Hilfe, mein Papagei onaniert XII

Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch.

Es war Sonntag. Diese Information ist ungefähr so bedeutend wie das gesammelte Angebot der Sonntagspresse in der Deutschschweiz.

Die «Schweiz am Wochenende» hat sich ja als ehemalige «Schweiz am Sonntag» von eben diesem Tag verabschiedet. Da ist die «Republik» konsequenter; die ruht schon seit Beginn am Tag des Herrn.

Was vergangenen Sonntag auch Felix E. Müller auffiel. Die schreibende Sparmassnahme (pensioniert, aber «Senior Advisor des SEF und daneben publizistisch tätig») verkörpert die «Medienkritik» der NZZ-Gruppe, nachdem sowohl die Medienseite wie auch die sie betreuende Koryphäe Rainer Stadler eingespart wurden.

Man könnte hier also von einer typischen «weniger Angebot, gleicher Preis»-Massnahme sprechen, womit sich die Medien bei ihrer zahlenden Kundschaft gewaltig unbeliebt machen. Das gilt natürlich auch für die NZZaS. Magere 56 Seiten bekommt man für gleichbleibend Fr. 6.50. Inklusive «NZZ am Sonntag Magazin», das sich nicht entblödet, auf 10 Seiten eine verkrampft-ambitiös fotografierte Strecke mit Sommermode ins Blatt zu heben. Was am 10. Juli sowieso schon eher grenzwertig spät ist. Auch «geröstete Bananen mit Sesam» und Vanilleglace, ein Rezept von seltener Einfältigkeit, vermögen nicht zu trösten. Aber immerhin, Frauen aufgepasst, «der offene Schuh führt bei manchen Anlässen in die falsche Richtung».

Nebenbei: «Seidenrock Fr. 2340.-, Corsage 1044.-», ein Schnäppchen.

Die Lackschühchen dürften so rund 600 Fr. kosten.
Aber: Shooting wörtlich genommen?
Feuer frei gegen Frauen? Geht das?

Doch zurück zu Müller und Medienkritik. «Staatlich unterstützte Trägheit» konstatiert der fleissige Rentner bei der «Republik». Er hat bei ZACKBUM häufig genug eine Information gelesen, die er nun brühwarm weitergibt: «Täglich werden nicht mehr als drei Beiträge publiziert, zuweilen auch nur deren zwei.» Die kämen nicht selten von externen Mitarbeitern, was die Frage nach der Leistung der «Republik»-Macher «zusätzlich akzentuiert», wie Müller in schönstem NZZ-Sprech konstatiert.

Eine Frage lässt der forsche Medienkritiker Müller allerdings offen: Wieso soll das «staatlich unterstützte Trägheit» sein? Das ist bislang bei der «Republik» noch nicht der Fall, bei Müller hingegen schon, denn auch die NZZaS profitiert von bereits ausgeschütteten Subventionen durch den Staat.

Wollen wir mal schauen, wozu die NZZaS-Mitarbeiter, unterstützt von der geballten Power der NZZ-Redaktoren plus Subventionen, in der Lage sind? Rein mengenmässig haben sie natürlich die Nase weit vorne. 78 Beiträge im Dünnblatt, quantitativ kein Vergleich. Aber der Inhalt? Wir nehmen Stichproben.

Stichproben aus dem Inhalt der NZZaS

«Der Reporter und der Kokainbaron»; eine Seite über den in Amsterdam auf offener Strasse niedergeschossenen Reporter Peter R. de Vries. Dessen Mut und Unerschrockenheit wird zwar ausführlich gelobt, aber auch sein «Hang zur Selbstinszenierung» bekrittelt, er habe sich einen Namen als «Seelentröster» gemacht, er habe «einmal mehr die Grenzen von Recherche und Berichterstattung überschritten», dazu habe sich «Selbstmarketing und Eitelkeit» eingemischt. Ein Satz von de Vries wird zitiert, dass wer als Kriminalreporter eine brenzlige Situation als zu gefährlich empfinde, der «sollte besser für eine Frauenzeitschrift arbeiten». Schlusskommentar:

«Ein Macho ist er auch

Das alles beurteilt und verurteilt eine Elsbeth Gugger.

Sie ist hauptamtlich und seit vielen Jahren Radiokorrespondentin von SRF1 – somit auch eine freie Mitarbeiterin der NZZaS. Ihren feministischen und abqualifizierenden Bemerkungen am falschen Platz zum falschen Zeitpunkt hätte etwas Redigierarbeit durchaus gutgetan.

Zum fortgesetzten Schlamassel zwischen dem Iran, Irak, Saudi-Arabien und den USA äussert sich dann Petra Ramsauer. Durchaus eine berufene Schreibkraft, als Kennerin der Weltgegend und österreichische Autorin – und freie Mitarbeiterin. Dann ein doppelseitiges Interview mit dem «scharfsinnigen politischen Denker» Ivan Krastev über «postpopulistische Politik». Immerhin, mit bordeigenen Kräften geführt. Dann folgen einige Stücke, die ebenfalls von eigenen Schreibkräften zu Papier gebracht wurden.

Bund, Bündchen, Männerfantasien …

Damit endet dann schon das erste Bündchen (nein mit Vornamen nicht Gisela), und man gibt sich auch bei der NZZaS der Lieblingsbeschäftigung moderner Journalisten hin:

«Das Gerede der Impfgegner von einer Diskriminierung ist Unsinn»,

donnert Alain Zucker ex cathedra, denn der Pandemie-Spezialist weiss: «Zumal das Impfen der einzige Ausweg aus dieser Krise ist.» Er behauptet, im Einklang mit seinem BR Berset, dass «Zögerer» zu ermuntern seien, «sich für wahre Eigenverantwortung zu entscheiden und doch impfen zu lassen».

Unsinn, einziger Ausweg, wahre Eigenverantwortung: mit diesem simpel gestrickten Weltbild könnte Zucker problemlos eine zweite Karriere bei «watson» antreten. Dumpfbackig und widersprüchlich und flach genug sind auf jeden Fall seine Argumente.

Die feministische Perspektive

Sozusagen post- oder präfeministisch ist die Kolumne von Nicole Althaus, «Chefredaktorin Magazine». Die fiel schon durch ein kurvenreiches Argumentieren gegen die Verhüllungs-Initiative auf. Nun hat sie ein Buch gelesen. Das ist löblich, sollte sie häufiger tun. «Mother of Invention» heisst das. Nein, damit ist nicht die kalifornische Rockband um Frank Zappa gemeint. Sondern ein weiteres Werk, das mit «feministischer Perspektive» das Verhältnis zwischen Geld, Frauen und Geschäft beleuchtet.

