten) verbotenen Substanzen verbraucht wurden.

Damit das Logo «aus der bisherigen Box herausgenommen» wurde – um dann wieder in die bisherige Box gesteckt zu werden. Auf die Idee muss man erst mal kommen, die ist natürlich eine Box voll Geld wert.

Assange has left the building

Damit wurden früher tobende Elvis-Fans zum Ausgang getrieben. Heute eiern die Medien herum.

Persoenlich.com hat sich die Mühe gemacht, die Stellungnahme von Schweizer Berufsorganisationen und NGO einzuholen. Während «Reporter ohne Grenzen» sich einfach erleichtert zeigt und den Deal begrüsst, der zur Freilassung führte, meckert investigativ.ch daran herum. «Pressefreiheit verträgt grundsätzlich keine Deals mit Staatsbehörden», behaupten die Sesselfurzer. Nach ihnen hätte Assange wohl im Hochsicherheitstrakt krepieren sollen.

Syndicom hingegen begrüsst nicht nur die Freilassung, sondern kritisiert auch die «absolut unmenschlichen Haftbedingungen». Impressum fordert einen besseren Schutz von Whistleblowern.

Während sich bereits am zweiten Tag nach der Freilassung von Julian Assange die Mainstreammedien auf eher neutrale Reiseberichterstattung beschränken (nachdem sich vor allem bei Tamedia Kritikaster ausgetobt hatten), weist Renzo Ruf in der NZZ darauf hin, dass Assange sich für den Verstoss gegen ein Gesetz schuldig bekannt hatte, «das ursprünglich im Ersten Weltkrieg zur Verhinderung von Spionagetätigkeiten verabschiedet worden war».

Ansonsten regiert mal wieder die SDA; srf.ch, mangels eigenen Kräften, übernimmt die dpa.

Das war’s?

Ein wenig Würdigung, ein wenig Kritik, Vollpfosten wünschen dem Mann, dass er als tapferer Märtyrer in seiner Zelle hätte verfaulen sollen, denn ein aufrechter Verteidiger der Pressefreiheit gehe doch keine Deals ein.

Besonders lachhaft sind Kritiken an Assanges Grundhaltung, dass es die Aufgabe seiner Plattform sei, ihr zugespielte geheime Dokumente integral und ungeschwärzt zu veröffentlichen, auch wenn das darin angeführte Personen in Schwierigkeiten oder gar in Gefahr bringen könne.

Allerdings wäre die Alternative dazu das, was seit Jahren internationale Gangs von sogenannten «Investigativjournalisten» machen. Die bekommen von anonymen Quellen Millionen von vertraulichen und gestohlenen Geschäftsunterlagen zugespielt. Dann werten sie die monatelang im Geheimen aus und gehen mit krachenden Titeln über der Hehlerware an die Öffentlichkeit. Blutgelder, Oligarchen, Diktatoren, hochrangige Politiker, es werden Enthüllungen und Entlarvungen angekündigt (wie in der Titelillustration hier).

Dann gebären die Berge kleine Mäuse, unlängst beschwerte sich sogar ein Schweizer Vertreter dieser Zunft darüber, dass er versucht hatte, einen Skandal hochzuschreiben, der dann keiner wurde. Weil sich das Publikum nach der x-ten Wiederholung gähnend abwandte.

Das Problem dieser Methode ist allerdings: niemand kennt die Motive der Datendiebe; auffällig ist nur, dass die USA als Weltzentrale von Geldwaschmaschinen und anonymen Briefkästen nie vorkommen. Anschliessend treffen die Journalisten eine Auswahl nach Gutdünken, wen sie ans mediale Kreuz nageln wollen – und wen nicht. Schliesslich arbeiten die Ankläger, Richter und Henker mit juristisch abwattierten Konjunktiv-Unterstellungen, bis sie gelegentlich knirschend einräumen müssen, wie im Fall von Gunter Sachs selig, dass sie sich völlig verhauen haben.

Die Freilassung von Assange wäre eine Gelegenheit gewesen, dieses Verhalten kritisch zu hinterfragen. Aber doch nicht im Journalismus, der gegen alles kritisch austeilt – ausser gegen sich selbst.

Wumms: SRF

Der Gebührensender und der Persönlichkeitsschutz.

Die Krachwumm-Sendung «Rundschau» wurde anhand eines internen Dokuments und angesichts einer hohen Fluktuation sowie Burnouts von CH Media kritisch beäugt. Im «Rundschau»-Stil knöpfte sich Francesco Benini das offenbar ruppige Verhalten des Chefs Mario Poletti vor, dem unter anderem Thesenjournalismus von seiner eigenen Redaktion vorgeworfen wird.

Daraufhin biss die «Rundschau» zurück. Mit einer Stellungnahme wies sie alle Vorwürfe energisch, aber faktenfrei zurück. Gezeichnet war es «für die Redaktion» von zwei Mitarbeitern, eingehend wurde erwähnt, dass «der weitaus grösste Teil der 16 Reporter:innen, die für das Politmagazin tätig sind», diese Replik verfasst hätten. Wobei sich der Staatsfunk offenbar der modernen Sprachvergewaltigung befleissigt.

Daher gelangte ZACKBUM mit diesen drei Fragen an die Medienstelle von SRF:

  1. Es heisst einleitend, der «weitaus grösste Teil» der Reporter habe diese Stellungnahme verfasst. Wie gross ist dieser grösste Teil in Zahlen?
  2. Die Stellungnahme ist mit «im Namen der «Rundschau»-Redaktion von zwei Personen unterzeichnet. Wie kann das sein, wenn nicht alle Mitglieder der Redaktion damit einverstanden sind?
  3. Wie lauten die Namen der Unterzeichner und der Nicht-Unterzeichner?

