Twitter ist blöd

Nicht gewusst? Gewusst, aber doch twittern? Zu viel Zeit zum Vernichten?

Schön ist’s, wenn man einen Gedanken fassen kann. Und ihn in 140 Zeichen giessen. Also «gies», der Rest wäre bereits zu lang. Aber Jack Dorsey sei Dank kann man schon lange sagenhafte 280 Zeichen verwenden.

Die letzten zwei Wörter wären allerdings schon wieder jenseits. Nun hofft der gesunde Menschenverstand, dass es doch nur ein paar wenige Kurzdenker geben kann, die einen solchen Quatsch verwenden.

Alles ist relativ, im Jahr 2021 rechnet man mit 322 Millionen. Hoch von 290 Millionen im Jahr 2019. Dummheit ist lernbar, sagte mal einer.

 

Bei Twitter gibt es zunächst die üblichen Nebenwirkungen. Während wohl die meisten, die in der Lage sind, ihre Ansichten auf 280 Zeichen einzudampfen, bzw. gar nicht mehr brauchen, sicher annehmen, dass es doch nett ist, gratis und franko diese Zeitvernichtungsmaschine benützen zu dürfen, verdient sich die Twitter Inc. natürlich an den Nutzerdaten dumm und krumm.

Schliesslich müssen die rund 5000 Mitarbeiter bezahlt werden, und einen Umsatz von 1,2 Milliarden US-Dollar alleine im zweiten Quartal 2021 erreicht man auch nicht mit Menschenfreundlichkeit.

Twitter hält einerseits die Anonymität der Nutzer hoch, jeder Trottel kann sich ein Pseudonym zulegen (Wutbürger, Giftspritze, was auch immer) und losbelfern. Während ein anonymer Leserbrief oder ein Schreiben («wir wissen, wo du wohnst, du Sauhund, hör auf zu schreiben, sonst holen wir deine Kinder») doch einigen Aufwand kostet, am Einrichten eines vermeintlich anonymen Mailkontos schon manche gescheitert sind, ist das bei Twitter dem IQ der meisten Nutzer angepasst.

Datenschutz? Selten so getwittert

Allerdings ist die Bude dann doch gerne bereit, Nutzerdaten herauszurücken, wenn man sie nett oder weniger nett fragt. Sollte sie da etwas zicken, sind die Daten so gut geschützt, dass es nicht mal eine Brigade russischer Hacker braucht, um dran ranzukommen. Der Sohn des Nachbarn schafft das mit oder ohne die Hilfe eines Billig-Programms aus dem Darknet.

Auch sonst sorgt dieser Dienst dafür, dass das Schlechteste im Menschen öffentlich zum Vorschein kommt. Eine Anzahl sogenannter Follower verleiht die Illusion von Bedeutsamkeit. Wer nicht mal zu eigenen 280 Zeichen in der Lage ist, kann retweeten, also den Schwachsinn eines anderen weiterverbreiten.

Natürlich, bevor hier einige getroffene Leser aufheulen, gibt es auch wenige sinnvolle Verwender. Gibt es die Möglichkeit, mit entsprechend vielen Followern, meinungsbildend zu wirken. Kann Twitter in Unterdrückerstaaten als Plattform für Meinungsaustausch und Organisation dienen. Allerdings schon unter der Einschränkung, dass Datenschutz ein besserer Witz ist, dem Dienst auch schnell der Stecker gezogen werden kann, wenn er ein Regime nervt.

Das Schönste an Twitter ist aber die Schnelligkeit. Keinen Gedanken haben, ihn nicht ausdrücken können, und schwups, schon ist der Tweet draussen. Und der Twitterer öffentlich blamiert. Oder sagen wir so: was kann an einem Kanal richtig sein, den Donald Trump so gerne und ausführlich benützte, bis er selbst gesperrt wurde?

Kann auch einem US-Präsidenten passieren.

Natürlich kann ein Präsident oder ein Möchtegern versuchen, seinen Schwachsinn nachträglich wieder einzufangen. Wenn Amok Hansi Voigt beispielsweise 72 Schweizer Parlamentarier und über 140’000 Unterzeichner eines Referendums mal kurz als «Freunde des Faschismus» tituliert. Um dann halblaut zurückzurudern.

Gezwitscher, um den Ruf zu ruinieren

Aber der Ruf, so vorhanden, ist restlos ruiniert. Denn wie kein anderes asoziales Medium sorgt Twitter für das Entstehen von Ingroups. Ballungen von Gleichgesinnten, die sich gegenseitig be- und verstärken. Zur japsenden Meute werden, wo jeder Kläffer den anderen an Lautstärke und Grobheit übertreffen will. Ein erschütterndes Beispiel dafür ist der Twitterkanal von Jolanda Spiess-Hegglin.

Wer sich richtig elend fühlen will, sollte seinen Verlauf mal fünf Minuten lang anschauen. ZACKBUM lehnt aber jede Verantwortung für Nebenwirkungen ab.

Das hätte die neue Sprecherin der Grünen Jugend in Deutschland wohl auch gerne. Die heute 20-Jährige muss sich wegen eines Tweets in den Staub werfen, den sie 2015 (!) abgesetzt hat, also mit 15 Jahren. Das sei «maximal dumm» gewesen, räumt sie zerknirscht ein. Das stimmt allerdings, nur begann ihre Dummheit damit, überhaupt einen Account zu eröffnen.

Aber auch erfahrenen Politikern kann das passieren. So musste unlängst Sloweniens Premierminister mit schäumenden Schlägen zurückrudern, nachdem er EU-Abgeordnete als Marionetten des Investors und Politaktivisten George Soros beschimpft hatte.

Man könnte unendlich viele Beispiele aufführen, wie Geschwindigkeit, Kürze und Gruppenzwang zu unappetitlichen Ergebnissen führten. Dazu, dass sich der Twitterer selbst eins in die Fresse haute, sich selbst desavouierte. Womit die maximale Länge eines Tweets erreicht wäre und wir hier schliessen.

Nein, noch ein Tweet: Es wird niemals einen von ZACKBUM geben. Ehrenwort. Denn wir sind doch nicht blöd. Zudem haben wir sehr wenige Gedankengänge, die sich auf 240 Zeichen reduzieren liessen. Denn alleine schon diese Erkenntnis erreicht hier …

Ging auch andersrum …

Zu Kurz gelacht

Der Ex-Bundeskanzler soll die öffentliche Meinung manipuliert haben. Na und?

Die Schweiz schaut mal wieder neidisch nach Österreich. Solche Skandale wie die in Wien kriegt eigentlich in Europa sonst keiner hin.

Ein seitenspringender Bundesrat oder ein anderer, der sich kurz ein T-Shirt einer Trachtentruppe überstreift, mehr ist hier nicht. Selbst der Versuch, via gestohlene Geschäftsunterlagen einem Bundesrat das Verwenden luscher Briefkastenfirmen vorzuhalten, scheiterte schon im Ansatz.

Ganz gelegentlich wird mal ein Beamter dabei erwischt, wie er die Finger nicht von den Rösti lassen kann. Sich schmieren lässt, bei der Auftragszuteilung mischelt. Aber obwohl von Gemeindeebene an aufwärts die Schweiz inzwischen schon ziemlich korrupt ist – für richtig grosse Skandale ist sie einfach zu klein.

Der Bundeskanzler muss zurücktreten? Wäre in der Schweiz sowieso kein Riesending, der versteht sich zwar gerne als achter Bundesrat, ist aber in Wirklichkeit ein besserer Aktuar.

Der Bundespräsident muss zurücktreten? Scheitert wohl schon daran, dass nicht allzu viele wissen, wer das denn gerade ist. Ausserdem gab’s das in der langjährigen Geschichte der Schweizer Bundesregierung noch nie.

Auch er lacht doch immer so sympathisch.

Aber wieso musste denn der Jungstar, der geschniegelte Aufsteiger, das Politwunderkind Sebastian Kurz zurücktreten? Nach dem üblichen, erbitterten Widerstand, Unschuldsbeteuerungen und mit einem Sprung auf ein anderes warmes Plätzchen. Vor allem eins mit Immunität.

Kurz wird vorgeworfen, unter seiner Billigung oder gar mit seinem Wissen sei aus seinem Umfeld mediales Wohlverhalten mit staatlichen Inseratekampagnen belohnt worden. Ein Skandal. Wirklich wahr?

Bei Joker wird’s schnell ein Lachkrampf.

