«Z»: Die Vakanz des Stils

Das Format stimmt. Der Inhalt weniger.

Auch an «Z – die Substanz des Stils» aus dem Hause NZZ ist das Elend nicht spurlos vorbeigegangen. Hoffnungsfroh 10 Ausgaben, aktuell 9, da dürfte dann der Schritt zu zweimonatlich nicht mehr weit sein.

Aber es ist September, nach dem garstigen Frühling, dem auch nicht viel besseren Sommer sollten wir doch langsam wieder in Champagnerlaune und in Kaufräusche kommen.  Schliesslich gehören wir Leser von «Z» zu einer «intelligenten und konsumfreudigen Leserschaft».

Bei diesem Format und dieser Leserschaft sind doch rund 30’000 Franken pro Seite gut angelegtes Geld für den Werbetreibenden. Das freut auch den Leser, denn die Doppelseite Rolex, die Doppelseite Van Cleef & Arpels kommen recht schmuck daher.

Zeitgeist muss nicht unbedingt aktuell sein

Apropos, geniale Überleitung, auf Seite 7 mit dem etwas ranschmeisserischen Titel «Fette Kette» macht nur ein ganz dezentes «Bucherer» zuunterst auf der Seite den intelligenten Leser darauf aufmerksam, dass die Redaktion vielleicht nicht nur aus Gründen des Stils ausgerechnet eine Bucherer-Goldkette ins Bild setzte.

Aber gut, man muss ja von was leben. Unter dem etwas angeberischen Titel «Zeitgeist» folgt dann die übliche Doppelseite mit Konsumtipps. Mit allzu brandheissen Neuigkeiten will «Z» hier den Leser nicht überfordern. Dass Spitzenkoch Stefan Heilemann seine Wirkungsstätte in den Zürcher Widder verlegt hat, ist allen Gourmets seit Juni dieses Jahres bekannt.

Dass Audemars Piguet sich einen spiralförmigen Neubau mit Museum geleistet hat, ist altbekannt. Dass das Museum nur nach Voranmeldung zu besichtigen ist, wäre vielleicht für alle spontanentschlossenen Leser einen Hinweis wert gewesen. Wir sind uns aber sicher, dass dieser Tipp nichts, aber überhaupt nichts mit dem doppelseitigen Inserat von Audemars Piguet in der Heftmitte zu tun hat.

Die Modestrecke als Tiefpunkt im Höhepunkt

Jetzt freuen wir uns auf den Höhepunkt des Hefts, die achtseitige Fotostrecke «Mann im Anzug». Da wurde nicht gespart; Fotograf, Styling, Assistenz, Casting, Wahnsinn. Und viel, viel Kunst, denn das Kleinfoto unter diesem Titel ist eigentlich das einzige in der ganzen Strecke, auf dem mehr als abgefilterte Umrisse, Ausschnitte, sozusagen Hingehuschtes, Verwedeltes zu sehen ist.

Der Tiefpunkt im Höhepunkt ist eine Doppelseite, auf der man einen nadelgestreiften Mantel, ebensolche Hosen und eine «Herrentasche mit Fransen» erahnen kann. Immerhin, die Kalbslederboots sind gut sichtbar. Wer hier aber die angepriesene Uhr oder das Hemd erkennen will, muss über hellseherische Fähigkeiten verfügen.

Das gilt auch für die Preise, die sind nämlich nur «auf Anfrage» erhältlich. Vollends zur Lachnummer wird diese Modestrecke, weil sie unter dem Motto stehen soll: «Strassentauglich. Unangestrengte Eleganz». Was allerdings an einem sattroten Doppelreiher mit sattrotem Pullover strassentauglich oder unangestrengt sein soll, verschliesst sich dem Betrachter, genau wie der Hinweis auf einen Ring von Cartier, den das Modell unangestrengt trägt, was aber leider aus mehreren Metern Distanz so wenig zu erkennen ist wie ein Hemd aus Schurwolle, bei dem man für schlappe 710 Franken vielleicht etwas mehr als die Manschetten sehen möchte.

Kein Unfall in der Druckvorstufe, sondern schlimmer

Dass hier kein Unfall in der Druckvorstufe passierte, beweist das letzte Foto. Wieso sich das Modell einen in Frischhaltefolie verpackten Wassermelonenschnitz vors Gesicht halten muss, erschliesst sich wohl nur stilsicheren Betrachtern, aber immerhin, hier ist die Cartier-Uhr tatsächlich knackscharf fotografiert, ebenso ein Ärmel eines Cashmere-Mantels. Ob man sich dazu das Hemd aus Baumwollpopeline für 460 Franken leisten möchte, ist auch hier schwer zu beurteilen, da der Arm, der die Melone hält, die Sicht aufs Hemd versperrt.

Auf drei Seiten Rimini als Destination vorzuschlagen, das zeugt, nun ja, von einer stilsicheren Unabhängigkeit von Jahreszeiten und Risikogebieten. Vorher noch nimmt man verwundert zur Kenntnis, dass immerhin 18 Nasen hinter diesen 48 Seiten stecken, verstärkt noch um 7 Autoren, denn man kann nun wirklich nicht alles selber schreiben.

Immerhin ein mehrfach versöhnliches Ende

Aber es gibt doch ein versöhnliches Ende. Nämlich ein grossartiges Zitat des legendären italienischen Regisseurs Sergio Leone über seinen Hauptdarsteller Clint Eastwood. Die Männerfreundschaft zerbrach dann an einem der zwei ewigen Gründe: am Geld. Daher rief ihm Leone nach: «Clint Eastwood hatte genau zwei Gesichtsausdrücke: einen mit Hut, und einen ohne.»

Ach, und auf der hinteren Umschlagseite zeigt doch tatsächlich Dior, dass man Schuhe, Hosen, eine Bluse, eine Handtasche, Schmuck, Kopftuch und eine Jacke so fotografieren kann, dass man etwas erkennt. Aber gut, dafür ist es natürlich kein substanzieller Stil.

Ex-Press VII

Blasen aus dem Mediensumpf.

 

«Watsons» partielle Welt-Analysen

Neben 18 Fotos über Jagen, «die dich schmunzeln lassen», neben «Prostata-Probleme beenden», aber hoppla, das ist ja eine zielgruppengerechte Werbung im Jugendportal «watson», gibt es auch ernst gemeinte «Analysen». In einer erschüttert «watson», die Weltzentrale der lustigen Listicles, seine Leser, Europa, ja die ganze Welt mit der Erkenntnis: «Die EU will das Flüchtlingsproblem lösen – das dürfte schwierig werden». Also prägnanter lässt sich das wirklich nicht auf den Punkt bringen; Chapeau vor dieser Geistesanstrengung.

Geht da noch einer? Aber immer, natürlich gibt es auch eine «Analyse» zur «Arena»-Debatte, bei der die «Klimajungend» feige gekniffen hat. Besonders fasziniert hat den Analytiker von «watson» ein «Ex-Lehrer», der den inhaltsschweren und daher unsterblichen und von den Griechen überlieferten Satz in die Runde warf: «Jugendliche sind halt frech.» Über diese Erkenntnis hat Platon sein halbes Leben gebrütet.

Ich hätte da auch einen alten Griechen, Sokrates soll gesagt haben: «Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte.» Ausserdem tyrannisiere sie die Lehrer.

Dabei wandelte Sokrates nicht mal über den Bundesplatz zu Bern. Erkannt hätte ihn sowieso keiner. Was allerdings dem «watson»-Analysten verblüffend gut gelingt, ist eine partielle Mattscheibe. Er verteilt mehr oder minder gerecht Lob und Tadel auf drei Teilnehmer an der Diskussion, der zugeschaltete Berner Stapi wird für seine Fake News von «watson» milde gerügt, dass man halt vorher von nichts gewusst habe.

Fehlt da nicht was? Richtig; offensichtlich fand man es bei «watson» lustig, die Solidarität mit der abwesenden «Klimajugend» so zu zeigen, dass Roger Köppel in dieser Analyse nicht vorkommt. Selten so gelacht, seitdem in absolutistischen Regimes in Ungnade gefallene Prominente einfach aus Fotos und Dokumenten geschnitten wurden.