Darauf bekamen wir diese Null-Antwort:

«SRF nimmt aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht weiter Stellung zum Fall.»

Bekäme die «Rundschau» eine solchen Schmarren vorgesetzt, sie würde sich in einer Sendung höchlichst erregen. Aber bei SRF ist das offenbar erlaubt. Was die Nennung der Anzahl der Mitverfasser dieser Antwort mit Persönlichkeitsschutz zu tun haben soll? Nichts.

Eine Antwort auf die Frage, wieso das Schreiben «im Namen der Redaktion» verfasst wurde, obwohl offensichtlich nicht alle Mitarbeiter damit einverstanden waren, fällt ebenfalls nicht unter Persönlichkeitsschutz.

Und wieso sollte es schützenswerte Bereiche der empfindsamen Persönlichkeiten der «Rundschau» verletzen, wenn Unterzeichner und Nicht-Unterzeichner mit ihrem Namen hinstehen? Wären die zu feige dafür? Wurden sie überhaupt angefragt, ob sie damit einverstanden wären, bevor die Medienstelle ihre Persönlichkeiten schützte?

Das wäre dann kein Thesen-, aber auch kein Haltungsjournalismus. Mit solchen wurstigen Antworten giesst SRF in seiner strahlenden Arroganz weiter Wasser auf die Mühlen der Initiative, die den Zwangsbeitrag deutlich absenken will. Denn das ist nun das Gegenteil von «Service Publique».

Arroganter Gebührenfunk

Die «Rundschau» kritisiert gnadenlos. Nur nicht sich selbst.

Offensichtlich knistert es im kleinen, glücklichen Team der «Rundschau». Francesco Benini von CH Media wurde ein internes Papier zugespielt, in dem 8 der 17 Mitarbeiter sich unter dem Titel «Plattform zur Verbesserung des Klimas im Ponyhof» echauffierten.

In einem halben Jahr sei knapp ein Viertel der Belegschaft abgesprungen. Schlimmer noch:

«In den vergangenen zwei Jahren erlitten zwei Mitarbeiter des SRF-Magazins ein Burn-out. Ein dritter stand kurz vor einer Erschöpfungsdepression. Ein vierter erlitt bei Dreharbeiten im Winter schwere Erfrierungen an einer Hand und musste sich in Spitalpflege begeben

Der Chef Mario Poletti antworte auf Beschwerden jeweils, dass die «Rundschau» kein Ponyhof sei. Auf diesem Ponyhof herrsche aber ein ruppiger Ton, geringe Wertschätzung, jeder sei selber dafür verantwortlich, dass er nicht krank werde, abgefrorene Finger seien «bonusrelevant», «Feuerwehreinsätze», am schlimmsten aber: der Chef verlange Thesenjournalismus.

Poletti stelle eine These auf – und dann versuchten die Reporter, die Annahme «auf irgendeine erdenkliche Weise zu bestätigen, obwohl die Realität etwas anderes zeigt». Das sei «sehr bedenklich.»» Es gebe «vorgefertigte Ideen und Vorstellungen von Protagonisten, Szenen und Schauplätzen».

Noch schlimmer: «Die «Rundschau»-Mitarbeiter fragen sich, «wieso Chefredaktor Tristan Brenn und SRF-Direktorin Nathalie Wappler untätig bleiben.» Das alles stand in diesem Papier.

Blieben sie offenbar nicht. Denn die «Rundschau» veröffentlichte eine «Stellungnahme zur Berichterstattung bei CH Media».  Hoppla. Der Lead: «Der weitaus grösste Teil der 16 Reporter:innen, die für das Politmagazin tätig sind, hat im Nachgang zum Artikel die nachfolgende Stellungnahme verfasst. Darin distanzieren sie sich von der Berichterstattung und stellen sich hinter Redaktionsleiter Mario Poletti.»

Unterzeichnet ist das Teil von zwei Redaktoren, «im Namen der «Rundschau»-Redaktion». Das ist interessant, weil nirgends ausgewiesen wird, wie gross denn der «weitaus grösste Teil» ist.

Und der Inhalt? «Einige Passagen sind nicht korrekt, andere aus dem Zusammenhang gerissen.» Das ist der Stehsatz jeder Erwiderung auf eine kritische Berichterstattung, das würde von der «Rundschau» in der Luft zerrissen – ginge es nicht um sie selbst. Dann folgt der Schuss in den eigenen Fuss: «Das zitierte Papier war eine Diskussionsgrundlage für eine Retraite, die vor einem Jahr stattgefunden hat.» Also existiert es und die zitierten Äusserungen sind korrekt wiedergegeben.

Dann folgt die Nebelgranate eins: «Wir erleben Redaktionsleiter Mario Poletti als engagierten Chef, der mit Herzblut im Journalismus tätig ist.»  Das Gegenteil wurde nicht behauptet.

Nebelgranate zwei: «Einige der genannten Inhalte sind falsch. Dies hat sich in Gesprächen, die auf dieses interne Schreiben folgten, herausgestellt. Andere sind Momentaufnahmen und Aussagen einzelner Journalist:innen.» Welche Inhalte sind denn falsch? Und welche «Momentaufnahmen» ansonsten zurechnungsfähiger Journalisten?