Der Skandal ist wohl nur der, dass man so bescheuert war, sich dabei erwischen zu lassen. Und die Finger nicht von Kurznachrichtendiensten lassen konnte, obwohl man doch endlich wissen sollte, dass das Internet nie etwas vergisst und schriftliche Äusserungen fast immer früher oder später dem Absender ins Gesicht explodieren.

Schön, dass in der Schweiz alles ganz anders ist

Geschmierte Presse in Österreich, das Allerletzte, schäumen die Schweizer Medien. Inserate oder andere geldwerte Vorteile gegen freundliche Berichterstattung, pfui. Wo bleibt da das Wächteramt der Medien, ihr wichtigstes Gut, ihre Unabhängigkeit und ihre Glaubwürdigkeit? Gar nichts mehr leiwand in Felix Austria. Die haben ja auch eine so ausgetrocknete Medienlandschaft wie eine Wüste. Obwohl die Österreicher traditionsgemäss im Caféhaus stundenlang mit Zeitungslektüre verbringen können. Aber halt von ausländischen Printprodukten.

Schön, dass das alles in der Schweiz ganz anders ist. Ja, ja, morgen erzählen wir dann ein anderes Märchen. Heute sagen wir aber die Wahrheit: natürlich ist es in der Schweiz mindestens so schlimm und korrupt wie in Österreich.

Die Zeiten sind zwar vorbei, als das Hausgespenst des Ringier-Verlags in Bern Hof hielt und gestandenen Bundesräten einflüsterte, was die tun sollten oder lassen. Aber natürlich existiert zunächst einmal auch in der Schweiz eine unselige Komplizenschaft zwischen Medien und Politikern.

Wenn man lächeln will, kriegt man das doch hin.

Denn Politiker tun, ausser politisieren und regieren und ganz furchtbar wichtige Sachen machen, eigentlich im Wesentlichen reden. Unablässig, zu allem, früh, spät und auch durch den Tag hindurch.

Ein Politiker ohne Resonanz ist kein Politiker

Nur: findet das keinen Resonanzkörper, keinen Multiplikator, dann ist’s zum Fenster raus gequatscht. Besser sogar, von den Medien in die Pfanne gehauen zu werden, damit kommt man wenigstens ins Gespräch.

Aber am Platz an der Sonne der medialen Aufmerksamkeit drängeln sich sehr, sehr viele. Alleine in Bern haben wir 246 Parlamentarier, 7 Bundesräte und eine Unzahl furchtbar wichtiger Staatssekretäre und leitender Beamten. Aber alle Kanäle, elektronisch oder im Print, digital oder mit Bewegtbild, haben nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit.

Da trifft es sich auch in der Schweiz gut, dass ein verelendender Journalismus auf ein gesteigertes Mitteilungsbedürfnis des Staates trifft. Stichwort Corona, Stichwort Medienförderung und Medienförderung mit Nachschlag.

So direkt läuft’s natürlich nicht.

Natürlich können die grossen Medienhäuser entrüstet und mit angewidertem Gesichtsausdruck weit von sich weisen, dass sie staatlichen Amststellen gegenüber gewogen berichten, die ihnen via Inserate oder direkt oder via Pflege des Umfelds Unterstützung angedeihen lassen.

Niemals liest man ein kritisches Wort über ein neues Auto

Niemals, lachhaft. Genau aus diesem Grund, der totalen Unabhängigkeit von Geldgebern, liest man eher selten bis nie einen kritischen Artikel über ein neues Automodell. Oder eine Breitseite gegen die zwei Grossverteiler. Niemals käme irgend ein Redaktor einer Tipseite auf die Idee, ihm zugehaltene Produkte anders als grossartig zu beschreiben.

Während das früher unterlassen wurde, ist es immerhin inzwischen üblich, dass Reiseberichte ausweisen, mit welcher Unterstützung sie zustande kamen. Das ändert aber auch nichts daran, dass die Destination immer super ist, das Hotel ein Geheimtipp, die Umgebung authentisch, die Märkte sehr empfehlenswert, und dass sich der Journalist gratis den Magen vollschlagen durfte, ändert doch nichts an seinem unparteiischen Urteil, dass das Lokal ausgezeichnete einheimische Küche serviert.

Kämen die Mainstream-Medien auf die Idee, die Unterstützer des Mediengesetzes zu beschimpfen? Sind wir uns nicht alle einig, dass die Unterstützung des Covid-Gesetzes und die Beschimpfung derjenigen, die erfolgreich das Referendum ergriffen, überhaupt nichts mit Gutwettermachen zu tun hat.

Wenige Kontakte genügen heutzutage

Mehr noch, durch die neue Übersichtlichkeit der Medienszene weiss jeder Politiker von Bedeutung (oder einer, der’s werden will), dass er eigentlich nur mit Arthur Rutishauser, Patrik Müller, Christian Dorer und Eric Gujer gutstehen muss.

Oder, das geht nur bei Gujer nicht wirklich, er steigt gleich bei Ringiers, Wanners oder Supino-Coninx ein. Nein, die geben dann keine Direktiven nach unten weiter, so im Stil: schreibt mal was Nettes über Nationalrat Blüblü. So blöd läuft das nicht. Aber ist Nationalrat Blüblü ein Opinion Leader in Sachen Presseförderung, kann man sicher sein, dass seine Interpellationen, Anfragen und Anträge  mit wohlwollender Aufmerksamkeit verfolgt werden.

So wie das Wirken der Beamten, die über grosse Geldtöpfe von Informationskampagnen bestimmen können.

Aber bitte sehr, bitte der Herr, gschamigister Diener, so wie in Österreich geht’s in der Schweiz nimmermehr zu und her.

Hier müssen wir leider abbrechen, der Lachreflex wird übermächtig, so schlimm wie bei «Joker», sorry.

Direkter Grössenvergleich …

Die Nestbeschmutzerin

Sibylle Berg ist gegen die Verschärfung des Covid-Gesetzes. Ihre Gesinnungsblase blubbert kräftig.

Es ist herrlich zu beobachten, wie es vermeintlich intellektuellen Geistesgrössen die Worte vom Mund bläst. «Oh je, Sibylle», lässt sich der nicht so komische Komiker Mike Müller vernehmen. Der völlig humorlose Millionenerbe Patrick Frey schmäht:

«Echt jetzt, liebe Sibylle? Du weisst aber schon, mit wem du dich damit ins Lotterbett legst, oder?»

Eigentlich riecht das streng nach Sexismus, aber gegenüber einer Abtrünnigen ist wohl alles erlaubt.

Im Lotterbett? Sibylle Berg.

Der komische Komiker und Epidemiologe Viktor Giacobbo ist staatstreu, gesetzestreu für das Gesetz und dekretiert: «Alle, die es jetzt bekämpfen, ob Rechte oder Linke, sorgen für eine Verlängerung der Pandemie. Und vielleicht sollten wir uns auch in dieser Hinsicht ein Beispiel an Dänemark nehmen.»

Dunkel bleibt das Komikerwort, was Dänemark betrifft. Beeindruckend aber, mit welcher wissenschaftlicher Sicherheit die Witzfigur Harry Hasler (oder ist es Fredi Hinz, eventuell sogar Debbie Mötteli?) hier zulangt. Man sieht ihn vor sich, wie er sich auf die Wampe haut und knarrend letzte Weisheiten absondert. Assistiert von Mergim Muzzafer, alias Mike Müller.

Was um Himmels willen ist denn geschehen?

Aber was ist denn geschehen, was den unheiligen Zorn all dieser Fachleute in der Bekämpfung der Pandemie hervorruft? Eine, die sie als eine der Ihren ansehen, ist ihrer Meinung nach fahnenflüchtig geworden.

Sibylle Berg, sonst fester Bestandteil der linken Gesinnungsblase, tapfer immer auf der richtigen, guten, fortschrittlichen Seite, schwesterlich im Kampf gegen das Falsche, Böse, Rückschrittliche, also das Fremdenfeindliche, Hetzende, Rechtsnationale, in einem Wort die SVP und Roger Köppel, macht etwas, was verboten ist.

Wollen Berg und Gesinnungsgenossen so eine Zukunft?

Sie denkt selbständig. Grauenhaft, wie kann sie nur. Aber das ginge ja noch, wenn sie nicht zu völlig falschen Erkenntnissen käme:

«Bei vollem Respekt für die Schwierigkeit der Situation und in Anerkennung einer weltweit vorhandenen schweren Atemwegserkrankung halte ich ein Zertifikat, das Menschen Zugang oder Nichtzugang zur Teilhabe am täglichen gesellschaftlichen Leben gestattet oder verweigert, für gefährlich.»

