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Affäre Lachappelle: das Ende

Verfahren eingestellt, alle Vorwürfe haltlos. Das ist das Ende eines Medienskandals.

Den VR-Präsidenten von Raiffeisen kostete er den Job, Guy Lachappelle wurde persönlich schwer beschädigt. Die Journalistenmeute zieht weiter.

Weder Tamedia noch CH Media noch Ringier konnten widerstehen. Eine aussereheliche Beziehung, die ausser Kontrolle geraten war. Eine rachsüchtige Ex-Geliebte, die den Banker mit Strafverfahren überzog und die Medien kräftig anfütterte.

Es erschienen Dutzende von Artikeln über diesen Fall. Herausragend wie meist Arthur Rutishauser, der Oberchefredaktor von Tamedia, und Pascal Hollenstein, die publizistische Leiter nach unten von CH Media.

Jetzt vermeldet das «Tagblatt»:

««Sämtliche Anschuldigungen haben sich als haltlos erwiesen», teilte Lachappelles Anwalt am Dienstag mit. Der Staat übernehme die Kosten des Verfahrens

Auf dem Höhepunkt der Affäre, als Lachappelle seinen Rücktritt bekannt gab, feuerte Rutishauser eine ganze Tamedia-Seite ab. Dabei wird ein höchst privater E-Mail-Verkehr im Faksimile der Öffentlichkeit präsentiert. Damit wurde Tamedia angefüttert, diese Mail schickte das Medienhaus an Lachappelle mit der inquistorischen Forderung um Stellungnahme.

Rutishauser gnadenlos: «bleiben Fragen offen».

Lachappelle sah keinen anderen Ausweg mehr als Rücktritt. Dennoch trat Rutishauser in einem Kommentar nach, mit der üblichen Nummer: «Trotz Rücktritt bleiben Fragen offen». Die Frage, ob es wirklich Berichterstatterpflicht sei, mit einem privaten Mailaustausch, der einem zugesteckt wurde – von wem wohl? – hausieren zu gehen, beantwortete er nicht. Wäre auch unstatthaft für einen Konzern, der regelmässig gestohlene Geschäftsunterlagen ausschlachtet und die Hehlerware als Leaks oder Papers verkauft.

Man kann Journalismus noch mehr tieferlegen

Ein paar Stufen nach unten ging es mit der Berichterstattung von Hollenstein. Zusammen mit Florence Vuichard meldete er sich im Qualitätsmedium «watson» nach dem Rücktritt zu Wort: «Doch hat Lachappelle am Donnerstag wirklich die ganze Wahrheit gesagt? Zum Buch und zu seiner Ex-Partnerin? Dieser Zeitung liegt sowohl die Klage Lachappelles vor als auch die Klageantwort seiner Ex-Partnerin. Das letzte Dokumente datiert vom April 2021. Beides sind Parteischriften. Doch der Grad der Widersprüchlichkeit ist bemerkenswert.»

Wer hat denn wohl dran gedreht?

Dann zitiert Hollenstein, der ehrenamtliche Lautsprecher von Jolanda Spiess-Hegglin, den «renommierten Medienanwalt Rudolf Mayr von Baldegg», tätig für die Ex-Geliebte, also parteiisch bis zum Abwinken: «Es sei Lachappelle selber gewesen, «der quasi die Figur des Joe für sich annektiert hatte und sich völlig unmotiviert gegenüber mehreren Personen in seinem Umfeld dahingehend geäussert» habe, heisst es in der Klageantwort der Ex-Partnerin. Es sei davon auszugehen, dass es Lachappelle darum gegangen sei, seine Ex-Partnerin «insbesondere an ihrem Arbeitsplatz in Misskredit zu bringen und beruflich und privat zu verunglimpfen und finanziell zu schädigen».»

Audiatur et altera pars? Wer kann denn noch Latein …

Unterste Schublade des Journalismus; «she said, he said», nennt man das, wenn sich ein getrenntes Paar schriftlich fetzt: «Trennung von der Ehefrau, Zusammenzug, öffentliche Auftritte als Paar. Was stimmt? Die Fragen sind persönlich und gehen die Öffentlichkeit im Grunde nichts an. Doch Lachappelle selber war es, der am Donnerstag Intimes an die Öffentlichkeit trug. Zudem sind die Fragen zentral, um den Rechtsstreit um das verbotene Buch der Ex-Partnerin zu beurteilen.»

Das Feigenblatt, um ungehemmt in der Öffentlichkeit schmutzige Wäsche waschen zu können. Um zu den inquisitorischen Fragen zu gelangen: «Was ist wahr an dieser Beziehungsgeschichte, die Guy Lachappelle vor den nationalen Medien am Donnerstag ausgebreitet hat? Was ist unwahr? Und was lässt sich überhaupt beweisen?»

In solchen Fällen wäre es vielleicht zweckdienlich gewesen, ein Grundprinzip des anständigen Journalismus zu beherzigen: der anderen Seite Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Aber doch nicht Hollenstein, das hat eine journalistische Leiter nach unten nicht nötig.

Hätte er das getan, wäre ihm vielleicht auch die Antwort von Lachappelles Anwalt zuteil geworden, wieso an der Rücktrittspressekonferenz auf diese Anschuldigungen der Ex-Geliebten nicht eingegangen wurde:

««Uns liegt die Strafanzeige nicht vor», begründet dies Lachappelles Anwalt, Jascha Schneider-Marfels. Darum habe sein Mandant am Donnerstag nichts dazu sagen können.»»

Tamedia, auch nicht zimperlich im Umgang mit Lachappelle, hatte immerhin den Anstand, nachzufragen.

Aber damit wollte sich Hollenstein sein Schmierenstück natürlich nicht kaputtmachen lassen. Nun haben sich also alle Vorwürfe in Luft aufgelöst, es bleiben keine Fragen mehr offen. Medienbilanz: ein Desaster.

Sogenannten Qualitätsmedien, die gerne eine zusätzliche Steuermilliarde für ihre wertvolle Tätigkeit hätten, unwürdig.

Ein Feigenblatt macht sich toll. An einem Feigenbaum.

Einer geht noch: dafür gibt es den «Blick»

Den Vogel schoss allerdings der «Blick» ab. Zuerst versemmelte er einen Hintergrundartikel, munitioniert von der rachsüchtigen Ex-Geliebten. Dann beschwerte sich der «SonntagsBlick» über das juristische Vorgehen von Lachappelle. Um am Montag im «Blick» eine Entschuldigung des Verlags für diesen Artikel in die Fresse gehauen zu kriegen; der Jammer-Beitrag wurde umgehend gelöscht.

Zuerst gejammert, dann gelöscht.

Und entschuldigt: «Es war nie die Absicht von Ringier, die Persönlichkeitsrechte von Herrn Guy Lachappelle zu verletzen. Sollte in der Öffentlichkeit ein anderer Eindruck entstanden sein, bedauert dies Ringier in aller Form, weshalb auch die bisherige Berichterstattung zu diesem Thema im Medienarchiv nicht mehr abrufbar ist

Die Ex-Geliebte hat weitgehend ihr Ziel erreicht. Rache via Medien. Lachappelle muss sich fragen, ob sein Rücktritt nicht zu voreilig erfolgte. Aber nach der Affäre Vincenz sah er wohl keine andere Möglichkeit.

Raiffeisen gibt weiter Gutzi

Passend zur Einstellung des Verfahrens hat Raiffeisen nach länglichem Zögern bekannt gegeben, wer denn nun der Nachfolger von Lachappelle werden, den interimistischen VR-Präsidenten ablösen soll. Das VR-Mitglied Thomas A. Müller. Der war früher Finanzchef bei der Basler Privatbank J. Safra Sarasin, dorthin von der Swiss Life geeilt. Angesichts der jüngeren Geschichte dieser Bank kann man sich auf möglichen Spass gefasst machen …

Werfen wir mal die Stichworte US-Steuerstreit, Versicherungswrapper und Cum/Ex in die Runde. Man darf gespannt sein, was Grabungen in der Vergangenheit von Müller ans Tageslicht fördern werden.

Lukas Hässig nimmt auf seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz» schon mal Anlauf:

«Are they nuts», sind die bescheuert, so beginnt er vielversprechend seinen Artikel.

Es darf gelacht werden: immer sonntags

Slapstick Heiterkeit und Gelächter: die Sonntagspresse hat zugeschlagen.

Zunächst ein echter Brüller:

Die SoZ in Roooaaar-Stimmung.

Wie formuliert die dem Klimaschutz zugetane und männlichen Penisverlängerungen völlig abholde Redaktion der SoZ?

«Bereits die technischen Daten versprechen eine atemberaubende Performance und rennsportliche Dynamik, und das in einem 2,2 Tonnen schweren SUV.»

Wunderbar, sonst noch was? «Dieser Rennstreckenmodus öffnet nicht nur alle Klappen im Auspuff, sondern strafft auch noch das Fahrwerk und schärft die Motor- und Getriebekennlinie.»

Rooaar, brum, boller, gluglug. Das Unsinnige daran ist, dass von diesem völlig überflüssigen SUV schlappe 15’000 Exemplare verkauft wurden bislang und sein Preisschild (ab 250’000, Occasion) ihn sowieso für all SoZ-Leser (ausser vielleicht Supino) unerschwinglich macht. Warum dann im Papiermangel eine Seite aufs «Bollern» verschwenden?