Nein, das taten nicht die alten Griechen. Aber Stalin und seine Brüder im Geist. Man fragt sich wirklich, wieso die Familie Wanner mit dieser Blöd-Plattform ihr Geld verröstet. Aber immerhin, spricht für die Intelligenz der Leser, einem einzigen Kommentator fiel das Fehlen Köppels in dieser «Analyse» auf.

 

Ferientage sind Chaostage

Der «Blick» versucht, den Überblick zu behalten. Wohin kann man in den Herbstferien noch reisen? Wohin kann man zwar reisen, muss dann aber in Quarantäne? Und vor allem: Wohin konnte man gestern noch reisen, heute aber nicht mehr oder neu mit Quarantäne?

Umbuchen, stornieren, zurückbezahlen. Airlines, Reiseveranstalter und Reisebüros drehen im roten Bereich, weil der Versuch, eine Linie im Walten und Wüten von BAG und Bundesrat zu erkennen, dem Versuch gleicht, einen Pudding an die Wand zu nageln. Schön wenigstens, dass die NZZ sich mit sonorer Stimme und mit ihrem neuen «Chefökonom» zu Wort meldet: «Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, dass Ökonomen Kosten- und Effizienzüberlegungen in die politische Debatte einbringen und auf Anreiz- und Verteilungswirkungen hinweisen.»

Mein Gott, Walter, könnte man das nicht einfacher sagen? Hundert Milliarden Franken Schaden und Gratisgeld für alle, kann das gutgehen?

 

Meinungspluralismus

Die «massivst» dümmliche Klimajugend lehnte die Teilnahme an der «Arena» ab, die natürlich dennoch mit Roger Köppel stattfand. Ein gewichtiger Anlass für die Medien, über Debattenkultur und anderes nachzudenken. In der gebotenen Breite und Vielfalt.

«Steht die grüne Gesinnung über dem Rechtsstaat?» Mit dieser TV-Kritik erfreute das Haus Tamedia seine Leser. In seinen 17 Kopfblättern und angeschlossenen Tageszeitungen gleichlautend. «Klima-Besetzer kneifen in der «Arena»», mit dieser sprachlich etwas gewagten Formulierung bestreut CH Media die Schweiz. Gleich 20 mal.

Abseits stehen natürlich nur «Blick» und NZZ. Sowie ein paar versprengte Lokalzeitungen. Gerade bei solchen Themen zeigt sich erschreckend, wie ungesund es ist, dass in Basel, Bern und Zürich, in Zug, Luzern, Aarau und St. Gallen, dass eigentlich überall die gleiche Meinung, die gleiche Sosse in die Tagespresse gegossen wird.

 

Wir sind alle Täter

Nicht gewusst? Sie meinen, weil Sie keinen Mohrenkopf und keinen Uncle Ben’s Reis essen, kämen Sie davon? Das sieht der grosse Schweizer Kämpfer gegen die Sklaverei – und ihre Folgen – ganz anders: «Grundsätzlich sollen die Nachkommensgesellschaften der Sklaven von den Nachkommensgesellschaften der Täter und Profiteure entschädigt werden», fordert der Historiker Hans Fässler in der WoZ.

Eigentlich lustig, meine ich als Historiker, dass es Kollegen gibt, die noch im 21. Jahrhundert von einem fundamentalistischen, durch die Geschichte unveränderlichen Menschenbild ausgehen, der heute, gestern und durch alle Zeiten die gleichen Massstäbe, Denkgerüste, Vorstellungen benützt wie heute.

Ganz abgesehen davon, dass sich nicht nur die Nachkommensgesellschaften der Sklaven am Sklavenhandel beteiligten und bis heute nachwirkende Vermögen durch den Verkauf ihrer Landsleute begründeten.

Näherliegend fände ich, dass gerade in der Schweiz die Nachkommensgesellschaft der alleine politisch bestimmenden Männer der Nachkommensgesellschaft der bis 1971 bestimmten Frauen eine Wiedergutmachung leistet. Mindestens verbal: «Guten Abend, Schatz, übrigens Entschuldigung. Und holst du mir mal ein Bier und die Fernbedienung?»

 

 

 

Coop- und Migrosmagazin im Visier

Kurt W. Zimmermann analysiert die Magazine von Coop und Migros. Zwei Tage später zieht Lucien Scherrer von der NZZ übers Migrosmagazin her. Beide treffen nicht ins Schwarze.

Doch beide scheint das sich schon früh abzeichnende Ja zur Vaterschaftsurlaubs-Vorlage zu nerven. Denn sowohl Kurt W. Zimmermann (Weltwoche) wie auch Lucien Scherrer (NZZ) äusserten recht energisch ihren Missmut darüber, wie im Werbemagazin von Migros Bundesrat Alain Berset (SP) Werbung für ein Ja zu mehr Papizeit machen konnte.

Zimmermann doziert in seiner Kolumne zudem, wie gut es den beiden Magazinen von Coop und Migros gehe. Kein Wunder: das Migros Magazin habe gegen 1,6 Millionen Auflage pro Woche und erreiche 2,2 Millionen Leser. «Die Auflage liegt damit eine halbe Million höher als die Auflage aller Abo-Zeitungen zusammen, von Blick bis NZZ». Noch eine Spur grösser sei die Coop-Zeitung mit einer wöchentlichen Auflage von über 1,8 Millionen Exemplaren und 2,4 Millionen Lesern. Zimmermann: «Es gibt wenig Direktiven von oben, sagt man auf den Redaktionen. Sparübungen gab es nie.» Und noch ein Bonmot von Zimmermann: «Sie werden nicht, wie bei Kundenmagazinen üblich, gratis im Laden aufgelegt, sondern per Post in die Briefkästen geliefert.»

Nach Jürg Peritz ging’s bergab

Recht hat Zimmermann bei den Auflagen und Reichweiten. Aber gespart wurde in den beiden Redaktionen, obwohl es dort laut Zimmermann ist «wie in den goldenen Zeiten». Die Coop-Zeitung ist seit der Pensionierung von  Coop-Vizechef und Marketing-Leiter Jürg Peritz nur noch ein Schatten ihrer selbst. Eigenwerbung noch und noch, der Chefredaktor Silvan Grütter beugt sich dem Kommerz. Das lernte er als vorheriger Leiter des Ressorts Unterhaltung bei der Schweizer Illustrierten (2012-2017) zur Genüge.

Beim Migros-Magazin ist der journalistische Kompetenzverlust nicht ganz so gross. Aber auch dort verliessen nach einer gewissen Aufbruchstimmung vor einigen Jahren mehrere kultur- und politikaffine Journalisten das Blatt. Inhaltlich ist es immer noch um Welten besser als das Coop-Pendant.

Überhaupt kommen die dicken Werbehefte nicht mehr so gut an wie vor Jahren. Denn oft quillen sie vor Werbebeilagen über. Damit versuchen Coop und Migros, die vielen Haushaltungen mit einem Stopp-Werbe-Kleber zu umgehen. Das Resultat sind saure Kunden, die zum Aldi oder Lidl abwandern. Nun haben Coop und Migros angefangen, ihr Magazin in den Läden aufzulegen. Aber das scheint Zimmermann nicht bemerkt zu haben.

Inspiration, Schulterzucken?

Nun zu Lucien Scherrer, dem neuen Medienjournalisten der NZZ. Scherrer hat mit seiner Kolumne als Nachfolger von NZZ-Medien-Doyen Rainer Stadler eine spezielle Ansage gemacht. Unklar ist, ob er sich für seine Samstagskolumne in der NZZ von der zwei Tage zuvor erschienenen Weltwoche inspirieren liess oder ob er einfach mit den Schultern zuckte. Nach dem Motto: Gleiches Thema, aber andere Zeitung. Also egal.

Unterschätzte Blocherzeitungen

Auffallend ist, wie Scherrer stärker aufs Migrosmagazin eindrischt und auch an Bundesrat Berset kein gutes Haar lässt. Dass er noch den Quervergleich zu Blochers Gratiszeitungen wagt, ist eher verunglückt. Natürlich ist die Reichweite der beiden Magazine von Coop und Migros grösser. Aber im Lokalen, sei es die Politik oder die Kultur, baut Blocher seinen Einfluss je länger je mehr aus. Vor allem, seit die grossen Medienhäuser auch dort sparen.