Besonders beeindruckt hat Althaus offenbar die Geschichte des Trolleys. Also der Räder unter Gepäckstücken. Man ist zwischen gähnen und grinsen hin und her gerissen, wie sie das zu einem Beispiel für «wie starke Männer den Fortschritt verhindern» hochzwirbelt. Dabei folgt sie der Vorarbeit der Buchautorin, die seit «Machonomics» (2016) eine Nische für Bestseller ausbeutet. Althaus fügt noch hinzu, dass auch der Elektromotor fürs Auto ein Opfer männlicher Breitbeinigkeit wurde: «Benziner waren lauter, schneller, gefährlicher und galten darum – als männlicher. Erst der Tesla konnte dieses Klischee beerdigen».

Guter Titel, gutes Thema, Fortsetzungen garantiert.

Dabei wurde der Tesla von einem Mann erfunden und entwickelt, unglaublich. Und welches Weichei ist eigentlich daran schuld, Frau Althaus, wenn wir schon von Trolley reden?

Wer war das? Etwa ein Mann?

In der Tat:

Der Gerechtigkeit halber wollen wir uns noch kurz der «SonntagsZeitung» zuwenden. Sie umfasst immerhin 62 Seiten, kostet «nur» Fr. 6.- Sie versucht, dem Sommerloch mit der Schlagzeile zu trotzen: «Läden fordern Ende der Maskenpflicht». Mahnende Worte von Oberchefredaktor Arthur Rutishauser, ein Riesenfoto «Kundschaft beim Einkaufen», Nebenstory «Warum sollten sich Teenager überhaupt impfen lassen?», schon ist die erste Doppelseite gefüllt. Und überblättert.

Dann Prügel für Viola Amherd und ihren Lieblingsflieger, das neue Alzheimer-Medikament, die erschütternde Reportage

«Kinder lernten wegen Pandemie nicht schwimmen»,

China, Afghanistan, ach, die Welt.

Der «Fokus», früher mal ein Paradestück an vertieftem Journalismus, bietet diesmal das billigste aller journalistischen Gefässe, das Interview. Tiere, Sex, – nein, Kinder, das dritte Thema, das immer als Lückenbüsser geeignet ist. Diesmal: «Was Geschwister zu Konkurrenten macht, wie Eltern das verhindern können», der «Entwicklungspsychologe rät». Da werden alle Ratgeber-Zeitschriften echt sauer, wie die SoZ in ihrem Beritt wildert. Dann die Aufreger-Story: «Corona: Graubündens Sonderweg hat sich bewährt». Ach was, wir basteln uns «sieben Indikatoren» und messen daran den Erfolg. Doppelseite, doppelschnarch. Immerhin, man soll Lobenswertes auch loben, das kleine «Quiz zur Hassrede: Wer hat’s gesagt?», ist lustig. Hätte sich wenigstens ein einziges Zitat aus dem Schaffen von Tamedia-Mitarbeitern hineingeschlichen, wäre es auch mutig gewesen. Alleine das Schaffen von Amoks wie Marc Brupbacher oder aber ein gestrichener Nazi-Vergleich in einem aktuellen Kommentar von Arthur Rutishauser hätten genügend Material geboten.

Träumen, wünschen, labern

Der Wirtschafts-Bund schwelgt dann in alten Klassenkampf-Fantasien: «Die SP lanciert einen Grossangriff auf Credit Suisse und UBS». Das Eigenkapital müsse erhöht werden, das Boni-Unwesen überdacht. Wunderbar, grossartig, tapfer, mutig. Und völlig aussichtslos. Inklusive Interview mit dem Finanzfachmann Céderic Wermuth. Der zeigt seine erschreckenden Lücken in Wirtschaftskenntnis, gibt immerhin zu: «Natürlich braucht es Zeit, bis wir jemanden wie Susanne Leutenegger Oberholzer auf allen Ebenen ersetzt haben.» Wobei auch sie mehr mit Wünschen als mit Wissen auffiel. Ansonsten muss der arme Wermuth mit viel Gedöns zuschwatzen, dass die SP bislang nur mit Ankündigungen (Regulierung des Finanzplatzes, Initiative, tatä) auffiel.

Rutishauser reitet weiter sein Lieblingssteckenpferd. Während über Pierin Vincenz aber nur kurz vermeldet wird, dass man ihn auf einer kleinen kroatischen Insel leger gekleidet in einer Bar gesichtet habe, bekommt nun der ehemalige VR-Präsident von Raiffeisen eine rechte Abreibung. Er sei «schwer belastet», er habe «rechtliche Pflichten verletzt», Protokolle «geschwärzt» und «geschönt». So zitiert Rutishauser wieder fröhlich aus internen Dokumenten. Um zum Schluss zu bemerken:

«Johannes Rüegg-Stürm ist in der Raiffeisen-Affäre im Gegensatz zu Vincenz nicht angeklagt. Für beide gilt die Unschuldsvermutung.»

Selten so gelacht.

Der harte Leser der Sonntagsmedien vermisst nun vielleicht den Dritten im Bündchen, den «SonntagsBLick»; das Blatt mit dem Regenrohr auch am Sonntag. Nun, dazu äussern wir uns allenfalls am Dienstag. Wir wollen zuerst abwarten, welche Artikel im Verlauf des Montags gestrichen, gelöscht, korrigiert werden. Für welche falschen Eindrücke, die gestern erweckt wurden, sich der Ringier-Verlag diesmal entschuldigt. Was er wieder mal niemals beabsichtigt haben sollte. Vorher macht’s ja keinen Sinn. Zunächst schauen, was durchs Abflussrohr gurgelt, dann über den Rest urteilen.

 

 

Die Sucht der schnellen Meinung

Wer Journalist und schlau ist, twittert nicht. Das gilt auch für die meisten Personen in der Öffentlichkeit.

Ein schneller Finger mag für Revolverhelden nützlich sein. In den sogenannten sozialen Plattformen fingert man sich schnell ins Verderben.

Eine zu spontane Reaktion, ein kleiner Wutausbruch, ja nur schon ein Like oder eine Sympathiebekundung am falschen Ort – schon steckt man bis über beide Ohren in einem Shitstorm.