Dann folgt Nebelgranate drei, die allerdings auch eine gehörige Portion Lachgas verströmt. Die Arbeitslast sei tatsächlich hoch. «Dies ist allerdings nicht der Redaktionsleitung geschuldet, sondern eine Folge des zunehmenden Drucks, den alle Medienhäuser der Schweiz erleben.» Beim gebührenfinanzierte Staatssender SRF, bei dem jede Menge Sesselfurzer beschäftigt sind, der sich keinesfalls dem gleichen Druck wie private Medienhäuser ausgesetzt sieht, herrsche deswegen «unbestritten hohe Arbeitslast»?

Und natürlich wehre man sich gegen «den beschriebenen Thesen-Journalismus». Indem man einfach behauptet: «Es ist nicht korrekt, dass die Redaktionsleitung dies fördert oder gar verlangt.» Nicht korrekt? Merkwürdige Formulierung.

Aber am allerschlimmsten ist: würde auf einen kritischen Beitrag der «Rundschau» so ein windelweiches Dementi erfolgen, die Redakteure würden sich – trotz hoher Arbeitslast – einen Spass daraus machen, das in der Luft zu zerreissen. Nicht ohne hämisches Mitleid zu verströmen, dass hier Lohnabhängige sich für ihren Chef in die Bresche werfen müssen. Wobei offensichtlich nicht einmal alle «Rundschau»-Redakteure an Bord geholt werden konnten. Trotzdem wird «im Namen der Redaktion» geantwortet.

Das Problem ist: wenn diese Redaktion dermassen unprofessionell, ausweichend und windelweich auf eine dokumentierte Kritik antwortet, was ist dann von ihren Recherchierkünsten bei ihren Beiträgen zu halten?

Benini weist zu recht auf den jüngsten Fall hin, wo die «Rundschau» eine wüste Gewaltanwendung gegen eine Frau dokumentierte, die auf Video festgehalten worden war und vor über zwei Jahren stattfand. Die kleine «Schaffhauser AZ» recherchierte dann nach und stiess auf eine ganze Reihe von Ungereimtheiten in diesem Beitrag.

Benini bilanziert: «Der Text der Wochenzeitung lässt den Schluss zu, dass die «Rundschau» in ihrem Beitrag relevante Fakten unterschlug, falsche Fährten legte und Vorwürfe präsentierte, die keiner Prüfung standhalten.» Auch auf diese Kritik reagierte die «Rundschau» ungnädig und dünnhäutig.

Eine Nabelschau bei der «Rundschau», ein kritisches Hinterfragen der eigenen Kritikfähigkeit, das wäre dringend nötig. Wird aber nicht stattfinden.

Dröhnendes Schweigen

Ex-Bundesrichterin, grün, kritisch. Aber in die falsche Richtung.

Zunächst wollte Philipp Gut sein Mütchen an ihr kühlen. An der Kanti Baden habe «Klimapropaganda» stattgefunden, unter Teilnahme lauter Befürworter der Verurteilung der Schweiz im Klimaprozess in Strassburg.

Aber die «Weltwoche» pflegt noch Rede und Gegenrede. Also durfte die ehemalige Bundesrichterin Brigitte Piffner ebenfalls in der WeWo richtigstellen: «Ich vertrete die Auffassung, dass der EGMR zunehmend ins Gebiet der Politik hineinfunkt; das ist nicht seine Aufgabe.» Das habe sie auch in Baden unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

Reaktion ihrer politischen Bundesgenossen: fassungsloses Schweigen. Da sagte sich Rico Bandle von der «SonntagsZeitung» als Einziger: das will ich genauer wissen – und interviewte Pfiffner ausführlich. Schöner Titel: «Grüne Alt-Bundesrichterin kritisiert Urteile gegen die Schweiz scharf».

In der Tat:

«Ich habe zwei der letzten Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die die Schweiz betreffen, sehr intensiv studiert: jenes zu den Klimaseniorinnen und jenes zum Racial Profiling (Diskriminierung eines Dunkelhäutigen bei einer Polizeikontrolle, Anm. der Red.). Beide sind aus meiner Sicht juristisch nicht haltbar.»

Und noch schlimmer: «Ich bin zwar eine Grüne, in diesem Punkt muss ich Albert Rösti aber recht geben. Das Gericht überschreitet klar seine Kompetenzen, wenn es Gesetzgebung und gar Volksabstimmungen eines Landes übersteuert.»

Auch das Urteil zum Thema Racial Profiling, in dem die Schweiz unterlag, wird von Pfiffner hart kritisiert. Wohlgemerkt auf einer rein juristischen Ebene; politischen Wertungen enthält sie sich, ihr geht es als Juristin in erster Linie darum, dass sich hier ein Gericht unglaubwürdig macht und somit seine normsetzende Kraft verliert.

Bandle fragt auch das Urteil gegen den AfD-Brandstifter Höcke ab, der wegen der in Deutschland verbotenen Verwendung nationalsozialistischer Zeichen oder Sprüche verurteilt wurde. Auch hierzu hat Pfiffner eine klare Meinung, mit der sie nicht hinter dem Berg hält:

«Ich kann und möchte nicht über die Gefährlichkeit der AfD urteilen. Was ich aber sagen kann: Wenn ein Gericht gegen eine Partei mit 20 bis 30 Prozent Wähleranteil vorgeht, so hat das Land ein grosses staatspolitisches Problem. Ich würde für grösstmögliche Zurückhaltung plädieren. Gerichte sind nicht da, um in die Politik einzugreifen.»