Apropos Verschwendung; wieso darf im Ressort «Gesellschaft» der längst pensionierte Münchner (!) Ex-Bürgermeister Christian Ude seiner Katzenliebe frönen? «Wenn das Büsi schnurrt, ist alles in Ordnung», heisst der Schwachsinnsbeitrag.

Hätte uns das der Papiermangel nicht ersparen können?

Übrigens rezykliert vom 15. Oktober: «Mit dem Schnurren einer Katze wird alles gut», hiess der Originaltitel in der «Süddeutschen Zeitung». Dass Tamedia jeden Schrott aus München übernehmen darf, ist doch noch lange kein Grund für so was …

In der SZ macht’s wenigstens noch halbwegs Sinn …

Gut, bislang war das Blatt noch keinen Rappen wert, kommt vielleicht mal was Ernsthaftes? In der «Wirtschaft» zum Beispiel?

Laeri, die Stehauffrau, unterwegs zum nächsten Flop.

Gut, das Gefäss heisst ja «es darf gelacht werden». Aber hier schmerzt dann doch das Zwerchfell. Die Flop-Queen Patrizia Laeri (die kürzeste Chefredaktorin aller Zeiten, die kürzestes Talkshow-Produzentin) will nun Frauen helfen, ihr Geld richtig anzulegen. Na, das ist natürlich für die SoZ ein gefundener Kontrapunkt zum Lamborghini. Nur: vor lauter Lobhudelei vergisst Maren Meyer ein paar Kleinigkeiten.

Fängt beim Namen an. «ElleXX». Genial, bis man mal «ElleXXX» eingibt. Kicher. Dass die grossartige Frauenunterstützung in Zusammenarbeit mit der Migros-Bank unverschämte Fees, Gebühren, Verwaltungskosten usw. ziemlich intransparent ausweist: na und. Ein ETF ist bereits ab 0,3 Prozent zu haben, was beim heutigen Nullzinsumfeld nicht schlecht ist.

Wieso frau mindestens 1,3 Prozent für ihre Vermögensanlage via Laeri ausgeben soll, diese Frage hatte auf der Dreiviertelseite Lob und Hudel leider keinen Platz. Statt «will Frauen beim Investieren helfen» sollte es wohl besser heissen: will Frauen beim Geld rausballern helfen.

Ist also auch der Wirtschaftsbund ein Flop? Leider ja:

CS plante vielleicht, unter Umständen, wird gemunkelt.

Das ist eine gut hingeprügelte Schlagzeile. Im Kleingedruckten wird dann die Luft rausgelassen: «Die SonntagsZeitung hat nun von mehreren Quellen von einer geplanten Überwachung erfahren ….  Demnach plante die Bank … Ob die Observation durchgeführt wurde, ist unklar.»

Auf Deutsch: Die SoZ kolportiert ein Gerücht über eine mögliche Observation. Es darf gelacht werden, oder sagten wir das schon?

Dass Banken-Büttel Prof. Kunz den starken Max markieren darf und Bussen gegen Banken fordert – im sicheren Wissen darum, dass das in der Schweiz nicht stattfinden wird –, macht die Sonntagskatastrophe auch nicht kleiner.

Aber, man soll auch loben können, Oberchefredaktor Arthur Rutishauser ist offensichtlich schwer angefasst durch die unablässigen Skandale der Credit Suisse: «Es ist ein Hohn. Wenn es irgendwo in der Welt einen Finanzskandal gibt, die Credit Suisse ist mit dabei. Mit kriminellen Machenschaften rund um die Kredite für Moçambique schickte sie eines der ärmsten Länder in den Konkurs, mit der Bespitzelung der eigenen Angestellten und ihrer Angehörigen gibt sie sich der Lächerlichkeit preis.»

Geht doch, statt Antidemokraten wie Denis von Burg hier ihren Stuss absondern zu lassen. Ach, und Bettina Weber gehört zu den ganz wenigen Tamedia-Frauen, die sich nicht angelegentlich um den eigenen Bauchnabel, Genderfragen und Sprachvergewaltigungen kümmern: «Ausgerechnet die Partei, die sich dem Kampf gegen das Patriarchat verschrieben hat, lässt Opfer häuslicher Gewalt im Stich – wenn der Schläger fremder Herkunft ist.» Sie meint damit natürlich die SP.

Sie hat allerdings noch einen zweiten Pfeil im Köcher:

ZACKBUM legt Wert auf die Feststellung: real, keine Satire. Realsatire.

Hier versucht sie gegenüber brüllendem Wahsinn ein ernstes Gesicht zu machen: «Als eine Labour-Abgeordnete sich den Hinweis erlaubte, nur Frauen verfügten über eine Gebärmutter, man also doch bitte die Frauen direkt ansprechen solle, warf ihr die LGBTQ-Community vor, «anti-trans» zu sein. Schliesslich gäbe es Transmänner und non-binäre Menschen, die sich nicht als Frau fühlten, aber trotzdem einen Zervix hätten. Sie würden dank der neuen Formulierung endlich nicht mehr diskriminiert.»

Nun gut, der Ami und der Brite spinnen, aber auf Deutsch ist doch wenigstens immer noch das Sternchen das Problem? «Die SPD forderte in Sachsen kürzlich zum Beispiel am Weltmenstruationstag im Mai Gratis-Produkte für «menstruierende Männer und menstruierende nicht-binäre Personen in öffentlichen Männertoiletten». Der staatliche Sender MDR schrieb zum selben Anlass auf seiner Website ganz selbstverständlich von «menstruierenden Menschen»».

Wahnsinn, kann man da als Körper mit Hoden und Pimmel nur sagen.

Ganze 490 A ist dem Sonntagsblatt eine Riesendemo wert: «Tausende Gegnerinnen und Gegner der Corona-Politik haben sich gestern in Bern zu einer nationalen Grosskundgebung versammelt.» Das ist ziemlich blöd, denn nachdem am letzten Donnerstag nur wenige Manifestanten in Bern anwesend waren, frohlockte Tamedia schon, dass diesen Verirrten und Verpeilten nun endlich der Pfupf ausgehe und von Burg seine Angstmacherei vor deren angeblich unglaublich grossen Einfluss auf den Bundesrat einstellen könnte.

Und nun das; von Burg, übernehmen Sie!

Woran merkt man, wenn einer ganzen Redaktion der Pfupf ausgegangen ist? Wenn sie das hier als Aufmacher auf Seite eins stemmt:

War’s vor 50 Jahren? Oder vor 100? Oder vor 47? Egal, die SoZ braucht jetzt einen Aufmacher.

Nichts gegen den Altrocker Vescoli, aber echt jetzt? Und noch ein Absackerchen:

Oh, das ist ja in einer bezahlten Beilage erschienen. Nur: woran merkt man das eigentlich?

 

 

 

Impfpflicht: Beeinflussung und Zwang

Übernehmen oder sich übernehmen: die beide Tamedia-Varianten des Qualitätsjournalismus.

Wenn die grossen und teuren Kopfblätter von Tamedia ein Interview von der «Süddeutschen Zeitung» übernehmen, muss man froh sein. Dann steht wenigstens nichts Schlimmeres in den Blättern. Bloss Seichtes.

Der SZ fiel es ein, weil auch ihr nicht viel einfällt, den emeritierten Professor Robert Cialdini zu interviewen. Der hat mal ein Buch namens «Influence» geschrieben. Das war ein Bestseller – 1984. Inzwischen hat der Pensionär viel Zeit für Gespräche.

Wer sich über das popoglatte Gesicht des immerhin 76-Jährigen wundert: heute ist medizinisch einiges möglich. Nur nicht immer so auffällig …

Die SZ leitet ihr Gespräch mit dem «Godfather of Influence» so ein: «Wenn es jemanden gibt, der weiß, wie man andere beeinflusst, dann sind Sie das, Mr. Cialdini. Ihr Buch „Influence“, das erstmals 1984 erschien, hat sich weltweit fünf Millionen Mal verkauft. Wie bringt man Menschen dazu, sich impfen zu lassen?»

Original …

Das ist Tamedia natürlich zu lang und nicht politisch korrekt genug, also schrumpft sie ein auf: «Wie bringt man Menschen dazu, sich impfen zu lassen?»

… und Kopie.

Beide Weltblätter bringen aber die gleiche banale Antwort:

«Jedenfalls nicht, indem man ihnen sagt, dass sie Idioten sind.»

Das hätten wir Laien nicht gedacht, auch dem Politik-Chef von Tamedia wäre diese Erkenntnis neu (siehe unten). Auch bezüglich der Wahl eine Gerichts hat Cialdini wertvolle Erkenntnisse zu referieren: «Wenn man Restaurantgästen sagt, dass ein Gericht das beliebteste ist, wird es noch beliebter. Nach einer Studie wird jedes Gericht sofort 13 bis 20 Prozent stärker nachgefragt, wenn es auf der Speisekarte als beliebtestes Gericht ausgewiesen ist.»