Oder wird zumindest angerempelt, vorgeführt, muss Stunden darauf verwenden, etwas wieder einzufangen, was man ohne Not und aus eigener Unfähigkeit rausgepustet hat. Debatte, Erkenntnisgewinn, Austausch von Argumenten und Positionen: wer behauptet, dass das auf diesen Plattformen stattfindet, glaubt wohl auch, dass eine Talkshow der Ort für tiefes Nachdenken und rasant aufklärerische Gespräche sei.

Wenn’s das nicht ist, wenn der Erkenntnisgewinn normalerweise null ist, wenn es schlichtweg reine Zeitverschwendung ist, wieso dann dieses lebhafte, von vielen geteilte Interesse, sich beispielsweise auf Twitter selbst zum Deppen zu machen?

Motivforschung für die Benutzung dieser Bedürfnisanstalten

Edle Motive kann es dafür nicht geben, also muss nach unedlen gesucht werden. Zunächst ist eine Echokammer wie Twitter eine Art Ersatz-Uterus. Also das wohlige Baden in gleichgesinnter Umgebung, die faulige Wärme der Gesinnungsblase, schlichtweg das Gefühl: ich bin nicht alleine.

Ein ungut-gutes Gefühl entsteht auch, wenn sich gelegentlich Eindringlinge in die Debatte verirren, gar ein freches Widerwort wagen. Dann wirkt stimmungssteigernd die gemeinsame Hatz, das erhebende Gefühl, mit Gefuchtel, Geschrei, dem Verschiessen der ewig gleichen Worthülsen einen Sieg über das Falsche und Böse errungen zu haben. Leider sind diese Siege immer nur von ganz kurzer Dauer, dann beginnt das mühsame Werk der Rechthaberei aufs Neue.

Aber all das verblasst vor dem wohl wichtigsten Grund, sich auf sozialen Medien zu tummeln und sich diesen Zeitvernichtungsmaschinen auszuliefern. Im Hinterkopf vielleicht manchmal der unangenehme Gedanke, dass man damit so nebenbei die eh schon prallvollen Geldbörsen der Besitzer dieser Plattformen füllt, indem man mit Daten, Bewegungsprofilen und allem, was für Big Data nötig ist, ein vermeintliches Gratisangebot bezahlt.

Der wichtigste Grund, mit Abstand aber ist: man suhlt sich in einem Gefühl der Bedeutung. Echo macht grösser, das Feuer der Kleingruppe wirft gigantische Schatten an die Klowände der asozialen Medien. Auch der kleinste Flachdenker pumpt sich am Gedanken auf, dass potenziell Millionen Menschen seine trübseligen Versuche, einen Satz an den anderen zu reihen, zur Kenntnis nehmen könnten.

Befriedigt künstlich alle Sinne

Einige scheitern aber immer noch an der Hürde, dass Tweets seit einiger Zeit nicht mehr 140, sondern gar 280 Zeichen umfassen können. 140 Zeichen reichen aus, um einen knappen Gedanken auszudrücken. Bei 280 müssten es schon zwei sein, und das auf einen Schlag zu haben, das ist dann nicht so einfach. Glücklicherweise hilft die Übernahme von Äusserungen sprachlich etwas gewandteren Mittippern. Aber früher oder später, wenn sich die Meute wieder verlaufen hat und nur noch die Langsamen und armen Mitläufer auf dem Platz sind, die nicht kapiert haben, dass die grosse Schlacht geschlagen ist, man sich längst anderen Themen und Aufregern zugewandt hat, dann folgt nach dem Glücksgefühl der Bedeutung der Absturz in die Bedeutungslosigkeit.

Das ist so, wie wenn man irgend etwas mampft, das mit Geschmacksverstärkern, Aromaträgerstoffen, Zucker oder Fetten vollgestopft ist. Befriedigt künstlich alle Sinne, aber sättigt nicht richtig und hinterlässt zudem ein schales Gefühl.

Abhängigkeit, Sucht, schwierige Entwöhnung

Diese Junkies, die an der Nadel von Twitter, Facebook, Telegram, Instagram oder was auch immer hängen, merken lange nicht, dass sie ganz bewusst getriggert und angefixt werden – um dann als Süchtige immer höhere Dosen für die gleiche Triebbefriedung zu brauchen.

Der einzig erkennbare Zweck dieser Plattformen besteht darin, die Besitzer noch reicher zu machen. Sicher, sie können auch zu organisatorischen, oppositionellen Vernetzungen dienen. Aber man soll ja nicht so tun, als wäre der arabische Frühling ewigwährend, als hätten die Machthaber nicht längst gelernt, wie man diesem subversiven Gebrauch den Stecker rauszieht.

Und in der Schweiz zum Beispiel kann ja niemand behaupten, dass so Gegenöffentlichkeit hergestellt werden müsse oder könne. Solche Wirkungen sind hierzulande nicht bekannt. Aber jede Menge schädliche Nebenwirkungen, wie sich mit einem Like, einem Tweet, einer unbedachten Sympathieerklärung in Teufels Küche zu manövrieren. Oder gar in den Bereich des Strafbaren.

Also müsste man doch in ungehemmtem Plagieren eines Werbespruchs sagen: twitterst du noch, oder lebst du wieder?

Viel Nebel, wenig Spalten

Auch bad news sind wenigstens News. Das scheint das Prinzip des «Nebelspalter» zu sein.

Beim Start hörte sich alles noch sehr optimistisch an: Zum Beginn am 18. März 2021 spuckte der designierte Chefredaktor und Initiant des Projekts «neuer Nebelspalter» noch grosse Töne. Markus Somm diagnostizierte «eine Art Seuche der Denkfaulheit» bei den Kollegen in den Medienhäusern. Dagegen trumpfe der neue «Nebelspalter» mit eigenen Werten auf: «Da ist Leidenschaft, da steckt Geistesarbeit dahinter, da sind aber auch Sorgfalt und intellektuelle Redlichkeit.»

Auffallen wolle man mit Recherchen, vertieften Analysen, die Grundhaltung sei klar:

«Wir sind liberal, dass es kracht

Viel verbale Kraftmeierei, die sich als Pfeifen im Nebel erwies. Krachliberal, aber null Transparenz. Zum Start wurde der neue Online-«Nebelspalter» wie erwartet von der Konkurrenz mit Häme überschüttet.