Man merkt der gewundenen Formulierung an, dass Berg – intelligent wie sie ist – wusste, dass das ganz furchtbar Dresche geben wird. Mit ihr zusammen streiten einige Unentwegte in einem linken Komitee gegen die Verschärfung des Covid-Gesetzes, also für ein Nein an der Urne. Darunter auch der Sprecher des Chaos Computer Clubs der Schweiz, sonst auch ein sicherer Wert im Lager der Pächter der Entscheidungsbefugnis, was gut und richtig und was daher böse und nichtig sei.

Das muntere Feuilleton der NZZ

Weniger plump als der «Blick» und die sich in ihm äussernden irritierten Recht- und Linkshaber lässt sich natürlich die NZZ vernehmen, genauer ihr neuer Feuilleton-Chef, der fröhlich weiter austeilt, dass es eine intellektuelle Freude ist. Er nimmt den Begriff «Dystopie» auf, die böse Schwester der Utopie, die eine schreckliche und nicht wünschenswerte Zukunft beschreibt.

Allen kommt dabei sofort George Orwells «1984» in den Sinn, die 1948 verfasste Schreckensvision eines totalen Überwachungsstaats. In jüngster Zeit legte Robert Harris mit «Der zweite Schlaf» nach, eine durch ihre Plausibilität verstörende Dystopie. Immer geht es um Überwachung und Kontrolle. Um Machtausübung, legitimiert durch den Verweis auf ein übergeordnetes, unbezweifelbares Prinzip. Geschöpft aus Ideologie, Religion, immer mit der Behauptung, nur das Gute und Bessere für alle zu wollen.

 

Könnte man kennen. Wenn man nicht nur blöd blubbern würde.

Einig sind sich die Apologeten dieser Gutwelten, dass es böse Menschen zu bekämpfen gilt, die sich dem Fortschritt und der Verbesserung in den Weg stellen. Besonders gehasst werden natürlich Renegaten, Abweichler, vermeintliche Kampfgenossen, die plötzlich zu Verrätern werden.

Das NZZ-Feuilleton erteilt aber all diesen Kläffern gegen den Berg, wenn dieser Kalauer gestattet ist, eine intellektuelle Abfuhr, die es in sich hat. Benedict Neff zitiert den Bundespräsidenten, der warnte, dass dieses Gesetz nicht der «geeignete Ort» sei, um «seinen Unmut auzudrücken».

Dagegen hält Neff mit intellektueller Schärfe: «Warum aber eigentlich nicht? Je fragwürdiger die Verhältnismässigkeit der Grundrechtseinschränkungen ist, desto mehr erodiert die Akzeptanz für diese Politik in der Bevölkerung. Von der Risikogruppe der über 60-Jährigen sind mittlerweile deutlich mehr als 80 Prozent geimpft, die Lage in den Intensivstationen hat sich wieder stabilisiert. Je mehr der Eindruck entsteht, die Regierung betreibe eine Katastrophenpolitik, ohne dass es eine Katastrophe gibt, desto schwieriger ist diese Politik noch zu vermitteln.»

Dass auch grössere Denker irren können, beweist gerade der deutsche Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas, der den Kampf bis zum Endsieg, Pardon, gegen das Virus als «gemeinsamen Gegner» bis zur «Herdenimmunität» fordert, die natürlich nur durch Impfung erreichbar sei.

Impfen, zertifizieren, kontrollieren. Sonst …

Neff hingegen wünscht sich eine Regierung, die mit ihrer Politik weniger Anlass zu «dystopischen Assoziationen geben» würde. Denn nicht nur die Abteilung Komiker dreht leicht im roten Bereich, auch der Beamte, ein als Biedermann verkleideter Brandstifter, beunruhigt, wie Neff richtig konstatiert:

«Wem jetzt schon angst und bange ist vor einem Staat, der sich selbst ermächtigt, dem dürfte ein Zürcher Beamter weitere dystopische Schauer verabreicht haben. Eine «gutmütige Diktatur» sei eine gute Art und Weise, um eine Pandemie zu bewältigen, meinte Peter Indra, Chef des Zürcher Amts für Gesundheit, im deutschen Fernsehen.»

 

#Netzambulanz als Notfall

Im Imperium von Jolanda Spiess-Hegglin brennt’s lichterloh.

Seit der feuchtfröhlichen Zuger Feier kämpft die Netzaktivistin darum, dass man sie und ihr Privatleben endlich in Ruhe lässt. Vergeblich, aber so erfolgreich, dass sie daraus ein Geschäftsmodell gemacht hat.

Als sie diesen Frühling freudig bekannt gab, dass das Eidgenössische Departement des Inneren ihrer Organisation «#Netzambulanz2021» eine Finanzhilfe von fast 200’000 Franken zugesprochen hatte, gab es ziemlich Aufregung in der Öffentlichkeit.

Nicht nur die SVP fragte, wie sich das erklären oder rechtfertigen liesse, wie eine solche Unterstützung mit dem Verhalten von Spiess-Hegglin vereinbar sei, die immer wieder durch grobe Ausfälligkeiten auffiel, obwohl sie sich eigentlich dem Kampf gegen Hass und Hetze im Internet verschrieben hatte.

In aller Eile musste der Vorstand ihres Vereins zwischen der Geschäftsführerin und der Privatperson Spiess-Hegglin unterscheiden, und zähneknirschend einräumen, dass man diverse Auflagen der Behörde erfüllen werde. Eher ranzig reagierte man auf einen klarer Rüffel an die Adresse der Geschäftsführung.

Links der Rücktritt, daneben der unterzeichnete Zwischenbericht.

Für sie in die Bresche geworfen hatten sich die beiden Nationalrätinnen Tamara Funiciello (SP) und Greta Gysin (Grüne). Sie amtieren seit November letzten Jahres als Co-Präsidentinnen des Vereins «Netzcourage».

Tschakata: Rücktritt per sofort

Amtierten. Am Freitag letzter Woche dann der Paukenschlag. In einer dürren Medienmitteilung gab der Verein bekannt, dass die beiden Co-Präsidentinnen «in Übereinkunft mit der Geschäftsführerin Jolanda Spiess-Hegglin ihr Amt per sofort» niederlegen. Gerade hatten sie ihre Geschäftsführerin noch öffentlich verteidigt, den geforderten Halbjahresbericht unterzeichnet, und nun das.

Warum bloss?

«Ihre Vorstellungen über die Ausrichtung des Vereins decken sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit den Vorstellungen der Geschäftsführerin.»

Echt jetzt? Das haben die beiden sozusagen von einem Tag auf den anderen entdeckt? Und wieso wird betont, dass das in «Übereinkunft» mit Spiess-Hegglin erfolgte? Die braucht es doch gar nicht, wenn ihre Vorgesetzten sich entschliessen, nicht mehr mitzumachen.

Mit Verlaub, sofortiger Rücktritt nach kräftiger Unterstützung und Abnicken eines Halbjahresberichts, wo doch alles laut den gleichen Co-Präsidentinnen super unterwegs ist, alle Zielsetzungen erreicht wurden, die Arbeit nötiger denn je sei?

Offensichtlich: es hat gekracht, aber gewaltig. Nur um die Fassade zu wahren, hat man sich auf ein solches, zudem sackschwaches Wording verständigt. Die Spiess-Hegglin wohlgesonnenen Medien (oder diejenigen, die die ewigen Zickenkriege leid sind) berichten neutral-wohlwollend über den Abtritt, zitieren einfach die Mitteilung und enthalten sich jeglicher kritischer Fragen.

Nur die «Republik» pfeift etwas im dunklen Wald: «Das kann natürlich passieren und wäre an sich nicht weiter schlimm.» Allerdings, bibbert das Organ der guten Lebensart, ob damit dann der Verein ein gutes Stück politischer Unterstützung verliere?

Das dürfte allem Anschein nach aber nicht sein grösstes Problem sein …

Braucht «Netzambulanz» selber eine Ambulanz?

Bezeichnend für das Elend aller tapferen Kämpfer gegen Hass und Hetze im Netz und für Fairness und Transparenz: Auf Fragenkataloge antworten, das gehört nicht zum Angebot. Vor allem, wenn sie präzise sind und eigentlich genügend Frist vorhanden wäre. Da verstummen die beiden Nationalrätinnen. Auch das Eidg. Büro für Gleichstellung  hat plötzlich Sendepause. Auch die Anwältin von Spiess-Hegglin; die wiederum antwortet ebenfalls nicht, stellt aber die Fragen auf ihre Social Media Kanäle, damit ihr Fanclub sich erregen kann.