Beeindruckt referierte Banalitäten

Nun soll Cialdini vor einem runden Dutzent Jahren auch beim Wahlkampf von Barack Obama beraten haben; welche Erkenntnisse hat er denn da aufblitzen lasse? «Menschen wählen Kandidaten, die sie mögen. Klingt banal, ist aber so.»

Das klingt nicht nur banal, das ist eine Binse. Auch die Erkenntnis, wie sich Menschen orientieren: «Gerade in Zeiten der Unsicherheit flüchten wir in immer kleinere Stämme. Rät uns einer etwas aus unserem Stamm, sagen wir Ja.»

Das alles ist an Flachsinn nicht zu überbieten, löst aber dennoch bei den SZ-Journalisten Gehirnkrämpfe aus: «Das klingt alles ziemlich kompliziert.» Was hat uns denn der Professor noch mit auf den Weg zu geben?

«Menschen werden eher aktiv, wenn es den persönlichen Interessen dient».

Auch das hätte vor ihm niemand gedacht. Wer bis hierher noch belustigt bis genervt reagiert (Letzteres, wenn er für diesen Dumpfsinn auch noch bezahlt), sollte sich eines Besseren belehren lassen. Solche Nullnummern sind immer noch besser als hausgemachte Meinungen bei Tamedia.

Banal, aber immer noch besser als Selbstgedachtes

Da hätten wir mal den zweiten ins zweite Glied zurückbeförderten Chefredaktor Mario Stäuble. Der ist offensichtlich finster entschlossen, sich wechselweise mit seiner Kollegin Priska Amstutz lächerlich zu machen. Einmal sie, einmal er.

Dieses Wochenende war er dran, er durfte einen «Leitartikel» schreiben. Sein kleines Missverständnis: das bedeutet nicht, Leid beim Leser auszulösen.

«Die Hetze muss aufhören», dekretiert Stäuble ex cathedra (nur googlen, lieber Mann). Denn: «Vier Tage nach Maurers Rede skandieren Demonstranten in Bern «Ueli! Ueli!», bevor sie am Zaun rütteln, der das Bundeshaus schützt.» Dieser zeitliche und inhaltliche Zusammenhang ist ausser Stäuble bislang niemand aufgefallen.

Gehetzt wird überall, barmt Stäuble, besonders in der «Ostschweiz», die habe einen Gastkommentar «vollgepackt mit fiebriger Kriegsrhetorik» veröffentlicht: «Jetzt müssen wir kämpfen. (…) Wenn wir die Herrschenden nicht daran hindern, werden sie unser Land dem Teufel verkaufen. (…)»

Vollscheiben sind immer die anderen

Vollscheiben, Kriegsrhetoriker, SVP, QAnon-Verschwörungstheoretiker, furchtbar: «Hier werden Grenzen überschritten.» Nach all dem Gehetze glaubt man Stäuble nicht mal mehr das Feigenblatt, dass er auch gegen andere Hetzer austeilt: «Provokateure gibt es indes auf beiden Seiten. Es hilft nicht, wenn der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause sich selbst als Beschützer des Parlaments inszeniert, indem er sagt, man habe einen «möglichen Sturm aufs Bundeshaus» verhindert.»

Wieso sucht er eigentlich nicht konfrontative Kommentatoren im eigenen Haus? Wohl weil es sich um seinen Vorvorgesetzten handelt, den Oberchefredaktor Arthur Rutishauser. Der beliebt zu kommentieren: «Fanatisierte Impfgegner sprechen wegen des Covid-Zertifikats von Faschismus, sie versprühen Hass.»

Rutishauser schreibt etwas gewählter und streicht sogar im Nachhinein unangemessene Faschismus-Vergleiche. Er umwickelt seinen Hammer etwas mit Schaumgummi: «Sympathisch sind uns Zwangsverordnungen eigentlich nie. Aber wenn es darum geht, ob man noch einmal das ganze Land schliessen muss, oder ob man dies mit einer Impfpflicht für alle nicht lebensnotwendigen Aktivitäten verhindern kann, ist diese Zeitung für die zweite Lösung.»

Das ist diese Flachrhetorik: eigentlich bin ich gegen die Todesstrafe. Aber wenn es darum geht …

Hetzer im eigenen Blatt

«Diese Zeitung ist eindeutig für diese Lösung», denn ausdrücklich nimmt Rutishauser seinen Politik-Chef in Schutz, der noch deutlicher durchrastete:

«Jetzt muss Berset die Gegner endlich zur Impfung zwingen»

Das ist mal eine klare Ansage, denn: «Mit der Rücksicht auf esoterische oder ideologische Impfverweigerer und rücksichtslose Trödler muss Schluss sein. Der Bundesrat und die Kantone müssen jetzt jeden erdenklichen Druck auf Impfverweigerer machen. Das Tabu Impfzwang, sei er direkt oder auch nur indirekt, muss jetzt fallen. Impfen ist in dieser Situation keine Zumutung, sondern Bürgerpflicht

Zwingen, jeden erdenktlichen Druck machen, rücksichtslose Trödler, Bürgerpflicht? Das Vokabular des Totalitarismus, das Denis von Burg verwendet. Eigentlich müsste ein Polit-Chef eines bedeutenden Zeitungsverbundes nach einem solchen Ausraster scharf ermahnt ode gleich entlassen werden, mit Rücksichten à la Corona-Kreische und Politikerbeschimpfer Marc Brupbacheralle übergeschnappt») müsste Schluss sein.

Aber doch nicht bei Tamedia.

Blattschuss: Lachappelle tritt zurück

Raiffeisen im Elend: Vincenz, Gisel, nun auch Guy Lachappelle. Was ist nur mit dem Führungspersonal dort los? Und mit den Medien?

Eigentlich sah es ganz gut für den VR-Präsidenten der Raiffeisen aus. Der Boss der drittgrössten Bank der Schweiz hatte drohende Schlagzeilen über sich niedergekämpft. Mit der Waffe der superprovisorischen Verfügung.

Guy Lachappelle erklärt seinen Rücktritt.

Damit wird präventiv eine Berichterstattung gerichtlich untersagt, wenn nur so ein «besonders schwerwiegender Schaden» abgewendet werden kann. Gemeint ist damit, dass die Wirkung der Veröffentlichung persönlichkeitsverletzender Aussagen, selbst wenn die nachher zurückgenommen werden müssen, nicht mehr wiedergutzumachen wäre. Selbst eine Gegendarstellung, eine Entschuldigung, eine Richtigstellung kann die Zahnpasta nicht mehr in die Tube zurückdrücken.

Deshalb muss der Betroffene – wenn er einen Richter davon überzeugt – die Möglichkeit haben, das präventiv zu verhindern. Superprovisorisch heisst dabei, dass die Gegenseite, ein Unikum in unserem Rechtsstaat, keine Möglichkeit hat, sich dagegen zu wehren. Das ist einem allfälligen ordentlichen Verfahren vorbehalten, das im Anschluss stattfinden muss.

Auch ZACKBUM ist mit diesem Themenbereich in Kontakt gekommen, mehr dürfen wir dazu nicht sagen. Aber Lachappelle selbst hat in einer gestern eilig anberaumten Pressekonferenz selbst die Insidern längst bekannten Vorkommnisse publik gemacht.

Eine Beziehung mit fatalen Folgen

Laut seiner Darstellung hatte Lachappelle im Jahr 2017 eine aussereheliche Beziehung. Nach deren schnellen Beendigung sei er von seiner Ex-Geliebten verfolgt worden. Die habe dann im August 2020 eine «wissenschaftliche Broschüre» über sogenannte «Toxic Leaders» veröffentlichen wollen, in der er sich als nur leicht verfremdetes Beispiel für ein solches Verhalten wiedererkannt habe. In der Psychologie verbirgt sich hinter diesem Modebegriff die sogenannte dunkle Tetrade, bestehend aus den (subklinischen) Persönlichkeitseigenschaften Narzissmus, Machiavellismus, Psychopathie und Sadismus. Die habe sich in jüngster Forschung als besonders geeignet erwiesen, um sozial unerwünschtes Verhalten vorauszusagen.

Deshalb habe er eine superprovisorische Verfügung dagegen erwirkt. Daraufhin sei seine Ex-Geliebte an den «SonntagsBlick» gelangt, der einen Artikel darüber plante. Auch diesen verhinderte er mit einer weiteren Superprovisorischen. Der SoBli beschwerte sich dann über einen angeblichen Vertrauensbruch, da Lachappelle den Inhalt eines vertraulichen Gesprächs mit dem SoBli als Begründung für seine Superprovisorische verwendet habe. Auch diesen Artikel nahm Ringier mit Ausdruck des Bedauerns wieder zurück.

Als Kollateralschäden gab es weitere Massnahmen gegen die Berichterstattung über diese ganze Affäre. Aber die Ex-Geliebte hatte noch einen weiteren Pfeil im Köcher. Laut NZZ erklärte Lachappelle an der Pressekonferenz:

«Er habe aber selbst einen «riesengrossen Fehler» gemacht, in dem er in seiner Zeit als Chef der Basler Kantonalbank seiner früheren Geliebten auf deren Bitte ein bankinternes Dokument zur digitalen Transformation zugestellt habe. Es sei unklug gewesen, dieses Dokument herauszugeben. Die Frau habe dieses E-Mail an die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt geschickt, verbunden mit einer Strafanzeige. Auch Medien hätten das Mail erhalten.»