Nichts geändert am vernichtenden Urteil

Andreas Tobler, die Allzweckwaffe des Hauses Tamedia, kanzelt Somm als «bekennenden Liberalen und Libertären» ab. Faktenfreien Unsinn plaudern, das ist Toblers Markenzeichen. Ganz ander war die erste Kritik von Christian Mensch: «Es ist ein Feuerwerk der Ideenlosigkeit, mit der das alt-neue Medium seine Plattform freigeschaltet hat. Eine Boygroup von Journalisten, die er in seiner Zeit als Chefredaktor der «Basler Zeitung» um sich geschart hat, verfasste eine Reihe von meinungsstarken, rechercheschwachen und damit überraschungsfreien Beiträgen in jenen Themenfeldern, in denen sie sich heimisch fühlen.»

Leider hat sich an der Richtigkeit dieses vernichtenden Urteil bis heute nichts geändert. So ist es, muss man sagen. Fast der gesamte Inhalt bleibt hinter einer Bezahlschranke verborgen. Über die Anzahl Abonnenten oder Leser wird keine Auskunft erteilt. Es steht zu vermuten, dass sie unterirdisch klein ist.

So gut wie nie wurde eine «Recherche» oder ein «Primeur» des «Nebelspalters» in die öffentliche Wahrnehmung gehoben – weil es trotz Ankündigung nichts gab. Nur meinungslastige, meinungsschwangere Gesinnungsstücke von einer vorhersehbaren Langeweile. Dazu geschwätzige Videos, die als einzige ohne Bezahlung konsumiert werden können. Obwohl man sich versucht fühlt, dafür Schmerzensgeld zu fordern.

Viele Fragen, keine Antworten, null Transparenz

Nebulös bleiben auch die geschäftlichen Hinter- sowie Vordergründe. ZACKBUM stellte dem Geschäftsführer des «Nebelspalters» Ende März ein paar konkrete Fragen:

  1. Deep Impact ist der Technologie-Partner der neuen Webseite des «Nebelspalter». Sehe ich das richtig, dass das für den «Nebelspalter» verwendete CMS Spectra Editor eine Eigenentwicklung von Ihnen ist?
  2. Sie sind CEO und Gründer von «Deep Impact». Gleichzeitig sind Sie interimistischer Geschäftsführer des «Nebelspalter», dazu noch für den «Verkauf» zuständig und auch Ansprechpartner für Werbewillige. Wie bewältigen Sie diese Ämterkumulation?
  3. Können Sie eine Hausnummer angeben, welches Preisschild an der Erstellung der Webseite bis zum going online hing? Und wie es mit den jährlichen Unterhaltskosten steht?

Die Antwort war eher ernüchternd: «Herrlichen Dank für Ihre «Journalistischen» Fragen. Ich habe dazu keinen Kommentar abzugeben.»

Dazu muss man wissen, dass dieser Christian Fehrlin sozusagen die dritte Wahl ist. Ursprünglich war ein Crack des Verlagswesens als Geschäftsführer vorgesehen. Der hatte aber schnell die Schnauze voll und seilte sich ab, obwohl er von Somm bekniet worden war, doch wenigstens in der Anfangsphase an Bord zu bleiben.

Genauso erging es auch dem ausgewiesen Online-Spezialisten Peter Wälty, der sich ebenfalls schon in der Startphase mit Somm überwarf. Daraus hat sich, wie CH Media vermeldete, inzwischen ein hässlicher Streit um viel Geld entwickelt. Denn Wälty fordert für seine Beteiligung an der Projektentwicklung rund 220’000 Franken – ein Termin beim Friedensrichter brachte darüber keine Einigung.

CH Media: «Für Wältys Rechtsanwalt Andreas Meili steht ausser Zweifel, dass seinem Mandanten der Betrag zustehe. Er habe umfangreiche Vorarbeiten für «Nebelspalter.ch» geleistet, die gut dokumentiert seien.» Von Somm war nur ein «kein Kommentar» erhältlich.

Verzweiflungsthemen? Büsi ziehen scheint’s immer.

Wie soll das finanziell funktionieren?

Ausser einer auf einen Schlag aufgeschalteten Reihe von «sponsored» Auto-Artikeln vom gleichen Autor erscheint der «Nebelspalter» seit Beginn absolut werbefrei, obwohl im Hauptmenü oben als zweiter Punkt «Inserieren» aufgeführt ist, wo man ein breites Angebot an allen möglichen Werbeformen findet. Ein Angebot ohne Nachfrage.

Das Impressum weist 15 festangestellte Mitarbeiter aus, dazu 21 «ständige Mitarbeiter und Kolumnisten». Ohne die Betriebskosten zu berücksichtigen, ergibt sich alleine daraus konservativ geschätzt ein Jahresbudget Saläre und Honorare von sicherlich über 2 Millionen Franken. Dem kaum Einnahmen gegenüberstehen, was bei dieser Burn rate absehbar macht, wann die eingesammelten rund 7 Millionen verröstet sind.

Verzweiflungsthemen? Sex zieht scheint’s immer.

Etwas verschlungen sind auch die Wege der Muttergesellschaft. Sie erblickte im Dezember 2020 als Klarsicht AG das Licht der Welt; praktischerweise parkiert bei der Deep Impact AG in Winterthur, die dem Hersteller des CMS und aktuellen Geschäftsführer Fehrlin gehört.

Mitte Januar wurde dann das Aktienkapital auf 1,875 Millionen heraufgesetzt. Ende Juni dieses Jahres wandelte sich die Klarsicht AG in die Nebelspalter AG um und verlegte ihren Sitz nach Zürich. Gleichzeitig stiess Sandro Rüegger als Verwaltungsrat dazu. Ein weiteres Signal, dass langsam Feuer im Dach ist. Der sich damit entwickelnde Nebel scheint auch das Impressum zu verhüllen, denn dort steht: «Der Nebelspalter wird von der Klarsicht AG, Zürich herausgegeben.»