«Fairmedia» rafft sich kurz nach Antwortfrist zu einem allgemeinen Geschwurbel statt der Beantwortung von 5 konkreten Fragen auf. Die Spitzenleistung kommt aber von der neuen Präsidentin des Vereins «Netzcourage»; ihre Antwort auf 5 nötige Fragen:

«Ich habe keinen Anlass, an den Verlautbarungen meiner Vorgängerinnen zu zweifeln.
Zu Ihren anderen Fragen:
Würden Sie diese auch einem Mann stellen?»

ZACKBUM hingegen beantwortet alle Fragen, die uns gestellt werden: Ja, würden wir.

Das Tier im Menschen

Es gibt einen Bodensatz von hemmungslosen Halsern, Berserkern und Verzweifelten. Na und?

Das Blatt für empfindsamen Umgang mit Mensch und Welt berichtet Schreckliches: Der «Arena»-Moderator Sandro Brotz «wurde bedroht». Fassungslos konstatiert «Blick»:

«Die Fronten in der Corona-Diskussion verhärten sich immer weiter.»

Schlimm. Es soll ja Schmierfinken geben, die den Massnahmen-Skeptilern unterstellen, sie stünden in der Tradition von Adolf Hitler oder Stalin. Selbst Bundesräte sollen angeblich «gleich noch den Unsinn» verbreiten, «die Covid-Impfung mache Frauen unfruchtbar.

Mit derlei Darbietungen bestätigt dieser Meister der Doppelzüngigkeit die radikalen Impfgegner in ihrer Haltung und er befeuert sie in ihrem Tun.»

Da müsse die «Gesamtregierung Haltung zeigen und den Brandstifter in die Schranken weisen. Sonst riskiert sie ihre eigene Glaubwürdigkeit – und den Frieden im Land», donnert der «Tages-Anzeiger» gegen solche Brandstifter.

Wer ist Schmierfink, wer Brandstifter, wer Hetzer?

Ähm, da ist jetzt was durcheinandergeraten. Der Schmierfink ist der SoBli-Chefredaktor Gieri Cavelty, und der brandstriftende Tagi teilt nicht gegen ihn, sondern gegen diesen Bundesrat aus.

Gieri Cavelty mitsamt Filterbrille.

Aber zurück zum bedrohten TV-Schaffenden. Brotz ist selbst kein Kind von Traurigkeit und keilt bei fast jeder Gelegenheit gegen «Corona-Leugner». So beschimpfte er Manifestanten in Liestal schon mal als «Flacherdler». Als er sich damit überrschungsfrei einen Shitstorm einhandelte, zog er sich beleidigt aus den asozialen Medien zurück und heulte sich in der TV-Sendung «Journalisten therapieren Journalisten» aus.

Auch die 100 Seiten starken «publizistischen Leitlinien», wo es heisst, «wir stehen für die Werte und die Haltung von SRF» auch «in unseren privaten Posts auf Social Media ein»,  hielten ihn nicht davon ab. Scheiss drauf, sagt Brotz zu diesem Wertediktat. Als Brotz es einmal wagte, in einem «Club» auch «Corona-Kritiker» zu Wort kommen zu lassen, stiess ihn Tamedia gleich zurecht:

«Club wird zum Gugus-Spreader Event».

Glücklicherweise verstand kaum einer diesen Gugus-Titel eines Gaga-Kommentars, aber im Text wurde dann ohne Maske geholzt: «Brotz und Lüthi liessen Nonsense unwidersprochen passieren.»

Nach diesem Ausrutscher wieder auf Linie eingespurt

Seither ist Brotz wieder auf Linie, also beschimpft er die Demonstraten von Bern, insbesondere die «Freiheitstrychler», als «undemokratisch», «unwürdig», gar «unschweizerisch». In einer Live-Schalte in der «Arena» entblödete sich Brotz sogar nicht, einen Vertreter der Treichler zu fragen, ob der denn «ein Patriot» sei.

Unschweizerisch, unpatriotisch, das schallte früher Gesinnungsgenossen von Brotz entgegen, inklusive «Moskau einfach». So ändern sich die Zeiten und die Verwendung von Worten.

Schon immer gab es aber einen Bodensatz in der Gesellschaft, der hässig herumkrakeelt. Stammtischkapitäne, die mit zunehmenden Alkoholkonsum immer lautstärker die Welt neu regeln und ordnen, überzeugt von ihrer eigenen Mission.

«Da sollte man mal, da müsste man, die da oben haben doch keine Ahnung, endlich Saustall ausmisten, Gelump muss weg, verdammte Ausländer, Andersdenkende, Abweichler. Alle unpatriotisch, unschweizerisch.»

So etwa lärmte es früher durch dichter werdendne Stumpenrauch, nach solchen Ausbrüchen kam ein beruhigendes «Vreni, noch ein Halbeli für alle», und man wankte befriedigt heim: mal wieder allen alles gezeigt. Nur blöd, dass keiner auf einen hört.

Es gibt dann Zeitgenossen, die das Tier im Menschen so angefüttert haben, dass sie sich hinhocken müssen und schriftlich üble Drohungen ausstossen. Meistens im Wir-Format, «wir wissen, wo du lebst», «wir werden dir» dies und das antun.

Jeder, der sich in der Öffentlichkeit exponiert, bekommt ab und an Drohungen. Übler und übelster Art. In unserer Sammlung sind ebenfalls Drohbriefe, Mails, als hübsches Exponat eine Pistolenkugel, vor Jahren wurde einmal in unserem Wohnquartier ein Plakat an viele Hauswände gekleistert, das mit Foto vor diesem üblen «Nachbarn» warnte.

Kläffer und Androher von Mord und Totschlag sind Maulhelden

Hunde, die belfern, beissen nicht. Normalerweise; der Amokläufer von Zug ist das traurige Schweizer Beispiel des Gegenteils. Man kann das einfach ignorieren (wie wir das tun), oder man kann versuchen, den Absender zu eruieren und gegen ihn vorzugehen. Wie das viele tun. Denn die meisten dieser Deppen, wenn sie es vermeintlich anonym per Mail tun, sind zu blöd um zu wissen, dass es Methoden gibt, ihre Identität zu enthüllen.

Nun will der «Blick» keine Gelegenheit auslassen, über die zunehmende Hetze, die Verhärtung, die Gewaltbereitschaft in der Schweiz zu lamentieren. Die natürlich ausschliesslich von Massnahmen-Skeptikern, Impf-Gegnern, Corona-Leugnern ausgeht.

Maulheld. Anonym oder Redaktor?

Nun hat sich Brotz auf Instagram für die Reaktionen zu seiner letzten Sendung bedankt und erwähnt: «abgesehen von den Drohungen (die übrigens von mir konsequent zur Anzeige gebracht werden).»

Story mit Hilfe der Luftpumpe

Das stellt das Analyseorgan «Blick» in einen grösseren Zusammenhang: «Es ist nicht das erste Mal, dass sich Brotz im Laufe seiner SRF-Karriere mit dieser Thematik konfrontiert sieht. Bereits 2016, als er noch durch die «Rundschau» führte, sprach er davon, Drohungen gegen «Leib und Leben» zu erhalten.»

Furchtbar, nun versuchte «Blick», vom bedrohten TV-Mann eine Stellungnahme zu erhalten. Um was für eine Drohung handelt es sich denn genau, braucht er Polizeischutz, geht es auch gegen seine Familie? Wie konkret ist die Drohung, ist schon bekannt, ob sie von einem «Freiheitstrychler» oder gar aus dem Umfeld der SVP stammt? Vielleicht aus dem Vorzimmer eines Bundesrats?

Blöd aber auch:

«Auf Nachfrage von Blick wollte sich Brotz nicht weiter dazu äussern. Darauf angesprochen, wie das SRF als Arbeitgeber mit der Thematik umgehe, heisst es, dass man intern aufgrund des mittlerweile raueren Umgangston, Unterstützungsangebote wie Kurse und Coachings anbieten.»

Als Journalismus noch etwas mit Anstand und Augenmass zu tun hatte, hätte spätestens hier ein Qualitätskontrollstelle gesagt: schade, das war dann der Todesstoss für die Story. Nullnummer, heisse Luft, kein Platz dafür im Blatt. Aber das war gestern. Heute wird nicht nur heisse Luft publiziert; auch Fürze verpesten die Medien.

No time to die but to cry

Darf man über etwas schreiben, das man nicht kennt? Natürlich, machen doch alle.

ZACKBUM bekennt: ewige Liebe zu James Bond. Natürlich ist Sean Connery unerreicht. Niemand danach hatte solche Augenbrauen und einen so brutal-männlichen Gesichtsausdruck, wenn es richtig zur Sache ging.