Lucien Scherrer tut der NZZ-Medienseite mit seiner rechtsbürgerlichen Färbung keinen Gefallen. Gefragt wäre nach wie vor eine ausgewogene Einschätzung, so wie dies Stadler Jahrzehnte schaffte. Doch Stadler hatte eben seinen Letzten bei der NZZ. Der 62-Jährige war der NZZ offensichtlich nicht mehr genehm. Der Start des Nachfolgers geriet nicht ideal.

In einer ersten Version  behauptete der Autor, Alan Berset sei neben dem Migros-Magazin auch in der Coop-Zeitung zu Wort gekommen. Das stimmt nicht. Dafür bittet der Autor um Entschuldigung.

Oops, they did it again

Ist die Schweizerische Nationalbank ein Herrenclub, ladies and gentlemen?

Die Methode ist bekannt. Sexismus, Mobbing, Skandal. Hat die «Republik» schon mehrfach probiert, ist damit aber auch regelmässig auf die Schnauze gefallen.

Auch ihr Versuch, mit angeblich unbeaufsichtigten, schlecht ernährten und sonst wie gequälten Kindern beim grössten Schweizer Anbieter von Kitas zu punkten, war ein Griff ins Klo: alle offiziellen und externen Untersuchungen ergaben: nix dran, nix zu meckern.

Mal wieder Aufgewärmtes, frisch serviert

Nun probiert es die «Republik» mal mit der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Mit knapp 24’000 Anschlägen ist der Artikel für «Republik»-Verhältnisse geradezu schlank und rank. Er hat allerdings, wie schon der Versuch, mit dem aufgewärmten Bündner Bauskandal zu punkten, eine Vorgeschichte.

Denn ein gewisser Fabio Canetg publizierte am 2. September auf swissinfo.ch einen Beitrag über die SNB: «Es ist etwas faul bei der SNB. Es riecht nach Geschlechterdiskriminierung». Diese Aussage basiert auf einer Auswertung der Geschlechterverteilung in Führungspositionen. 117 von 145 seien von Männern besetzt, weiss Canetg. Also 81 Prozent, bei der US-Notenbank seien es lediglich 57 Prozent.

Klarer Fall, Diskriminierung. Und dabei spricht Canetg den Skandal gar nicht an, dass der Anteil von «divers» bei null liegt. Wobei, halt, der Skandal ist, dass Canetg dieser Skandal gar nicht auffällt. Wo die «Republik» doch selbst ihren launigen Gruss zu «Ladies, Gentlemen and everybody beyond» angepasst hat.

Warum nicht mal durchschütteln, mixen und neu einschenken?

Aber Scherz beiseite, wie es der Zufall so wollte, unterhält Canetg auch noch einen «Geldcast», und bei dem war Patrizia Laeri zu Gast. Genau, die Kürzestzeit-Chefredaktorin von CNN Money, zurzeit offen für Neues. Sie selbst kann sich über Frauendiskriminierung nicht wirklich beschweren, aber laut Canetg hätten sich dann ein rundes Dutzend Frauen bei ihr und ihm gemeldet, die von haarsträubenden Zuständen bei der SNB zu berichten wussten.

Da dachten sich Laeri und Canetg: he, wieso schütteln wir den Ursprungsartikel nicht mal gut durch, stecken ihn in den Mixer mit Auszügen aus anonymen Erfahrungsberichten, und fertig ist der Smoothie, der den «Republik»-Lesern runter geht wie ein Latte Macchiato, gebraut mit Kaffeebohnen aus Nicaragua.

«Steinzeitlich» und «autoritär» gehe es bei der SNB zu, weiss die «Republik», Thomas Jordan trage den Übernamen «Mr. Konservativ» und herrsche mit nahezu unbeschränkter Macht, zudem würden Leute mit «einer bestimmten politischen Richtung» gezielt befördert. Ich finde es ja auch bedauerlich, dass unser oberster Währungshüter nicht gelegentlich Salsa tanzt und nach sechs Mojitos nach Hause geschleift werden muss. Aber mit Sexismus hätte das noch nicht viel zu tun.

Eher ein leiser als ein lauter Sexismus

Das fällt gerade rechtzeitig auch den «Republik»-Autoren ein, also fahren sie fort, durch alles hindurch ziehe sich «ein manchmal leiser, öfter offenkundiger Sexismus. Der sich auch daran zeigt, dass bei der Nationalbank auf 8 von 10 Führungs­posten Männer sitzen.»

Das kann Sexismus sein, das könnte vielleicht auch damit zu tun haben, dass selbst aktuell nur 35 Prozent aller Studenten der HSG weiblich sind. Aber wie auch immer, es gibt genügend geschilderte Vorfälle, um anzunehmen, dass die SNB ein paar Probleme mit Frauen hat. Beziehungsweise mit deren Behandlung und Förderung.

Wer nun aber saftige Darstellungen übler Übergriffe erwartet, wird enttäuscht. Um «Skandal, Sexismus, Chauvinismus» und «strukturell verankert» zu krähen, das geben die Fallbeispiele eigentlich nicht her.

Fragen bei Bewerbungsgesprächen, die fehl am Platz sind, so zu früherem Einkommen oder der familiären Situation, die aber selbst von einem «Republik»-Experten allerhöchstens als «grenzwertig» bezeichnet werden, das ist zwar nicht gut, aber weit von einem Skandal entfernt.

Dann gibt es Klagen über «ganz normalen Alltagssexismus». Der äussere sich darin, dass Frauen unter Druck gesetzt würden, ein Vorgesetzter habe einmal einer Mitarbeiterin erklärt, wofür deren Geschlechtsorgane gut seien.

Die allgemein übliche Lohndiskriminierung

Schliesslich die in der gesamten Schweizer Arbeitswelt vorhandene Lohndiskriminierung. Das ist nun wirklich kein spezifisches Problem der SNB. «Die hier geschilderten Vorfälle wiegen schwer», urteilt die «Republik» in eigener Sache. Publizitätshungrige Politiker eilen natürlich herbei und kündigen gewichtig parlamentarische Vorstösse an.

Ohne einen einzigen der geschilderten Vorfälle verniedlichen oder bezweifeln zu wollen: Die SNB hat 937 Mitarbeiter. Dass es unter denen den einen oder anderen testosterongesteuerten Macho gibt, ist bedauerlich. Lohndiskriminierung per Geschlecht ist nicht nur bei der SNB ein Problem. Aber angesichts der geringen Zahl und der geringen Schwere der geschilderten Vorfälle hat SNB-Direktor Thomas Jordan natürlich recht, wenn er von inakzeptablen Einzelfällen spricht.

Dass sich weder er noch die SNB zu spezifischen, einzelnen Fällen äussern, ist keine Dialogverweigerung, sondern schlichtweg als Arbeitgeberpflicht vorgeschrieben.

Zwei Fragen drängen sich allerdings auf

Zwei Fragen stellen sich aber doch bei diesem Artikel: Fabio Canetg bezeichnet sich darin selbst als «Geldökonom». Da täte vielleicht eine Fortbildung not, denn mit seiner Behauptung, die SNB verwalte «ein Volksvermögen von 950 Milliarden Franken», würde er bei jedem Anfängerkurs an der HSG durchfallen.

Und müsste eigentlich von der Uni verwiesen werden, da er selbst auf Nachfrage sich nur artig für das Interesse bedankt und auf die Webseite der SNB verweist, wo als «Anlagevolumen» per Ende Juli 949 Milliarden Franken aufgeführt sei. Meiner Treu, wenn das die wissenschaftliche Zukunft der Schweizer Volkswirtschaft ist. Setzen, Strafaufgabe: Wir basteln uns eine doppelte Buchhaltung, schreiben links Aktiva und rechts Passiva und schauen, was rechts übrig bleibt, wenn man die Passiva von den Aktiva abzieht. Waseliwas?

Schliesslich ist dieser «Republik»-Artikel die Fortsetzung eines Werks für swissinfo. Sich selbst kopieren ist durchaus erlaubt, wenn auch nicht rasend originell. Aber im Kampf gegen Frauendiskriminierung muss die Frage erlaubt sein, wieso in der «Republik» die Mitarbeiterin, mit deren «Unterstützung» Canetg das Original schrieb, unerwähnt bleibt. Die Nachfrage nach der verschwundenen Mitarbeiterin am Artikel beantwortet Canetg einfach nicht. Auch auf die Gefahr hin, sich damit doch einem verschärften Sexismusverdacht auszusetzen. Stolz vermerkt Canetg im «Republik»-Artikel hingegen, dass ebenfalls der «Blick» über dieses Männerproblem bei der SNB berichtet habe.