Damit wurde für ihn seine Position unhaltbar und er kündigte seinen Rücktritt per Ende Juli von sämtlichen Ämtern an: «Ich habe einen sehr grossen Fehler gemacht und werde ihn bitter bezahlen müssen, aber ich stehe dazu.»

Über den konkreten Fall hinaus ergeben sich einige Fragen allgemeiner Art. Zentral ist die Beurteilung, wo die schützenswerte Privatsphäre einer Person des öffentlichen Interesses aufhört. Eine aussereheliche Beziehung als solche oder jede Form privater Beziehungen ist sicherlich Privatsache.

Privatsphäre von Fall zu Fall

Ausser, es kommen weitere Umstände hinzu. So stolperte der erfolgreiche und ansonsten unbescholtene Raiffeisen-CEO Patrik Gisel über die Unterstellung, er habe mit einer Verwaltungsrätin von Raiffeisen eine intime Beziehung geführt – als sie noch im Amt war. Da sie dann gleichzeitig eine Aufsichtsfunktion über ihn gehabt hätte, wäre das zumindest problematisch gewesen. Obwohl Gisel darauf bestand, dass die Beziehung erst nach dem Rücktritt der Dame begonnen habe, stellte er sein Amt zur Verfügung.

Von all den Verwicklungen und Verquickungen von Privatem und Geschäftlichem bei Pierin Vincenz ganz zu schweigen. Dass es immer wieder Raiffeisen trifft, mag wohl Zufall sein; eine Konstante ist aber unübersehbar.

In allen drei Fällen war es der gleiche Journalist, der mit angefütterten Unterlagen an die Öffentlichkeit ging. Bei Vincenz nicht als Erster, bei Gisel als Einziger und genau im richtigen Moment vor einer GV, wodurch Hektik ausbrach und Gisel den Hut nehmen musste. Und nun bei Lachappelle, der alle vorherigen Publikationsversuche niederkämpfte.

Echt super? Arthur Rutishauser (rechts).

Vor allem bei diesem Fall stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln die Bewahrung der Privatsphäre verteidigt werden kann – und mit welcher Begründung in sie eingedrungen werden darf. Dass der Ständerat gerade die Hürde für die Erlangung einer Superprovisorischen niedriger gelegt hat, ist auch reiner Zufall, aber fatal.

Bedenkliche mediale Entwicklungen

Dass in allen drei Fällen die Unschuldsvermutung, die bis zum Vorliegen eines rechtsgültigen Urteils gelten sollte, bis zur völligen Lächerlichkeit vernichtet wurde, ist bedenklich.

Dass es sich bei allen drei Fällen bislang um blosse Anschuldigungen handelt – auch wenn Lachappelle fehlerhaftes Verhalten einräumt, ändert das nichts daran –, die dennoch zu gravierenden Konsequenzen führten, ist beunruhigend.

Dass sich die dünn und dumm gesparten Medien immer williger dazu hergeben, ohne die genauen Motive zu kennen, sich anonym – wie im Fall der Leaks und Papers – oder mit Absender anfüttern zu lassen, ist ihrem Ruf nicht zuträglich.

Gerade in der Grauzone zwischen vertretbarem öffentlichen Interesse an einer mächtigen Persönlichkeit und deren zu schützender Privatsphäre hat sich hier ein Kampffeld aufgetan, bei dem die Medien – Ankläger, Richter und Henker in einer Person – eine üble und anrüchige Rolle spielen. Ob es um den zu Unrecht beschädigten Ruf von Gunter Sachs selig, um die Vernichtung des Lebenswerks eines schweizerisch-angolanischen Geschäftsmanns geht, gegen den sich ebenfalls alle erhobenen Vorwürfe in Luft auflösten – oder um die drei Herren von Raiffeisen: immer wieder ist es der Oberchefredaktor von Tamedia, der seine Finger in der Affäre drin hat. Ebenfalls ein Fall von mangelnder Compliance, von fehlender Kontrolle.

Es darf gelacht werden: Feuer frei!

Knellwolf, übernehmen Sie! Es gibt noch mehr Gefahr, die von dieser Aufforderung zur Gewalt ausgeht.

Alles ist relativ. Ein SVP-Politiker, der sich nicht unbedingt nationaler Bekanntheit erfreut, verwendete in einer rund 100 Nasen umfassenden Chatgruppe den Spruch «Feuer frei!», um zur Gegenwehr gegen eine Forderung des Bundesamts für Gesundheit aufzurufen.

Das zwirbelte das Blatt der sensiblen Gewaltfreiheit zur Coverstory hoch und warnte in insgesamt drei Artikel davor, dass das brandgefährlich sei. Solche virtuellen Aufrufe könnten schnell real missverstanden werden, und dann könnte auf das BAG geschossen werden. Mit echten Kugeln.

Aber Thomas Knellwolf als ehemaliger Recherchier-Journalist hat natürlich nur an der Oberfläche gekratzt. Da wäre zum Beispiel die deutsche Band «Rammstein» mit ihrem Song «Feuer frei!». Schockierend: der wurde alleine auf YouTube bislang rund 140 Millionen (!) Male aufgerufen. Fast 600’000 Fans gaben ihm ein Daumen hoch.

Bitte nicht nachmachen: Videoclip von «Rammstein».

Wenn man sich vergegenwärtigt, was für ein Gewaltpotenzial hier wie Magma unter der Oberfläche brodelt: Knellwolf, es besteht dringlicher Handlungsbedarf. Das ist Faktor 1,4 Millionen mal mehr Gefährdungspotenzial als beim Aufruf zur Gewalt der SVP!

Hemmungslose Feuerorgie auf der Bühne. Ist das noch Kunst?

Es ist ja nicht nur der Schiessbefehl im Titel des Songs, auch das Lied selber enthält genügend Munition, um einem Knellwolf die Schweissperlen der Angst auf die Stirne zu treiben:

Wann fallen die ersten Schüsse, bei diesen Songzeilen?

Es ist bedauerlich, dass man einem so ausgewiesenen Recherchier-Journalisten weitere Fundstücke nachtragen muss:

Ein gut getarnter Aufruf zur Gewalt. Anleitung für Pyromanen.

Zumindest die Webseite im Aufbau könnte noch durch ein beherztes Eingreifen von Tamedia verhindert werden; dass selbst die NZZ, ja gar der Limmattaler mit dem Feuer spielt, ist so bedauerlich wie traurig; es wirft ein Schlaglicht auf den Sittenzerfall in unserer Gesellschaft, der nicht erst gestern begonnen hat.

Vielleicht könnte Tamedia – mit oder ohne Knellwolf – sein Recherche-Desk endlich mal für etwas Konstruktives einsetzen. Statt sinn- und zwecklos gestohlene Geschäftsunterlagen durchzuflöhen und absurd übertriebene Behauptungen aufzustellen, auf welche Abgründe man da wieder gestossen sei, wäre es doch verdienstvoll, der Gewalt im Internet den Kampf anzusagen.

«Feuer frei!» gegen «Feuer frei!», sozusagen. Die Folgen wären so unabsehbar wie segensreich. Endlich würde ein alter Traum wahr, Tamedia würde ein bisschen Frieden in die Welt bringen:

Damit ihr Traum endlich wahr wird …

Denn das bewegende Lied von Nicole ist bislang nur 6,5 Millionen mal aufgerufen und magere 32’000 mal gelikt worden. Das muss besser werden, damit die Welt eine bessere wird.

Alle können noch dazulernen

Aber nicht nur Knellwolf, auch sein oberer Vorgesetzter kann noch dazulernen, wie mehr Friede und weniger Feuer in die Welt kommt. Denn Arthur Rutishauser hat nach zweitägigem, vertieftem Nachdenken herausgefunden, dass eine kindische Karikatur, in der der Kopf seiner Mitarbeiterin Michèle Binswanger in eine Illustration der Hinrichtungen während der Französischen Revolution hineingemecht wurde, eine «Grenzüberschreitung» darstelle. Sogar eine «schwere».

Rutishauser gelangt in seinem mit langer Lunte entstandenen Kommentar zur Schlussfolgerung:

«Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt.»

Bittere und anklagende Worte des Oberchefredaktors von Tamedia. Nur: fällt ihm dieses Phänomen nicht in seinen eigenen Redaktionen auch auf? Existiert da dieser Teil der politischen Linken nicht? Und wenn wir schon dabei sind: kennt man dieses Phänomen bei der politischen Rechten nicht? Zumindest bei einem Teil davon?

Oder nochmal anders: Sind Grenzüberschreitungen in Richtung brunzdumm nicht noch besorgniserregender? Ein paar Knallköpfe aus dem Umfeld der Berner Reitschule werden mit einer Strafanzeige überzogen. Tamedia fällt wie das Jüngste Gericht über einen unbesonnenen Spruch eines SVP-Politikers her, weil der in der SVP ist.

