5:1 für die Zürichsee-Zeitung
Zwei Redaktoren, ein Thema. Vor dem Tamedia-Streichkonzert wird gewetteifert.
Vor der grossen Entlassungswelle bei der Tamedia-Gruppe ab Juni 2021 (Zackbum berichtete) geben die Regional-Redaktionen nochmals alles, um die interne Konkurrenz auszustechen. Aktuelles Beispiel: Die geplante Sanierung der Pfauenbühne in Zürich. An die Medienkonferenz von vergangener Woche kam vom «Tagi» Beat Metzler, die Zürichsee-Zeitung beorderte Michel Wenzler. Aus dem gleichen Verlag also zwei Journalisten, die dann jeweils im Regionalteil berichten. Genau ein Fall also, der bald nicht mehr vorkommen soll im Hause Tamedia. Zum Thema Sparen sagte kürzlich Nicole Bänninger zu zackbum.ch nämlich: «Dies bedingt eine noch engere redaktionsübergreifende Zusammenarbeit».
Was ist denn gut an den Artikeln, was nicht? Wer war wo besser?
Speziell an beiden Artikel ist, dass das gleiche Foto von Thomas Egli, eine Totale des Saals, verwendet wurde. In der Zürichsee-Zeitung (ZSZ) wurde das Bild aber noch so aufgehellt, dass es schon fast unwirklich erscheint. Journalistisch heikel, ästhetisch aber topp. 1:0 für die ZSZ.
Lustig: beide Artikel haben fast den gleichen Titel. Zufall oder ein Spass der Abschlussredaktoren? «Der 94 Jahre alte Saal soll weg» beim Tages-Anzeiger (TA) vs. «Und der Saal soll doch weg». Auch hier geht der Punkt an die ZSZ. Denn ihr Titel nimmt noch Bezug auf den Befehl des Stadtzürcher Gemeinderats an den Stadtrat, verschiedene Sanierungsszenarien aufzuzeigen. 2:0 für die ZSZ.
Auch beim Gesamteindruck geht der Punkt an die SZS. Ein 5-spaltiges Bild über dem Text wirkt besser als ein Vierspalter neben einem Einspalt-Text. Zudem arbeitet die ZSZ mit einem lesefreundlichen Kasten, wo die Gegner auf einen Blick zu Wort kommen. 3:0 für die ZSZ.
Die beiden Texte sind solide, mit einigermassen spannenden Einstiegen. Doch wie im Tagesjournalismus üblich werden Aussagen aus der Medienmitteilung eins zu eins übernommen. «Die Haustechnik befindet sich in einem schlechten Zustand», schreibt Metzler. Differenzierter ist da Wenzler. «Dass etwas getan werden muss, ist weitgehend unbestritten». Weil die ZSZ dem Thema bedeutend mehr Platz einräumt, geht auch dieser Punkt an die ZSZ. Es steht schon 4:0.
Wirklich lieblos sind die Zwischentitel gesetzt, zumindest beim Tagi. Im ganzen Text ein einziger und erst noch bieder mit «Kosten: 115 Millionen Franken». Die Zürichsee-Zeitung kontert mit «Freie Sicht auf die Schuhe». Das gefällt besser. 5:0.
Beat Metzler brachte das Kunststück fertig, praktisch bei jedem Zitat das Verb «sagte» zu benutzen. Dazu gehen die Meinungen auseinander. Die einen finden, immer das gleiche Verb sei langweilig, die anderen sind überzeugt, dass genau das den Text lesbarer mache. Ein Trostpunkt für den Tagi also: 5:1.
Das klare Endresultat: 5 zu 1 für die ZSZ in Wädenswil gegen das Mutterhaus an der Werdstrasse in Zürich.
Beat Metzler hat sein Heimspiel (Redaktionsitz in Zürich, wie der Pfauen) versemmelt. Michel Wenzler, hergereist aus der ZSZ-Redaktion in Wädenswil, hat gekämpft für die angeschlagene ZSZ und in der Blattkritik mit 5:1 gewonnen. Angeschlagen ist die ZSZ darum, weil bei grossen Sparrunden immer zuerst in Aussenstationen der Hebel angesetzt wird.
Sicher ist: So eine Übung mit zwei Journalisten aus dem gleichen Verlag wird es ab Frühling 2021 nicht mehr geben. Und das ist gar nicht mal so schlecht, auch wenn die Vielfalt verloren gehen wird.
Nicht so hart urteilen. Beat Metzler hatte anstrengende Wochen, über den Pfauensaal schreiben und den Nachruf für Charlotte Peter, die am 3. November 2020 starb. Der Nachruf ist im Stil Schüleraufsatz schön strukturiert geschrieben, ein kleines Porträt, 1spaltig, ca 3 cm hoch, wurde auch platziert. Man merkt Metzler hatte keine Ahnung von der Frau, musste Informationen mühsam erfragen und zusammentragen, entsprechend der Text, lieblos und krampfhaft. Die Redaktion hätte besser verzichtet, nach 3 Wochen keinen interessanteren und der Person gerechteren Nachruf zu publizieren ist peinlich.
Nicht so hart urteilen Victor Brunner. Lese jedes Jahr viele Nachrufe. Derjenige über die Reisejournalistin Charlotte Peter im TA von heute ist zumindest nicht abgefallen.
Ja, die Verspätung von drei Wochen wirft ein schlechtes Licht auf diese Redaktion. Darf schlichtwegs nicht passieren in einem Zeitungshaus hoher Ansprüche……
Der Nachruf für diese reisebegabte Charlotte Peter ist doch akzeptabel. Mag insbesondere den Titel dazu: «Sie wollte, dass ihr Geist ins grosse Nichts eingeht.»
Die Mitbegründerin des modernen Reisejournalismus in der Schweiz hat diese Würdigung verdient. Viele ihrer Leserinnen der damaligen ELLE sind ja auch bereits im reifen Pensionsalter.
5 – 1½ für die ZSZ.
Heute endlich eine wirklich schöne Würdigung von Charlotte Peter im Tagesanzeiger. Gut gemacht, leider viel zu spät.
Kann deshalb bloss einen ½-Punkt geben.