Darf man das Inzucht nennen, oder wäre das irgendwie -istisch?

Wäre es wirklich ein Platzproblem geworden, wenn er erwähnt hätte, dass die «Blick»-Kolumnistin Patrizia Laeri, seine Mitautorin, in ihrer «Blick»-Kolumne seinen swissinfo-Artikel lobend erwähnte? Eingeleitet mit der vorwurfsvollen Schilderung, dass sich Thomas Jordan doch erfrecht habe, auf eine Reihe blöder Fragen von ihr bei einer Pressekonferenz höflich zu antworten: «Frau Laeri, diese Fragen meinten Sie aber nicht ernst?»

Wenn Jordan wüsste, wie knapp er da einem Sexismus-Vorwurf entkam, wo Laeri doch einen grünen Rock trug und sich nach der Nachhaltigkeit von SNB-Anlagen erkundigte.

Wie viele Mitarbeiter braucht es, um Externe Artikel schreiben zu lassen?

Sozusagen in eigener Sache noch zwei Bemerkungen zur «Republik». Trotz 50 Nasen auf der Payroll wurde dieser Artikel, mit dem das Online-Magazin mal wieder in die Schlagzeilen kommen will, von zwei Externen geschrieben. Genauso wie die Aufarbeitung des Wirecard-Skandals und seine Enthüllung in der «Financial Times» der Einfachheit halber von der FT übernommen wurde.

Wenn man alles zusammenzählt, hat die «Republik» in den vergangenen sieben Tagen 29 Stücke rausgepustet. Davon höchstens 27 eigene. Also nur unwesentlich mehr als ZACKBUM.ch. Was dort pro Monat so eine halbe Million kostet, hier bei drei Nasen null.

Wollen sich die Genossenschafter der «Republik» so nebenbei entmannen lassen?

Und so ganz nebenbei gibt die «Republik» bekannt, dass es mal Zeit für eine Statutenänderung sei. Nix wirklich Wichtiges, einfach eine Anpassung, Präzisierungen, you know, ladies and gentlemen. Darin versteckt wird die Budgethoheit von der Genossenschafterversammlung auf den Vorstand verschoben. Dessen Mitglieder auch nicht mehr jedes Jahr, sondern nur noch alle drei Jahre gewählt werden sollen.

So genossenschaftlich-republikanisch und basisdemokratisch soll es also bei der «Republik» künftig zu und hergehen. Erinnert irgendwie an die «Animal Farm» von Orwell, finde ich.

Man darf gespannt sein, ob die dafür nötige Zweidrittelmehrheit bei der Urabstimmung erzielt wird; sich die Genossenschafter also selber, Pardon, entmannen wollen. Wo doch die Finanzen nicht so wirklich die Kernkompetenz der «Republik»-Macher sind.

Zackbum hat jetzt auch eine Kirche

Welche Lehren zog der «Spiegel» aus Relotius?

Mal genau genommen: Wie akkurat sind heute Faktenangaben?

Der «Spiegel» und die USA, das  ist ein schwieriges Thema. Das Blatt hatte bei seiner Geburt 1947 amerikanische Zeitschriften als Vorbild. Wie er ist, und wie er schreibt, lässt sich nur verstehen, wenn man auch die US-Pendants liest.

Und dann kam Relotius. Der «Spiegel» versuchte gar nicht, den Fälscher-Skandal zu verniedlichen. Eine unglaubliche Kette an missbrauchtem Vertrauen, schludriger Kontrolle und überheblicher Arroganz haben zum Entstehen von Relotius geführt, diesem angeblich so bezirzend schreibendem Reporter.

Auch Guido Mingels ist ein hervorragender Schreiber – aus dem luzernischen Dagmersellen. Nicht im entferntesten soll eine Analogie zwischen Relotius und Mingels geschaffen werden. Nur die Unvereinbarkeit zwischen Pointe und Fakten soll aufgezeigt werden.

Und zwar geht es um Mingels Text «Wenn die Ölmänner gehen». Im Zentrum steht das Städtchen Carlsbad in New Mexiko. Die Einwohner, so Mingels, leiden unter dem niedrigen Ölpreis. Firmen gehen Pleite, weil sich die Fracking-Methode unter einem gewissen Ölpreis nicht mehr lohnt. Es ist eine alte Geschichte. Amerikas Ölindustrie erlebt das immer wieder. Steigt der Preis wieder, gehen die Firmen wieder an den Start.

Kurzer Abschnitt mit Fragezeichen

In schöner Spiegeltradition wird die Geschichte an einem Individuum aufgezogen. Und zwar um Freeman. Ein wirklich kurzer Abschnitt soll nun zeigen, dass der «Spiegel» nicht die entscheidende Lehre aus dem Relotius-Skandal gezogen hat. Dass es nicht nur um die Person geht, sondern um einen Schreibstil, der nicht mehr zeitgemäss ist.

Hier ist unser Abschnitt:

«Nichts ist los hier», sagt Freeman, der nie in die Innenstadt geht. Bars gibt es wenige, dafür 58 Kirchen für die verbleibenden 30 000 Bewohner. Offenbar braucht man viel Beistand von oben, um es in dem Ort auszuhalten.

58 Kirchen. So viele soll es in Carlsbad geben. Die Information stammt vermutlich von der Website churchfinder.com, die 58 Kirchen auflistet. Seit heute sind es 59 (siehe Screenshot). Wir haben nämlich die Kirche Zackbum eingetragen. Bei unserer Methodisten-Kirche handelt es sich um ein geistliches Abklingbecken für Abtrünnige. Dass es wahrscheinlich noch andere Jux- oder nicht existierende Kirchen innerhalb der 58 Gotteshäusern Carlsbads gibt, ist nicht auszuschliessen. Wir hoffen, dass Mingels entweder alle 58 Kirchen akribisch abklapperte oder diese Mühe dem vielbeschworenen Doku-Team überreichte.

Die andere Frage ist drängender. Mingels schreibt, dass es in Carlsbad «wenige Bars» gäbe. Mit dem bösen Nebensatz: «Dafür 58 Kirchen …» wird dem Leser das Bild vermittelt, dass es mehr Kirchen als Bars in Carlsbad gäbe. Nur, stimmt das? Gibt es tatsächlich «wenige» Bars dort? Tripadvisor weist aktuell 70 Bars, Restaurants und Schnellimbissen in Carlsbad auf.

Und wenn man streng nach Anzahl Bars geht: In Dagmersellen gibt es drei Kirchen – und nur zwei Bars (die Härzbluet Bar und das Appaloosa Pub). Zum Glück gilt auch in Dagmersellen: Das Dorf befindet sich im Aufwärtstrend, trotz Kirchenübermacht und Bar-Misere.

Und wenn Mingels schreibt: «für die verbleibenden rund 30‘000 Bewohner» vermittelt er dem Leser das Bild eines trostlosen Städtchens, dass von den Einwohnern verlassen wird. Gemäss United States Census Bureau lebten in der Stadt allerdings seit der Zählung noch nie so viele Einwohner wie 2019 , nämlich exakt 29810.

Und wie sehr trifft die Zusage wohl zu: «sagt Freeman, der nie in die Innenstadt geht»? Wirklich, «nie»? Oder, vielleicht doch «selten», «fast nie», «manchmal»?

Diese Anhäufung von Unstimmigkeiten, aber auch Fehlern, vermiesen mir immer mehr die Lektüre meines Lieblingsmagazins, des «Spiegels». Die Pointe stimmt im Leben nur in Ausnahmefällen; deswegen sollte sie seltener gezogen werden.

Mingels nahm zu den Vorwürfen keine Stellung.

 

Endlich! Edito!

Das «Schweizer Medienmagazin» schafft wieder Durchblick.

Immerhin die dritte Ausgabe in diesem Jahr, unterstützt von der «Stiftung für Medienvielfalt» und der «Oertli-Stiftung» und «zahlreiche Spenden» von begeisterten Lesern.