Also genügend Gründe, dem CEO der Nebelspalter oder Klarsicht AG wieder ein paar Fragen stellen. Wie immer höflich und konkret:

  1. Peter Wälty erhebt für seine Mitarbeit am Projekt «Nebelspalter online» eine Forderung von über 200’000 Franken. Was sagen Sie dazu?
  2. Können Sie nach fast 4 Monaten erste Zahlen bekannt geben? Single Visitors, Abonnenten, wie oft wurden einzelne Artikel gekauft?
  3. Das von Ihrer Firma Deep Impact herstellte CMS als Insellösung, hat sich dieses Modell bewährt? Was hätte dagegen gesprochen, eines der vorhandenen CMS, ob als Lizenz oder als Open Source, zu verwenden?
  4. Was waren die Initialkosten für die Erstellung der Webseite bis going online?
  5. Abgesehen von einer Reihe von gleichzeitig und vom gleichen Autor verfassten gesponserten Artikeln erscheint der «Nebelspalter» weiterhin werbefrei. Wann wird sich das ändern?
  6. Potenziellen Werbekunden gegenüber müssen sie ja Ihre Mediadaten offenlegen. Wieso informieren Sie Ihr Publikum nicht?

Leider griff Fehrlin auch diesmal in den Stehsatz: «Leider habe ich keinen Kommentar dazu abzugeben.» Man kann erwachsene Menschen nicht daran hindern, sich öffentlich zum Deppen zu machen.

Moderne lettres de cachet

Absolutismus. Verhaftungen und Verbote als reine Willkür. Heute heisst das Superprovisorische.

Die französischen Könige pflegten die Tradition der «lettres royales», der königlichen Briefe. Die waren entweder halbwegs offen und öffentlich, oder aber eben versiegelt und geheim. Mit ihnen konnten missliebige Personen verhaftet, ins Exil getrieben oder zumindest mundtot gemacht werden.

Eine Verhaftungs-Lettre von Ludwig XV aus dem Jahre 1759.

Diese Willkür endete mit der Französischen Revolution 1789 und wurde von Napoleon 1811 wiederbelebt. Die Besonderheit bestand darin, dass es dem Belieben des Herrschers überlassen war, welche Entscheidung er hier treffen wollte. Dagegen gab es keine Möglichkeit eines Rechtswegs, die blosse Existenz eines solchen Briefes durfte nicht erwähnt werden, wenn sich beispielsweise ein Kritiker des Systems «freiwillig» entschloss, ins Exil zu gehen und zu verstummen.

Alte Willkür und moderne Willkür

Längst vergangene, dunkle Zeiten der Despotie und Willkür. Könnte man meinen. Im modernen Rechtssystem der Schweiz gilt der eiserne Grundsatz, dass gegen jede Anordnung und Verfügung der Betroffene das Recht zur Anhörung hat, das Recht, mit allen legalen Mitteln dagegen vorzugehen. Das Recht, ein öffentliches Geschrei darüber anzustimmen.

Zudem gilt das Recht der freien Meinungsäusserung möglichst unbegrenzt, wenn auch nicht schrankenlos. Dazu heisst es in der Bundesverfassung lakonisch:

«Zensur ist verboten.»

Aber keine Freiheit kann unbeschränkt sein, dann schlägt auch sie wieder in Willkür um. Also gibt es eine einzige Ausnahme zu diesem Rechtsgrundsatz des Rechts auf Anhörung und des Verbots, präventiv etwas zu verbieten, was Zensur schlichtweg bedeutet.

In den letzten Jahren häufen sich die Beispiele, wie in den Medien ein eigentlicher Fertigmacher-Journalismus betrieben wird, das beispielsweise gestohlene Daten, veredelt zu Leaks oder Papers, dazu benützt werden, Personen namentlich an den Pranger der öffentlichen Vorverurteilung zu stellen. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die Vorwürfe haltlos, falsch, unbelegt waren – wie bspw. im Fall des verstorbenen deutschen Multimillionärs Gunter Sachs – dann wird halt ein kleines «Korrigendum» eingerückt. Der Ruf hingegen, auch postum, ist natürlich beschädigt bis ruiniert.

Vor- und Nachteile einer Begrenzung durch den Rechtsstaat

Um das möglichst zu verhindern, gibt es auch den Artikel 266 der Zivilprozessordnung (ZPO). Er regelt zusammen mit Art. 265 die Anwendung einer superprovisorischen Massnahme. Superprovisorisch heisst, dass zur Abwendung eines Schadens gerichtlich etwas verfügt wird, ohne dass die betroffene Partei vorab Gelegenheit hätte, sich dagegen zu wehren. Ein rechtlicher Spezialfall.

  • Art. 266 lautet: Gegen periodisch erscheinende Medien darf das Gericht eine vorsorgliche Massnahme nur anordnen, wenn:
  • die drohende Rechtsverletzung der gesuchstellenden Partei einen besonders schweren Nachteil verursachen kann;
  • offensichtlich kein Rechtfertigungsgrund vorliegt;
  • und die Massnahme nicht unverhältnismässig erscheint.

Das heisst, dass es möglich ist, einen geplanten Bericht, von dem ein Betroffener Kenntnis erhalten hat, verbieten zu lassen. Da es sich um einen gravierenden und präventiven Eingriff in die Presse- und Meinungsfreiheit handelt, sind die Hürden recht hoch gelegt. Natürlich unterliegt auch die Anwendung dieses Artikels der gerichtlichen Auslegung im Einzelfall.

Jolanda Spiess-Hegglin operierte damit, um superprovisorisch die geplante Publikation eines Buchs über sie zu verhindern. Vor allem reiche und einflussreiche Personen, Firmen, Unternehmen benützen diese Superprovisorische, um potenziell unangenehme Berichterstattung zu verhindern.

Im Gegensatz zu den lettres de cachet gibt es natürlich nach dieser Superprovisorischen ein ordentliches Verfahren, in dem der Betroffene alle rechtlichen Möglichkeiten hat, sich dagegen zu wehren. Nur: das dauert und kostet. Wenn dann frühestens nach einem Jahr, durch alle Instanzen prozessiert nach drei Jahren, ein rechtsgültiges Urteil gefällt, die Superprovisorische aufgehoben wird, ist der umstrittene Bericht längst vergilbt, veraltet, uninteressant geworden.

Gerade hat der Ständerat beschlossen, das Wörtchen «besonders» aus dem Artikel zu streichen, womit die Hürde niedriger gelegt wird, es noch einfacher wird, eine Superprovisorische zu erlangen.

Keinesfalls darf es noch einfacher werden mit der Superprovisorischen

ZACKBUM hat als eines der ersten Medienorgane auf diese gefährliche Entwicklung hingewiesen und davor gewarnt.

