Entspannt euch
Das Qualitätsorgan Tagi hat ein Riesenproblem entdeckt: Männerblicke.
Tina Fassbind hat den Blick fürs Wesentliche. Während ihr Kollege Beat Metzler sich nach getaner Arbeit entspannt, nimmt sie die Fackel auf und führt den Kampf weiter. Der Glotzologe verfeinert derweil seinen Spann-o-Meter, mit dem gemessen werden kann, ab wann männliches Schauen in Glotzen übergeht und schliesslich im Spannen denaturiert.
«Sie liegt so zentral wie kein anderes Sommerbad in Zürich – und genau das wurde vor einigen Tagen zum Problem: In der Frauenbadi beim Zürcher Stadhausquai klagte eine Besucherin über Spanner.»
Wohlgemerkt: eine (in Zahlen 1). Die Dame hat einen Adlerblick: «Sie beobachtete zwei Männer dabei, wie sie aus etwa 30 Meter Entfernung auf den Steg starrten, auf dem sich viele Frauen oben ohne sonnten.» Wohlgemerkt glotzte sie nicht etwa, sondern beobachtete. Und konnte – womöglich mit Feldstecher – über diese Distanz die männlichen Blicke als starren enttarnen.
Nun hat Fassbind hier die Grenzen des Rechtsstaats ausgelotet: «Ein Vergehen liegt allerdings nicht vor. «Schauen ist auf öffentlichem Grund nicht verboten», sagt Marc Surber, Sprecher der Zürcher Stadtpolizei.» Hier ist für den Gesetzgeber dringlicher Handlungsbedarf vorhanden, oder will er etwa einfach zuschauen, wie auf öffentlichem Grund hemmungslos geschaut wird?
Auch im Flussbad oberer Letten ist die Lage zwar nicht kritisch, aber angespannt, wie der von Fassbind befragte Betriebsleiter kundtut: «Laut Dubs gab es in der aktuellen Saison zwar keine Klagen über Spanner. In der Vergangenheit kam es aber vor, dass von einer Anhöhe auf der gegenüberliegenden Flussseite Personen auf das Sonnendeck der Frauen geblickt haben.» Da muss dieser Dubs aber harthörig sein, wenn er keine Klagen vernommen haben will. Ist er wirklich seiner Aufgabe gewachsen?
Die Recherchierjournalistin in ihrem Lauf hält nichts auf, nicht einmal die Vergangenheit: «Drei Vorfälle seien es in den elf Jahren gewesen, als er noch Betriebsleiter am Oberen Letten war, sagt Adrian Kehl.»
Alle Schaltjahre ein Vorfall, ein von Fassbind aufgedeckter, viel zu lange unterdrückter Skandal, ohne Frage. Wo bleiben die Gegenmassnahmen? Muss sich erst in drei Jahren wieder eine Frau durch Männerblicke belästigt fühlen, damit endlich etwas passiert? Zeigt sich hier nicht typisch männliche Gleichgültigkeit, der tägliche Sexismus, dem Frauen überall im öffentlichen Raum ausgesetzt sind, vor allem in der Frauenbadi?
Auch hier hat Fassbind unerbittlich nachgehakt: «Ob es bald auch in der Frauenbadi am Stadthausquai einen Vorhang geben wird, der die Gäste vor Einblicken schützt, wird gegenwärtig geprüft. Dabei müssten nicht nur funktionale, sondern auch denkmalpflegerische Aspekte berücksichtigt werden, teilt Hermann Schumacher, stellvertretender Direktor der Zürcher Sportanlagen, auf Anfrage mit.»
Typisch Mann, kann denn Denkmalschutz wichtiger sein als der Schutz der Frau? Werden Mohrenköpfe geschützt, Frauenkörper aber nicht? Das kann sich mann eben nicht vorstellen, wie es ist, wenn ein Männerblick auf einem Frauenkörper ruht, ihn betastet, die Besitzerin des Körpers auf ein Sexualobjekt reduziert. Das kann Traumata auslösen, die erst durch fachmännische, Pardon, fachfrauliche Betreuung, Therapie und Gruppensitzungen mit Händchenhalten wieder geheilt werden können.
Und diese Kosten muss ja auch wieder die Allgemeinheit via Krankenkasse tragen. Dagegen ist doch die Installation eines Vorhangs ein Klacks. Oder wollen wir zusehen (räusper), wie sich Frauen nicht mehr anders zu helfen wissen als einen Ganzkörperpräservativ, auch bekannt als Burka, zu tragen? In der Frauenbadi?
Aber damit nicht genug; wie Glotzologe Metzler schon richtig bemerkte, fühlen sich auch Männer unwohl, wenn sie von Männern angeglotzt werden. Dieses Thema allerdings vernachlässigt Fassbind in ihrem Nachzug. Oder spart es sich für ein Andermal auf. Allerdings blicken beide Koryphäen weg, wenn es um einen weiteren Aspekt geht: wenn Frauen Männer anglotzen. Oder gar Frauen Frauen. Da gibt es noch so viel aufzudecken und mit dem gnadenlosen Blick des Recherchierjournalisten zu sezieren. Ein Fall für Brönnimann.
Und ein weiterer Hinweis zwecks Tiefenrecherche: wie ist es eigentlich, wenn ein Nonbinärer, ein Genderfluider glotzt? Also wenn Nemo eine Frau, nun ja, anschaut. Kann er dann ein Spanner sein? Oder wenn er es bei einem Mann tut? Bei einer Tunte? Fragen über Fragen. Wir wollen Antworten.
Tagi, bleib dran, dieses Thema darf nicht aus dem Blick der Öffentlichkeit verschwinden. Gerade wir männlichen Leser wünschen uns unbedingt mehr davon, denn wir wissen doch: Männer sind Schweine.