Natürlich, um dieses Argument gleich aus dem Weg zu räumen: wir sind neidisch. Wir schreiben uns hier einen Ast, haben mehr Leser als bajour oder Edito, und keiner zahlt was. Dabei haben wir in den knapp zwei Monaten unserer Existenz schon 165 Artikel veröffentlicht.

Aber genug des Gejammers, es soll gelobt werden. Das neue «Edito» ist mal wieder randvoll mit News, Anregungen, Einblicken und Durchblicken. Nun ja, was halt auf 16 A4-Seiten Platz hat. Aber dafür in Farbe.

Wir blättern kurz, sehr kurz um

Obwohl schon das Cover eher düster daherkommt, und wer versteht schon «Las vidas de la gente negra importan». Aber sei’s drum, auch auf so wenig Seiten kann man einen «Fokus» machen, überraschungsfrei natürlich zum Thema «Rassismus».

Da blättern wir doch kurz, sehr kurz um, und schon sind wir auf Seite 4 der Ausgabe. Hier präsentiert das Schweizer Medienmagazin zwei Tänzerinnen vor einem Denkmal des Generals Robert E. Lee in Richmond.

Ich begebe mich jetzt auf ganz dünnes Eis und behaupte, dass es sich um zwei ausnehmend hübsche Schwarze handelt. Pardon, um zwei Afro-Amerikanerinnen. Oder so. Ihre Attraktivität kontrastiert stark mit dem Hintergrund. Denn auf dem Denkmal hat sich die «Black lives matter»-Bewegung mit ein paar originellen Graffiti verewigt: «Fuck cops», «Fuck pigs», «black lives murder» oder schlichtweg «Fuck». Das ist mal eine Ansage, ein Angebot zum Dialog wahrscheinlich.

Interview mit einer ungeeigneten Person

Aber gut, noch viel interessanter ist auf Seite 5 das Interview mit der «Berliner Publizistin Ferda Ataman». Sie wird dem unschuldigen «Edito»-Leser als «Vorsitzende der Neuen deutschen Medienmacher*innen vorgestellt; der grössten Vereinigung von Journalist*innen aus Einwandererfamilien».

Leider unterlässt es das Medienmagazin, den Leser darüber aufzuklären, dass Ataman auch Muslimin ist. Das wäre ja nicht weiter schlimm, wenn sie nicht – als «Spiegel»-Kolumnistin – den Kopftuchzwang im Iran verteidigt. Beziehungsweise sich über die deutschen Zuschauer der «Tagesschau» echauffiert, die nicht verstehen, wieso die ARD-Korrespondentin in Teheran ein Kopftuch trägt, tragen muss.

Genauso um Dialog bemüht ist Ataman, wenn sie fordert, man müsse den Begriff «Migrationshintergrund» abschaffen, schliesslich seien Menschen mit diesem Hintergrund in Deutschland «längst in der Mehrheit». Aufsehen erregte Ataman auch mit ihrer Meinung zum Höhepunkt der Corona-Krise, dass sie angeblich eine Ahnung habe, «welche Bevölkerungsgruppen in Krankenhäusern zuerst behandelt werden», wenn die Beatmungsgeräte knapp würden. Nämlich die «Kartoffeln». So werden in diesen Kreisen Deutsche ohne Migrationshintergrund genannt.

Also eine absolut ideale Person, um über strukturellen und anderen Rassismus zu sprechen. Aber leider nicht über ihren eigenen, islamistisch unterfütterten.

Noch ein paar Duftmarken

Wir sind schon fast durch, aber noch ein paar weitere Duftmarken: «Der Effekt, dass aus öffentlichen Geldern private Gewinne finanziert werden, sollte theoretisch nirgends vorkommen», sagt Urs Thalmann, Geschäftsführer von «impressum»; dem Verband, den auch ich mit meinen Mitgliederbeiträgen unterstütze.

Vielleicht könnte sich Thalmann mal energischer dafür einsetzen, dass es mal wieder einen Gesamtarbeitsvertrag in der Medienbranche gibt, wenn ich das als kleiner Selbständiger ganz uneigennützig einwerfen darf. Vielleicht könnte er auch mal einen Moment darüber nachdenken, dass private Gewinne ihrerseits eine wichtige Quelle für öffentliche Gelder sind. Denn die fallen nicht, wie häufig vermutet wird, einfach vom Himmel oder aus den Taschen von sowieso viel zu Reichen.

Wo bleibt denn das Positive?

Wo bleibt das Positive, das Lob? Bitte sehr; das Interview mit dem Leiter des «Interaktiv-Teams von Tamedia», das das Dashboard mit den jeweils neusten Zahlen zur Pandemie betreibt, ist erhellend. Besonders, was die Unfähigkeit des Bundesamts für Gesundheit betrifft, bis heute spezifische Zahlen zu liefern oder Schnittstellen zum Datenausgleich einzurichten.

Allerdings: das Interview fand am 10. August statt. Zum Interview mit der Professorin Monika Bütler von der HSG, Mitglied der «Swiss National COVID-19 Science Task Force» sage ich lieber nichts, sonst bleibt’s nicht positiv. Ausserdem habe ich schon einiges zu ihr gesagt.

Tja, und schon sind wir auf Seite 18; spiegelbildlich auf den Kopf gestellt ist rechts nochmal die Seite 18; auf Französisch.

War’s das? Das war’s. Braucht’s das? Nein das braucht’s nicht. Kann das weg? Das kann weg. Wegen mangelnder Qualität und Professionalität.

Der leise Niedergang der Schweizer Illustrierten

Die Schweizer Illustrierte wird von der Glückspost auflagenmässig hart verfolgt. Inhaltlich hat das Flaggschiff von Ringier-Axel Springer weniger Swissness, dafür mehr Frauenthemen.

Die «SI» vom 18. September hat ein untypisches Titelbild. Die Köpfe von Schlagersänger Marc Trauffer und seiner Brigitte sind nur passfotogross abgebildet. Grund: Brigitte Traufers riesiges Hochzeitskleid. Für den Spontankäufer am Kiosk eher ein Ablöscher. Ebenfalls gewöhnungsbedürftig: als weitere Titelthemen gibt’s nur noch einen Minianriss über den «TV-Star Fabienne Bamert» und den Hinweis aufs «Extra zum Zurich Film Festival». Diese Zurückhaltung lässt das Cover dafür edel erscheinen. 4 Franken 90 für 84 Seiten sind ok. Allein schon Sonntagszeitungen sind oft teurer.

A propos Preis. Als ich die «SI» im Coop Pronto kaufen wollte, gab es einen kleinen Stau. Grund: der Verkäufer fand den Strichcode nicht auf dem Heft. Ich fand ihn auch nicht. Er scheint irgendwie vergessen gegangen zu sein. Der Verkäufer tippte dann die Fr. 4.90 ein und machte ein Handyfoto vom Heft. «Für die Buchhaltung», brummelte er. Zum Glück war’s kein Sexheftli. Ich wäre gestorben vor Scham.

Nun beginnt das Blättern

Wie schon in der Glückspost setzt sich der Chefredaktor auf Seite 3 in Szene. Immerhin schreibt Werner de Schepper Pro zwei Wochen Vaterschaftsurlaub (Abstimmungstermin am 27.9.). Darüber, dass er in höherem Alter nochmals eine Familie gründete, verliert er aber keine Silbe. Dafür über das Flüchtlingselend. Immerhin. Das ist löblich.
Übrigens ist De Schepper Co-Chefredaktor. Er teilt sich den Job mit Nina Siegrist. Co-Leitungen sind im Trend, die Sozialdemokraten lieben dieses Führungsmodell. Ich habe gemischte Gefühle. Wenn’s heiss wird, ist immer das «Co» zuständig. Obwohl: bei ZACKBUM.CH sind wir sogar zu dritt.

Nachschub für die Kakteenzucht

Die Seiten 6 und 7 bieten ein buntes Potpurri mit Promis und Sternchen. Stefan Schmidlin, Ex-Schmirinski und heute Holzbildhauer, posiert mit Auto-Unternehmer Walter Frey im neuen Skulpturenpark in Glattfelden. Was die beiden miteinander zu tun haben, bleibt zwar offen. Aber das Bild ist ziemlich gut. Ebenfalls auf der Doppelseite: der Klassiker mit der Rose und dem Kaktus. Wer lieb war aus Sicht der «SI», bekommt eine Rose, wer weniger lieb war, einen Kaktus. Es soll Leute gegeben, die im Laufe dieser Jahrzehntetradition schon eine Kakteenzucht betreiben können.

