Füttert die Armen!

Eine klare Ansage. Und besser als das Verteilen des Geldes fremder Leut.

Zu den Lieblingsbeschäftigungen aller guten Menschen, die unermüdlich Solidarität einfordern, gegen Diskriminierung ankämpfen, für eine offene Gesellschaft, für Willkommenskultur eintreten, ist das Verteilen von Geld. Nicht vom eigenen, versteht sich.

Entweder mit dem allgemeinen Ansatz: das kann sich doch eine reiche Schweiz leisten. Oder mit dem Ansatz: nur Unmenschen können da zuschauen. Interessant ist dabei, dass es eigentlich immer um das Verteilen von fremdem Geld geht. Sehr, sehr selten um einen eigenen Beitrag.

Denn das persönliche Beispiel, das sollen doch gefälligst andere geben. Am liebsten wird dabei eine Gruppe ins Visier genommen, deren Sozialprestige sowieso nicht sonderlich hoch ist: die Reichen. Entweder die Reichen ganz allgemein oder die furchtbar Reichen.

Wobei unterstellt wird, im erweiterten Sinne des alten Anarchisten Pierre-Joseph Proudhon: «Eigentum ist Diebstahl». Denn kann grosser Reichtum anders als unrechtmässig, zumindest unmoralisch, sicherlich nicht aus eigener Kraft, sondern durch die Ausbeutung anderer erworben worden sein?

Kann es angehen, dass Leute wie Bill Gates oder Carlos Slim oder gar Warren Buffett jeden Morgen wie Dagobert Duck ein belebendes Bad in ihrem bis an den Rand gefüllten Geldspeicher nehmen, während es so viel Armut, Elend, Hunger, Tod auf der Welt gibt?

Grosse Probleme brauchen grosse Lösungen. Wer solche Forderungen aufstellt, fühlt sich ganz gut dabei:

Allerdings ist das an Dummheit nicht zu überbieten. Also alle Profiteure einer Börsenhausse, vielleicht auch die Pensionskasse des Verfassers, sollen rechtmässig erworbene Gewinne spenden? Wunderbar, und wofür genau?

«Für die Bewältigung der aktuellen Krise».

Wunderbar, welche genau? Die Pandemie-Krise? Die Wirtschaftskrise? Die Denkkrise? Die Klimakrise? Die Regierungskrise? Es gibt leider so viele aktuelle Krisen, dazu noch im In- und Ausland, da darf man doch mal nachfragen. Nehmen wir an, die 115 Milliarden sollen in der Schweiz verpulvert werden. Wie genau soll damit was «bewältigt» werden?

Wäre das nicht unsolidarisch gegenüber den viel grösseren Krisen auf der Welt? Hätten es afrikanische Staaten nicht viel nötiger als wir hier in der Luxus-Schweiz? So viele Fragen, so keine Antworten.

Sollten wir dann für Börsenverluste spenden?

Es ist davon auszugehen, dass der Verfasser dieses Handzettels selbst nicht an der Börse aktiv ist. Auch nicht für eine Firma arbeitet, deren Aktien dort gehandelt werden. Auch keinen kennt, der das tut. Es auch seiner Bank strikt verboten hat, da mitzuspielen.

Um die Dumpfbackigkeit dieses Unsinns deutlich zu illustrieren: wie wäre es denn im umgekehrten Fall? Wenn 115 Milliarden an der Börse oder sonstwie verlorengingen? Müssten wir dann solidarisch diesen Betrag spenden? Um die dadurch ausgelöste Krise bei den Investoren, bei den Reichen zu bewältigen?

Schliesslich, wenn die Frage gestattet ist: welchen Beitrag leistet denn der Autor dieser Forderung zur Bewältigung der aktuellen Krise, was immer die auch sein mag? Als Dichter, Künstler und Performance-Poet, als Rapper kann er sicherlich sein Scherflein beitragen.

Auch wenn das nur aus wohlfeilen Ratschlägen an andere besteht. Auch wenn er nur Geld verteilen möchte, das ihm nicht gehört. Auch wenn er nur die Welt so simpel machen will, dass er sie versteht. Auch wenn dadurch alles unverständlich wird.

Reise in die Verlorengegangenheit

Aus der Reihe nachdenklicher Sonntag: Es gab mal eine Debattenkultur.

Selten ist eine Auseinandersetzung um eine Abstimmungsfrage dermassen gehässig,  nicht kooperativ und geradezu verbiestert geführt worden wie bei dem Referendum gegen das verschärfte Covid-Gesetz.

Die inhaltliche Argumentation ist vorbei; niemand wird heute noch von seiner Meinung, ob ja oder nein, abweichen. Daher ist es höchste Zeit, sich Sorgen um unsere Debattenkultur zu machen.

Von Platon bis heute zerbrechen sich Philosophen den Kopf darüber, welche Erkenntnismöglichkeiten wir haben. Vom Höhlengleichnis bis zu Systemtheorien gibt es unzählige Versuche, unser Verhältnis zur uns umgebenden Realität zu verstehen. Ist das alles nur in unserem Kopf? Gibt es eine Wirklichkeit, die unabhängig vom Betrachter existiert? Wichtiger noch: wie verhalten sich zwei erkennende Subjekte zueinander?

Am allerwichtigsten: mit welchen Methoden können wir Fortschritt befördern, was dient einem besseren Verständnis, damit einem adäquateren Verhalten, damit einem zunehmenden Wohlergehen für möglichst viele?

Diskursfähigkeit ist das Zauberwort

Nein, alle letzten Fragen der Menschheit werden hier nicht beantwortet. Daran zu scheitern, überlassen wir glaubensstärkeren Mitmenschen. Das stimmt nicht; wir warnen ausdrücklich vor überzeugten Besitzern von Wahrheiten. Nichts gegen klare Ansichten. Ermangeln deren Besitzer aber der wichtigsten Eigenschaft eines Menschen, geht’s direkt in die Hölle des Fanatismus, der Umerziehung, des Zwangs zum Besseren, der Vernichtung des Falschen, Bösen, Schlechten.

Auf schmalen Pfaden zur Erleuchtung durch Erkenntnis.

Die wichtigste Eigenschaft ist Diskursfähigkeit. In den Salons des 17. Jahrhunderts entstand das, was wir heute Aufklärung nennen, das goldene Zeitalter des Ausgangs aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit.

Mit welcher Methode wurde damals eigentlich die Erkenntnis befördert? Ganz einfach, mit der Methode des respektvollen Disputs. Alles ist dabei erlaubt. Falsches, Schockierendes, den Sitten und Normen nicht Entsprechendes. Die Ansichten eines de Sade genauso wie die Überlegungen eines Montesquieu oder Rousseau. Eines Marat, Robespierre, Danton, de la Mettrie oder eines Guillotin. Vorausgesetzt, man hielt sich an selbstverständliche Regeln von Anstand und Höflichkeit.

Dazu gehörten auch nur wenige Dinge.

Man lässt sich gegenseitig ausreden. Man zeigt zunächst, dass man die Argumentation des anderen verstanden hat, bevor man allenfalls zu einer Erwiderung und Kritik ansetzt.

Kommunikatives Handeln statt strategisches

Einen modernen Meilenstein in dieser Debatte setzte die «Theorie des kommunikativen Handelns» von Jürgen Habermas. Ein zweibändiger Wälzer, in der üblichen, nicht gerade leichtverständlichen Sprache eines Philosophen und Soziologen abgefasst.

Dabei ist seine Grunderkenntnis so einfach wie überzeugend. Gesellschaftlicher Fortschritt ist garantiert, wenn ein herrschaftsfreier Diskurs möglich ist. Der kann dann stattfinden, wenn ein paar wenige Bedingungen erfüllt sind:

  • Die Kommunikationspartner sind gleichberechtigt
  • Sie haben die gleichen Möglichkeiten sich zu äussern
  • Die Kommunikation ist symmetrisch
  • Die Entscheidungsfindung erfolgt durch den «Zwang des besseren Argumentes»

So wird der Pfad der Erkenntnis zur Strasse.