Tiefergelegtes Niveau der Debatte

Allgemeines Wehgeschrei: die da sind ganz böse. Nein, selber böse. Nein, du böse. Nein, du mehr böse. Du Hetzer. Ha, du grosser Hetzer. Ich kein Hetzer, du aber. Ohne die Verwendung des Wortes Hetzer werden so Konflikte im Sandkasten ausgetragen, inklusive Zerstörung von Sandkuchen, Fuchteln mit Schäufelchen oder gar dem Ziehen an Haaren, Kratzen und Beissen, bis die Eltern eingreifen.

Kampfplatz, nach einer aktuellen Debatte …

Auf diesem ärmlichen Niveau ist ein Teil der politischen Debatte angekommen. Begleitet von Dialogverweigerung, Unfähigkeit, mit Kritik oder Gegenargumenten umzugehen. Mit Ballern aus dem Glashaus, aber feigem Wegducken, wenn zurückgeschossen wird. Rechthaberei und Belehrung ist hohl und lachhaft, wenn sie sich nicht der Debatte stellt. Wäffeln ist einfach, argumentieren anspruchsvoll.

Um nicht nur Männerriten und Pseudo-Martialisches wie von Rammstein zu denunzieren: auch die erregten Tamedia-Frauen haben nach ihrem Protestbrief bislang jede Gelegenheit ausgelassen, sich einer Debatte zu stellen. Auch so verzichtet man auf jeden Anstand.

Schiessscharte auf, rausballern, Schiessscharte zu und die Reaktion aussitzen. Das soll dann Erkenntnisgewinn durch Meinungsaustausch und Debatte sein?

 

Terror von der Reitschule zu Bern

«Feuer frei!» von der SVP? Grosses Gebrüll. Kopf ab von der Reitschule? Schweigen. Diese Heuchler.

Tamedia ist bekanntlich ein liberaler, offener, fortschrittlicher Medienkonzern. Der freien Debatte verpflichtet, konsequent gegen Hetzer, Hate Speech im Internet, gegen das Schiessen mit Worten oder auf Personen.

Das haben gerade zwei Redaktoren deutlich zum Ausdruck gebracht. Da schrieb ein Provinz-Possli der SVP «Feuer frei!» in seiner Mini-Chatgruppe und meinte damit Kritik am BAG. Das brachte ihm (und einem SVP-Regierungsrat) eine Breitseite von Tamedia ein. Front plus länglicher Artikel, ein übles Stück Demagogie vom Unfeinsten.

Dass gleichzeitig der leitende und leidende Redaktor Marc Brupbacher ungehemmt Politiker beschimpfen und Verschwörungstheorien verbreiten darf, was soll’s.

Michèle Binswanger ist auch leitende Redaktorin bei Tamedia. Sie hat den bedeutenden deutschen Journalisten Stefan Aust anlässlich seines 75. und seiner Biografie interviewt. Wegen des Interviewten, aber auch wegen den Fragen ist das ein anregendes Gespräch geworden, das man gewinnbringend lesen kann. Ohne mit den Fragen oder gar den Antworten einverstanden sein zu müssen.

Aust ist ein typische Beispiel dafür, was Gesinnungstäter Amok laufen lässt. Hat was geleistet, war bei «konkret» (die meisten wissen gar nicht mehr, was das ist), hatte führende Positionen im «Spiegel», hat sich mit seinen Recherchen über die RAF (nachschlagen, einfach nachschlagen) verdient gemacht und in Gefahr begeben. Irritiert aber mit seiner unabhängig-kritischen Position.

Aust sagt so Sachen wie:

«Heilige Selbstverwirklichung finden wir bei Fridays for Future und auch bei den linken Revolutionären.»

Das finden linke Gesinnungslumpen in der Schweiz natürlich ganz furchtbar, aber Aust sitzt im fernen Hamburg und überhaupt. Gut, dass es die Interviewerin gibt. Binswanger ist näher und sagt so Sachen wie:

«Der Vorwurf, rechts zu sein, kann ein gesellschaftliches Todesurteil sein.»

Anlass für durchgeknallte Amoks von der Berner Reitschule, unter Pseudonym das hier ins Netz zu stellen:

Sicher nur künstlerisch-ironisch gemeint.

Wir wollen nicht Knellwolf und Co. imitieren und das als wörtlich zu nehmenden Mordaufruf denunzieren. Aber es ist natürlich Ausdruck einer widerwärtigen Geisteshaltung. Nämlich der Unfähigkeit, mit abweichenden Meinungen umzugehen. Darauf anders als mit Ablehnung, Abwehr, Anwürfen zu reagieren.

Die Kämpferin gegen Hass im Netz retweetet die Geschmacklosigkeit.

Gefestigt durch das vermeintlich sichere Wissen, selbst im Besitz der heiligen Wahrheit und im Kampf für das Gute und gegen das Böse zu allem berechtigt zu sein. Dazu wird sogar noch eine hanebüchen dumme Begründung geliefert:

 

Was meinen denn die Vorkämpfer von Tamedia dazu?

Nun macht es keinen Sinn, mit diesen Reitern der galoppierenden Dummheit ernsthaft in eine Auseinandersetzung zu gehen. Interessant könnte hingegen sein, was die beiden Tamedia-Autoren, die sich so fürchterlich über einen angeblichen Mordaufruf der SVP erregten, zu diesem geschmacklosen Angriff auf ihre Kollegin meinen. Interessant wäre es gewesen, was der Oberchefredaktor von Tamedia zu unternehmen gedenkt, um seine Mitarbeiterin vor solch primitivem Hate Speech zu schützen.

Das hätte vielleicht einen kleinen Erkenntnisgewinn für die Leser gebracht. Wenn einer der drei Herren geruht hätte, auf eine höfliche journalistische Anfrage zu reagieren. Aber auch hier gilt: austeilen gegen den politischen Feind, das geht immer, auch mit dem billigsten Vorwand. Aber gleiches Mass auch in der linksautonomen Szene anzuwenden: niemals. Da zeigt der Tamedia-Redaktor Tobler Verständnis für einem «Theatermord», wenn ein deutscher Amok dazu aufruft. Köppel zu töten, weil der angeblich auch töte.

Da werden Seiten mit der völlig überflüssigen Debatte gefüllt, wie man denn weibliche und andere unterdrückte Teile der Gesellschaft sprachlich korrekt abbilden könne. Da werden viele Seiten mit Nabelschau, geklautem Leiden und Besserwissereien gefüllt. Aber wenn eine eigene Mitarbeiterin aufs übelste angegangen wird, dann herrscht heuchlerisches Schweigen.

Da salbadert auch Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, dass man bei Tamedia ein «Problem» mit Sexismus und Frauendiskriminierung habe. Aber hier? Ruhe. Da verwandeln sich die Redaktoren, nie um eine schnelle Verurteilung verlegen, in reine Toren, die die Kiefer nicht auseinanderkriegen und verkniffen schweigen, wenn sie Gelegenheit hätten, was zu sagen. Bei dem SVP-Lokalpolitiker machten sie sich noch darüber lustig, dass der eine erste Stellungnahme anschliessend zurückzog. Sie selbst sind nicht einmal dazu in der Lage.

Wer soll die Moral- und Tugendwächter von Tamedia noch ernst nehmen?

Liebe Leute von Tamedia, glaubt Ihr weiterhin ernsthaft, dass ins Internet abschwirrende Werbung plus Corona die ärgsten Feinde der Medien seien? Merkt Ihr nicht, dass Eure eigene Verlogenheit, Eure Heuchelei, Euer völliges Desinteresse an den Interessen Eures Publikums, Eurer Konsumenten, Eurer Brötchengeber der grösste Feind ist? Wer soll Euch denn noch irgendein Urteil, eine Verurteilung, eine Zurechtweisung glauben? Noch schlimmer: wer soll Euch denn noch ernst nehmen?

Inzwischen haben die anonymen Amoks der Reitschule ihren Blöd-Tweet gelöscht. Eiern aber  – samt ihrem Sympathisanten-Sumpf – herum:

 

 

 

Ausflüchte, schönreden, andere anonyme Idioten bedauern oder wollen es nicht gewesen sein.

 

Ex-Press XLI

Blasen aus dem Mediensumpf.

 

«Im Übrigen gilt die Unschuldsvermutung.»

Der gewitzte ZACKBUM-Leser weiss: dann gilt sie nicht. In welchem Zusammenhang liest man das wohl? Kleiner Tipp: Arthur Rutishauser? Richtig, da geht es um Pierin Vincenz. Dessen Unschuldsvermutung ist zwar bereits geschreddert, zerfetzt, verstümmelt, nicht mehr vorhanden. Aber so ein Satz macht sich immer gut. Für Heuchler.

In der aktuellen Fortsetzung der Soap Opera des Tamedia-Oberchefredaktors geht ausnahmsweise erst an zweiter Stelle um Pierin Vincenz. «Warum wird Nadja Ceregato geschützt?», lautet der unheilschwangere Titel der Aufmacherseite des Wirtschaftsbunds der SoZ.

Fragen kann man doch mal …

Schon in der Einleitung dumpft das ganze Elend dieser Verdachtsberichterstattung:

«Von den Millionen, die Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz unrechtmässig bekommen haben soll, profitierte auch seine Ehefrau.»