Nun könnte da ein anderer ausgewiesener Fachmann vielleicht anderer Ansicht sein. Nun müsste eigentlich die Grüne Partei und alle, die das Strassburger Urteil lauthals begrüsst und abgefeiert haben, zu dieser Ansicht aus berufenem Mund etwas sagen.

Während Pfiffners Auftritt in der WeWo noch indigniert totgeschwiegen wurde (falsche Plattform), konnte das Interview in der SoZ nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Wie immer, wenn die SDA einen Inhalt aufnimmt, gab es Echo in den übrigen Medien. Dort wurde schlichtweg die SDA-Zusammenfassung referiert, Berichterstatterpflicht.

Und sonst? Schweigen. Tiefes Schweigen. Indigniertes Schweigen. Debatte, Streitkultur, Gegenworte? Ist schon lustig: wozu das angebliche Sprachrohr der Putin-Versteher, das rechtspopulistische Monolautsprecher-Organ von Blochers Gnaden fähig ist, nämlich Widersprüche zu (fast) allem zuzulassen, dazu ist die versammelte grünlinke Intelligenz nicht in der Lage.

Kommt halt davon, wenn man in seiner eigenen Gesinnungsblase unter Luftabschluss verfault. Da wird jeder Hauch Frischluft ignoriert, wenn er aus der falschen Ecke kommt. Kommt er aus der eigenen, wird er auch ignoriert. Stürmt’s, dann ist doch höchstens gut für die Windräder. Aber Debatte? Kä Luscht.

Eine Stimme der Vernunft

Ach, wenn es die NZZ nicht gäbe.

Mal Hand aufs Herz: wäre die Welt ärmer, wenn Pietro Supino beschlösse, dass Tx sein Geld auch ohne Newskopieranstalten verdienen sollte? Wenn der Wannerclan seinen Kopfblattsalat entsorgte? Wenn das Ex-Boulevardorgan mit Regenrohr in den Abfluss gurgelte? Gut, ohne «Blick» mitsamt Heads, Chiefs und Leitern wäre die Welt weniger lustig, zugegeben.

Aber passend zum weinerlichen «Offenen Brief» von auf den Schlips getretenen, jammernden Wissenschaftlern (ja, das gilt auch für Nicht-Pimmelträger unter ihnen), veröffentlichte die NZZ ein langes Interview mit dem Islamwissenschaftler Reinhard Schulze. Der war von 1995 bis 2018 Professor für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie in Bern. Er baute dieses Institut auf, das nun entsorgt werden musste.

Schon das Titelzitat lässt an seiner Einschätzung keinen Zweifel: «Dass die Linke so etwas als Wissenschaft darstellt, ist ein Grauen». Zu Fall brachte das Institut nicht zuletzt ein Tweet eines Mitarbeiters, der zum Hamas-Massaker vom 7. Oktober schrieb, das sei das «beste Geschenk, das ich vor meinem Geburtstag bekommen habe». Nicht nur das, er wurde anfänglich von der Institutsleiterin, zufällig seine Gattin, energisch verteidigt.

Wie erklärt Schulze diese Fehlentwicklung? «Abgesehen von der Ungeheuerlichkeit dieses Tweets: Ignoranz und Arroganz, ein völliges Missverständnis der eigenen Rolle als Islamwissenschafter in der Öffentlichkeit. Auch eine infantile Unfähigkeit, sich später für diesen menschenverachtenden Schwachsinn zu entschuldigen.»

Heutzutage, wie die weinerlichen Briefschreiber beweisen, müssen leider wieder Selbstverständlichkeiten gesagt werden:

«Unser Anliegen war es immer, hochgradig zu differenzieren, etwa den innerpalästinensischen Diskurs zu analysieren: Was sind das für politische Positionen, wieso werden sie vertreten, gibt es antisemitische Elemente? Nun wird das Gegenteil gemacht: Es wird entdifferenziert und moralisch geurteilt. Es wird eine palästinensische Persönlichkeit geschaffen, die von einem angeblich homogenen Israel unterdrückt wird. Diese Reduktion, diese Schaffung von Volkskörpern ist ein ursprünglich sehr rechtes politisches Konzept. Dass so etwas von Linken im 21. Jahrhundert als Wissenschaft dargestellt wird, ist ein Grauen

Ein Labsal, differenzierte und kluge Ansichten zu hören wie eine Einordnung des Slogans «From the river to the sea»: «Diese Parole ist heute fester Bestandteil eines nationalistischen Diskurses. Dies bedeutet, dass Zugehörigkeit ausschliesslich über Herkunft definiert und die Nation als kollektive Identität in der Geschichte fundamentiert wird. Nicht wenige palästinensische Historiker haben diesen Nationalismus, der Ausschluss, Gewalt und Krieg bedeutet, kritisiert – ähnlich wie israelische Historiker den religiösen Nationalismus in Israel kritisieren. Dass an westlichen Universitäten der palästinensische Nationalismus und damit auch der religiöse Nationalismus der Hamas dermassen unkritisch wahrgenommen, ja gefeiert werden, ist mehr als unverständlich

ZACKBUM kann gar nicht genug zitieren: «Ultrareligiosität ist eine völlig neue Form des muslimischen Religionsverständnisses, die sich seit den achtziger Jahren herausgebildet hat. Der Jihadismus ist nur ein Teilaspekt davon. Die Vorstellung, dass der «Islamismus» neben «links» und «rechts» eine dritte Form von Radikalismus und damit eine homogene und eigenständige politische Haltung darstellt, ist falsch. Der religiöse Ultranationalismus der Hamas unterscheidet sich fundamental von der ultrareligiösen Islamdeutung des sogenannten Islamischen Staats oder vom religiösen Ethnonationalismus der Taliban

Auf seine Weise zieht Schulze ein Fazit, wohin sich der «wissenschaftliche Diskurs» inzwischen bewegt hat. Nämlich nach unten, ins Seichte, in Echokammern, in Ausschliesslichkeiten, Setzungen, in den völligen Verzicht, zwischen Mensch, Meinung und angeblicher Haltung zu differenzieren:

«Mir hat nie jemand vorgehalten, ich dürfe als alter weisser Mann aus Deutschland nicht über den Islam reden. Das wäre nun sicher anders.»