Auf Seite 9 schreibt Peter Rothenbühler wie jede Woche einen offenen Brief an irgend jemanden. Diesmal an die Waadtländische Regierungspräsidentin. Er kritisiert ihre lasche Haltung wegen Corona. Ist das relevant für die Deutschschweiz? Man zuckt mit den Schultern. Herr Rothenbühler hat halt seinen Zweitwohnsitz im Jura, das scheint der Grund zu sein. Rothenbühler ist übrigens jener Chefredaktor, der in den 1990er Jahren das damals hochpolitische, aber erfolglose Heft zum Schweizer Promiblatt Nummer 1 trimmte. Das sollte für viele Jahre das Erfolgsrezept der «SI» bleiben.

Nun kommt die Doppelseite «Meine Woche». Einer Art Fragebogen für ZeitgenossInnen wie Sina, Bastien Girod und Katharina Locher. Ich kenne drei von fünf aufgeführten. Damit liege ich wohl im Leserschnitt. Der etwas bemühende Link in die Digitalwelt: Die Spalte «Mein Handybild».

Jetzt folgt die 8-seitige Bild- und Textstrecke über Marc Trauffer und seine Gattin. «Klammheimlich gaben sie sich das Jawort». Wahnsinn! Nur die SI war dabei. Der Klassiker. Ein Exklusivvertrag. Vielleicht hat sich aber auch niemand sonst interessiert?

Achtung, es wird literarisch. Immerhin 6 Seiten lang wird der Schriftsteller Thomas Hürlimann porträtiert. Er ist 70 geworden und musste eine schwere Krankheit durchstehen. Der Text ist sehr gut. Aber ob er wirklich in die SI passt und nicht eher in die NZZ am Sonntag oder in dessen Folio? Nicht ganz klar ist, ob er nun noch mit seiner Freundin zusammen ist oder nicht. «Seine Partnerschaft mit Schriftstellerin Katja Oskamp fiel nach 20 Jahren der Krankheit zum Opfer.» Tönt kompliziert! «Gesund, aber wieder Single», hätte Peter Rothenbühler als Überschrift wohl ins Blatt gerückt. Der Titel unter dem studierten Theologen De Schepper: «Das Schreiben rettete mich». Amen.

Näher bei den Stars und Sternchen

Nestlé. Vevey. Die Reportage über eine Fotoausstellung steht unter dem Motto: «Eine Herzensangelegenheit für Mark Schneider, CEO von Nestlé». Ein Text, der die traditionelle Nähe der SI-Journalisten zur Wirtschaft bestätigt. Aber Nestlé ist nun mal ein Weltkonzern und hat seinen Sitz in der Schweiz. Dass der Autor der Nestlé-Story, Onur Ogul, auch anders kann, zeigt sein berührendes Interview mit einer Frau, die im abgebrannten Flüchtlingslager auf Moria (Lesbos) hilft. Doch vielleicht einen Tick zu anteilnehmend und zu wenig auf die junge Schweizer Helferin fokussiert. Das wäre eigentlich die Stärke der «SI».

Ja, genau wie auf den folgenden Seite, wo Fabienne Bamert zeigt, wie sie ihre an MS erkrankte Mutter pflegt – neben ihrem Job als Samschtig-Jass-Moderatorin! Man erfährt zudem, dass Bamert bald «SRF bi de Lüüt – live» moderieren wird. Das wurde doch perfekt eingefädelt vom SRF-Mediendienst. Good job!

«Jetzt reden die Väter!» Das ist eigentlich klassisch «SI». Zehn «prominente Papis» zeigen sich zuhause – mit ihren Kindern. Doch man muss die Texte schon sehr genau lesen, um herauszufinden, wer nun für und wer gegen die Vorlage zum Vaterschaftsurlaub ist. Ein klares Ja oder Nein findet man fast nicht. Eine steife Sache.

Klarer drückt sich dafür Tatjana Haenni ab Seite 50 aus. Die ehemalige Natispielerin im Fussball ist heute Frauen-Chefin beim Schweizer Fussballverband. Eine ideale Markenbotschafterin. Und ein guter Text, der die Veränderung der Frauenrolle in der Praxis aufzeigt. Und wo liegen die Probleme? «Bei Entscheidungsträgern und sportpolitischen Gremien».

Nun wird die SI «stylischer». Kaufen, reisen, schön sein, essen. Hautcrèmes, BH’s, das Luxus-Hotel in Lugano, noch eins auf Madeira. Werbeseiten nochundnoch. Und natürlich voll nicht deklariert als Publireportagen. Gut zu wissen, dass der Presserat nur reagiert. Und wohl die SI sowieso nicht beachtet.

Mmh, fein. Die Themen Kulinarik und Kochen. Während in der «Glückspost» die Lebensmittelädeli von Volg als Köche agierten, ist es nun Betty Bossi. «BB» war eine Zeitlang Teil des Ringierkonzerns, da macht eine Partnerschaft durchaus Sinn. Dann folgt die obligate GaultMillau-Seite mit Spitzengeköchel in Vevey. Eine Herzensangelegenheit von Urs Heller (67). Das Ringier-Urgestein entwickelte Zeitschriften wie SI Style und Landliebe. Im Nebenamt ist er nach wie vor Chefredaktor des Gourmetführers GaultMillau Schweiz. Wohl bekomm’s.

Umrahmt von Inseraten über Biomed-Brausetabletten und Burgerstein Nahrungsergänzungsmittel lernt man mehrere Seiten weiter einiges über das eigene Selbstbewusstsein. Man muss nur an sich glauben.

Urgesteine und alte Traditionen

Und dann jubelt das Herz jedes kritischen Beobachters. Die Doppelseite über eine Kämpferin gegen Food-Waste, also Lebensmittel wegschmeissen, ist schulbuchmässig mit «Publireportage» angeschrieben. Warum? Weil die porträtierte Anastasia Hofmann einen Toyota fährt. Also. Geht doch. Die Doppelseite scheint ein regelmässiges Format zu sein «12 Frauen, 12 Fragen». Bemerkenswert: im Interview kommen Autos und vor allem Toyota nicht vor. Die Brücke muss sich der Leser selber zimmern. Das ist durchaus clever.

Nun folgen die Rätselseiten und – ach nein. Peter Hürzelers «Willi», der Schweizer Nationalheld, der jede Woche ein aktuelles Thema ironisch kommentierte, wurde 2015 abgesetzt. Er erschien seit 1972, die Ermunterung kam durch den damaligen Chefredaktor Hans Jürg «Fibo» Deutsch. Womit wir noch ein Ringier-Urgestein erwähnt hätten.

A propos Urgestein: Chris von Rohr, auch schon 68, doziert nun in seiner Kolumne über Grenzen und lobt Neuseeland und Kanada. Er plädiert für den goldenen Schnitt und gegen eine staatenlose Welt. Auf gut Deutsch: Ich bin gegen die EU. Geschrieben hat das von Rohr, nicht Gölä. Da haben sich aber zwei Musiker gefunden. Rührend.

Applaus – endlich die Promiseite. Dafür stand die «SI» jahrelang. Sehen und gesehen werden. Die Schönen und die Reichen. Diesmal: Der neue Schoggi-Tempel von Lindt in Kilchberg (ZH). Roger Federer war auch dabei, diesmal in feinem Tuch und mit schwarzen Lederschuhen. Seine ON-Treter liess er zuhause. Es hätte wohl wieder ein Gezeter bei SRF gegeben. Schleichwerbung! Moderiert wurde die Eröffnungsfeier von Sandra Studer (Sandra Simo, Canzone per te). Roger Federer und seine Gattin Mirka werden in der «SI» so zitiert: «Wir sind vom Home of Chocolate tief beeindruckt».

Wird die SI die Nase vorn behalten?

Abgerundet wird die Schweizer Illustrierte von der Rubrik «so mache ich das». Antonia Kälin, Miss August im Bauernkalender, wird in der Ich-Form beschrieben. Kurze Sätze, klare Ansagen. Lesenswert. Sogar sehr gut. Eigentlich wird damit die Tradition des Magazin (Tamedia, Ein Tag im Leben von…) perfekt umgesetzt. Besser als im Original. Original? Seit letztem Samstag weiss man, dass die Kultrubrik «Ein Tag im Leben von …» abgesetzt und durch  «Zu hause bei» ersetzt wurde. Schade.