Natürlich gab es eine Reihe von Fehlbesetzungen, von Roger Moore über Timothy Dalton bis Pierce Brosnan. Aber seitdem Daniel Craig übernahm, ist alles wieder gut. Mit einer solchen Unterlippe kommt wieder echtes Bond-Feeling auf.

So muss Bond schauen. Wenn man auf ihn schiesst und auch sonst.

Nun ist der letzte Bond mit Craig ein echter Hindernis-Bond. Schon längst abgedreht, schon längst angekündigt, dann kam Corona. Und blieb. Aber jetzt ist es soweit, der Film hatte offiziell Kino-Premiere. Und es gab schon Glückliche, die ihn tatsächlich gesehen haben.

Wir nicht. Na und? Die meisten Journalisten schreiben doch heutzutage über Dinge, die sie nicht gesehen haben. Nicht verstehen. Keine Ahnung davon haben. Aber das hindert sie doch nicht daran, ihre Meinung zur Weltpolitik, zur Wirtschaft, zu Pandemiefragen, zu Reden von Bundesräten abzusondern.

Meinung? Was heisst da Meinung; es werden Ratschläge erteilt, Forderungen aufgestellt, es wird kritisiert, zurechtgewiesen und gewarnt. Also tun wir das auch. Es gibt Stills, auf denen man Bond in einem Cordanzug sieht. Cord! Wenn etwas nicht geht, dann das.

 

Bond, Cord Bond? Suspenders Bond? 

Das verlangt nach der Lizenz zum Töten. Denn Bond war der einzige Action-Held mit Lebensart. Gut, die Zeiten sind schon länger vorbei, als er Dom Pérignon trank, weil das vielleicht nicht der beste, aber einfach der klassische Jahrgangschampager ist. Seit Bollinger bezahlt, säuft er halt diese Sprudelbrause.

Wo ist sie hin, die Lebensart?

Die Zeiten sind auch vorbei, wo er einen Bösewicht mit dessen mangelhaften Weinkenntnissen überführte. Wir haben auch ertragen, dass sich Craig in viel zu eng und knapp geschnittenen Anzügen von Tom Ford mit den Bösewichtern prügeln musste. Bei Brosnan rissen es die Brioni-Anzüge auch nicht raus, so nebenbei.

Aber mit Ford wurde immerhin ein neues Preisniveau erreicht. Der Zweiteiler ist ab schlappen 3500 Franken erhältlich, der Dreiteiler für 4500. Soll’s noch ein Mantel obendrüber sein, legen wir nochmal knapp 5000 drauf. Dass Bond Omega-Uhren und schon lange keine Rolex mehr benutzt, auch da geht Geld vor Stil.

Aber all das kann man hinnehmen, genauso wie die Tatsache, dass es zu «geschüttelt, nicht gerührt» eigentlich keine Variante mehr gibt, die noch nicht ausprobiert wurde. Und «Bond, Pause, James Bond», das kann man wirklich nicht mehr hören. Leider ist dem Zeitgeist geschuldet das weiblich-gehauchte «ach, James» verschwunden.

Und die Bond-Girls?

Überhaupt ist sein Verhältnis zu Frauen zunehmend emanzipierter geworden. Keinen Klaps mehr auf den Hintern, keine anzüglichen Altherren-Witze mehr. Stattdessen seit Vesper Lynd echte Gefühle, gleichberechtige Geheimagentinnen an seiner Seite. Allerdings gab es bislang nur ein einziges Mal eine Oberbösewichtin; dieser Part ist weiterhin Männern vorbehalten. Auch mit wechselnden Erfolgen; an Gerd Fröbe und Curd Jürgens kommt wohl kein anderer heran, vielleicht noch Javier Bardem, aber nicht Rami Malek. Wenn man schon «Lyutsifer Safin» heissen muss, als sei «Octopussy» nicht schon schlimm genug gewesen.

Bond auf der Jagd von Modeverbrechern?

Anscheinend soll auch die Frequenz von One-Linern, also diese trockenen und knallharten Antworten in einem Satz, eher runtergefahren worden sein. Sehr bedauerlich. Aber immerhin, es wird kolportiert, dass Bond zu M sagt:

«Entweder ist Ihr Schreibtisch grösser oder Sie sind kleiner geworden.»

Was nun aber bei keinem Geheimagenten geht, ist «ich habe gekündigt» so zu manifestieren, dass er in einem Jacket in einer Farbe zur Premiere in London erscheint, die sich wohl nicht einmal Frank A. Meyer trauen würde. Und das heisst was.

Bond als Witzfigur (links und rechts), neben Thronfolger-Witzfigur.

Also, wir sind zurzeit mehr geschüttelt als gerührt, machen uns auf alles gefasst, haben schon mal eine klare Meinung – und einen definitiven Ratschlag: Nein, eine Frau kann nicht der/die neue Bond sein. Aber selbst wenn, Cord mit Hosenträgern geht einfach nicht. Niemals. Never. Das ist kein Killer-Dress. Im Gegenteil, das killt.

Geht doch. Passt, sitzt und hat keine Luft.

Aber natürlich werden wir bei Gelegenheit ins Kino gehen und uns auch diesen Bond anschauen. Schliesslich haben wir schon alle 24 Vorgänger gesehen. Mehrfach.

Lang lebe der Konjunktiv

Politiker beherrschen ihn ziemlich gut. Denn es gibt das Reale ihres Tuns, wobei alles andere irreal sei. Schlimmer noch: falsch wäre, fatal.

Die gerade abgetretene Angela Merkel hat den Ausdruck zwar nicht erfunden, aber immer wieder und gerne verwendet: alternativlos. In Griechenland Milliarden versenken? Alternativlos. Den Euro retten? Alternativlos. Hü und hott bei der Pandemie? Alternativlos.

So entstand dann auch die AfD, die Alternative für Deutschland. Aber das sind deren Probleme. Sollten sich doch ein Beispiel an der Schweizer Zauberformel nehmen, dann gäbe es kein langes Gezeter, ob Scholz oder Laschet oder keiner oder beide oder was.

Dem Schweizer ist die Schweiz näher, dem Ostschweizer die Ostschweiz. Nur wir Zürcher kümmern uns gerne auch um andere. Solche, die’s nötig haben. So sind wir, so möge man uns.

Der richtige Konjunktiv ist gar nicht so einfach

Das ist auch alternativlos. In Wirklichkeit ist die Verwendung von Konjunktiv eins, zwei – und den Konditionalis nicht vergessen – gar nicht so einfach. Also rein grammatikalisch. Aber auch in der Realität.

Es gibt den noch harmlosen Satz: «Hätte meine Oma Räder, wär’ sie ein Motorrad.» Das ist wohl vom Kinderlied abgeleitet «Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad.» Das ist alles noch Spass und Tollerei.

Weder spassig, noch lustig, aber eher toll (im Sinne von Tollhaus) wird’s, wenn der Politiker mit ernster Miene vors Stimmvolk tritt und spricht: das ist nun alternativlos. Das ist’s schon deswegen, weil alles andere noch viel schlimmer wäre. Konjunktiv zwei, nebenbei.

Das ist ein ganz fataler Satz. Aus zwei Gründen. Er stellt die Entscheidung, die Politik des Regierenden als einzig mögliche, denkbare, richtige, vernünftige dar. Alles andere wäre gaga, Habakuk, Blödsinn, fahrlässig, unverantwortlich, kurzsichtig. Oder einfach: blöd, bescheuert, beknackt.

Wenn’s nicht alternativlos ist, dann ist’s falsch

Zweitens: Natürlich gäbe es Alternativen, aber die wären halt viel schlimmer. Euch gefallen die wirtschaftlichen Folgen der Lockdowns nicht? Schon, aber alles andere … Ihr habt Probleme mit einer Impfpflicht, die gar keine Pflicht ist, aber irgendwie doch? Mag sein, nur wäre alles andere …

Ihr wollt über die Änderungen vom 19. März am sogenannten Covid-19-Gesetz abstimmen? Gut, das dürft ihr, aber wir, der Bundesrat, müssen schon klar machen: «Es gibt keinen Plan B.» Das sagt der Gesundheitsminister mit den schwarzen Augenbrauen und beachtlicher Libido.

Was will er denn damit sagen? Na, Dummerchen, ganz einfach: ein Ja Ende November ist alternativlos. Natürlich könnte man, Konjunktiv, theoretisch auch nein stimmen. Aber das wäre dann ganz dumm, im Fall. Ab März 2022 gäbe es dann (Konditional zwei) keine Zertifikate mehr. Planungssicherheit, Batzeli, Hilfen, Entschädigungen, Unterstützung: alles futsch, bei einem Nein.