Nun sind wir selbst Opfer einer solchen modernen lettre de cachet. Uns ist es damit untersagt, uns zu einem bestimmten Thema zu äussern. Weder zukünftig, noch in der Vergangenheit. Uns ist es sogar untersagt, zu erklären, wieso wir das nicht tun. Unterschied zu den Zeiten des Absolutismus, der Willkür und der Despotie: wir müssen nicht ins Exil und auch nicht um Leib und Leben fürchten.

Aber um unsere irdischen Güter schon. Denn es gehört auch zu den Besonderheiten des modernen lettre de cachet, dass die Begründung, mit der er von einem Gericht erlangt wurde, nicht enthüllt wird. Erst bei einem ordentlichen Prozess weiss der mit einem Maulkorb Ausgestattete, welche Gründe angeführt wurden, um ihm den zu verpassen.

Im Gegensatz zu königlichen Erlassen kann man sich gegen eine Superprovisorische zur Wehr setzen. So wie das auch im Fall Spiess-Hegglin getan wird. Aber diesen finanziellen Atem haben nur noch ganz wenige Medienkonzerne in der Schweiz, und auch sie versuchen das – aus Kostengründen – so weit wie möglich zu vermeiden.

ZACKBUM kann in einem solchen Fall nichts anderes tun, als die weisse Flagge zu hissen. Und mit Nachdruck zu fordern, dass der Nationalrat dem falschen Weg des Ständerats nicht folgt – und die Hürde zur Erlangung einer Superprovisorischen nicht noch weiter absenkt.

Ein Mops kommt selten allein

Kopflose Satire, Dauerfeuer und andere Aufregungen. Es wird gemopst, gekeift und gefuchtelt.

In der öffentlichen Debatte schenkt man sich nichts. Vor allem, wenn es nicht mehr um inhaltliche Auseinandersetzungen geht, sondern um gegenseitiges Fertigmachen. Dabei kann man dann irgendwann nur noch Stilnoten verteilen oder eine Bewertung von Erfolg, bzw. Misserfolg vornehmen.

Im Schlachtgetümmel, das sind die Nebel des Krieges, ist schnell nicht mehr ersichtlich, was Ursache, was Wirkung, was Anlass, was Reaktion ist. Sobald der Deckel vom Topf fliegt und das Gebräu überkocht, ist das Thema Erkenntnisgewinn durch Debatte erledigt.

Tölpelei, Heuchelei, Unterstellungen, Unter- und Übergriffe, alles erlaubt, alles gern genommen. Dann wird einfach geholzt, gerempelt und die Blutgrätsche mehr oder minder elegant praktiziert.

Selten gibt es parallel zwei Beispiele dafür, bei denen vor allem unglaubliche Heuchelei auffällig ist. Zum einen regt sich Tamedia – zu Recht – über eine idiotische Karikatur eines anonymen Organs namens «megafon» auf. Das wiederum hatte sich über eine Bemerkung einer Tamedia-Journalisten aufgeregt, die häufiger mit Todesmetaphern arbeitet.

Man darf nicht alles. Freiheit muss Grenzen haben

Nun darf ungeniert geprügelt und gehauen werden, verbal und auch im Bild. Ausser, man verstösst dabei gegen Gesetze. Ob es gegen Sachen oder Personen geht: nicht alles, was dem Autor Spass macht, ist erlaubt. Die Bank X ist eine kriminelle Vereinigung – geht nicht. Person Y ist ein verlogener Betrüger – geht nicht.

Allerdings sind die Gesetze unvollkommen und auslegungsbedürftig. Wer sich einen guten Anwalt leisten kann, ist im Vorteil. Wer das durch Cleverness, Geschick, Verschleierung, Umschreibung ersetzt, auch. Wer primitiv holzt, kracht meistens früher oder später an die Bande der Grenzziehung durch entsprechende Artikel in den Gesetzbüchern.

Zum einen – anonym macht mutig – zeigte ein Kollektiv aus dem Umfeld der Berner Reitschule, dass man nicht in Windeln und kurzen Hosen bei den Grossen mitspielen sollte. Vor allem, wenn man die Spielregeln nicht beherrscht. Also desavouierten die eine durchaus bedenkenswerte Kritik an einer Formulierung durch einen schlichtweg brunzblöden Karikaturversuch. Nicht minder dumm solidarisierten sich einige Verwirrte, meistens ebenfalls anonym, mit dieser Geschmacklosigkeit, darunter auch die grosse Kämpferin gegen Hate Speech im Internet, Jolanda Spiess-Hegglin.

The Empire strikes back, of course

Daraufhin schlug das Tamedia-Imperium zurück und skandalisierte die Karikatur. Das rief natürlich politische Gegner der ganzen Reitschule-Veranstaltung auf den Plan, darunter so leuchtende Gestalten der gepflegten politischen Auseinandersetzung wie den SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Der hofft, dass durch diese positive Erwähnung seine Feindin Spiess-Hegglin staatliche Subventionierung gestrichen bekommt, «dafür sorge ich persönlich» droht er.

Keiner zu fein, Mops zu sein.

Andere, wie der SVP-Nationalrat und Chefredaktor der «Weltwoche» Roger Köppel, benützen die Gelegenheit, von symbolisch geköpften Journalisten zu real geköpften eine Blutlinie zu ziehen und damit die Urheber der Karikatur zu diskreditieren. Nach längerem Brüten wirft sich auch der Oberchefredaktor von Tamedia in die Wirtshausschlägerei und kündigt eine Strafanzeige an. Allerdings dachte auch er nicht lange genug nach und donnerte am Schluss seines rund 60 Stunden post festum veröffentlichten Kommentars, dass es sich hier um linke Volksverhetzung handle.

Den Zusatz «wie wir sie bei Rechtsextremen erwarten und wie wir sie eigentlich seit 1945 bei uns überwunden glaubten», streicht der Schriftleiter schnell wieder aus seinem Kommentar, nachdem ihm offenbar bedeutet wurde, dass das nun doch zu bescheuert sei.

Das «megafon» hatte schnell die Karikatur gelöscht und sich dafür bei der Betroffenen entschuldigt. Allerdings können es die anonymen Schreibtischtäter nicht lassen, mit einer länglichen «Stellungnahme» nochmals ihren Standpunkt zu verdeutlichen.

«Vorgeschichte, satirischer Flügel, hätte erledigt sein können, aus dem satirischen Kontext gerissen, eskaliert, irreführend».