Man sieht sofort: das ist die Beschreibung eines Idealzustands, der natürlich in der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht existiert. Statt sich aber in komplexen Debatten über die Hindernisse, die Machtverhältnisse, die Rolle der Massenmedien, die Herrschaftsstrukturen oder gar in Genderwahnsinn zu verlaufen, kann man diesen Idealzustand einfach als Massstab verwenden.

Herrschaftsfreier Diskurs als Messfühler

Als Messfühler, wie fortschrittsfähig eine Gesellschaft ist. Wobei Fortschritt ganz allgemein als zunehmendes Wohlergehen möglichst vieler Teilhaber der Gesellschaft definiert sei.

Die Schweiz gehört zu den wenigen Ländern auf der Welt, wo Diskurse relativ frei stattfinden können.

Auch hier ist die Meinungsfreiheit weder grenzenlos, noch kostenlos. Aber eigentlich wären die Voraussetzungen für Diskurse zwecks Erkenntnisgewinn vorhanden.

Die jeweils in einem wahren Crescendo endenden Debatten über die richtigen Methoden zur Bekämpfung der Pandemie belegen aber leider, dass die Entfaltung der Diskursfähigkeit einer Gesellschaft nicht unumkehrbar ist.

Damit ist nicht das Vorhandensein von Polemik, Vereinfachung, Propaganda oder gar Demagogie gemeint. Zur Durchsetzung der als richtig angesehenen Meinung ist einiges erlaubt. Schon in den ersten Debattierklubs in Griechenland oder im französischen Parlament nach der Revolution fanden wahre Redeschlachten statt, wo nicht immer und unbedingt der Zwang des besseren Arguments den Sieg davontrug.

Aber dort ging es auch nur um die Entscheidungsfindung unter ausgewählten Privilegierten. In einer direkten Demokratie wie die der Schweiz geht es um die Meinungsbildung der Staats- und Stimmbürger.

Was ist verlorengegangen in der Debattenkultur der Schweiz?

Dabei ist zu konstatieren, dass das sogar bei hochemotionalen Themen wie der Initiative für die Abschaffung der Schweizer Armee entschieden besser gelang als bei der aktuellen Debatte über das verschärfte Corona-Gesetz. Die Abstimmung fand am 26. November 1989 statt, vor fast genau 32 Jahren. Also eine gesellschaftliche Generation zurück.

Wenn das schöne Bild von Friedrich Schiller stimmen würde, stünde ja die nächste Generation immer auf den Schultern der vorangehenden, sich erhebend zu mehr Aufklärung, Fortschritt, Erkenntnis.

Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Zur Beschreibung ist ein ganzer Begriffszoo entwickelt worden. Gesinnungsblase, Filterblase, Fake News, alternative Wahrheiten, Verschwörungstheoretiker, Hetzer, Rechtspopulisten. Das Vokabular für die andere Seite des politischen Spektrums existiert schon länger. Linke Spinner, revolutionäre Umstürzler, Systemveränderer, Enteigner, Befürworter der Abschaffung des Privateigentums.

Einzig weggefallen ist seit 1989 alles, was man vielleicht mit «Moskau einfach» fassen kann. Also die Schablone, dass jeder Kritiker an bestehenden Verhältnissen ein mehr oder minder verkappter Anhänger des sozialistischen Lagers sei.

Wie ist aber zu erklären, dass wohl Konsens herrschen muss, dass die Debattenkultur, die Diskursfähigkeit ganz allgemein sehr massiv nachgelassen hat? Abstimmungsdebatten waren noch nie ein Streichelzoo. Aber es ist unbestreitbar, dass das Bedürfnis nach Erkenntnisgewinn durch Diskurs zu Spurenelementen geschrumpft ist. Die Akzeptanz, dass einer eine andere – dadurch natürlich falsche Meinung  – als man selbst haben darf, beherrscht nicht mehr die Debatte.

So wird’s wieder grau und trist und schmal.

Der Zwang des besseren Arguments, also die Verwendung von Zweckrationalität, Logik, Analyse, qualifizierter Durchdringung eines Themas, das alles hat an Bedeutung verloren. Schlafschafe gegen Schwurbler, an solchen polemische Zuspitzungen ist nichts auszusetzen. Wenn sie unterfüttert würden mit Argumentationsketten, an denen man sich intellektuell abarbeiten könnte. Im Streben danach, dass man schlauer und einsichtiger werden will.

Angstvoller Rückfall in ängstliche Zeiten

Es handelt sich um einen Einbruch tiefer Irrationalität in Diskurse, die deswegen kaum mehr geführt werden können. Irrationalität entsteht durch Emotionalität, in erster Linie durch Angst.

Offensichtlich hat diese anhaltende Pandemie, die genauso vorübergehen wird wie alle vorher, unsere moderne Gesellschaft auf dem falschen Fuss erwischt. Obwohl wir Ursachen und Möglichkeiten zur Bekämpfung unvergleichlich viel besser kennen, verhalten sich grosse Teile der Gesellschaft wie im finsteren Mittelalter mit seinen Seuchenzügen.

Es wird nach Schuld und Sühne gesucht, nach Schuldigen und Sündern.

Der Andersdenkende ist nicht länger Bereicherung, sondern Bedrohung. Er muss nicht mehr überzeugt, sondern überwunden werden.

Seine Meinung ist nicht nur falsch, sondern gefährlich. Es ist zudem nicht einfach eine Meinung, sondern eine Haltung, eine Gesinnung.

Während man falsche Meinungen vielleicht noch argumentativ überwinden kann, müssen falsche Haltungen und Gesinnungen bekämpft, ausgemerzt werden. Sie stören nicht nur, sie sind eine tödliche Bedrohung. Deshalb ist jedes Gegenmittel erlaubt. Im Ernstfall die physische Vernichtung des Meinungsträgers.

Der Fortschritt ist leider nicht unumkehrbar.

Jean Gabin in «La bête humaine» nach Zola.

Ein Rückfall in Barbarei ist jederzeit möglich. Der Firnis des respektvollen Diskurses als einzig anerkannte Methode zur Entscheidungsfindung ist sehr, sehr dünn. Er ist abgekratzt. Darunter zum Vorschein kommt das lauernde, irrationale Tier im Menschen. Das nur gebändigt, nicht ausgelöscht wurde.

Staatliche Giesskanne für Wucherpflanzen

Wie viel Staatsknete kriegen die Privatmedienhäuser? Schwierige Spurensuche.

Grundlage ist: Im Jahr 2020 machten alle vier grossen Medienhäuser in der Schweiz satte Gewinne. Ob Tamedia, Ringier, CH Media oder NZZ: kein einziger Verlag schrieb rote Zahlen oder musste Reserven anknabbern.

Im Gegenteil, die Besitzerfamilien; also Supino-Coninx, Wanner und Ringier, konnten sich über die üblichen Dividenden freuen. Etwas anders sieht es bei der NZZ aus, deren Aktien sich in Streubesitz befinden – und der grossen Mehrheit der Aktionäre geht es mehr um Ehre als um Kohle.

Aber überall wurde im ehemaligen Kerngeschäft, der Herstellung von qualitativ veredelten News, gespart, dass es kracht. Entlassungen, Zusammenlegungen, beliebt werden mehr und mehr journalistische Kindersoldaten, die eingepfercht in ihre Verrichtungsboxen im Newsroom klickgetrieben Content produzieren. Ab Fliessband.

Trotz sprudelnden Gewinnen noch die Giesskanne

Dennoch haben diese Verlage zusätzliche Steuergelder eingesackt. Aus drei Quellen. Corona-Hilfsgelder à fonds perdu, Kurzarbeitsunterstützung und zusätzliche Inserateeinnahmen durch diverse Kampagnen des BAG. Das läppert sich, und man muss etwas recherchieren, wenn man die Zahlen auf die Reihe kriegen will.

Das hat «Saldo» getan (Artikel hinter Bezahlschranke). So gingen alleine im zweiten Semster 2020 insgesamt rund 10 Millionen Franken an 147 Zeitungen. Da es sich inzwischen mehrheitlich um Kopfblätter handelt, kassierten die grossen Vier den Löwenanteil:

  • Tamedia 2 Millionen Franken
  • CH Media 1,1 Millionen
  • Ringier 984’000
  • NZZ 447’000

Dabei machten diese vier Player, wie der «K-Tipp» ausgerechnet hat, in den letzten zehn Jahren satte 3,8 Milliarden Franken Betriebsgewinn, vor Abschreibungen und Steuern.

