Blocher

Ein kleines Wunder. Ein gelungener Dok-Film von SRF.

«Christoph Blocher – Leben und Kampf für seine Schweiz» ist das, was ein gelungenes Porträt sein sollte. Eine kritische Würdigung von Mensch und Werk.

Wenn so viele TV-Dokumente vorhanden sind wie bei Christoph Blocher, wäre es ein Einfaches, die so zusammenzuschneiden, dass eine Karikatur, ein Verriss, eine Hinrichtung herauskommt. Dafür bietet der Mann mit seinem Holzfällerstil in der Politik auch genügend Anlass.

Allerdings stammt der Film von Hansjürg Zumstein. Der hat in seiner Karriere Meilensteine des Schweizer Dokumentarfilms geschaffen. Grounding der Swissair, das Bankgeheimnis, der Zusammenbruch des Erb-Imperiums, die Fifa. Komplexe Themen, die einen weniger versierten Regisseur dazu verleiten könnten, aus der Überfülle des Material etwas zu schnitzen, das den eigenen oder den allgemeinen Vorurteilen entspricht.

Gerade bei Blocher böte sich das an; kaum einer hat in den letzten 30 Jahren so polarisiert. Für die einen ist er der Gottseibeiuns, der Führer von Herrliberg, wie ihn ein Kläffer aus dem Hause Ringier regelmässig beschimpft. Für die anderen ist er ein Heilsbringer, der Mann, der unerschrocken die Unabhängigkeit der Schweiz verteidigt.

Zumstein gelingt das Kunststück, in anderthalb Stunden die Biographie, den Unternehmer, den Politiker, den Bundesrat und den Volkstribun zu porträtieren. Und den Kunstsammler und den Ehemann. Es ist interessant zu beobachten, wie für seine Verhältnisse sanft Blocher antwortet, wenn er kritisch-respektvoll befragt wird. Offensichtlich ist es Zumstein gelungen, Vertrauen zu erwerben, daher gewährt ihm Blocher auch tiefe Einblicke in sein Privat- und Innenleben, wie er es zuvor noch nie tat.

Geradezu anrührend seine Erzählung, wie er seine Frau kennenlernte. Es gäbe da zwei Versionen; seine laute, dass er sie in der Badeanstalt zuerst sah und dachte, das sei aber eine ausnehmend hübsche Frau. Ihre Version sei, dass man im Zug ins Gespräch gekommen sei, beide hätten Nathan der Weise gesehen, und Christoph habe so interessant darüber gesprochen, dass sie animiert gewesen sei. Die Version meiner Frau ist mehr das Hochgeistige, meine das Menschliche, kommentiert Blocher schalkhaft.

Er gesteht seine Unsicherheit nach Entscheidungen ein, lobt die Rolle seiner Frau, gibt sich bescheiden; man solle nicht sagen, man habe etwas erfolgreich geschafft; es ist recht herausgekommen, das sei der passende Ausdruck.

Der Film zeigt auch ausführlich den Redner Blocher, in seiner folkloristischen Umgebung mit Treichlern, Alphornbläsern und Alpaufgängen. Bei einem Anlass hat er als Vorredner Roger Köppel; geradezu peinlich, wie sich hier der Unterschied zwischen einer volkstümlichen Urgewalt und einem etwas kreischigen Nachahmer zeigt.

Ems-Chemie, seine Abwahl aus dem Bundesrat, kein wichtiges Thema lässt Zumstein aus. Er schöpft aus der Fülle von Begegnungen über viele Jahre hinweg, lässt auch dem aktuellen Blocher viel Zeit, seine Sicht der Dinge darzulegen. Ist das der echte Blocher oder der Machtmensch mit Kalkül, der genau weiss, welche Akzente er setzen will? Diese Frage ist schwer zu beantworten, aber näher ist wohl noch niemand diesem Ausnahmepolitiker gekommen. Gerechter hat ihn auch noch niemand dargestellt.

Bezeichnend, dass einzig das SP-Urgestein Helmut Hubacher im Film auftritt und Contra gibt, aber auch mit Respekt. Bei seinen gewählten Worten und intelligenten Analysen bedauert man wieder, dass Hubacher im hohen Alter verstorben ist; immerhin bewahrt ihn das davor, unter der Mediokrität und Banalität seiner Nachfolger leiden zu müssen.

Dieser Film ist gleichzeitig das Vermächtnis von Zumstein; er wurde pensioniert, nicht ganz freiwillig. Damit hat sich SRF des einzigen Dokfilmers von Format beraubt; bislang ist keiner in Sicht, der in die sehr, sehr grossen Fussstapfen von Zumstein treten könnte.

Und Blocher, der kräftig austeilt (aber auch einsteckt), hat das Glück gehabt, das letzte Thema von Zumstein zu sein. Wohlverdient, eine der seltenen Sternstunden des Schweizer Farbfernsehens. Das wäre übrigens auch mit 200 Franken Zwangsgebühren problemlos möglich und würde SRF weiterhin zur Ehre gereichen. Gäbe es mehr solche hochklassigen Dokfilme, würde nicht nur der Auftrag von SRF erfüllt, sondern der Sender würde sich auch wohltuend vom oberflächlichen Gewäffel und Gekreische der Medienhäuser abheben, wo die richtige Meinung immer wichtiger wird als Kompetenz und Kenntnis.

2 Kommentare
  1. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Man muss den Blocher nehmen wie er ist. Und heute ist er ja
    altersmilde und oft sogar altersweise. Hingewiesen werden muss
    vor allem auf sein Meisterwerk «Das Malocher-Prinzip».

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  2. Peter Bitterli
    Peter Bitterli sagte:

    Der Luzerner Kunstpreisträger Beat Bieri ist zwar ein hundsmiserabler Zuhörer, macht aber immer mal wieder einen ganz schönen Dokumentarfilm über eine spezielle Person, eine skurrile Institution, ein Quartier oder ein historisch gewordenes Ereignis. Soviel Gerechtigkeit muss sein.

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