Oder anders gesagt: einem solchen alten weissen Mann aus Deutschland zu lauschen, das ist unvergleichlich viel interessanter als dem Gejammer und Gegreine von inzwischen über 1000 Unterzeichnern eines «Offenen Briefs», der das Elend der aktuellen Geisteswissenschaften erbärmlich auf den Punkt bringt.

 

Gegen die Stimme der Vernunft

Weinerlich im Elfenbeinturm. So sind die woken Wissenschaftler.

505 Unterzeichner aus der Schweiz hat ein «Offener Brief» gefunden. Von Dr. Adam Knowles, «Department of Philosophy, University of Zurich», die offenbar in den englischen Sprachraum disloziert ist, bis Dr. Zoé Kergomard, «Historisches Seminar, University of Zurich». Von Nr. 24 bis 159 handelt es sich allerdings, wissenschaftliches Neuland, um «Prof. Anonymous», «Dr. Anonymous» oder schlicht um «Anonymous, student». Eine Meinung haben, aber zu feige sein, dazu zu stehen. Das macht den unerschrockenen Forscher in seinem Elfenbeinturm aus.

Weitere Auskunft: «Dieser Brief wurde von mehreren Mitarbeiter*innen der Universität Bern zusammen mit Kolleg*innen aus den Universitäten Basel, Lausanne und Zürich verfasst.
Der Brief wurde am 27. Februar 2024 online gestellt und am 13. März 2024 mit über 1000 Unterschriften an akademische Institutionen in der Schweiz übermittelt

Es geht hier mal wieder, wie meist bei aufgeregten Intellektuellen auf Nabelschau, um alles: «Für Wissenschaftsfreiheit in der Schweiz». Himmels willen, ist die etwa gefährdet? Herrschen bald russische, chinesische, nordkoreanische Zustände in der Schweiz? Offenbar: diese «Wissenschaftler*innen» können zwar kein korrektes Deutsch, aber sie schreiben diesen

«Offenen Brief, weil wir uns grosse Sorgen über die Erosion der akademischen Freiheit sowie über das zunehmend anti-wissenschaftliche Klima in der Schweiz machen. Insbesondere möchten wir mit diesem Brief auf die verstärkten Angriffe von Teilen der Medien und Politik auf die Sozial- und Geisteswissenschaften eingehen.»

Sie warnen vor den Folgen eines «wissenschaftlich unqualifizierten und verpolitisierten Medien-Framings».

Ausgelöst wurde dieses Gejammer offenbar durch die völlig berechtigte, nicht nur mediale Kritik an Auswüchsen in wissenschaftlichen Elfenbeintürmen, wo ein Doktorand an der Uni Basel so unwidersprochen wie unwissenschaftlich behaupten darf, Israel setze Wildschweine aus, um Ernten von Palästinensern zu zerstören. Beleg- und beweisfrei, versteht sich. An den Unis von Basel und Bern, und nicht nur dort, herrscht ein ungehemmter Wildwuchs, wurden Greueltaten der Hamas gefeiert, unterstützt, verharmlost. Dass solcher Unfug nicht geduldet werden kann, versteht sich von selbst.

Aber natürlich wird das sprachlich dürftig aufgepumpt: «Durch eine sogenannte „Anti-Woke“-Agenda werden bestimmte Forschungsrichtungen, die den gegenwärtigen, gesellschaftlichen und kulturellen Wandel kritisch reflektieren (z.B. Geschlechterforschung, Postkoloniale Studien, critical race studies), von bestimmten politischen Kräften fälschlicherweise als unwissenschaftlich dargestellt. Einflussreiche Teile der Medien, die dem Wandel kritisch gegenüber stehen, liefern weithin verzerrte, vereinfachende und in vielen Fällen sachlich falsche Darstellungen von Institutionen, einzelnen Wissenschaftler*innen oder ganzen Disziplinen.»

«Als unwissenschaftlich dargestellt»? Dabei fehlt doch jeder Beweis, dass es sich hier um Wissenschaften handeln soll. Dadurch sei eine «Atmosphäre der Verunsicherung und Selbstzensur entstanden». Schliesslich endet das Pamphlet mit einer Reihe von Forderungen, darunter

  • «fordern wir die Zivilgesellschaft und Regierungsbehörden auf, die Autonomie und Integrität akademischer Institutionen aktiv zu verteidigen, und diese als wichtige Räume für die Entwicklung von neuem Wissen und die Förderung von Vielfalt, Inklusion und demokratischer Werte anzuerkennen.»

Vielfalt, Rede und Widerrede, Erkenntnisförderung im Diskurs, so geht Geisteswissenschaft. Ginge.