Dabei sind auch diese 10 Millionen Zusatzhilfe nicht alles, «insgesamt sprachen der Bundesrat und das Parlament in den Pandemiejahren 2020 und 2021 total 98 Millionen Franken für die privaten Medien», weiss «Saldo».

Plus 76,5 Millionen Franken Kurzarbeitsenschädigung für Privatmedien und die SRG, gerechnet bis September dieses Jahres. Wieso der Gebührensender SRG zusätzlich Kurzarbeitsgeld bekommt, ist absolut schleierhaft.

Dazu kommen noch die üppigen Einnahmen aus Inseratekampagnen; alleine die geflopte «Impfwoche» mit Gesamtkosten von rund 100 Millionen Franken spülte über mehrere Inseratewellen ein nettes Zubrot in die Kassen der Verlage.

Zahlung und Zahmheit? Kein Zusammenhang

Die werden nicht müde, jeden Zusammenhang zwischen diesen Zahlungen und ihrer Berichterstattung zurückzuweisen. Man bleibe der Aufgabe der Vierten Gewalt verpflichtet – also eine in Demokratien lebenswichtige Kontrolle und Überprüfung staatlichen  Handelns. Reiner Zufall, dass alle diese Grossverlage die offizielle Pandemie-Politik lauthals unterstützen, kaum Platz für Kritik daran geben, abweichende Meinungen sogar übel beschimpfen.

Nur zwei Müsterchen:

«Nun kaufen wir mit unserem vielen Geld für ein paar egozentrische Impfskeptiker den Stoff, der anderswo Leben retten würde»,

schimpfte der Oberchefredaktor Arthur Rutishauser von Tamedia. Und sein Kollege Patrik Müller bei CH Media verstieg sich sogar dazu, die Impfung zur «patriotischen Pflicht» zu erklären.

Von Corona-Kreischen wie Marc Brupbacher und Co. ganz zu schweigen.

Die Quittung holen sich die Verlage bei ihren Kunden ab. Laut (hoffentlich nicht manipulierten) Umfragen glaubten noch im März 2020 rund 50 Prozent der Bevölkerung, von den Medien umfassend informiert zu werden. Im Oktober 2021 sank diese Zahl auf ein knappes Drittel. «Saldo» fasst weiter zusammen: «47 Prozent der Bevölkerung sind inzwischen der Ansicht, die Medien würden mit ihrer Corona-Berichterstattung übertreiben und zu Panik beitragen. Im Frühling 2020 waren es erst 25 Prozent.»

Das hat auch damit zu tun, dass die Leistung der überlebenden Redaktoren in den Newsrooms immer stärker an zwei Kriterien gemessen werden. Anzahl Klicks und Lesedauer. Inhalt, Hintergrund, differenzierte Darstellung, Aufzeigen von Komplexitäten: das ist Gift für beide Faktoren.

ZACKBUM-Journalismus (wie er hier nicht betrieben wird), das haut rein. Vor allem natürlich Panikmache («bis zu 100’000 Tote», «das Gesundheitssystem kann zusammenbrechen», «die Intensivstationen sind demnächst überbelegt, es wird zu Triage kommen»).

Ein komplexer, aber teuflischer Kreislauf 

Es hat sich ein teuflischer Kreislauf entwickelt. Panikmache erhöht die Einschaltquote. Lammfromme Berichterstattung erhöht die Ausschüttung von Steuerbatzelis. Und umso länger die Pandemie andauert, desto mehr Steuergelder stehen in Aussicht.

Allerdings: nachdem Tamedia und Ringier die Fusion ihrer Handelsplattformen bekanntgaben (und die Aktie von Tamedia um 80 Prozent in die Höhe schoss), zweifeln immer mehr daran, dass diese Verlage mit insgesamt einer weiteren Steuermilliarde unterstützt werden sollten.

Sie waren schon fast am Ziel. So wie die Verlage nach Staatsknete gieren, so gelüstet es Politiker nach medialer Präsenz. Denn nur, wer immer wieder in den Medien vorkommt, ist jemand. Sonst verliert er sich unter den 246 Parlamentariern. Aber ein Interview, ein wohlwollendes Porträt, das Aufnehmen von unablässigen Forderungen, Vorstössen und Ankündigungen – dann ist die Wiederwahl schon fast gewonnen.

Wer für die neue Milliardensubvention ist, kann sich einer wohlwollenden Berichterstattung sicher sein. Wer dagegen ist, nicht. So einfach läuft das.

Glasklare Schlussfolgerungen

Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Staatssubventionen sind mittelfristig tödlich für die Medien. Denn sie untergraben deren wichtigstes Asset: Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Staatssubventionen sind in einer Demokratie mittelfristig tödlich. Sie machen die Wächter des Staates zu seinen Liebedienern.

Staatssubventionen sind unnötig für Medienhäuser, die in den letzten Jahren Milliardengewinne eingefahren haben. Subventionen sind für das Spielen des Marktes tödlich. Bieten die Medienhäuser ein Produkt an, für das es genügend Nachfrage gibt: wohlan. Tun sie das nicht, haben sie aus eigener Schuld technologische Entwicklungen verschgnarcht, dann sind sie zum Untergang verurteilt.

Daher kann man sich die zusätzliche Milliarde sparen, über die im Februar 2022 abgestimmt wird. Es gibt weiterhin Bedarf nach unabhängiger und umfassender Berichterstattung. Wird die geliefert, deckt die Nachfrage auch die Kosten.

Denn das Problem der Verlage ist nicht das Internet oder Corona. Ihr Problem ist der Verlust an Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Genau wie das Verschnarchen neuer Technologien ist das selbstverschuldet.

Wie wär’s mit Demut?

Eines ist klar: Wir wissen herzlich wenig über Seuchenbekämpfung.

Es ist ein Witz, aber ein schlechter, dass sich eigentlich jeder Medienschaffende dazu berufen fühlt, epidemiologische Ratschläge zu erteilen. Aus Gründen, die mit Staatssubventionen sicher nichts zu tun haben, fordern eigentlich alle immer härtere Massnahmen, energisches Durchgreifen, Repression gegen «Impfverweigerer».

Es hat sich eine Untergattung im Journalismus gebildet, die man mit dem Begriff «Coronakreische» zulänglich beschreiben kann. Sie zeichnet sich durch einen Dauerzustand höchster Erregung aus, idealtypisch verkörpert von Marc Brupbacher im Reiche Tamedia.

Typisches Angebot eines modernen Newsmediums.

Wie jeder Rechthaber, der sich sicher ist, dass bei Nichtbefolgung seiner Ratschläge die Welt untergeht, zumindest Fürchterliches und Schlimmes passiert, teilt er rücksichtslos gegen Regierende aus «total übergeschnappt». Es werden fiebrig Statistiken, Daten, Phänomene zitiert, die in den eigenen Kram passen. Passen sie nicht, werden sogar Unis dazu aufgefordert, «diesen Dreck» sofort von ihrer Webseite zu nehmen.

Dass es sich um Fachmeinungen von Koryphäen handelt, spielt keine Rolle, wenn deren Aussagen nicht mit der Ansicht der Coronakreische übereinstimmen. Sie kann zudem ihrem Geschäft genauso locker nachgehen wie alle profilierungssüchtigen Fachleute, die die Chance wittern, endlich einmal ihre 15 Minuten Ruhm abzuholen – statt von der Öffentlichkeit unbemerkt in irgendwelchen Labors oder Denkerstübchen vor sich hin zu forschen.

Denn im Gegensatz zu Entscheidungsträgern in Staat und Wirtschaft erteilen sie ihre Ratschläge haftungs- und verantwortungsfrei.

Leider sind die völlig ungehemmten Zeiten am Anfang der Pandemie vorbei. Da war Profilierung noch leicht, entweder als Abwiegler («schwer übertrieben, die Chinesen fressen halt alles, kommt nie nach Europa») – oder als Untergangsprophet («100’000 Tote in der Schweiz, Gesundheitssystem wird zusammenbrechen, Leichensäcke müssen auch hier mit Armeelastwagen abtransportiert werden»).