Selbstgerechtes Gejammer über eine Geschmacklosigkeit, die auch durch Löschung nicht aus der Welt geschafft werden kann. Plus breitbeiniges Gehabe: «Der Strafanzeige des 935 Millionen schweren Medienkonzerns schauen wir mit Gelassenheit entgegen. Wir vertrauen darauf, dass die Satirefreiheit in der Schweiz auch für misslungene Werke gilt.»

Keiner zu klein, mopsig zu sein.

Gut, sie haben’s immer noch nicht kapiert, aber was soll’s. Zusätzlich für Verwirrung sorgten natürlich wilde Ausflüge in die Thematik «was darf Satire?». Gelehrtere Klugscheisser verwiesen auf Kurt Tucholsky, andere brachten «Charlie Hebdo» ins Spiel, man solidarisierte sich, brachte seinen Abscheu zum Ausdruck, verstieg sich in Verästelungen und Nebenschauplätze – wie üblich halt, wenn haltlose Intellektuelle schlaumeiern wollen. Verbale Gewalt, reale Gewalt, Anstand oder Freiheit, Klein gegen Gross, links gegen rechts. Schiessscharte auf, Feuer, Schiessscharte zu. Ungefähr so sinnvoll wie die Schlacht bei Verdun.

Kopf ab furchtbar, Theatermord entschuldbar

Gleichzeitig feuerte aber ausgerechnet Tamedia selbst aus allen Rohren gegen einen SVP-Posseli, der fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Ausdruck «Feuer frei!» verwendet hatte. Mit viel bösem Willen liess sich daraus konstruieren, dass er damit provozieren könnte, dass jemand diese Aufforderung ernst und wörtlich nehme. Erschwerend komme noch hinzu, dass sich ein SVP-Regierungsrat davon doch tatsächlich nicht «distanziere», dieser als Biedermann verkleidete Brandstifter.

Dass im gleichen Organ ein sogenannter Kulturredaktor auch schon einen Mordaufruf gegen Roger Köppel als im Kontext zu verstehenden «Theatermord» verniedlichte, das ist schon längst aus dem Kurzzeitgedächtnis der Öffentlichkeit gefallen. Aber angesichts dieser Heuchelei bei Tamedia erscheint die Haltung des «megafon» zumindest einigermassen reflektiert.

Falls die dort tätigen «Redaktor*innen» allerdings mal aus den Windeln herauswachsen wollen, sollten sie sich das zu Herzen nehmen: wenn man einen Stink gemacht hat, dann sollte man ihn – sobald dazu in der Lage – so schnell wie möglich wegräumen. Den Raum lüften und aufs Vergessen hoffen. Aber nicht noch weiter drin rumrühren, die Wände damit beschmieren und markig «Gelassenheit» markieren. Vielleicht könnte auch helfen:

  • Masse mindert Moral. Anonymität mehrt feigen Mut.

Wer wenigstens mit seinem Namen hinter seinen öffentlichen Aussagen steht, überdenkt sie vielleicht das Sekündlein länger, das dann ausreicht, um noch rechtzeitig den Weg zur Kloschüssel statt ins Netz zu finden.

Ex-Press XLII

Blüten aus dem Mediensumpf.

Auch die «Republik» gerät in Ferienlaune. Das merk man an zwei Dingen. Der Output ist noch magerer als sonst schon. Nehmen wir den 8. Juli als Beispiel. Der Sonntag, wo die «Republik» sowieso ruht, ist noch ein Stückchen entfernt. Aber im Angebot sind lediglich vier Werke. Bei genauerer Betrachtung ein einziges.

Denn auf 15’000 Anschlägen berichtet die «Republik» darüber, wie über die «Republik» berichtet wurde. Lächerlich kurze 4400 A dauert eine launige Kolumne von Olivia Kühni über, nun ja, über sich selbst.

Und originell mit «Gentili signore e signori» beginnt das geschwätzige Inhaltsverzeichnis der Werke dieses Tages, also konkret die Bauchnabelschau von Kühni und, tataa, knapp 28’000 A über das «Reich des Zollfreikönigs». Denn die «Republik» hat herausgefunden, dass Juan Carlos Torres Carretero als Präsident des VR von Dufry letztes Jahr 4,5 Millionen Franken verdient hat.

Wobei herausgefunden nicht ganz stimmt:

Hatten wir doch knapp einen Monat vorher schon.

Aber warum sollte man denn auf eine eigene Idee kommen, wenn das andere schon erledigen. Dufry ist der weltweit grösste Betrteiber von Duty Free Shops an Flughäfen, auf Kreuzfahrtschiffen, usw. Weltweit über 2300 Zollfreiläden mit über 20’000 Angestellten in 65 Ländern.

Aufpumpen, aufblasen, aufmascheln

Nun wurde Dufry von der Corona-Pandemie und dem weitgehenden Zusammenbruch von Flugverbindungen oder Kreuzfahrten schwer gebeutelt. 13’000 Angestellte mussten entlassen werden; diverse Länder unterstützten Dufry als bedeutenden Arbeitgeber finanziell.

Aber die Kette ist nicht untergegangen, nicht zuletzt dank den Bemühungen von Torres Carretero. Dafür kassierte er diese erkleckliche Summe. Wie in der bz zu lesen war. Mitte Juni. Nun braucht natülich der vertieft recherchierende «Republik»-Journi auch so seine Zeit, bis er diese Information zu rund 28’000 A aufgepumpt, aufgeblasen, aufgeschäumt hat.

Denn ausser detaillierten Beschreibungen dieses Vorgangs bietet der Artikel eigentlich nichts Neues. Gar nichts Neues. Aber stellen wir uns vor, dieser ausgewalzte Aufguss wäre nicht am 8. Juli erschienen. Dann hätte sich zwar der Wunsch von Kolumnistin Kühni erfüllt:

«Stellt euch vor, was entstünde, hätten alle ein bisschen weniger Lärm. Ein wenig mehr jener tiefen, klaren Konzentration; einen Raum, um einen Gedanken zu Ende zu bringen. Es wäre revolutionär, es ist revolutionär.»

Zu revolutionär für die «Republik».

Von oben nach unten

Genau, da können wir eigentlich nur bei «watson» gelandet sein. Ins Auge fällt diesmal dies:

 

Und zieht sich und zieht sich und zieht sich. Aber immerhin: es ist wenigstens nicht abgekupfert. Was man von diesem Gefäss eher weniger sagen kann:

Teilweise etwas respektlos? Nein, völlig geschmacklos.