Das gilt auch verschärft im Kampf gegen die Massnahmen-Kritiker. Also die Skeptiker, also die Leugner. Die sich radikalisierenden Demonstranten. Die schon mal das Bundeshaus stürmen wollten, wenn man sie liesse. Die immer gewalttätiger werden. Die die ganze Stimmung in der Schweiz vergiften. So geht das alternativlos natürlich nicht.

Zur Komplettausrüstung des modernen Politikers gehört noch ein zweites Besteck: das «ja, aber». Ersatzweise das «natürlich, aber».

Natürlich, sicher, auf jeden Fall. Aber …

Natürlich darf in der Schweiz demonstriert, dürfen Referenden ergriffen werden, dürfen Slogans wie «Eat the Rich», «Klassenkampf» «nieder mit», «alle gemeinsam gegen» skandiert und plakatiert werden. Ja, natürlich. Aber: doch nicht so. Doch nicht von denen. Doch nicht bei diesem Thema.

Natürlich gibt es keinen Impfzwang in der Schweiz. Aber. Natürlich darf man die wissenschaftliche Richtigkeit von Aussagen der Task Force bezweifeln. Aber. Selbstverständlich darf man die Corona-Politik des Bundesrats kritisieren. Aber. Natürlich darf man sich als Frau Gedanken über die Auswirkung der Impfung machen. Aber.

Mit diesen beiden Instrumenten kommt man ziemlich weit. Bis in eine Kantonsregierung, sogar bis in den Bundesrat.  Aber wenn man sie fleissig anwendet, sollte man sich nicht darüber beschweren, dass es in der Gesellschaft weniger konsensual als vorher zugeht. Sich Ränder radikalisieren, viele sich nicht mitgenommen, ernst genommen, vertreten fühlen.

Auch das dürfen sie natürlich. Aber. Sie könnten (Konjunktiv) doch einsehen, dass es zur offiziellen Politik keine Alternative gäbe (Konjunktiv zwei). Gebe (Konjunktiv eins). Gibt. Indikativ, so liebt’s der Politiker in diesem Fall. Aber nur in diesem.

Der helvetische Kuschelkonsens

Der Schweizer (Achtung, Rassismusgefahr) liebt den Kompromiss. Ist kompromisslos gefährdet.

Dem Schweizer ist die deutschen Wesensart (Vorsicht, Rassismus) nicht sehr angenehm. Zu arrogant, grosssprecherisch, eingebildet. «Fräulein, ich krieg’ dann noch‘n Bier», das käme keinem Schweizer über die Lippen.

Auch in politischen oder geschäftlichen Auseinandersetzung ist der Deutsche mehr auf Krawall gebürstet. Deshalb entfalten deutsche Politdebatten gelegentlich einen gewissen Unterhaltungswert, während sie in der Schweiz meistens nach eingeschlafenen Füssen in ungewaschenen Socken riechen.

Deshalb ist der einzige angriffige Talker der Schweiz als zu aggressiv, zu angriffig, gar als «Pitbull» verschrien ­– und Roger Schawinski hat keinen Nachfolger gefunden.

Das Vermeiden von breiten Rändern in der Gesellschaft

Der Hang zum Kompromiss, zum Abwägen, Ausgleichen, Konsensualen hat durchaus auch seine Vorteile. Der Einbezug möglichst vieler in eine Entscheidung lässt nur kleine Ränder in der Gesellschaft entstehen, die sich nicht verstanden, mitgenommen, berücksichtigt fühlen.

Während es in Deutschland eigentlich nur Sieger und Verlierer gibt, Politiker nur in höchste Not Kompromisse und Koalitionen suchen, bleiben dort viele Ränder unberücksichtigt, was der wesentliche Grund für den Aufstieg der AfD ist. Sicherlich kommt noch hinzu, dass auch dreissig Jahre nach der Wiedervereinigung sich die Bürger der Ex-DDR immer noch nicht als ganz ernstgenommen von den Westlern empfinden.

In der Schweiz hingegen, schon alleine gezwungen durch die Mehrsprachigkeit, käme es nicht gut, wenn sich eine gesellschaftliche Gruppe durchsetzen würde. Also die deutschsprachige Schweiz als Mehrheit. Oder Zürich als wirtschaftsstärkster Kanton. In der Schweiz heisst ernsthafter Konflikt, was die Béliers oder Sangliers vor der Abspaltung von Bern machten.

Typisches Beispiel für das Suchen nach Kompromiss.

Für deutsche Verhältnisse Pipifax. Sicher, es gibt auch in der Schweiz so etwas wie einen Schwarzen Block. Aber selbst sein traditioneller Zerstörungszug am 1. Mai in Zürich wurde ihm weggenommen; Zustände wie in Hamburg während des G7-Gipfels wären unvorstellbar in Helvetien.

Aber die aktuelle Pandemie bewirkt, neben unübersehbaren wirtschaftlichen Schäden, auch zum ersten Mal einen gesellschaftlichen Schaden, der in seinen Auswirkungen nicht zu unterschätzen ist.

Schlimmer als im Kalten Krieg

Sicher, zu Zeiten des Kalten Kriegs wurden Linke diskriminiert, ausspioniert, fichiert, «Moskau einfach», die Angst vor Willi Wühler ging um, einer Kunstfigur aus dem «Zivilverteidigungsbüchlein», das vor subversiv-umstürzlerischen Gesellen warnte. Auch wenn das damals für viele nicht sehr lustig war, zu Stellenverlust oder Abbruch einer Karriere führte: es ging vorbei.

Das ist bei Corona anders. Hier kommen bedenklich viele Faktoren zusammen, die eine ungekannte, tiefe Spaltung in der Gesellschaft auslösen.

  1. Vertrauensverlust in die Regierenden. Überforderung, Wackelpolitik, Verlust des Augenmasses, Ersatz von Argumenten durch Arroganz. Der erste Faktor.
  2. Vertrauensverlust der Wissenschaft. Wenn früher eine eidgenössische Task Force (oder Expertengruppe, wie das hiess, als man noch Deutsch sprach) ihre Erkenntnisse bekannt gab, dann war das amtlich. Dann war das EMPA, gesichert, Ende der Debatte. Heute ist es eine wüste Kakophonie sich widersprechender Experten. Faktor zwei.
  3. Die sorgfältige Abhandlung überprüfbarer Fakten wird durch klickgetriebene Panikmache ersetzt. Immer wieder wird vor Zehntausenden von Toten, einem überforderten Gesundheitssystem gewarnt. Es hat sich ein Chor von Corona-Kreischen gebildet, die nur noch durch Übertrumpfen Aufmerksamkeit erzielen. Faktor drei.
  4. Diese Faktoren haben zum Entstehen einer Gesellschaftsgruppe geführt, die den Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie kritisch bis ablehnend gegenübersteht. An ihren Rändern versammeln sich auch Verschwörungstheoretiker, Gestörte und Sonderlinge. So wie es bei jeder gesellschaftlichen Strömung einen Kern vernünftiger Teilnehmer gibt, plus einen Rand von problematischen Mitläufern. Faktor vier.
  5. Immer wieder müssen sich linke Bewegungen davon distanzieren, was gewalttätige Extremisten unternehmen, immer wieder müssen sie sich gefallen lassen, dass man ihnen im politischen Kampf gleiche Denke vorwirft, sie als geistige Brandstifter denunziert, die den Boden für Gewalt gegen Sachen oder sogar Personen bereiten. Das gleiche Modell wird nun auf die Massnahmen-Skeptiker angewendet. Orchestriert und begleitet von einer geradezu einheitlichen Darstellung in den Massenmedien. Faktor fünf.
  6. Die sogenannte Vierte Gewalt, die Kontrollinstanz, die Plattform für öffentlichen Meinungsaustausch, für Debatten, ist denaturiert. Ein Brain Drain ungekannten Ausmasses hat stattgefunden. Durch Massenentlassungen, Einsparungen, Leistungsdruck, Kurzatmigkeit, durch den Ersatz von Argument durch Meinung. Faktor sechs.
  7. Wenn man davon ausgeht, dass trotz vorhandenem Angebot über 30 Prozent der Schweizer Bevölkerung nicht geimpft ist, selbst wenn man medizinische Gründe abzieht, handelt es sich um eine bedeutende Minderheit, nicht einfach um ein paar randständige Spinner. Dennoch wird diese Minderheit so dargestellt, was die Zentrifugalkräfte stärkt. Faktor sieben.
  8. Meinungsstarke Beschimpfungen von Impfgegnern als verantwortungslose und fahrlässige Deppen, grob überzeichnete Meldungen von Ausschreitungen bei Demonstrationen, die Verweigerung jedes Dialogs, jedes Meinungsaustauschs, der zunehmende Eindruck, dass die verbleibenden Medienkonzerne gut Wetter bei den Regierenden machen wollen, von deren Subventionsbereitschaft sie immer mehr abhängen, lässt viele Konsumenten auf alternative Nachrichtenquellen zurückgreifen. Faktor acht.