Jeder (und jede) versucht’s auf seine Art.

Keiner zu klein, Meinungsträger zu sein

Auch Modepoeten wie Lukas Bärfuss, der sonst als kenntnisleerer Kritiker der von Profitgier und einem «chemischen Industriellen» beherrschten Schweiz auf sich aufmerksam macht, outete sich als profunder Seuchenkenner. Der auch hier diagnostizierte, dass Geld und Profit in der Schweiz viel wichtiger seien als Menschenleben und deshalb bald einmal italienische Zustände ausbrechen würden.

Nun ist es aber so, dass leuchtende Vorbilder sich genauso schnell in neue Sorgenkinder verwandeln – wie umgekehrt. Schweden, Israel, Portugal, Spanien, Grossbritannien, Dänemark. Grossartige Theorien, wieso es denen gelänge, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Nach kurzer Schweigepause dann grossartige Theorien, wieso es denen nicht gelänge, die Pandemie …

Geht auch umgekehrt. Italien, das Land der typisch italienischen Katastrophe; die kriegen nie was gebacken, dolce far niente, kennt man doch. Und plötzlich: Wahnsinn, wie Italien Corona im Griff hat. Bis zum nächsten Switch, der eigentlich täglich erfolgen kann. So wie in Orwells «1984», wo der Verbündete von gestern der Feind von heute ist und morgen wieder zum Verbündeten wird.

Ein sicherer Wert war lange Zeit Afrika. Der Gipfel unseres weissen Zynismus. Kaum Impfungen, kein Geld für Impfungen, lotteriges Gesundheitssystem, das wird ein Massaker geben, Massensterben, die Entvölkerung ganzer Landstriche drohe. Unsere Mitschuld, Postkolonialismus, gierige Pharmafirmen, unbezahlbare Impfstoffe, eine Katastrophe mit Ansage.

Auch Swissinfo wusste es ganz genau.

Stattdessen dann das «Wunder von Afrika». Welch ein missbrauchter Begriff, ein Ersatz für: wir haben mal wieder krachend danebengelegen mit unseren Prognosen. Wie so oft, wie eigentlich immer.

Schamanen, Wahrsager, Journalisten

In Afrika gibt es Schamanen und Wahrsager und Medizinmänner, die meisten mit der Gabe des dritten Auges ausgestattet, also der Fähigkeit, in die Zukunft schauen zu können. Indem Zeichen gelesen werden, Wolkenformationen, Vögelzüge, ein Gewitter, Rauchwolken, auch die Einnahme von merkwürdigen Substanzen hilft.

Zwei Journalisten in Freizeitkleidung.

Auf solchen Voodoo verzichten unsere Propheten in den Medien. Aber ein afrikanischer Seher gefährdet seine Berufsausübung, wenn er eins ums andere Mal krachend danebenliegt. Wenn er ein Gewitter als Vorboten einer Missernte intepretiert. Wieder und wieder, aber falsch.

In unseren aufgeklärten Gesellschaften ist statt Gewitter zum Beispiel die Impfung so ein Standard der Vorhersage. Die Durchimpfung. Umso höher, desto besser. Wenn es hochwissenschaftliche Untersuchungen gibt, die keinerlei Zusammenhang zwischen Impfquote und Neuinfektionen sehen, werden die ignoriert oder kritisiert. Die Auslastung der Intensivstationen ist ein anderes Beispiel.

Voodoo-Puppe, dreifach gepikst.

Die kommt immer wieder an ihre Kapazitätsgrenze, Triage drohe, Notstand, Kollaps. Gerade aktuell steht das wieder bevor. Alle Zahlen sprachen und sprechen immer dagegen, auch die aktuellen. Macht nichts, einfach ignorieren. Schliesslich die Anzahl Impfungen. Einmal ist keinmal, zweimal ist besser, aber dann ist auch gut. Okay, für Ü-65 könnte dreimal noch besser sein. Oder gleich für alle. Und wenn wir schon dabei sind, Kinder unter 12 sind ja flächendeckend ungeimpft. Dürfen noch gar nicht geimpft werden, werden aber aus der Gesamtzahl der Ungeimpften nicht herausgerechnet.

Zwei Jahre Kakophonie ohne Lerneffekt 

Das sind nur drei ausgewählte Beispiel aus der seit fast zwei Jahren anhaltenden Kakophonie von Fehlmeinungen, Falschprognosen und einer partiellen Wahrnehmung der Realität. Jeder kann sich irrern, auch mehrfach. Das passiert sogar Fachleuten, aber vor allem Laien, die auf einem Gebiet unterwegs sind, von dem sie keine Ahnung haben.

Irren ist menschlich. Fragwürdig wird das, wenn die gleichen Kreischen, obwohl sie sich wieder und wieder geirrt haben, geschützt durch die völlige Verantwortungslosigkeit, da sie keinerlei Konsequenzen ihrer Ratschläge befürchten müssen, im gleichen Brustton der tiefsten Rechthaberei immer neue Ratschläge geben.

Immer im Ton der Dringlichkeit, mit der Lieblingseinleitung: «Jetzt muss dringend», was auch immer. Denn wenn nicht, dann droht immer Fürchterliches, wäre es «völlig verantwortungslos», diesem wohlfeilen Ratschlag nicht zu folgen.

Schon mal was von Demut gehört?

Wie wäre es stattdessen mal mit etwas Demut? Mit der Einsicht in die eigene Unvollkommenheit? Wie wäre es mit einem schmerzlichen Rückblick auf alle abgesonderten Fehlmeinungen? Auf all die Prognosen, die nicht eingetroffen sind?

Oder ganz einfach: weniger Gekreische, dafür mehr Einsicht in die vornehmste Eigenschaft des Journalismus: Denkanregungen zu geben, vorläufige Erklärungsmodelle anzubieten, Widersprüchliches darzustellen, Für und Wider abzuhandeln, die Welt bunt zu lassen und nicht schwarzweiss zu malen.

Aber dazu bräuchte es neben Demut eine weitere Fähigkeit, die fast allen Journalisten abgeht: sich selbst in Frage stellen können. Überhaupt Fragen interessanter als Antworten zu finden. Einfach mal wagen: «Ich weiss doch auch nicht, aber ich versuch’s.» Wär’ doch was, bevor der Elendsjournalismus mangels Relevanz im Orkus verschwindet.

Quote ist Quatsch

Quote mindert Qualität und bewirkt das Gegenteil des Beabsichtigten.

Vor rund 9 Monaten landeten Tamedia-Mitarbeiterinnen den wohl grössten Scoop ihrer ganzen Karriere. Zwei zuvor durch keinerlei journalistische Leistungen aufgefallene Rädelsführerinnen liessen via Jolanda Spiess-Hegglin ein für internen Gebrauch bestimmtes Protestschreiben an die Öffentlichkeit durchsickern.

Perfekt getimt zum Tag der Frau erregte es gewaltig Aufsehen. 78 Mitarbeiterinnen hatten ein Schreiben unterzeichnet, das sich über demotivierende Zustände, Diskriminierung und Sexismus auf den Redaktionen beschwerte. Rund 60 anonymisierte Beispiele sollten das belegen.

Abgesehen davon, dass sie an Harmlosigkeit kaum zu überbieten waren und durch die völlige Anonymität nicht nachprüfbar, landete diese Aktion einen vollen Erfolg. Er beförderte die beiden Initiantinnen in den Fokus der Öffentlichkeit und verschaffte ihnen sogar einen Kurzauftritt in «10 vor 10».

Einknicken, entschuldigen, Besserung geloben

Mehr als das, die gesamte Tamedia-Führungsriege knickte widerstandslos ein. War betroffen, entschuldigte sich, sah ein Problem, kündigte strenge Untersuchung an, versprach Abhilfe. 9 Monate später ist die Untersuchung offensichtlich mangels Möglichkeit zur Verifizierung (welcher männliche Sexist soll was zu welchem weiblichen Opfer gesagt haben?) verröchelt.

Aber die Ansage des Mitglieds der Geschäftsleitung bleibt: 40 Prozent Frauenanteil auf allen Hierarchiestufen, das ist das Ziel. Marco Boselli, Co-Geschäftsführer von Tamedia, bekannte sich zur Quotenregelung.