Das ist nun eine sehr interessante Verwendung des Konjunktivs. Er soll also unrechtmässig Geld bekommen haben. Korrekter Vermutungskonjunktiv, weil nicht bewiesen, nicht rechtsgültig festgestellt, mangels Gerichtsverfahren. Ist zwar auch in der Möglichkeitsform eine tödliche Anschuldigung. Aber sei’s drum, darin ist die SoZ ja ungeschlagener Weltmeister.

Nun wechseln wir aber in den Indikativ; er soll bekommen haben, aber seine Frau Ceregato «profitierte». Wirklichkeitsform. Darüber könnte man nun eine kleine erkenntnistheoretische Abhandlung schreiben: Wenn jemand etwas bekommen haben könnte, profitiert aber auf jeden Fall ein anderer davon? Wir wissen, dass das Verhältnis SoZ – Realität nicht ungetrübt ist, aber traut sich dort denn niemand, dem Oberchef zu sagen, dass er schon rein logisch gesehen Unsinn schreibt?

Offenbar nicht. Genauso wenig, wie sich jemand traut, dem Oberchef zu sagen, dass dieses ständige Verwenden von angefütterten Material so nervig ist wie nur was? Interne Abläufe, strikt vertrauliche Untersuchungsberichte, Verfahrensfragen, Rutishauser kann offenbar aus dem Vollen schöpfen.

Die Anwendung von Logik hilft

Nur: mit welchen Motiven füttert ihn wer ständig an? Die Motivlage ist klar. Vincenz vor dem Prozess möglichst sturmreif zu schiessen, damit er sich vielleicht doch noch auf einen Deal einlässt und nicht in offener Feldschlacht auch Dinge zu Tage treten, die Raiffeisen und den Strafverfolgungsbehörden peinlich sein könnten.

Wer ist’s? Einfache ausschliessende Logik hilft ungemein, bekannt als Ockhams Rasiermesser (Rutishauser und Co.: einfach googeln). Es muss eine Quelle geben, da es absurd wäre anzunehmen, dass Rutishauser diese Informationen auffängt, indem er mit offenem Mund unter dem Fenster der Staatsanwaltschaft steht.

Kenntnis davon haben die Angeschuldigten; ausgeschlossen, dass sie sich selbst in die Pfanne hauen wollen. Ebenfalls die Strafverfolgungsbehörden, die Staatsanwaltschaft. Nahezu ausgeschlossen, dass ein solcher jahrelang munter sprudelnder Quell von ihnen ausgeht. Hohes Risiko bei Entdeckung, Ertrag nahe null. Dann gibt es noch die am Strafverfahren beteiligten Zivilparteien. Also Raiffeisen. Motiv vorhanden, Interesse hoch, Ertrag da. Hm. Das KÖNNTE sein. Konjunktiv. Vermutung. Beweisfrei.

Sternendämmerung

Die Einschläge kommen näher. Der Triumphzug des Gendersternchens scheint unterbrochen zu sein. Salome Müller, Aleksandra Hiltmann und einige andere bei Tamedia, die die Inkludierung der weiblichen Wesen zur wichtigsten Frage der Medienwelt, wenn nicht der Menschheit erklärt haben, müssen herbe Rückschläge hinnehmen.

«Fragewürdige Empfehlungen zum Genderstern in der Schule», müssen sie mit scheckgeweiteten Augen im eigenen Organ lesen. «Die Bundeskanzlei sagt nein zum Genderstern», eine in Deutschland erhobene respräsentative Studie konstatiert unter anderem, dass die Erwartung, sich sprachlich «gendergerecht» oder «politisch korrekt» auszudrücken, viel Unmut auslöst. 71 Prozent halten eine diskriminierungsfreie Sprache für «übertrieben».»

«Oberster Deutschlehrer der Schweiz: Der Genderstern ist Sprachverhunzung

Sagt Deutschlehrer und Präsident der der sprachlich korrekten «Deutschlehrerkräfte» Pascal Frey.

Klare Kante zeigt auch der Kanton Zug: «In Elternbriefen, sagt ein Sprecher der Direktion für Bildung und Kultur, «dürfen die Mittelschulen die neuen, experimentellen Formen wie den Genderstern und Ähnliches nicht anwenden».» Auch das vermeldet Tamedia, einfach so. Noch fataler: «Warum das Gendersternchen in der Schule noch nichts zu suchen hat», schiebt Thomas Speich in einem Kommentar hinterher.

Darin fragt er spitz: «Soll wirklich in den Geschichtsbüchern stehen, dass sich in der Schlacht bei Sempach Eidgenoss*innen und Habsburger*innen gegenübergestanden haben?»

Selbstmordattentate auf die deutsche Sprache …

Unvorstellbar; die Machowelt schlägt zurück. Von Sternchen bedrängte Männer greifen zu allen Mitteln. Zu den bekannten: Verleumdung (Verhunzung), Rekurs auf die dumme Masse (71 Prozent finden’s übertrieben), im Kommentar wird das Gendersternchen fix und fertig gemacht. Schliesslich kommt man auch in den Schulen wieder zu Vernunft. Überall bröckelt es an der Front der tapferen Verwendung dieser Sprachvergewaltigung.

Es darf schallend gelacht werden

«Epidemiologe Andreas Cerny warnt vor einer vierten Welle und verlangt schärfere Corona-Massnahmen im Herbst». Die SoZ kann’s einfach nicht lassen.

Wohl aus Versehen aus dem Stehsatz eine alte Schlagzeile rezykliert …

Noch mehr zum Lachen? Bitte sehr.

Milena Moser durfte nicht zurück in die USA fliegen. Das ist furchtbar. Wir sind entstetzt und haben Mitleid. Auch damit, dass sie gleich zwei Kolumnen aus diesem ungeheuerlichen Skandal presst. Dazu weiss sie, braucht es Analogien, Vergleiche, um dem Leser die ganze Tiefe ihrer Tragödie sinnhaft werden zu lassen. Andere Schriftsteller würden sagen, dass sie genau dafür einen Roman schreiben, aber gut. Moser ist also verletzt, leidet, «die Tränen liefen mir noch übers Gesicht, als ich versuchte, das Bodenpersonal auf mich aufmerksam zu machen.» Leider vergeblich.

Sie befindet sich in «einem verwundbaren Moment» klagt Moser. Und dann hat sie sich bei ihren Freunden ausgeheult, allerdings: «Ich kenne offenbar niemanden, der nicht in einem verwundbaren Moment noch zusätzlich verletzt wurde.»

Wunderbar, denkt sich Moser, da quetsche ich doch gleich noch eine zweite Kolumne raus, indem ich diese Beispiel verbrate. Der frisch Verwitwete, der versucht, die Nebenkostenrechnungen auf seinen Namen umzuschreiben. Die Schwangere mit der aktiven Toxoplasmose, einem für das Ungeborene sehr gefährlichen Parasiten.

«Die Patientin mit den schwer diagnostizierbaren Symptomen.»

Au weia, furchtbar. Welchen Schluss zieht Moser denn aus ihrem traumatischen Erlebnis? «Muss man jemanden treten, der schon am Boden liegt? Nein. Aber man kann.»

Da seufzt die deutsche Sprache tief auf. Das anspruchsvolle Gefäss Kolumne auch. Eigentlich alle Kolumnisten oberhalb von Simone Meier und «watson» ebenfalls. Sie wissen, wovon Moser redet. Sie mussten die «Schriftstellerin» ja alle selber erleiden, auch wenn sie schon nach den ersten Sätzen am Boden lagen und um Gnade winselten.

Ob die Literatur Zukker überlebt?

Nora Zukker ist Literaturchefin bei Tamedia. Gut für sie, schlecht für die Literatur.

Seit Anfang dieses Jahres hat der eine der beiden Duopolkonzerne im Medienbereich eine neue Literaturchefin. Ihr jugendliches Alter und die vielleicht damit einhergehende Unreife wollen wir ihr nicht vorwerfen. Es hat ja jeder Literaturchef mal klein angefangen. Auch so Leute wie Alfred Kerr, Frank Schirrmacher, Marcel Reich-Ranicki usw. Das waren dann alles erst noch Männer, im Fall. Und ihr sicherlich alle unbekannt, im Fall.

Also setzte Zukker schon früh ein erstes Zeichen, indem sie sich mit der Dumm-Literatin Simone Meier («Juden canceln») auf einem Friedhof mithilfe einer Flasche Chlöpfiwasser die Kante gab. Lassen wir das mal als erste Jugendsünde vorbeigehen.

Sie hat auch schon ein Buch geschrieben. Und mitsamt Crowdfunding – nun ja,  publiziert. Wir spürten kurz die Versuchung, Fr. 50.- für ein «Treffen mit der Autorin» zu investieren, konnten uns aber doch zurückhalten.

Dafür trifft die Autorin immer wieder Bücher, und das bekommt denen überhaupt nicht gut. Noch weniger den Lesern ihrer Berichte über solche Begegnungen. Streifen wir kurz, aber nur sehr kurz durch das literaturkritische Schaffen von Zukker. Sagen wir, so der letzten Wochen. Da hätten wir mal diesen da: «Claudio Landolt hat einen Berg vertont und dazu Prosaminiaturen geschrieben.» Oh, und wie tönt er denn so, der Berg? Nun, nach «grellem Pfeifen». Falsch, lieber Laie: «Das ist die absolute Aufnahme, das ist der ultimative Liebesakt zwischen den Ohren und dem Berg.»