Besser als Christina Neuhaus in der NZZ kann man darauf nicht replizieren: «Das ist – mit Verlaub – nicht nur schlecht geschrieben, sondern auch dürftig durchdacht. Für die Unterzeichner des offenen Briefs ist politisch gefärbte Wissenschaft offenbar zum Dogma geworden. Deshalb rufen sie nach einem Panic-Room im woken Elfenbeinturm, der sie vor kritischen Nachfragen schützen soll. Forschungsfreiheit? Gefährdet! Pressefreiheit? Haltet’s Maul!»

Zu feige, diesen Offenen Brief zu unterzeichnen. Sich weinerlich darüber beschweren, dass unreflektierte Jubelschreie über ein Massaker und deren Verteidigung kräftig Gegenwind auslöst. Aber am allerschlimmsten ist: wenn (wohlbezahlte) akademische Forschung und Positionierung Sinn machen soll, dann muss sie sich Konflikten, Widerworten, Kritiken aussetzen können.

Wir plaudern über Gender, 164 sexuelle Orientierungen, über postkoloniale Aneignung, über Safe Rooms, wir machen Veranstaltungen, an denen CIS-Männer keinen Zutritt haben, wir wollen in aller Ruhe leiden und klagen und auch noch für bezahlt werden: wie tief sind diese Wissenschaftler gesunken?

Das kann man daran ermessen, dass es offensichtlich keinem der Unterzeichneten peinlich ist, seinen Namen unter ein solches Gegreine zu setzen. Noch peinlicher ist, dass von ihnen die Teilnahme «anonymer» Unterzeichner geduldet wird. Von jetzt an behauptet ZACKBUM, dass beispielsweise dieser Artikel von René Zeyer mutig mit Namen unterschrieben ist. Plus 37 anonyme Autoren, die angesichts der Repression, die ZACKBUM öffentlich erleidet, sich unwohl fühlen würden, käme ihr Name ans Licht. So tief ist die Medienkritik in der Schweiz gesunken!

Man muss leider konstatieren, dass hier ein altes Vorurteil seine neue Bestätigung findet: es gibt nichts Dümmeres als einen Wissenschafter in seinem Elfenbeinturm, der an der Ungerechtigkeit der Welt leidet. Ist das vielleicht peinlich.

Leonard Cohen brachte das Äusserste an Peinlichkeit auf den Punkt: «white man dancing». Es gibt aber noch eine Steigerung: «anonymous scientists moaning».

 

 

Blocher

Ein kleines Wunder. Ein gelungener Dok-Film von SRF.

«Christoph Blocher – Leben und Kampf für seine Schweiz» ist das, was ein gelungenes Porträt sein sollte. Eine kritische Würdigung von Mensch und Werk.

Wenn so viele TV-Dokumente vorhanden sind wie bei Christoph Blocher, wäre es ein Einfaches, die so zusammenzuschneiden, dass eine Karikatur, ein Verriss, eine Hinrichtung herauskommt. Dafür bietet der Mann mit seinem Holzfällerstil in der Politik auch genügend Anlass.

Allerdings stammt der Film von Hansjürg Zumstein. Der hat in seiner Karriere Meilensteine des Schweizer Dokumentarfilms geschaffen. Grounding der Swissair, das Bankgeheimnis, der Zusammenbruch des Erb-Imperiums, die Fifa. Komplexe Themen, die einen weniger versierten Regisseur dazu verleiten könnten, aus der Überfülle des Material etwas zu schnitzen, das den eigenen oder den allgemeinen Vorurteilen entspricht.

Gerade bei Blocher böte sich das an; kaum einer hat in den letzten 30 Jahren so polarisiert. Für die einen ist er der Gottseibeiuns, der Führer von Herrliberg, wie ihn ein Kläffer aus dem Hause Ringier regelmässig beschimpft. Für die anderen ist er ein Heilsbringer, der Mann, der unerschrocken die Unabhängigkeit der Schweiz verteidigt.

Zumstein gelingt das Kunststück, in anderthalb Stunden die Biographie, den Unternehmer, den Politiker, den Bundesrat und den Volkstribun zu porträtieren. Und den Kunstsammler und den Ehemann. Es ist interessant zu beobachten, wie für seine Verhältnisse sanft Blocher antwortet, wenn er kritisch-respektvoll befragt wird. Offensichtlich ist es Zumstein gelungen, Vertrauen zu erwerben, daher gewährt ihm Blocher auch tiefe Einblicke in sein Privat- und Innenleben, wie er es zuvor noch nie tat.

Geradezu anrührend seine Erzählung, wie er seine Frau kennenlernte. Es gäbe da zwei Versionen; seine laute, dass er sie in der Badeanstalt zuerst sah und dachte, das sei aber eine ausnehmend hübsche Frau. Ihre Version sei, dass man im Zug ins Gespräch gekommen sei, beide hätten Nathan der Weise gesehen, und Christoph habe so interessant darüber gesprochen, dass sie animiert gewesen sei. Die Version meiner Frau ist mehr das Hochgeistige, meine das Menschliche, kommentiert Blocher schalkhaft.

Er gesteht seine Unsicherheit nach Entscheidungen ein, lobt die Rolle seiner Frau, gibt sich bescheiden; man solle nicht sagen, man habe etwas erfolgreich geschafft; es ist recht herausgekommen, das sei der passende Ausdruck.

Der Film zeigt auch ausführlich den Redner Blocher, in seiner folkloristischen Umgebung mit Treichlern, Alphornbläsern und Alpaufgängen. Bei einem Anlass hat er als Vorredner Roger Köppel; geradezu peinlich, wie sich hier der Unterschied zwischen einer volkstümlichen Urgewalt und einem etwas kreischigen Nachahmer zeigt.