So wird alles gut. Für Frauen …

Und schlug damit einen weiteren Sargnagel bei der Beerdigung des Qualitätsjournalismus ein. Denn Quote killt Qualität, das ist eine feststehende Tatsache. Genauso wenig, wie das Geschlecht ein Kriterium für Kompetenz oder öffentlichen Auftritt sein darf, sorgt Quote nur dafür, dass durch sie diskriminierte Mitarbeiter abwandern.

Die Fähigen gehen, die Unfähigen bleiben

Ausgerechnet die, die eigentlich Karriere machen wollen. Denn die einfach zu verstehende Wirkung ist: selbstverständlich sind auch bei Tamedia leitende Positionen überwiegend von Männern besetzt. Und da weder Big Boss Pietro Supino, noch Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, noch Geschäftsführer Marco Boselli, noch «Blick»-Chef Christian Dorer an eine Geschlechtsumwandlung denken dürften, bedeutet Quote, dass Körper mit Vagina ganz klar bessere Karten haben als Körper mit Pimmel.

Also gehen die Pimmel fremd; typisch Mann. Kurt W. Zimmermann zählt in der neusten «Weltwoche» ein paar Beispiele auf. Beat Schmid, vor nicht allzu langer Zeit von CH Media zu Tamedia gestossen, geht. Ein herausragender Wirtschaftsjournalist. Ebenso Markus Diem Meier. Oder Linus Schöpfer, womit das eh schon auf dem Sterbebett liegende Kulturressort unter Federführung von Nora Zukker oder Andreas Tobler noch die letzten Leser in die Flucht schlagen wird.

Denn Quote heisst: den Aufstieg in Männergremien kann man als Mann vergessen. Leistung, Kompetenz, die Bearbeitung von Themen, die 99 Prozent aller Leser entschieden mehr interessieren als «free bleeding» oder die neusten Entwicklungen im korrekten Gendern der Sprache – spielt keine Rolle mehr.

Was inzwischen alles die Leser belästigt …

Schlimmer noch, schon vor dieser Quotenregelung merkte man Tamedia immer deutlicher an, dass sich männliche Vorgesetzte kaum mehr trauten, weiblichen Sprachmüll dem Leser zu ersparen. Denn wer will schon gerne als demotivierender Sexist an den Pranger gestellt werden, dessen männliche Sicht die Qualitäten eines weiblichen Texts gar nicht erfassen kann.

Binäre Quoten sind der Gipfel der Diskriminierung. Wenn es nur um Vagina oder Penis geht, wo bleiben die Kurzsichtigen? Die Brillenträger? Die polygamen Schwulen? Die enthaltsamen Lesben? Die Veganer? Die Latzhosenträger? Die Fans von Gucci-Handtaschen? Und vor allem: die Non-Binären, die Transmenschen? Oder die trockenen Alkoholiker, die Zigarrenraucher, die Marathonläufer, die Biertrinker?

Von den dadurch möglichen Untergruppen ganz zu schweigen, wir erwähnen hier nur den glatzköpfigen, sowohl horizontal wie vertikal herausgeforderten Schwulen mit ex-veganem Hintergrund und der finsteren Absicht, sich umoperieren zu lassen. Wo ist dessen Quote, und wenn nicht, wieso lassen wir diese Diskriminierung zu?

Für Tamedia, für die Leser und für die Pimmelträger im Hause sind das schlechte Nachrichten. Aber es gibt auch eine gute. Drittklassige Redaktorinnen, unfähige Managerinnen, selbst strunzblöde Blondinen (ob echt oder gefärbt) haben Karrierechancen wie noch nie in ihrem Leben. Allerdings: nachhaltig Karriere machen kann man nur in einer Firma, die sich nicht im Sturzflug befindet.

Und erst noch stolz drauf. Cover des deutschen «Stern».

Sonst wird man höchstens zum Bestatter, zur Bestattungsgehilfin. Und das ist höchstens am TV lustig.

Impfwoche! Spritz dir eins!

Wir leben im Paradies der pluralistischen Medien. Und glauben an den Weihnachtsmann.

Der Bund wirft ein paar Millionen Steuergelder auf, um mal richtig vorwärts zu machen mit dem Impfen. Impf dir eins, dann gibt’s Raclette. Nimm den Impfbus. Booster dir eins. Einen hübschen Teil der Millionen gibt der Staat für Medienkampagnen aus. Endlich mal wieder Inserate satt in den Tageszeitungen.

Fotos der grossartigen Webseite «Kim looking at things».

Das alles hat natürlich überhaupt keinen Einfluss auf die objektive, ausgewogene, alle Meinungen widerspiegelnde Berichterstattung. Niemals. Ehrenwort. Strikte Trennung von redaktionellem Inhalt und Werbung. Hand aufs Herz und treuer Blick nach oben. Publireportage? Paid Content? «In Zusammenarbeit mit»? «Diese Reisereportage wurde unterstützt von»? Diese Produkte hat unsere Beauty-Redaktorin für Sie ausgewählt, äh, wurden ihr gratis zugesteckt?

Nun ja, wir wollen da den Fünfer gerade sein lassen. Nicht nur der Coninx- oder Ringier- oder Wanner-Clan muss ja von was leben. Seine Angestellten auch. Aber wenn’s ernst wird, wenn es um Leben oder Tod geht, dann besinnen wir uns doch auf alle journalistischen Anstandsregeln, oder nicht?

Oder nicht.

Weil das Thema wirklich nervt, das Panoptikum der ausgewogenen Berichterstattung der drei grossen Medienhäuser plus NZZ im Dreisprung kurz vorgeführt. Achtung, nur für stärkere Nerven. Bei Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Der kann zwar auch nicht helfen.

Wir fangen irgendwo an, denn zwischen oben und unten ist bei dem Thema Corona schwer zu unterscheiden.

So ausgewogen berichtet der «Blick» übers Für und Wider der Impfung.

Testimonial eines reuigen Sünders, kommt immer gut.

Testimonial aus berufenem Mund, kommt auch gut.

 

Wir queren den Mediensumpf Richtung Tamedia.

Corona-Kreische Marc Brupbacher muss seinen Ruf verteidigen.

Impfmuffel und Trödelkantone. Gute Wortwahl ist alles.

Auch «20 Minuten» greift objektiv in die Debatte ein.

Wir haben diese Anglergummistiefel an und kommen daher trockenen Fusses zu CH Media.

Nehmt das, ihr trödelnden Impfstoff-Zulasser in der Schweiz.

Sachbeschädigung, dann der nächste Sturm aufs Bundeshaus?

«Beantworten Fragen» ist etwas euphemistisch formuliert. «Machen Ansagen» wäre wohl besser.

Nun noch der Aufschwung in die Höhe der intellektuellen Kühle, also zur NZZ.

Oh, auch hier wird mit Testimonials gearbeitet.

Gib uns das tägliche Grauen. Nimm das, du verstockter Impfgegner.

Endlich, der philosophische Diskurs in Widersprüchlichkeiten.

 

Zusammenfassung

Das ist eine durchaus repräsentative Auswahl aus der nordkoreanischen Meinungspresse. Pluralistisch, vielfältig, widersprüchlich, Für und Wider darstellend. Mit Platz für abweichende Meinungen. Damit könnte sogar Kim der Dickere leben.

Saufen in der Migros?

Wer drei M sieht, könnte sich zuvor bei der Migros mit Hochprozentigem eingedeckt haben.

Welche Prinzipien des charismatischen Gründers der Migros sollen heute noch gelten? Auf einigen Gebieten hat das Migros-Management schon klare Tatsachen geschaffen.

Das «Gottlieb Duttweiler Institut» in Rüschlikon liegt zwar immer noch im idyllischen öffentlichen Park, den Dutti der Bevölkerung schenkte. Aber von seiner ursprünglichen Aufgabe, die Beförderung des Weltfriedens und gesellschaftskritische Untersuchungen, ist es meilenweit abgekommen.