Noch ein Wort zur Beilage: Diesmal sind es satte 76 Seiten über das Zurich Film Festival. Solide, informativ, zum Teil gar originell. Etwa die Reportage über ein Auto des Hauptsponsors mit einem herrlich überdrehten Fabian Cancellara als Regisseur. Autor des Textes: David Schnapp. Man kennt ihn als Autotester für die Weltwoche. Zudem arbeitet er für GaultMillau von Urs Heller. Die «SI», eine ganz besondere Familienbande.

Fazit: Der SI-Inhalt wirkt ein bisschen orientierungslos. Aber es ist auch ein schwieriges Umfeld. Denn Promigeschichten findet man auch in «20 Minuten» oder auf SRF in «Glanz & Gloria». Auflagemässig dümpelt das ehemalige Promi-Flaggschiff der Schweiz mit sinkender Auflage (aktuell ca. 131000) herum. Nur noch gut 9000 Exemplare mehr als die Glückspost werden von der SI verkauft. Das scheint irgendwie typisch. Die SI erinnert je länger je mehr an einen Abklatsch der Schweizer Familie. Daher bald an dieser Stelle: Eine Blattkritik über jenes Tamedia-Erzeugnis.

Zahlen zählen: Die FinCEN-Leaks

Ein paar Fragen zum neusten Datenleck.

Wieder einmal wurde ein hübscher Datenberg dem eigentlichen Besitzer entwendet. Diesmal handelt es sich um sogenannte SARs, «Suspicious Activity Reports». Mit dieser Meldung einer verdächtigen Transaktion wenden sich Banken weltweit an das US-Schatzamt.

Genauer an dessen Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN). Diese Behörde ist spezialisiert auf die Verfolgung krimineller Aktivitäten wie Geldwäsche, das Verschieben von Geldern aus Drogen- und Menschenhandel, aus dem Verkauf von Blutdiamanten, oder das Verstecken von Geldern, die von Diktatoren, Potentaten, Oligarchen ihren Völkern abgepresst wurden.

In der Schweiz schlachtet Tamedia die aufbereiteten Daten aus

Das US-Newsportal BuzzFeed News bekam vor einem Jahr diesen Datenschatz zugespielt und machte sich zusammen mit dem einschlägig bekannten International Consortium of Independent Journalists (ICIJ) daran, ihn auszuwerten. Anschliessend übernahmen die schon in anderen Fällen zusammenarbeitenden Redaktionen aus vielen Ländern die spezifische Aufbereitung.

In der Schweiz gehört Tamedia zu diesem Netzwerk, was sich schon in der Publikation diverser Leaks niederschlug. Es gehört ebenfalls zu den Gebräuchen, dass weltweit auf einen Schlag zum gleichen Zeitpunkt Artikel erscheinen.

Jeder Dollar weltweit macht einen Abstecher in die USA

Zum Verständnis: Alle Banken der Welt müssen solche Meldungen an die USA machen, wenn es sich um eine Transaktion in US-Dollar handelt, immer noch die Weltwährung Nummer eins. Und im Besitz der USA, die deshalb verlangen, dass ihnen jede Transaktion gemeldet werden muss. Falls nicht, drohen empfindliche Strafen.

Ebenfalls müssen verdächtige Geldflüsse gemeldet werden. BuzzFeed News hat rund 2100 dieser SAR-Meldungen mit «200’000 Transaktionen» zwischen 1999 und 2017 ausgewertet. Die «Süddeutsche Zeitung», mit der Tamedia in der Auslandberichterstattung kooperiert, hat es eher einfach. Denn mit Abstand die meisten geleakten Meldungen erfolgten durch die Deutsche Bank; fast 1000. Weit abgeschlagen kommen dann US-Banken oder die Bank of China.

Nur Brotkrumen für Tamedia

Eher Brotkrumen fallen bislang für den «Tages-Anzeiger» und seine Kopfblätter ab. In einem ersten Artikel (hinter Bezahlschranke) beschreibt er, wie Geld, das für eine Armensiedlung in Venezuela bestimmt war, stattdessen teilweise auf Schweizer Bankkonten abgezweigt wurde. Diese Siedlung hätte mit Hilfe der staatlichen «Che Guevara Mission» in einen menschenwürdigen Zustand versetzt werden sollen. Stattdessen bunkerte die Unternehmerfamilie Ceballos mindestens 30 Millionen auf ihren Privatkonten in der Schweiz.

Das hätte sich auch Che Guevara gefragt

Ähnliche Fälle sind schon länger im Zusammenhang mit der staatlichen Ölfirma PDVSA bekannt, die sich in einen Selbstbedienungsladen für korrupte Funktionäre des Maduro-Regimes verwandelt hat.

Aus all diesen Gründen ist natürlich ein solches Leak durchaus interessant. Allerdings stellen sich doch ein paar Fragen, die sich auch Che Guevara als ehemaliger Präsident der kubanischen Notenbank gestellt hätte.

So schreibt der «Tages-Anzeiger»: «Das Leck besteht aus über 2100 Geldwäschereimeldungen von US-Banken.» Das wird die Deutsche Bank aber wundern, dass sie im Besitz der USA ist. Sie machte zudem mit 982 SARs über 1,3 Billionen Dollar mit weitem Abstand die meisten Meldungen. Auch HSBC oder gar die Bank of China wüssten es wohl, wenn sie inzwischen von den Amis aufgekauft wurden.

Nächste Frage: BuzzFeed News spricht zwar von über 200’000 Transaktionen, aber von 2100 SARs-Meldungen. Bei einem Gesamtvolumen von 2 Billionen wäre das pro SAR eine Anzeige von fast einer Milliarde?

Gnadenlos gut aufbereitet von BuzzFeed News

In der Datenbank von BuzzFeed News, die mal wieder zeigen, wie man internetbasierten Journalismus betreibt, nämlich auf einem Niveau der Darstellung, das im deutschen Medienbereich keiner kann, sind die Transaktionen pro Land abrufbar.

Bei der Schweiz sind es 2051 Transaktionen, mit denen rund 3,75 Milliarden Dollar in die Schweiz transferiert wurden, und 4,2 Milliarden aus ihr heraus. Noch spezifischer sind dann die Transaktionen auf einzelne Banken heruntergebrochen.

Nur die USA selbst könnten durchgreifen, aber …

Auch hier ist es in der Darstellung des «Tages-Anzeigers» nicht klar, wie das aus lediglich 2’100 SARs insgesamt herausgelesen werden konnte. Aber auf jeden Fall könnte dieses Leak den US-Behörden Beine machen. Denn nur sie können hier durchgreifen. Und für einmal ist die Schweiz nur unter ferner liefen. Dass die Deutsche Bank so herausragt, hat seinen Grund. Es ist längst bekannt, dass Deutschland – neben Frankreich und England – zu den grössten Geldwäschereianlagen der Welt gehört. Und sich in der EU mit aller Kraft dagegen stemmt, mehr Transparenz im Finanzwesen zu ermöglichen.

Die weltweite Nummer eins in Sachen Geldwäsche sind aber ausgerechnet die USA selbst.

Ist «Das Magazin» bescheuert?

Eine Nonsense-Frage wie: «Ist Trump ein Faschist?»

Man darf doch nach vier Jahren den gleichen Fehler nochmal machen, muss sich die Schrumpf-Redaktion des Schrumpf-Magazins gedacht haben. Also verwendet sie rund 25’000 Anschläge auf genau diese Frage. Nein, nicht auf die erste, die ist schon beantwortet.

Dafür bringt es eine sogenannte Reportage von Jan Christoph Wiechmann. Der war bis vor Kurzem Lateinamerika-Korrespondent des «stern» mit Wohnsitz Rio de Janeiro. Seit 2020 wieder US-Korrespondent in New York.