Ems-Chemie, seine Abwahl aus dem Bundesrat, kein wichtiges Thema lässt Zumstein aus. Er schöpft aus der Fülle von Begegnungen über viele Jahre hinweg, lässt auch dem aktuellen Blocher viel Zeit, seine Sicht der Dinge darzulegen. Ist das der echte Blocher oder der Machtmensch mit Kalkül, der genau weiss, welche Akzente er setzen will? Diese Frage ist schwer zu beantworten, aber näher ist wohl noch niemand diesem Ausnahmepolitiker gekommen. Gerechter hat ihn auch noch niemand dargestellt.

Bezeichnend, dass einzig das SP-Urgestein Helmut Hubacher im Film auftritt und Contra gibt, aber auch mit Respekt. Bei seinen gewählten Worten und intelligenten Analysen bedauert man wieder, dass Hubacher im hohen Alter verstorben ist; immerhin bewahrt ihn das davor, unter der Mediokrität und Banalität seiner Nachfolger leiden zu müssen.

Dieser Film ist gleichzeitig das Vermächtnis von Zumstein; er wurde pensioniert, nicht ganz freiwillig. Damit hat sich SRF des einzigen Dokfilmers von Format beraubt; bislang ist keiner in Sicht, der in die sehr, sehr grossen Fussstapfen von Zumstein treten könnte.

Und Blocher, der kräftig austeilt (aber auch einsteckt), hat das Glück gehabt, das letzte Thema von Zumstein zu sein. Wohlverdient, eine der seltenen Sternstunden des Schweizer Farbfernsehens. Das wäre übrigens auch mit 200 Franken Zwangsgebühren problemlos möglich und würde SRF weiterhin zur Ehre gereichen. Gäbe es mehr solche hochklassigen Dokfilme, würde nicht nur der Auftrag von SRF erfüllt, sondern der Sender würde sich auch wohltuend vom oberflächlichen Gewäffel und Gekreische der Medienhäuser abheben, wo die richtige Meinung immer wichtiger wird als Kompetenz und Kenntnis.

Aufruf zum Rechtsbruch?

Mit Vollgas in den Wilden Westen.

Oliver Zihlmann, einmal losgelassen, lässt nichts aus. Neben zwei Kampagnen-Artikeln, in denen drittklassige «Experten» dafür herhalten mussten, der Schweiz Saures zu geben, greift er nun zum Äussersten: dem Kommentar.

Unter der neuen Leitung wuchert eine Sittenverluderung ohnegleichen im «Tages-Anzeiger». Eigentlich wäre es die Aufgabe der Chefredaktion, reputationsschädigende Texte vor Publikation abzufangen. Denn wenn Zihlmann das Wort ergreift, spricht er nicht nur für sich, lädiert er nicht nur den Ruf des sogenannten Recherchedecks – er beschädigt auch die Restreputation der einstmals angesehenen Tageszeitung. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sein Gewäffel durch ein rundes Dutzend Kopfblätter multipliziert wird.

Schon der erste Satz stammt aus Absurdistan: «Warum kritisierten die Botschafter der G-7 und der EU den Bundesrat in einem harschen Brief für die nachlässige Umsetzung der Russland-Sanktionen?» Erstens gibt es dafür naheliegende Gründe, auf die Zihlmann aber trotz scharfen Nachdenkens nicht kommt. Zweitens unterstellt er hier, die Schweiz sei nachlässig. Wofür es – ausser haltlosen Behauptungen – keinerlei Beleg gibt.

Nicht mal in einem Kommentar, nicht mal im Tagi sollte erlaubt sein, ausnahmslos anonyme Zeugen für wilde Behauptungen aufzuführen: «In einem Universum leben jene, die in Russlands Angriffskrieg einen Zivilisationsbruch sehen, gegen den man ankämpfen muss, und zwar mit allem, was menschenmöglich ist. In den Gesprächen spürt man eine grosse Entschlossenheit. Sie wollen ermitteln, jeden Schlupfwinkel aufspüren, um die Umgehung der Sanktionen zu verhindern. Rechtliche und bürokratische Hürden gilt es zu beachten, aber wo immer möglich zu überwinden, um letztlich dieses grössere Ziel zu erreichen. Diese Haltung findet man bei vielen Diplomaten aus anderen westlichen Staaten.»

Rechtliche und bürokratische «Hürden» überwinden, für das «grössere Ziel». Das ist der Sprech von Antidemokraten, von Verächtern des Rechtsstaats. Kein Wunder, wollen diese «vielen Diplomaten» anonym bleiben, sie wissen um die Fragwürdigkeit solcher Aussagen. Zihlmann kennt diese Hemmung allerdings nicht.

Hier haben wir also die Guten, die Anhänger einer Wildwest-Justiz, wo das Recht nur eine Hürde ist, die man zu überwinden habe. Auf der anderen Seite die Schnarchsäcke aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco: «Dort heisst es, man sei keine Polizei, man gehe zwar Hinweisen nach, aber grundsätzlich sei doch davon auszugehen, dass sich alle im Land an die Gesetze hielten. Die Grundannahme ist also erst einmal, dass alles in Ordnung sei.»