Heute beschäftigt sich das Institut mit banalen Marketingfragen und vermietet seine Mitarbeiter sackteuer für Referate. Peinlich, aber auch Persönlichkeiten wie der Ex-Migros-Boss Pierre Arnold oder Hans A. Pestalozzi, der persönliche Sekretär von Dutti, sind längst ins Grab gesunken. Dass es mal eine «Tat» gab (wer hatte sie wiedererfunden? Genau, Roger Schawinski) oder einen «Migros Frühling», alles Schnee von gestern. Kulturprozent? Gähn.

«Trend-Updates», die Verluderung einer grossartigen Idee.

Nun hatte Dutti etwas gegen Rauschmittel, vor allem sah er die teilweise tragischen Auswirkungen übermässigen Alkoholgenusses auf die arbeitende Bevölkerung. Also legte er fest: in meinen Läden gibt es keinen Alkohol und keinen Tabak. Punkt. Oder doch?

Nichts ist unveränderlich, vor allem nicht Prinzipien

Die Delegierten des theoretisch als Genossenschaft organisierten Detailhändlers haben mit überwältigendem Mehr dafür gestimmt, dass man sich in Zukunft auch in der Migros mit Alkohol eindecken kann.

Natürlich kann man darüber diskutieren, ob Prinzipien des Gründers auch fast hundert Jahre später noch uneingeschränkt gelten sollten. Der Brauch, dass der Arbeiter am Freitag auf dem Heimweg einen guten Teil seines Wochenlohns versoff, ist doch eher ausgestorben.

Ausserdem verkauft die Migros seit der Einverleibung von Denner Hektoliter Alk. Zudem an seinen Tankstellen, damit der Autofahrer beschwingt in den nächsten Baum brettern kann.

Das Thema ist nun aber für die Medien eher heikel. Denn – neben den schönen Corona-Inseraten des Staats – ist die Werbung von Migros, Coop, Aldi und Lidl ziemlich existenziell für die Printorgane. Denn wer – ausser noch Automarken, aber die auch mit gebremstem Schaum seit Corona – inseriert denn noch grossflächig?

So wie man eher selten liest, dass der neue Dacia, Volvo oder Toyota ein richtiges Schrottauto sei, wird nun um diesen Entscheid herumgeeiert. Für und Wider, einerseits, andererseits, der Wille des Gründers, die modernen Zeiten, die anderen Gewohnheiten, wieso nicht, wieso schon.

Eiertänze auf dem Hochseil des Kommentars

Rund 350 Treffer gibt es schon in der Mediendatenbank für die Begriffe Migros plus Alkohol. Noch darf hier der Kommentator seines Amtes walten. Roman Schenkel von CH Media riskiert einen trockenen Titel:

«Mehr Profit, weniger Duttweiler».

Natürlich darf jeder «Werber», der nicht bei drei auf den Bäumen ist, zusammen mit jedem «Markenspezialisten» einen Schluck aus der Pulle nehmen. Thomas Wildberger zeigt sein Trinkniveau, indem er bekannt gibt, sollte Migros Alkohol verkaufen, werde er wohl am ehesten «beim Champagner» zugreifen. Obwohl er findet, dass damit die «DNA verwässert» würde. Man könnte da sogar von Panschen sprechen.

Bald in der Migros  zu haben?

Zu einem gepflegten Einerseits-Anderseits bekennt sich  Tamedia in einem «Leitartikel»: «Duttweiler würde sich im Grab umdrehen. Oder vielleicht auch nicht. Er hat selten getan, was andere von ihm erwarteten. Er rauchte, trank gerne Wein.» Allerdings erschliesst es sich nur für Armin Müller, was die persönlichen Gewohnheiten Duttis mit seinem Prinzip, kein Alk in meinen Läden, zu tun haben sollen.

Ziemlich elegant zieht sich die NZZ aus der Bredouille. Sie hat ein altes Tondokument ausgegraben, in dem Dutti selbst Zweifel daran äussert, ob das Alkoholverbot eine gute Idee bleibt, oder ob es dann nicht mal abgeschafft werden sollte. Das macht den Weg frei zum Kommentar: «Tatsächlich ist es an der Zeit, dass Wein und Bier in die Regale der Migros-Supermärkte kommen.»

Dutti gegen Dutti: alles ist möglich.

Es ist natürlich völlig entrüstet von der Hand zu weisen, dass sich irgend ein unabhängiges, nur nach objektiven Kriterien im besten Sinne für seine Leser zu Meinungen kommende Medienorgan davon beeindrucken liesse, dass Migros ziemlich Gas geben muss, wenn sie sich wirklich einen kräftigen Schluck aus der Pulle des Alkoholmarkts in der Schweiz abholen will.

Denn Coop und eine Unzahl von Weinhändlern haben das Gebiet schon vor der Gründung der Migros beackert, sich eine treue Kundschaft aufgebaut und werden natürlich Marktanteile nicht freiwillig hergeben.

Deshalb ist damit zu rechnen, dass der Verkauf von Champagner bei den bisherigen Anbietern deutlich steigt. Denn nicht nur Wildberger freut sich auf tolle Inseratekampagnen und Schlachten.

Würde er in der Migros rauchen und saufen?

Qualitätsprodukte

Nicht gewusst? «Das Vertrauen in die Medien steigt». Ohne Scheiss, wie der Journalist sagt.

Wenn’s der «Leiter des Faktencheck-Teams» von Tamedia sagt, muss es doch stimmen: «Das Vertrauen der Leserinnen und Leser in die Medien steigt

Nun neigt Yannick Wiget auch zu Fakefakten-Checks; dreht klare Fakten solange durch die Mühle, bis das Geriesel seinem Faktenweltbild entspricht. Aber das ist hier doch sicher nicht der Fall.

Ach, eigentlich alles gut, meint Wiget.

Schliesslich hat er die «wichtigsten Erkenntnisse» des «Jahrbuch Qualität der Medien 2021» in sechs Punkten zusammengefasst. Wenn er sich nicht schön ausgewogen dreimal auf die linke und dreimal auf die rechte Schulter gehauen hat, läuft er seither ziemlich schief rum. Denn es ist alles wunderbar, ohne Scheiss:

«Keine Panikmache betrieben, Vorwurf «Hofberichterstattung» haltlos, Vertrauen ist gestiegen, Desinformation ist eine wachsende Gefahr».

 

Echt nix zu kritisieren? Nun ja, doch: «Die Corona-Pandemie hat die ökonomische Krise des Informationsjournalismus weiter akzentuiert», schreiben die Forschenden.» Aber glücklicherweise seien laut Umfragen in der Schweiz europaweit die meisten für eine staatliche Unterstützung der Medien.

Das ist alles an Meckerei? Nein, es gibt noch einen Punkt: «die Vielfalt war zu gering». Ach, «zum Beispiel die mangelnde Vielfalt bei der Auswahl von Fachleuten». Wahnsinn, wird wirklich kritisiert, dass überwiegend bis ausschliesslich staatstreue Befürworter der Corona-Politik zu Wort kamen? Nicht ganz: rund 80 Prozent der Fachleute seien aus dem medizinischen Bereich gekommen, «sozial- und geisteswissenschaftliche Disziplinen wurden zu wenig berücksichtigt».

Es fehlen natürlich die Frauen, Pardon, die Körper mit Vagina

Selten so gelacht, sonst noch was? Wir ahnen es: «Der Untersuchung zufolge sind Frauen im Vergleich zu Männern stark unterrepräsentiert und werden weniger oft in statushohen Positionen dargestellt. Positionen und Anliegen von Frauen haben so weniger eine Chance, Beachtung zu finden.»

Aber gerade im Hause Tamedia werden doch energische Massnahmen ergriffen, das zu ändern. Frauen an die Macht, Frauen in Kaderpositionen, Frauen in Artikeln, Frauen schreiben Artikel. Piedra Supino, Agathe Rutishauser und Mara Boselli sind schon als leuchtende Vorbilderinnen vorangegangen.

Der geneigte Leser bemerkt auch einen Überhang an Frauenthemen, Pardon, Artikeln über Körper mit Vagina, die free bleeding betreiben.

Was ist denn das Wichtigste für die Medien?