Damit läuft die Schweiz Gefahr, einen Schaden zu erleiden, der viel nachhaltiger wirken wird als eine Pandemie. Denn im Gegensatz zu vielen Unkenrufen wird auch dieser Seuchenzug vorrübergehen. Wie alle vorher. Er wird vielleicht einige Verhaltensweisen ändern, vielleicht muss man sich an Maskentragen in der Öffentlichkeit gewöhnen. Aber viel gefährlicher als jede Virusmutation ist der Verlust der Konsensfähigkeit.

Die Deutschen beneiden die Schweizer

Der (deutsche) Wutbürger.

Schon längst haben die konfliktbegabten Deutschen aufgehört, die putzigen Schweizer mit ihrem komischen Dialekt zu belächeln. Stattdessen herrscht Neid, Erstaunen darüber, wie es denn die Eidgenossen auch ohne Bankgeheimnis und die Aufbewahrung von Blutgeldern aus aller Welt schaffen, eine funktionierende Infrastruktur aufrechtzuerhalten, die Schulhäuser in Schuss sind, die Staatsverschuldung überschaubar, die Notenbank in Geld schwimmt und Wohlstand herrscht.

Der Deutsche fühlt sich verarscht.

Das Konsensuale spielt dabei offensichtlich eine bedeutende Rolle, denn arbeitsam, pünktlich und genau sind sowohl Deutsche wie Schweizer. Aber sollte das Ausgrenzen, das Verwenden verbaler Zweihänder, das Beschimpfen ganzer Bevölkerungsgruppen, das Fuchteln mit Morgenstern und Hellebarde gegen Abweichler anhalten oder gar zunehmen, dann könnten durchaus deutsche Zustände in der Schweiz ausbrechen. Und das sollte doch niemand wollen.

Fakten, Fakten, Fakten

Der heilige Gral aller ernstzunehmenden Berichterstattung. Nur: was sind Fakten? Oben ein faktentreuer Nachbau der Arche Noah.

Ältere Leser erinnern sich: «Fakten, Fakten, Fakten». Das war der Schlachtruf, mit dem der erste Chefredaktor des deutschen «Focus» gegen den damals alleinherrschenden «Spiegel» antrat.

Er wollte damit insinuieren, dass der «Spiegel», obwohl er sich «Nachrichtenmagazin» nennt, die Welt durch eine ideologische Brille sieht, sich als Besserungsanstalt versteht, als Organ von Rechthabern, mit erhobenem Zeigefinger und der leichten Säuernis von Menschen, die es eigentlich besser wissen, nur hört niemand wirklich auf sie.

 

Immerhin war «Focus» der erste gelungene Versuch, den «Spiegel» zu konkurrenzieren, und das Magazin existiert bis heute. Aber das Erfolgsgeheimnis war keine Faktentreue, sondern die Vorwegnahme moderner Lesegewohnheiten. Kurzstoffe, üppige Grafik, servicelastig, und «immer an den Leser denken», das war der zweite, weniger häufig zitierte Teil des Schlachtrufs von Helmut Markwort.

Alle denken an die Leser. Das ist das Problem

Damit war er allerdings nicht alleine. Der «Spiegel», eigentlich alle Newsmedien, denken an ihre Leser. Deshalb wollen sie deren Haltung nicht zu sehr mit unangenehmen Fakten erschüttern, das mag der Konsument nicht. Der Sündenfall Relotius beim «Spiegel» war nicht nur Ergebnis eines offenbar pathologischen Lügners. Er wurde auch durch die Absicht möglich, antizipierend dem Leser das zu liefern, was er gerne lesen möchte.

Verschärft beobachtet man dieses Phänomen bei der aktuellen Impfdebatte. Dafür, dagegen, alle Argumente sind eigentlich ausgetauscht. Jetzt geht es nur noch um Haltungen und Polemik. Könnte auch aus dem Lager der Impfkritiker stammen, aber hier ein Beispiel aus dem Lager der Impfbefürworter, vom Oberchefredaktor von Tamedia, in einem Kommentar:

«Nun kaufen wir mit unserem vielen Geld für ein paar egozentrische Impfskeptiker den Stoff, der anderswo Leben retten würde.»

Ein guter Beleg dafür, wie schwierig es mit den Fakten ist. Denn deren unumstössliche Kraft hört schnell einmal auf. Die Erde ist nicht flach, das darf man heute als Fakt bezeichnen, ohne auf dem Scheiterhaufen zu landen. Das Universum ist älter als nur ein paar tausend Jahre, obwohl das Kreationisten aller sich auf biblische Überlieferungen beziehenden Religionen genau so sehen und als Fakt wissenschaftlich untermauern wollen.

Was sind nun Fakten? Die NZZ gibt aus aktuellem Anlass die journalistisch korrekte Definition:

«Sachverhalte, die mit Tatsachen belegt werden können.»

Für Exegeten: und was sind Tatsachen? Fakten oder Sachverhalte. Kicher. Um aus diesem Kreislauf herauszukommen: Tatsachen sind sinnlich wahrnehmbare Vorgänge oder Zustände, die sich mit wissenschaftlich anerkannten Methoden darstellen, überprüfen und experimentell wiederholen lassen.

Fakten sind noch nichts

Die NZZ geht allerdings noch einen wichtigen Schritt weiter:

«Fakten erklären nichts. Genauso wie Daten noch keine Informationen sind. Fakten müssen erklärt, vertieft, eingeordnet und interpretiert werden, damit man sie verstehen kann.»

Genau hier beginnt das Problem der modernen Informationsüberschwemmung. Erklären, vertiefen, einordnen und interpretieren, das ist die eigentlich wichtige Leistung des Journalismus. Neben den entsprechenden professionellen Fähigkeiten braucht es allerdings noch ein entscheidendes Ingredienz: Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

Denn der Konsument, der Leser kann nicht jedes erwähnte Faktum selbst nachkontrollieren, geschweige denn, die daraus gezogenen Schlussfolgerungen nachvollziehen und den Weg dahin abschreiten. Entweder vertraut er der Informationsquelle, dann ist’s gut. Oder er zweifelt, dann wird’s schwierig.

Die NZZ kommt nicht aus dem luftleeren Raum zu diesen Überlegungen. Die neue Chefredaktorin von Associated Press hat der NYT ein Interview gegeben. AP ist die grösste Nachrichtenagentur der Welt; angesichts schrumpfender Bordmittel und Eigenleistungen wird ihre Bedeutung monatlich grösser. Da ist es schon wichtig zu wissen, worauf sich diese Julie Pace verpflichtet sieht. Auf Fakten, sagt sie. Das ist gut. Also Dinge, über die man nicht reden oder diskutieren müsse, weil sie feststehen.

Zum Beispiel? Ob die Impfstoffe gegen Covid-19 sicher seien, ob es einen Klimawandel gebe oder ob es bei den US-Wahlen im vergangenen Jahr zu grösseren Betrügereien gekommen sei. Also ja, ja, und nein, laut Pace.

Fakten sind Fakten, können aber falsch sein

Und schon wird’s brandgefährlich. Denn Fakten können auch falsch sein, bzw. widerlegt werden. Mangels technischer Möglichkeiten meinte man lange Zeit, dass ein Atom unteilbar sei, daher auch der Name (altgriechisch «unteilbar»). Der Name blieb, das Faktum nicht.

Natürlich kann nicht jedes Mal in der Berichterstattung alles haarklein hergeleitet und belegt werden. Das würde die Newstexte unlesbar machen. Ungeniessbar werden aber selbst Kommentare, wenn sie Fakten – der Ankauf von «klassischen Impfstoffen» – mit despektierlicher Kritik – «für ein paar egozentrische Impfskeptiker» – und faktenfreier Behauptung – «Stoff, der anderswo Leben retten würde» – vermischt.

Umso unversöhnlicher – und auch faktenfreier – die Debatte um die Pandemie-Massnahmen wird, desto wichtiger wäre es, sich auf altbewährte Prinzipien des Erkenntnisgewinns zu besinnen.