Ohä, und wie tönt er denn, der Dichter?

«Da drüben sprechen zwei Männer mit Sand im Mund. Es scheint um Netze zu gehen.»

Ja, da knirscht der Leser auch mit den Zähnen, spuckt Sand und sucht das Weite.

Wir folgen der Schneise der Verwüstung

Wir folgen aber tapfer Zukker zum «Berner Autor Michael Fehr». Womit erfreut der uns? «Ein Mann brät in der Pfanne eine Katze, die sich in seiner Wohnung verirrt hat. Pistolen schiessen in offene Münder hinter dem Bankschalter, ein Paar plündert ein Lebensmittelgeschäft.» Was soll uns nun das sagen? «All das geschieht in den auf das Kreatürlichste destillierten Texten von Michael Fehr.» Oh, was löst das in Zukker aus? «Man möchte schreien und verstummen, man möchte tanzen und sich hinlegen. So unerbittlich uns Michael Fehr an unsere Begrenztheit und zutiefst menschliche Widersprüchlichkeit erinnert, so tröstlich fühlt sich der Raum an Möglichkeiten an.» Ohä, worum geht’s schon wieder? ««super light» ist unerbittlich und von brachialer Zartheit und die Einladung, sich einzulassen aufs Leben, weil es so oder so kein Entkommen gibt.»

Ja, den Eindruck hat der Leser inzwischen auch, aber wir flüchten nun zum «neuen Roman von Judith Keller». Das ist nämlich «Milena Moser auf Acid». Oh. Als ob Moser ohne Acid nicht schon schlimm genug wäre, aber worum geht’s denn hier? Natürlich kommen auch Roger Federer, Virginia Woolf, Hölderlin und die Odysee vor. Ohä, einfach, damit das klar ist: wir verneigen uns hier vor «Prosaminiaturen». Wie dieser:

«Dazu sagen sie Sätze wie: «Es ist so still. Was wollen wir reden?»»

Nichts, rufen wir erschöpft, aber unsere Odyssee, bei Hölderlin und Federer, ist noch nicht vorbei. Wir sind nun beim Debutroman von Andri Hinnen. Etwas Leichfüssiges über «unsere inneren Dämonen». Da könnte sich Dostojewski wohl noch eine Scheibe von abschneiden, wenn Zukker wüsste, wer das ist. So aber lobt sie: «Ein rasanter Roman, der durch den Einfall, die Psychose zur Figur «Rolf» zu machen, überrascht.» Vielleicht eine Schlaufe zu viel, meldet sich die strenge Literaturkritikerin aber: «Wenn es richtig reinknallt, sind wir am Leben.»

Überleben, das ist alles bei der Lektüre von Zukker

Wir sind hingegen froh, immer noch am Leben zu sein nach diesem Martyrium, nach diesen Stahlgewittern (Jünger, das war, aber wir haben ja schon aufgegeben). Noch ein letzter, matter Blick auf die Fähigkeiten von Zukker als Feuilletonistin. Da wird sie launig: «Sommer nach der Pandemie: 3, 2, 1 … Ausziehen!» Hui, wird’s jetzt noch sinnlich? «Ich bin in der Bar meines Vertrauens. Zwei Beine in einer kurzen Hose setzen sich neben mich, und ich komme nicht damit klar.» Oh, damit wäre die Frage nach Sinnlichkeit bereits beantwortet: Nein. Nach Sprachbeherrschung auch. Beine setzen sich? Aua.

Ist’s wenigstens unterhaltsam? «Ich bestelle einen weiteren Negroni sbagliato und frage mich, gibt es auf Ibiza eigentlich FKK-Strände, denn: Würde ich die Entwicklung dieser Entkleidungszeremonie weiterdenken, müsste die kurze Hose neben mir eigentlich auf der Baleareninsel nackt rumlaufen.» Ohä, auch nein.  Nochmal aua, eine kurze Hose läuft nackt herum? Gibt’s noch irgendwie eine Pointe, etwas, das «richtig reinknallt»? Na ja: «Ich rufe meinen guten Freund in Deutschland an und frage ihn: «Wie nackt sind die Beine im Norden?»»

Nein, die Antwort wollen wir nicht wissen. Aber immer noch besser, als wenn sich Zukker in Debatten einmischt, für die man lange Hosen anhaben müsste, um wirklich mitdiskutieren zu dürfen. Wie zum Beispiel das längst verstummte Geschrei um eine Provokation von Adolf Muschg. «Twitter richtete. Dass der Schweizer Intellektuelle die Cancel Culture mit Auschwitz verglich, löste harsche Kritik aus», blubberte Zukker damals. Schlimmer noch:«Dieses Wort lässt keinen spielerischen Umgang zu.» Entweder weiss sie auch hier nicht, was sie schreibt, oder sie unterstellte Muschg, er habe das Wort Auschwitz «spielerisch» verwendet. Wir regten damals an, dass sich Zukker wenigstens bei Muschg für diesen unglaublichen Ausrutscher entschuldigen sollte. Tat sie nicht.

Also bitte, bitte, lieber Arthur Rutishauser. Lieber Herr Supino. Liebe Minerva, liebe Hüter der letzten Reste von Niveau und Anspruch: wer sorgt wann dafür, dass diese Frau die deutsche Literatur nicht mehr länger quälen, zersägen, misshandeln darf – und den Leser auch noch?

 

Der Heckenschütze im Journalismus

Neben allen anderen Fehlleistungen leidet das Ansehen der Medien vor allem unter einer Narretei.

Wie mir viele Gesprächspartner bestätigt haben, befindet sich Arthur Rutishauser in einer charakterlichen Sackgasse. Ein bedeutender Manager im Medienbereich sagte ganz klar, dass er Roger Köppel niemals und nicht einmal auf seiner Longlist für einen Chefredaktorposten vorschlagen würde.

Unzählige Fallbeispiele belegen, dass sich im Newsroom des «Blick» weibliche Mitarbeiter nicht mehr alleine auf die Toilette wagen. Auf der Reaktion von «watson» soll nach mehreren, übereinstimmenden Aussagen eine konstante Videoüberwachung sämtlicher Räume, inklusive Liftkabine, installiert worden sein, nachdem sich Mitarbeiterinnen über zunehmende Zudringlichkeiten von Mitarbeitern beschwerten.

Von mindestens drei Chefredaktoren aus dem Hause Tamedia ist bekannt, dass sie sich mit Absprunggedanken tragen; einer soll bereits konkrete Gespräche mit einem anderen Verlagshaus auf höchster Ebene geführt haben.

Nur was man selbst erfindet, hat man exklusiv

Woher ich das alles weiss? Na, einfach, ich hab’s gerade erfunden. Am Arbeitsplatz heisst ein solches Verhalten Mobbing, in der Politik Intrige. Wer solche anonymen Behauptungen und Anschuldigungen in Umlauf bringt, galt früher einmal als übler Heckenschütze, der aus eigenem Bedürfnis oder ferngesteuert angeblich anonyme Quellen benutzte – oder erfand, um mit Dreck um sich zu werfen.

Heute ist das im sogenannten Qualitätsjournalismus Gang und Gebe. Nicht nur, wenn es darum geht, das Wirken oder den Stellenwechsel von Kollegen neidisch, eifersüchtig oder überhaupt übellaunig zu begleiten.

Auf anonymen Quellen werden ganze Verleumdungskampagnen aufgebaut, wie der Feldzug der «Republik» gegen den grössten Betreiber von Kitas in der Schweiz. Sämtliche Vorwürfe wurden gerichtlich oder durch eine externe Untersuchung entweder widerlegt, oder als so vage beurteilt, dass eine Überprüfung gar nicht möglich war.

Mehr als eine Existenz wurde durch das Ausschlachten von gestohlenen Unterlagen vernichtet, verniedlichend Leaks oder Papers genannt. Hierbei verwenden ganze internationale Kollektive Hehlerware, ohne die geringste Ahnung zu haben, aus welchen Motiven die Dokumente gestohlen wurden, noch, wer das getan hat. Der Fall Jean-Claude Bastos ist der traurige Höhepunkt in der Schweiz. Tamedia ritt eine Attacke auf diesen Geschäftsmann, ausschliesslich unter Verwendung von der Redaktion zugespielten gestohlenen Unterlagen.

In all diesen Fällen vermeldeten die gleichen Medien, die aus voller Kehle Skandal geschrien hatten, das klägliche Scheitern aller Strafuntersuchungen, die nicht zuletzt wegen ihnen angestossen worden waren, höchstens im Kleingedruckten.

Passt dir jemand nicht, verleumde ihn

Auch ich selbst habe diesen Verleumdungsjournalismus schon erleben müssen, als der Oberchefredaktor von Tamedia mitsamt einem Schreibknecht fast eine ganze Seite darauf verschwendete, mir ein angebliche Doppelspiel vorzuwerfen. Hierbei kam noch eine weitere Fiesigkeit zum Einsatz, die heutzutage ebenfalls zum Standardrepertoire gehört.