Aber am wichtigsten, das sagt jeder Banker, das sagt jeder Produkteverkäufer, am wichtigsten ist natürlich, neben hoher Qualität für niedrigen Preis, am wichtigsten ist das Vertrauen. Sinkt es, ist Feuer im Dach. Steigt es, kann man das Dach vergolden. So wie das die Verlegerclans in der Schweiz tun. Also ihr Dach, nicht das ihrer Konzerne. In das regnet es eher rein, aber dafür soll ja ein milliardenschwerer Schutzschirm aus Steuergeldern aufgespannt werden.

Damit das Vertrauen noch mehr steigt, wenn das überhaupt möglich ist. ZACKBUM freut sich mit, also ist auch das Vertrauen in uns gestiegen, super. Wir klopfen uns auch fest auf beide Schultern. Danach fragen wir uns allerdings: und wie misst man das, das Vertrauen?

Vertrauen ist gut, Vertrauen messen ist besser

«In einer Umfrage für die Studie gaben 51 Prozent der Befragten an, dass sie den Nachrichtenmedien überwiegend bis komplett vertrauen. Das ist im europäischen Vergleich ein hoher Wert, der 7 Prozentpunkte über dem Vorjahr liegt. Erstmals seit längerem ist das Medienvertrauen also wieder gestiegen.»

Ohne Scheiss? Spannend. Denn wenn das so ist, Vertrauen und auch Nachfrage nach Informationen durch die sogenannten Qualitätsmedien steigen, wieso müssen die dann schmerzliche Verluste hinnehmen? Wenn immer mehr Vertrauen herrscht, wieso drückend das immer weniger durch den Kauf der Produkte aus?

Mehr Vertrauen, weniger vertrauende Leser?

Diese mit Vertrauen überschütteten Leitmedien haben in der Corona-Krise bis zu 15 Prozent Leser verloren. Das sind keine Peanuts, das ist ein Massenexodus. Wenn eine Partei 15 Prozent ihrer Wähler verliert, wird normalerweise das Führungsteam gewechselt. Wenn eine Aktie 15 Prozent an Wert verliert, gibt es – ausserhalb der CS – betretene Gesichter und personelle Konsequenzen.

Täte da einer von «gestiegenem Vertrauen» quatschen, würde er aus dem Saal gelacht. Aber auf eine so blöde Idee käme ja niemand. Öhm, ohne Scheiss? Doch, auf eine so blöde Idee kommen die Verfasser der Studie, die bislang Jahr für Jahr den Niedergang der Medien beklagt haben.

Eine so blöde Idee übernimmt der Oberfaktenchecker des Hauses Tamedia ungecheckt. Aber es gibt eine gute Nachricht. Solche Quatschfakten-News belegen – allerdings ungewollt – den Grund für diese Abwanderung von ganzen Leserscharen. Die wollen nämlich weder über weibliche Befindlichkeiten und Unterleibsgeschichten tropfengenau informiert sein, noch wollen sie einseitige Meinungen von staatstreuen Wissenschaftlern hören, noch wollen sie schlichtweg verarscht werden. Ohne Scheiss.

Impfquoten und anderer Zahlenzauber

Ist es Absicht oder Zufall? Der Salat ist angerichtet.

Nehmen wir als Ausgangspunkt die Intelligenz-Postille «watson». Hier widmet sich Allzweckwaffe Peter Bluntschli nach Österreich und China dem Virus. Natürlich mit einer schlechten Nachricht:

«Lettland wird zur Warnung mit Länder mit tiefer Impfquote».

Steigende Fallzahlen, Lockdown, furchtbar. Erst 50 Prozent der Letten seien «vollständig geimpft». In Bulgarien (20 %) oder Rumänien (31,9 %) müsste das Gesundheitssystem eigentlich bereits zusammengebrochen sein. Von Schwarzafrika (im Schnitt 3 %) ganz zu schweigen.

Schwarzafrika: Impfquote im niedrigen einstelligen Bereich.

Fabelhaft müsste es dagegen den Iren gehen (87,7 %). Während die Schweiz (62 %) schwer Sorgen bereitet; selbst Deutschland bringt es auf 65,8 %, die Gesamt-EU auf 66,1 %.

Hobby-Virologe Bluntschli fasst seine Erkenntnisse zusammen: «Länder mit einer relativ tiefen Impfquote, zu denen auch die Schweiz gehört, könnten ernsthafte Probleme bekommen. Noch suchen Bund und Kantone nach Wegen, wie sie die Impfskeptiker in der nationalen Impfwoche vom 8. bis 14. November erreichen und überzeugen können. Ein Verweis auf die Lage in Lettland könnte vielleicht nicht schaden.»

 

Nun, ein Verweis darauf, dass es KEINEN signifikanten Zusammenhang zwischen Impfquote und Neuinfektionen gibt, wie gerade eine umfangreiche Analyse eines Havard-Professors gezeigt hat, könnte auch nicht schaden.

«Auf Länderebene scheint es keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen dem Prozentsatz der vollständig geimpften Bevölkerung und den neuen COVID-19-Fällen in den letzten 7 Tagen zu geben.»

Von unten nach oben: von «watson» zur NZZ

Professor S. V. Subramanian ist nicht irgendwer, sondern Harvard-Dozent im Departement «Population Health and Geography». Der ist nicht irgendwer, sondern eine Koryphäe und vor allem ein Wissenschaftler, der einen Ruf zu verlieren hätte. Würde er sich irren oder als Anhänger wirrer Verschwörungstheorien outen. Auf dieses Ergebnis kam seine Wissenschaftergruppe bei der Analyse von 66 Ländern und 3000 US-Countys, also Gemeinden.

Na ja, «watson», mag nun der Leser sagen. «Das Rätsel der Schweizer Impfquote. Trotz hohem Vertrauen in die Regierung sind hierzulande im europäischen Vergleich relativ wenige geimpft – was steckt dahinter?», fragt sich auch die NZZ.

Immerhin, das ist sie ihrer Seriosität schuldig, sie erwähnt, dass die niedrige Impfquote der Schweiz schon anders aussieht, wenn man einen Taschenspielertrick abzieht. Denn 62 Prozent sind es über die ganze Bevölkerung. Unter 12-Jährige inbegriffen, für die es gar keine Impfung gibt zurzeit. Richtig gerechnet, als geimpfte Impfbare, kommen wir auf 72 Prozent. Nehmen wir auch noch die Genesenen dazu, was ja Sinn macht, läge die Schweiz bei 80 Prozent.

Neuer Zahlenzauber, aber was ist denn die Antwort auf die NZZ-Frage? Na, eine FDP-Antwort natürlich, eine parteipolitische. Man nehme einen «erfahrenen Parlamentarier», leider ohne Namen, der Faktoren aufzählt: «Ein zweiter Faktor ist laut dem erwähnten Parlamentarier: In nur wenigen anderen Ländern sei die Impffrage so stark durch eine grosse Partei politisiert worden, wie dies in der Schweiz durch die SVP geschehen sei. Der Politologe Michael Hermann vom Forschungsbüro Sotomo bezeichnet dies als «treibenden Faktor» der hiesigen Impfskepsis.»

Dürfen wir erwähnen, dass ein treibender Faktor der Einkünfte des Forschungsbüros Sotomo Staatsaufträge sind? Womit aber natürlich die wissenschaftliche Unabhängigkeit in keiner Form gefährdet ist.

Was unterscheidet nun Journalismus von unten und von oben?

Wenn man «watson» und NZZ als die beiden Pole der Berichterstattung in der Schweiz ansieht – von Griff ins Klo bis Griff nach oben –, dann kommt man leider zum gleichen Ergebnis. Genaues weiss man nicht, wildes Interpretieren von Zahlen, wie es einem in den Kram passt. Bei «watson», um staatstragend nach Impfen zu krähen. Bei der NZZ, um der politischen Konkurrenz eine reinzuwürgen.

Tamedia und CH Media, wen wundert’s, lassen auf ihre Staatstreue, Impffreundlichkeit und das Zurechtbiegen ausgewählter Zahlen auch nichts kommen. Wollen wir die SRG überhaupt erwähnen?