Wer einen Artikel kennt, kennt alle

Dieser kurze biographische Ausflug ist nötig, denn Wiechmann schreibt auch immer wieder über ein Thema, in dem ich mich etwas auskenne: Kuba. Wer den Titel seines letzten Werks kennt, kennt eigentlich den Inhalt aller Artikel: «Kuba kafkaesk». Das ist, so wie seine Reportage über Exilkubaner «Miami nice», schon ab dem Titel rezykliert; Erkenntnisgewinn für den Leser: nahe null. Und wer in einem langen Stück über Kuba nur zwei spanische Begriffe verwendet, offenbar nicht weiss, dass «estornudo» hatschi heisst und die selbständigen Kubaner arbeiten auf cuenta propia, nicht auf «propia cuenta», der lässt die Vermutung aufkommen, dass er mit einem Übersetzer unterwegs war. Wenn überhaupt.

Aber zurück zum Thema. Das Thema ist: Vor vier Jahren war für alle US-Kenner, Fachleute, Spezialisten, Analysten, Korrespondenten und Zukunftsdeuter eines klar: Trump wird nie Präsident. Ausgeschlossen. Unmöglich. Undenkbar. Wir können jetzt schon der ersten Präsidentin gratulieren. Diese krachende Fehlanalyse hielt sich sogar bis in die späte Wahlnacht, als zum Beispiel im Schweizer Farbfernsehen immer noch verzweifelt nach Möglichkeiten gesucht wurde, wieso Trump vielleicht doch nicht gewählt wurde.

Daran schloss sich betretenes Schweigen an, dann markige Worte, dass man vielleicht doch mal den Elfenbeinturm in der eigenen Gesinnungsblase verlassen müsse und den Leuten wieder besser zuhören, auch ausserhalb des intellektuellen Klüngels.

Grotesk gescheiterte Expeditionen in die Wirklichkeit

Das führte dann zu teilweise grotesk gescheiterten Expeditionen in die Wirklichkeit, so wie beim Fälscher Claas Relotius. Oder beim mit Fehlern und Vorurteilen gespickten Reportageversuch zum Start der «Republik». Viel weiter ist man allerdings beim Versuch zu verstehen, wieso die Amis so bescheuert sind, einen so bescheuerten Präsidenten zu wählen, auch nicht gekommen.

Nun steht seine Wiederwahl an, und wie in der unsterblichen Neujahrsklamotte «Dinner for One» heisst’s: gleiches Vorgehen wie jedes Mal. Mit einer kleinen Akzentverschiebung. Man möchte die peinliche Blamage nicht wiederholen, deshalb wird als denkbar angenommen, dass Trump tatsächlich die Wiederwahl schaffen könnte.

Nein, es wird nicht als denkbar angenommen, es wird befürchtet. Und schon wieder fragt man, also genauer fragt sich der Hamburger Journalist Wiechmann in New York, wie schlimm es denn werden könnte. Denn zu seinem Erstaunen ist Trump immer noch im Amt, dabei hatte Wiechmann doch schon 2018 per Ferndiagnose «eines der bekanntesten Psychiater der USA» festgehalten, dass Trump zwar nicht krank sei, «aber er hat psychische Störungen der gefährlichsten und destruktivsten Art».

Fehldiagnosen, Fehldiagnosen, Fehldiagnosen

Ja furchtbar, und was schloss der Psychiater daraus: «Ich glaube nicht, dass er das Ende der ersten Legislaturperiode erreicht.» Wir haben also in Wiechmann einen Reporter, der mit der nötigen Objektivität und ergebnisoffen an die Analyse der nächsten Wahlen herangeht.

Das merkt man schon am Lead: «Ist Trump ein Faschist? Nein, sagt die ehemalige US-Aussenministerin Madeleine Albright.» Das ist schon von einer bodenlosen Demagogie. Deren warnendes Buch von 2018, mit dem Wort «Faschist» nicht inflationär umzugehen und es nicht auf missliebige Politiker zu verwenden, indirekt auf Trump zu münzen, da wäre selbst Trump beeindruckt.

Aber vielleicht stammt der Lead nicht von Wiechmann. Aber der erste Satz: «Kyle Murphy hat sich den impulsiven alten Mann mit dem gefärbten Haar oft genug aus der Nähe angeschaut.» Nach seinem Abgang sorgte Murphy für Schlagzeilen, indem er behauptete, Trump bewundere Putin und den kleinen Dicken in Nordkorea; also zwei gefährliche Autokraten.

Der Beginn einer langen Geisterbahnfahrt

Das ist dann nur die Einleitung für eine wahre Geisterbahnfahrt. Zufälligerweise «alle interviewten Politologen, Juristen und Philosophen» (wir verzichten auf das Idioten-Binnen-I) sind besorgt, beunruhigt. Raunen, warnen, autokratische Tendenzen, faschistische Methoden, Rassismus sowieso. Der Leser kann sich den Spass machen, mal kurz alle negativen Charakteristika zu notieren, die ihm zu einem Politiker einfallen. Er wird alle, und noch mehr, in diesem Artikel wiederfinden.

Die Sabotage der Briefwahl, die Verhinderung der Stimmabgabe, die frühzeitige Erklärung Trumps, dass er die Wahlen gewonnen habe, nichts fehlt. Natürlich auch der nicht: «Milizionäre wie Phil Robinson, 43, drei Kinder, langer Bart, ausgerüstet mit einem Sturmgewehr AR-15, mit Handschellen, einer Pistole und Metallplatten.»

Wo gibt es Hoffnung? In Afrika

Gibt es denn noch Hoffnung in der Verzweiflung? Wenig; der ehemalige Mitarbeiter Murphy, der seine Adresse nicht nennen will, haucht ins Telefon: «Burkina Faso, wo das Volk erfolgreich gegen den früheren autoritären Herrscher protestierte, und Gambia.»

Echt jetzt, die USA sollten von Burkina Faso und Gambia lernen? Wie würde das wohl der berühmte US-Psychiater per Ferndiagnose nennen? Galoppierender Realitätsverlust? Schlimmeres?

Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Wie kann einer Faschist sein, der nicht mal weiss, was Faschismus ist? Um zur besseren Frage zu gelangen: Wieso schaufelt sich der Journalismus mit solch stumpfsinnigen Bedienungen von Vorurteilen sein eigenes Grab immer tiefer?

Weiss man, wieso Trump gewählt wird?

Weiss man nach einem solchen Schwachsinn einen Deut besser, wieso vielleicht die US-Stimmbürger Trump nochmals wählen werden? Nein, der Reporter war in einem fiktionalen Trip ins Abseits, ins Nonsense-Land, wo nur sehr, sehr wenig mit der Realität zu tun hat.

Wenn er das immer wieder mit Kuba macht, wo er die ewig gleichen Klischees nochmals durch den Wortwolf dreht, die Insel wird’s überleben. Aber warum müssen Journalisten das Publikum wieder mit einem Horrokabinett schrecken, mit einem Gang durch die alte Jahrmarktsattraktion, wo Zerrspiegel die Besucher erschauern lassen?

Gefilterte Weltsicht wie in Parteizeitungen

Es gibt den schönen Straftatbestand «Schreckung der Bevölkerung». Den erfüllt Wiechmann in seiner Expedition ins Nowhereland vollständig. Das Absurde daran ist: Seine gefilterte Weltsicht unterscheidet sich eigentlich in nichts von der der Parteizeitung «Granma» auf Kuba. Nur sind verschiedene Filter vor die Realität gestellt.

Wie gefährlich sind Büstenhalter?

«20 Minuten» klärt uns auf: nicht so.

Uns wird immer wieder vorgeworfen, wir würden alles madig reden. Alle Journalisten: schlecht, alle Medien: schlimm. Heute ein positives Beispiel. Und zwar ein Artikel, der uns allen gefällt, da er spannend geschrieben ist.

Es geht im Text um die beiden folgenden Fragen: Werden Frauenbrüste schlaff, wenn sie in Büstenhalter versteckt werden? Und: Verursachen BHs Krebs?

«20 Minuten» ist am Donnerstag auf die Suche gegangen. Drei Wissenschaftler kommen zum gleichen Ergebnis: Nein und nochmals nein. Schlaffe Brüste haben drei Ursachen: Alter, Brustgrösse, genetische Veranlagung. Und auch ein «schlecht sitzender BH» verursacht kein Brustkrebs, das sagt Frau Dr. Hiltebrand.

«Viele Mythen ranken sich um das Thema BH», schreibt die Journalistin Johanna Senn. Wir geben ihr Recht. Ab heute sind es aber zwei weniger.