Mir wurde eine unzulässige Vermischung von meiner journalistischen und meiner Beratungstätigkeit vorgeworfen. Konkretisiert an zwei angeblichen Beispielen. Obwohl sowohl die angeblich um finanzielle Unterstützung angegangenen Firmen – wie auch ich – das ganz klar dementierten. Diese Dementi wurden ausgespart, stattdessen die berühmten «voneinander unabhängigen Quellen» bemüht.

Das finstere Motiv für diese Dreckelei bestand darin, dass ich die Kampagne des Oberchefredaktors aufgrund von angefütterten vertraulichen Unterlagen gegen Pierin Vincenz mehrfach kritisiert hatte. Genauso wie die Attacken seines Schreibknechts gegen Bastos.

Frage herum, und suche dir die passenden Antworten aus

Es greift ebenfalls um sich, dass zwar ab und an noch recherchiert wird und für ein Porträt beispielsweise mit verschiedenen Personen Gespräche geführt werden. Oftmals ist aber der Spin, die Ausrichtung des Porträts schon von Anfang an festgelegt. Seltener eine Lobeshymne, häufig ein Fertigmacherporträt. In ein solches passen dann natürlich keine positiven Aussagen von Gesprächspartnern; die werden einfach weggelassen.

So wie eine entsprechende ausführliche Schilderung von Roger Schawinski als Gesprächspartner von Michèle Binswanger, die in einem Artikel das angebliche Unwohlsein der Redaktion der NZZaS über die Entlassung des bisherigen Chefredaktors beschrieb. Plus Aussagen von – Überraschung – einem anonymen Headhunter, dass er Jonas Projer niemals als Kandidaten für diesen Posten vorgeschlagen hätte.

Gemauschel und Gemurmel statt Transparenz

Statt Transparenz herrschen Gemauschel und Gemurmel, dürfen Heckenschützen aus sicherer Deckung und anonym nicht überprüfbaren Dreck schleudern. Wobei die Autorin nicht mal für Transparenz sorgt, dass ihr Lebensgefährte Peter Wälty einen Machtkampf mit Jonas Projer verloren hatte und gehen musste.

Statt aus eindeutiger Befangenheit dieses Thema nicht zu bearbeiten, statt diese Hintergründe transparent zu machen, verwendete auch Binswanger ausschliesslich anonyme Quellen.

Für den naiven Leser hört sich solcher Flüsterjournalismus meist beeindruckend an. Da hat der Autor doch mit vielen Zeugen Gespräche geführt. Logisch, dass die anonym bleiben wollen, aus Angst um den Arbeitsplatz.

Wer sein Kapital verspielt, geht unter

Was aber diese Journalisten nicht bedenken: nachdem sich in so vielen Fällen herausgestellt hat, dass anonyme Aussagen oder Anschuldigungen nichts wert sind, entweder aus persönlichen Motiven erfolgen, oder schlichtweg erfunden sind, blättert jedes Mal eine weitere Schicht Glaubwürdigkeit von ihnen ab.

Dabei sind Vertrauen und Glaubwürdigkeit beim Leser das einzige Kapital, das ein Journalist hat. Wenn er das verspielt, geht er über kurz oder lang unter. Zusammen mit seinem Medium. Wenn es eine ganze Horde von Journalisten ist, wie gerade bei Tamedia, die mit ausschliesslich anonymen Vorwürfen ein angeblich strukturelles Problem herbeireden wollen, geht’s noch schneller nach unten.

Eine Ente ist – weiblich

Mit dem Spruch läge man bei Tamedia schon unter einer neuen Betroffenheitsoffensive. Aber hier ist sie wirklich weiblich.

Isabel Strassheim*, eine eher ruhige Schafferin und bei Tamedia für Pharma zuständig, was ja immer wieder Gelegenheit bietet, «Skandal» zu rufen, hat «Skandal» gerufen.

Allerdings nicht wegen unverschämten Preisen oder unverschämten Gewinnen oder unverschämter Gefühlskälte von Big Pharma. Sondern wegen bundesrätlichem Versagen:

Da hämte noch der Tagi über den Bundesrat.

Wenn der Tagi mal zeigt, was er kann, dann gibt er Vollgas. Anriss mit Karikatur auf Seite eins, Kommentar auf Seite zwei und grosser Bericht weiter hinten:

Feigheit vor dem Virus, Happy End versemmelt.

Hätten diese armen Schafe verschwinden müssen?

Das wünscht sich eigentlich jeder Journalist – auch jede Journalistin : Der Artikel schlägt ein wie eine Bombe. Zitierungen überall, natürlich fangen auch Politiker sofort an, zu hyperventilieren. Die einen fordern gleich den Rücktritt des Gesundheitsministers, die anderen wollen diesen neuen Skandal von Alain Berset genau untersuchen.

Dritte fordern sogar das schärfste Mittel, das der Nationalrat hat: eine PUK, eine parlamentarische Untersuchungskommission. Bislang gab es in der jüngeren Geschichte der Schweiz nur vier; eine ganze Latte von Anträgen wurde abgelehnt, zuletzt 2010 zur Finanzkrise und der UBS.

Die FDP setzte zum Sturmangriff an

Aber hier sah die FDP Gelegenheit, Terrain zu markieren und der SP eine reinzuwürgen. Denn ein Bundesrat, der aus welchen Gründen auch immer das Angebot einer eigenen Produktion von Impfstoffen ablehnt, obwohl schon das Terrain ausgeguckt war, wo nur noch der Widerstand des Tierschutzes zu überwinden wäre, wenn man die Schafe dort vertreibt? Ein Skandal, aber in Grossbuchstaben.

Nur: «Neuere Recherchen ergaben», vermeldete der Tagi klein und in kleinen Buchstaben versteckt in einem sogenannten Nachzug, dass das eine Ente war. Fake News, wie Trump für einmal richtig gesagt hätte. So formulierte es der Tagi natürlich nicht:

Nun, der FDP-Fraktionsvorsitzende stand mit mitten im Gefecht abgesägten Hosen da und versuchte, sich mit allen Politikersprüchen aus dem peinlichen Flop zu reden. Interessanterweise ohne den Schuldigen direkt zu kritisieren. Denn will man es sich mit einem der beiden Tageszeitungen-Monopolisten verderben?

Schlimmer erwischte es aber die Autorin. Sie verschwand grusslos in der Versenkung, die «Korrektur» war von «red.» für Redaktion unterzeichnet, die nachfolgenden Lonza-Artikel werden von anderen Tagi-Kräften geschrieben.

Ist über diesen und andere Flops der Oberchefredaktor auch betroffen?

Ist über eine ganze Reihe von Flops der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser nicht betroffen, was sagt er zu diesem Megaflop? Auf Anfrage von persoenlich.com gibt er ein gequältes Statement über die Medienstelle ab: «Wir haben den ursprünglichen Artikel transparent korrigiert und aufgezeigt, was wir darüber wissen, wie der Sachverhalt war.»

Lassen wir das mal in all seiner Schäbigkeit so stehen. Wie sieht das denn nun intern aus? Einerseits geht so eine Ente, so ein Bauchklatscher doch arg an die Reputation und das Vertrauen. Üblicherweise kommt der Autor einer solchen Falschmeldung nicht ungerupft davon. Nur: hier ist es eine Autorin.

Eine Ente kommt selten allein.

Eine Redaktorin, die zudem das Protestschreiben mitunterzeichnet hat. Wir hätten gerne von ihr gewusst, ob sie einen Zusammenhang zwischen der frauenfeindlichen Atmosphäre und diesem Flop sieht. Was sie davon hält, dass das Thema nun von männlichen Kollegen weitergeführt wird. Und ob sie freiwillig oder auf männliche Anordnung im Hintergrund verschwunden ist.

Schliesslich wollten wir noch wissen, ob sie als Unterzeichnete vielleicht ein, zwei Übergriffe, Belästigungen, Diskriminierung aus eigenem Erleben schildern könnte. Ob sie bei einer solchen Anschuldigung wirklich ausschliesslich mit den üblichen anonymen Quellen operieren darf. Aber, leider reagierte Strassmann nicht auf eine Anfrage mit ausreichend Antwortzeit.

Das zeichnet die erregten Tamedia-Journalistinnen wirklich aus: austeilen, beschuldigen, sich als Opfer aufmascheln, immer nur anonyme Belege oder Zeugen in eigener Sache oder bei vermeintlichen Primeurs. Aber auf naheliegende, höfliche, journalistische Fragen reagieren: niemals; lieber feige wegducken. Weil: als Frau darf man das.

Frauen klagen an, dann schweigen sie

Das greift langsam um sich, muss man einfach sagen, auch wenn man dann als Macho oder Frauenfeind beschimpft wird. Im Austeilen ganz gross, im Einstecken oder im Reagieren auf kritische Fragen ausserhalb der geschützten Werkstätten des Betroffenheitsjournalismus: ganz, ganz klein, nur noch winzige hässliche Entlein paddeln da schnell davon.

 

*Seufz. Die Dame heisst natürlich Strassheim; ich danke mal wieder den Lesern und gelobe Besserung.