Nur im offenen, tabulosen Schlagabtausch in der Öffentlichkeit ist Erkenntnisfortschritt möglich. Falsche Meinungen können, müssen falsifiziert und mit oder ohne Polemik zurückgewiesen werden. Aber ohne, dass die Meinungsträger persönlich angegangen, ihnen böse oder gute Absichten – je nachdem – unterstellt werden.

Das wäre der Idealfall. Leider entfernen wir uns von diesem Ideal beinahe täglich. Ein erkennbarer Grund dafür: Meinung ist wohlfeil, gratis und schnell gebildet. Fakten zu eruieren, aufzubereiten und darzubieten, das ist aufwendig und anstrengend.

Wäre aber dringend nötig.

Die Macht des Mittelsmanns

Hersteller und Verbraucher. Dazwischen sahnt der Middle Man alles ab.

Zwischen Produktion und Konsumtion liegt die Distribution. Das ist eine Binsenwahrheit. Oftmals ist es so, dass der Verteiler sich eine grosse Scheibe vom Verkaufspreis abschneidet.

In der Warenwelt zeigt sich das in aller Hässlichkeit zum Beispiel beim Allerweltsprodukt Jeans. Lassen wir einmal den enormen Wasseraufwand (ca. 8000 Liter), Färbe- und Bleichmittelprozesse, überlange Transportwege und auch mögliche Kinderarbeit beiseite.

Baumwolle, Garn, Stoff, Färben, Nähen, Waschen: das kann weltumspannend zwischen Kasachstan, der Türkei, Tunesien, China und Europa stattfinden. Auch das lassen wir beiseite.

In der Warenwelt kassiert der Verteiler am meisten

Der Jeanspreis im Laden setzt sich normalerweise so zusammen:

  • 1 % Lohnkosten.
  • 11 % Transport, Gebühren und Steuern.
  • 13 % Materialkosten.
  • 25 % Design, Entwicklung, Marketing, Werbung.
  • 50 % Einzelhandel.

Also kassiert der Detailhändler den Löwenanteil, unabhängig davon, ob er dafür physisch mit einem Laden präsent ist oder nur im Internet den Distributeur spielt. Der physische Warenverteiler, abgesehen von Gütern des täglichen Gebrauchs wie vor allem Lebensmittel, ist am Aussterben. Teure Lokalmieten, Personal, Lagerkosten, diese Präsenz wird immer mehr zum Statussymbol von Luxus- und Prestigemarken.

Grosse Warenhäuser wie Amazon oder Alibaba, Handelsplattformen wie Google oder Facebook übernehmen Macht, Verteilung und sacken die Gewinne ein. Natürlich bestimmen sie die Preise und können auch Geld fürs Listing verlangen, also dafür, dass ein Produkt überhaupt in das Angebot aufgenommen wird.

Amazon …

Das alles sind die üblichen kapitalistischen Mechanismen in einer globalisierten Wirtschaft, bei der die Distanz zwischen den Produktionsschritten und dem Endverbraucher keine Rolle mehr spielt. Wo die Reise hingehen soll, darüber zerbrechen sich genügend Fachleute die Köpfe, das ist nur für die Beteiligten und Betroffenen von Interesse. Dem Konsumenten kann’s egal sein.

In der Warenwelt heuchelt der Konsument am meisten

Sollten ihm Hungerlöhne, Kinderarbeit, weite Transportwege und umweltschädliche Herstellung nicht passen, kann er ja auf zertifizierte Produkte umsteigen. Das tut er auch zunehmend – allerdings nur verbal. In der reichen Schweiz sind offiziell eigentlich alle gegen Kinderarbeit und solche Schweinereien. Daher wird pro Kopf massenhaft Geld für zertifizierte Produkte ausgegeben. Nun ja, haargenau 103 Franken pro Mensch und Jahr für Fair Trade.

Soviel zur üblichen Heuchelei.

Es gibt allerdings ein Gebiet, auf dem die Rolle des Mittelsmanns mehr als problematisch ist. Bei der Herstellung und dem Verkauf von News. Der wurde seit seinen Anfängen von zwei Einkommensquellen gespiesen. Der Konsument bezahlte den Hersteller direkt, das Abonnement. Der Hersteller bot sein Produkt als Transportmittel für andere Produkte an, das Inserat.

Wir bewegen uns immer noch auf dem Gebiet der Binsenwahrheiten. Aber nicht mehr lange.

Frühes Porträt eines Medienmanagers.

Alte Printwelt, nicht mehr so neue Digitalwelt

In der Printwelt kam ein Grossteil dieser Einnahmen dem Produzenten direkt zugute. Lediglich die Verteilung bspw. über Kioske bedeutete, dass er so einen Drittel des Verkaufspreises an den Verteiler abgeben muss. Zudem entstehen natürlich Unkosten durch Papiereinkauf, Druck und Distribution in jeder Form. Pro Stück Bedrucktes kann man im Normalfall, den Inhalt nicht inbegriffen, von einem Franken sprechen.

Das sind mehr oder minder Fixkosten, an denen nicht zu rütteln ist. Da die Newsproduzenten für sich eine besondere Stellung in der modernen Gesellschaft beanspruchen, wird in der Schweiz zum Beispiel die Zustellung staatlich subventioniert.

Ganz anders sieht es im Internet aus. Hier ist die direkte Wertschöpfung Produzent – Konsument durch den Verteiler unterbrochen. Der schneidet sich dafür natürlich, wir erinnern uns an das Beispiel Jeans, eine grosse Scheibe von der Wertschöpfung ab.

Genauer gesagt, er frisst den ganzen Kuchen auf. Online-Marketing, also alle Werbeformen im Internet, ist der am stärksten wachsende Werbemarkt in der Schweiz. Pro Jahr werden insgesamt rund 4,5 Milliarden Franken umgesetzt. Davon 40 Prozent im Internet, gefolgt von TV/Radio und schliesslich der Printbereich mit 21 Prozent.

Von diesen rund 2 Milliarden verfrühstücken die grossen Verteiler 90 Prozent. Also Google, Facebook & Co. Ihre Leistung dafür hält sich in bescheidenen Grenzen. Bei einem Umsatz von rund 90 Milliarden US-Dollar machte zum Beispiel Facebook 2020 einen Gewinn von 29,15 Milliarden. Das ist eine Profitrate von sagenhaften 32,4 Prozent.

Tarotkarte des Medienmanagers.

Was ist der Grund für so exorbitante Gewinne?

Wenn der «normale» Gewinn eines Verteilers bei 50 Prozent liegt, dann müssen die zusätzlichen 40 Prozent in der Schweiz einen anderen Grund haben. Der hat einen Doppelnamen. Dummheit und Unfähigkeit der Medien- und Verlagsmanager der grossen Familienclans der Schweizer Privatmedien.

Denen ist in all den Jahren, in denen das Internet existiert, keine Methode eingefallen, mit der der Hersteller des Produkts News sich einen akzeptablen Anteil an der Wertschöpfungskette zu sichern. Das kommerzielle Internet gibt es seit rund 25 Jahren. Das heisst, bald mal eine Generation von hochbezahlten Teppichetagenschlurfern haben «hm, ist nicht so gut» gemurmelt. Haben markig «da muss uns etwas einfallen» gefordert.

Das ist es auch. Sie krähen (heute!) nach einer Milliarde zusätzlicher Steuerknete, um unter anderem die «Digitalisierung» und «Transformierung» ihres Angebots besser bewältigen zu können. Das ist in der jüngeren Geschichte des Kapitalismus ohne Beispiel.

Das ist so, wie wenn die Benützer von Handwebstühlen 25 Jahre nach der Einführung mechanisierter Webstühle sagen würden: wir brauchen Staatshilfe. Das ist so, wie wenn die Hersteller von Dampfloks, die 25 Jahre lang dem Siegeszug der Elektroloks zugeschaut haben, sagen würden: wir brauchen Steuergelder.

Das Narrenschiff der Medienmanager.

Man kann Google, Facebook & Co. nicht den geringsten Vorwurf machen, dass sie sich dumm und krumm verdienen. Das ist das Versagen der Medien. Man kann ihnen auch keinen Vorwurf machen, dass sie mit den ihnen auferlegten Zensurvorschriften vor allem darauf achten, ihre eigenen Interessen zu schützen.

Die chinesixche Regierung findet Opposition nicht so toll? Zu Befehl, wird abgeschaltet. Das russische Regime ärgert sich über den Dissidenten Nawalny? Google und Apple entfernen seine App. In Deutschland ärgert man sich über die «Querdenker»? Stecker raus.

Dummheit und Unfähigkeit sind nicht gratis zu haben. Man muss bitter und teuer dafür bezahlen.

Medienmanager, porträtiert von Paul Klee als Narr.