Es gilt die Unschuldsvermutung, im Zweifel für den Angeklagten, es braucht einen Anfangsverdacht, es gibt keinen Generalverdacht, es gibt keine angebräunte Stigmatisierung «Russe – Geld – suspekt», unglaublich, meint Zihlmann. «Wenn man mit Vertretern des ersten Universums über das Seco redet, dann spürt man sehr viel Ärger über die defensive Haltung der Schweiz

Das Einhalten von rechtsstaatlichen Regeln, das Bestehen darauf, dass in der Schweiz Schweizer Verfahren und Gesetze gelten; statt sich da dummdreiste Anrempeleien aus dem Ausland zu verbitten, behauptet Zihlmann: «Es geht um das mörderische Regime von Putin und seiner Entourage. «Wir können leider nichts machen» ist die falsche Haltung dazu

Falsch, Zihlmann. Wir werfen deswegen unseren Rechtsstaat mitsamt seinen fundamentalen Prinzipien über Bord, das ist die kreuzfalsche Haltung dazu. Dass eine solche Wildwest-Meinung ungefiltert, ohne korrigiert zu werden einem Millionenpublikum serviert werden darf, ist eine mehr als bedenkliche Sittenverluderung im Hause Tx. Wenn es um seinen eigenen Ruf geht, bemüht Big Boss Pietro Supino schnell einmal die Gerichte. Geht es um den Ruf seines Hauses, bleibt er untätig.

«Republik»: Der Sumpf

Der ehemalige Chefredaktor Christof Moser beschimpft den VR.

Auch der Misserfolg hat Väter. Bei der «Republik» sind das vor allem die beiden Gründer Christof Moser und Constantin Seibt. Seibt mäandert sich seit der Gründung mit ellenlangen Texten durch das Magazin, die immer weniger Leser finden, aber immerhin kürzer als das halbe Buch über Google sind. Wenn auch nicht weniger langweilig. Über sich selbst wuchs er in ellenlangen Newslettern hinaus, in denen mit immer neuen Sprachgirlanden eingestanden werden musste, dass die «Republik» ihre Finanzen nie im Griff hatte. Einmal drohte sie sogar mit Selbstmord, um an neue Kohle ranzukommen.

Wie viele Abonnenten es brauche, um welches Budget zu finanzieren, selbst an dieser einfachen Berechnung scheitert das Organ bis heute. Seibt ist dabei der Strippenzieher und Guerillakämpfer, der sich gerne als einfachen «Reporter» bezeichnet. Clever trat er blitzschnell aus dem VR zurück, als ein möglicher Steuerbeschiss von fast einer Million Franken ruchbar wurde. Da könnte es ja Haftungsfragen geben.

Christof Moser übernahm von Anfang an die Chefredaktion und verteidige mit Zähnen und Klauen (und viel Geld für Anwälte) jede Fehlleistung der «Republik», die ums Verrecken niemals freiwillig eine Korrektur oder gar eine Entschuldigung publizieren wollte. Aber musste.

Zwischen den beiden soll es dann zu einem Diadochenkampf gekommen sein, den Seibt gewann, Ende 2021 wurde Moser vom Posten des Chefredaktors hinausgetragen. Seither bekleidet er die nicht näher definierte Position einer «Stabsstelle Chefredaktion». Aus dem fernen Berlin. Von dort aus schimpfte er schon vor Monaten über üble Intriganten-, Vettern- und Misswirtschaft auf der «Republik».

Lustigerweise auf Englisch keifte er: «Es geht sehr schnell und man sieht sich plötzlich mit einer Anhäufung von Inkompetenz, Mobbing und Fehlentscheidungen konfrontiert, die einen sabotieren. Und sie hindern dich daran, erfolgreich weiterzuarbeiten.»

Sein Ratschlag:

«Achten Sie darauf, was hinter ihrem Rücken in den strategischen Gremien passiert.»

Damit war offensichtlich auch der VR gemeint. Seine damalige Prognose: «Ist das (schlechtes Management, Red.) passiert, setzt sich die Abwärtsspirale fort und das Unternehmen bricht langsam aber sicher zusammen. Warum? Denn schlechtes Management lässt sich nur durch noch mehr schlechtes Management rechtfertigen. Es geht weiter und weiter und weiter. Und wird niemals aufhören. Bis der Schaden angerichtet ist.» Und die Verwirrten im Sumpf steckenbleiben und nicht herausfinden.

Aktuell legt Moser nach: «Erinnerst du dich an mein Posting über «the swamp», diese tödliche Mischung aus Inkompetenz, Mobbing und Fehlentscheidungen? Jeder, der in den letzten 16 Monaten den falschen Kurs des Vorstands (und der Unterstützer im Hintergrund) kritisierte, wurde diffamiert. Nun liess sich der Sumpf nicht mehr verbergen. Und den Preis zahlen wie immer die Mitarbeiter. Das ist traurig.»

Und was sagt die «Republik» zu dieser vernichtenden Attacke ihres Mitgründers und Mitarbeiters in einer Stabsstelle? Das sei dann im Fall nicht ihre Meinung.

Das ruft nach einer Wortschöpfung: Republipeinlich. Konfliktscheue, inkompetente Geldvernichter. Mit dem eigenen Bauchnabel beschäftigt und mit sonst nichts. Zurzeit im Nahkampfmodus, wer fliegt und wer bleiben darf. Eines ist dabei sonnenklar: transparent wird der Prozess nicht ablaufen, nicht die Schlechtesten und Überflüssigsten werden gehen müssen, nicht die Besseren und Brauchbaren werden bleiben. Sondern hier wird ganz human, solidarisch und gutmenschlich gemobbt, intrigiert und gemeuchelt.