ZACKBUM ist anders

ZACKBUM hingegen kennt seine Grenzen. Wir sind keine Virologen, keine Epidemiologen, und gute Ratschläge haben wir auch nicht zum Verteilen. Wir halten uns nur an Rechtsstaatlichkeit, und solange es keinen gesetzlichen Impfzwang gibt, ist impfen freiwillig und freiwilliger Zwang durch Ausschluss vom sozialen Leben eine Sauerei.

Wir halten uns nur an Zahlen und an seriöse wissenschaftliche Untersuchungen. Wir haben keine Ahnung, ob der Harvard-Professor dieses und jenes doch nicht richtig analysiert oder verstanden hat. Wir sagen aber: wenn es eine solche Kakophonie von wissenschaftlich fundierten Ansichten gibt, kann doch keine Corona-Kreische in den Massenmedien verantwortlich behaupten, sie habe die Wahrheit mit den Löffeln gefressen und die laute: impft, Eidgenossen, impft Euch.

Wir halten uns an das alte und gute Prinzip, dass nur mit einer pluralistischen Debatte unter Einbezug aller ernsthaften Meinungen Fortschritt und Erkenntnis möglich ist. Hier handelt es sich aber, zugegeben, um eine Haltung, die immer mehr von Verzweiflung gedrückt wird. Denn wir fragen uns: Kann man neben Vakzinen auch Hirnschmalz spritzen?

Meinungsfreiheit: eine Chimäre

Es gibt sie, es gibt sie nicht. Ein Mischwesen halt. Und kostspielig.

Schöner als in der Schweizer Bundesverfassung kann man es nicht sagen:

«Zensur ist verboten.»
Art. 17, Absatz 2, kurz und knackig.

Zensur setzt allerdings voraus, dass es etwas gibt, was zensuriert werden könnte. Keine Zensur ist, um das gleich aus dem Weg zu räumen, was als Verstoss gegen Gesetze geahndet wird. Solange das durch ordentliche Gerichte geschieht.

Wird diese Zensuraufgabe des Staates an private Unternehmen übertragen, haben wir ein gröberes Problem, ein Staatsversagen. Aber keine Freiheit kann grenzenlos sein, auch nicht die Meinungsfreiheit. Sonst artet sie in Willkür und Barbarei aus.

«Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte.»
Art. 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789

Eine Illusion ist allerdings, dass Meinungsfreiheit gratis sei. Eine Meinung darf und kann jeder haben. Aber sie öffentlich äussern, das ist ein ganz anderes Spielfeld. Der Angestellte darf meinen, dass sein Chef ein unfähiger, aufgeblasener Emporkömmling sei, nur dank Vitamin B zu seiner Position gekommen. Er darf das auch öffentlich äussern.

Dann bezahlt er aber wohl den Preis für die Inanspruchnahme der Meinungsfreiheit. Er wird gefeuert. Der Beweis: Meinung ist gratis, Meinung äussern ist kostenpflichtig. Dabei muss die Meinung nicht mal von grossen Multiplikatoren hinausgepustet werden. Diese Ansicht über den Chef, im engsten Kollegenkreis geäussert, kann die gleiche Wirkung haben, wenn ein Kollege eben doch nicht so kollegial ist.

Meinungspluralismus ja, Wirkung nein

Das Internet hat einen Meinungspluralismus ermöglicht, wie er wohl in der Geschichte der Menschheit einmalig ist. Ortsunabhängig hat hier buchstäblich jeder – Internetanschluss und minimale Kenntnisse vorausgesetzt – die Möglichkeit, seine Meinung buchstäblich der ganzen Welt kundzutun. Für verhältnismässig kleines Geld. Nur: wenn kein Schwein schaut, macht das auch nicht wirklich Spass.

«Die Gedankenfreiheit haben wir. Jetzt brauchen wir nur noch die Gedanken.»
Karl Kraus.

Meinungsfreiheit wird nur dann interessant, wenn Meinung tatsächlich Wirkung entfaltet. Echte oder vermutete, das spielt eigentlich keine Rolle. Meinungsfreiheit ist ein Popanz, wenn es keine Plattformen für den Austausch von Meinungen gibt. Diese Plattformen müssen den gesellschaftlichen Realitäten entsprechen. In einem Stadtstaat wie Athen mit relativ wenigen freien Meinungsträgern reichte ein Gebäude neben dem Marktplatz zur freien Meinungsbildung.

Auch Redner Demosthenes (384 bis 322 v.u.Z.) musste üben.

Wie sagte Perikles (490 bis 429 v.u.Z.) so richtig: «Athen ist der einzige Ort, an dem ein unpolitischer Mensch nicht als ein stiller, sondern als ein schlechter Bürger gilt.» Allerdings war damals der Begriff Bürger nur Auserwählten vorbehalten; Frauen und Sklaven zum Beispiel gehörten nicht dazu.

Nicht verbürgt, aber ein grossartiger Satz, der’s auf den Punkt bringt.

Wie sieht das heute in der Schweiz aus, wo es keine Sklaven gibt und auch Frauen seit Kurzem überall politisieren dürfen? Findet hier nun eine Meinungsfreiheit statt, die diesen Namen auch verdient?

Wie steht’s um die Meinungsfreiheit in der Schweiz?

Wenn wir diese Freiheit so definieren, dass sie Zugang zur Öffentlichkeit umfasst für die, die das wollen: schlecht sieht’s aus. Im Tageszeitungsmarkt gibt es ein Duopol von zwei Konzernen, die weitgehend den Markt unter sich aufgeteilt haben und sich nicht konkurrenzieren. Daraus ist eine Meinungsmonokultur entstanden, dominiert von jeweils einer Zeitung, die den Namen einer Stadt trägt.

«Die freie Mitteilung der Gedanken und Meinungen ist eines der kostbarsten Menschenrechte.»
Art. 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789

Für die happy few gibt es noch die NZZ, die «Blick»-Familie kann man als Meinungsmacher weitgehend vergessen, zu unbedeutend. Alle Versprechen während dieses Konzentrationsprozesses, sich der staatsbürgerlichen Verantwortung bewusst zu sein und die Monopolblätter daher als pluralistische Forumszeitungen zu installieren, wurden gebrochen. Selbst das Beibehalten von zwei Redaktionen für zwei Traditionsblätter in der Bundesstadt Bern überdauerte lediglich ein paar Jahre, bis auch dieses Versprechen entsorgt wurde.

Wirklich noch ganz weit weg in der Schweiz?

Wer mit Arthur Rutishauser (Tamedia), Patrik Müller (CH Media), Christian DorerBlick») und Eric Gujer (NZZ) gut steht, hat nichts zu befürchten.

«No hay duda de que la prensa libre es la primera enemiga de las dictaduras.»
Es gibt keinen Zweifel, dass die freie Presse der grösste Feind der Diktaturen ist. Fidel Castro, 1959.

Angesichts der sich ins Elend sparenden Privatmedien bekommt die SRG, also der Staatsfunk, eine zunehmend wichtige Bedeutung. Auch hier kann von Meinungspluralismus, der sich aus einer Respektierung von Meinungsfreiheit zwangsläufig ergeben müsste, keine Rede sein.

Wie in einem Reagenzglas färbt die Corona-Berichterstattung die veröffentlichte Meinung in einem bestimmten Ton. Staatshörig, weder die Massnahmen, noch deren Begründung noch Auswirkungen ernsthaft hinterfragend.

Was zur Meinungsbildung beitragen sollte, indem möglichst Meinungsfreiheit zugelassen wird und herrscht, ist zu Verlautbarungsjournalismus degeneriert, bei dem es sogar einen Aufschrei in den Medien gibt, wenn es eine Diskussionssendung von SRF wagt, tatsächlich auch andere Meinungen zu Wort kommen zu lassen.

Zensur ist verboten, das steht in der Bundesverfassung. Zum Schutz der Meinungsfreiheit ist aber nichts vorgesehen, weil sich der Gesetzgeber die aktuellen Zustände nicht vorstellen konnte. Dass ein Virus der Meinungsfreiheit den Garaus macht, wenn man darunter auch die Möglichkeit einer breiten öffentlichen Debatte über viele verschiedene Meinungen versteht, das ist ein Treppenwitz der Geschichte. Aber kein lustiger.

«Nichts kann mehr zu einer Seelenruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat.»
Georg Christoph Lichtenberg.

Das waren noch Zeiten …