Gibt’s denn wirklich nichts mit Niveau bei «watson»? Nun, dafür wäre ja Philipp Löpfe zuständig, der Wirrkopf und Spezialist für alles, sowie für nichts. Der will mal wieder ein ganz dickes Brett bohren:

Was ist nun schon wieder los, Donald Trump ist doch bekanntlich abgewählt. Schon, räumt Löpfe ein, aber das heisst ja noch nix, denn die ganze republikanische Partei sei «offensichtlich gewillt, die Demokratie zugunsten des Machterhalts über Bord zu werfen».

Öhm, aber sie hat doch zusammen mit Trump die Präsidentschaftswahlen verloren, oder doch nicht? Also kann sie doch in Sachen Machterhalt nicht wirklich aktiv unterwegs sein. Aber wie auch immer, neben anderen fiesen Tricks setze sie zum «Kulturkrieg» an, wobei das wie immer «Erinnerungen an dunkle Zeiten aufkommen lässt. Im Zentrum dieses Kulturkrieges steht die Critical Race Theory (CRT). Sie besagt im Wesentlichen, dass Rassismus ein integraler Bestandteil der amerikanischen Gesellschaft ist».

Nö, das besagt die CRT im Wesentlichen eher weniger, sondern mehr, dass die Zugehörigkeit zu einer Rasse ein soziales Konstrukt und keine biologische Kategorie sei. Wie spielt sich denn dieser Krieg so ab?

«Texas wiederum verbietet kategorisch, im Klassenzimmer Thesen zu verbreiten, wonach «Sklaverei und Rassismus etwas anderes sind als Abweichungen oder Fehlinterpretationen der authentischen Gründungsprinzipien der Vereinigten Staaten».»

Nun, wer die Gründungsprinzipien der USA kennt, was man von Löpfe offenbar nicht behaupten kann, würde dieser Ansicht durchaus zustimmen. Aber das ist für Löpfe ja nur der Anfang vom Ende, das er ganz deutlich sieht:

«In den USA werden zwar noch keine Bücher verbrannt, doch die Tendenz geht in diese Richtung.»

Diese Tendenz sieht allerdings nur Seher Löpfe. Woran das bei ihm liegt, wagen wir nicht zu ergründen. Auf jeden Fall schliesst er den weiten Bogen und kehrt in heimische Gefilde zurück: «Vor dem Zweiten Weltkrieg war die Schweiz eine von einer Handvoll überlebenden Demokratien. Kein Zustand, den wir ein zweites Mal erleben möchten.»

Wir möchten hingegen kein zweites Mal eine Analyse von Löpfe lesen, aber Wünschen hat bekanntlich noch nie geholfen.

Baba, blabla, bajour

Eigentlich wollten wir diesen Rundgang durch die Sumpf- und Flachgebiete der Schweizer Medien mit einem Blick auf «bajour» abrunden. Dort scheint es aber so zu sein, dass der Oberverröster von Sponsor- und anderen Geldern, Hansi Voigt, dermassen mit seinen Aktivitäten auf Twitter und anderen sozialen Medien ausgelastet ist, dass eigentlich weder Aktuelles noch sonst Nennenswertes auf dieser Webseite steht:

Wer für so einen Schrott «Member» werden möchte und sich von 40 Franken trennen, ist wirklich selber schuld. Ob es wohl Zufall ist, dass die platte Plattform die Zahlen der «Member» nicht mehr stolz ausweist? «Unabhängigen, tiefgründigen Journalismus für Basel» verspricht «bajour» dafür. Nur: wann man damit anfangen will, das wird nicht gesagt.

Die Media-Mega Leaks: Krisenbesprechung

ZACKBUM werden laufend die Protokolle von Geheimtreffen der Schweizer Medienclans zugespielt.

Es sind erschütternde Tondokumente, die uns zugehalten werden. Es handelt sich offensichtlich um Mitschnitte von Krisenbesprechungen auf höchster Ebene. Anwesend sind jeweils Führungskräfte aus den grossen Medienclans der Schweiz.

Also Vetreter der Wanner-Dynastie, die CH Media beherrscht. Repräsentanten von Ringier, der zwar immer noch Namensgeber, aber nicht mehr Herr im Haus ist, da Axel Springer und Mobiliar inzwischen am Gerät sind. Dazu der Coninx-Supino-Clan, und manchmal meint man auch die Stimme eines Vertreters der NZZ Gruppe zu vernehmen.

Natürlich haben diese Gespräche niemals stattgefunden; es gibt keine Ufos, Bilderberg ist einfach der Name eines Hotels, und diese sogenannten Zürichberg-Meetings werden von allen Beteiligten dementiert.

Daher mussten wir auch hier auf die Namen der sprechenden Personen verzichten und haben ihre Interventionen – wie bei Darstellungen von «Toxic Leaders» üblich – verfremdet und fiktionalisiert.

Hier ein aktuelles Dokument des Grauens; eine Krisenbesprechung per Videocall.

«Ich sehe, der Kleine hat eine Cola Zero vor sich, dann können wir ja loslegen.»

«Pass bloss auf, dass Ihr Euch nicht gleich wieder öffentlich in den Staub werfen müsst. Bei uns bleiben Artikel wenigstens länger als 48 Stunden online.»

«Also bitte, dieses boulevardeske Wühlen im Privatleben von Wirtschaftsführern oder Prominenten, das ist doch einfach degoutant

«Hast ein Fremdwörterlexikon gefrühstückt, oder was? Und wie war das mit diesem Badner Stadtammann, der gerne Fotos seines Gemächts aus Amtsräumen verschickte?»

«Meine Herren, wir haben eine Krisensituation, der wir nur mit Resilienz …»

«Wer hat denn die wieder eingeladen, das weckert dermassen, dass die nur einen einzigen Begriff auf der Platte hat.»

«Das ist wohl Eure Quotenfrau, nachdem die Sex-Beraterin gekübelt wurde.»

«Kehren wir aufs Spielfeld zurück. Obwohl der Satz schon fast gewonnen schien, sind wir nun plötzlich im Tie Break, da müssen wir unsere Kräfte bündeln.»

«Na, das ist ja so, wie wenn man versuchen würde, bei Dir einen Scheitel zu ziehen, aber meinetwegen, kommen wir zur Sache.»

«Vielleicht einfach noch vorher: dass Dein Sohn viele Haare auf dem Kopf hat, bedeutet nicht, dass drunter viel vorhanden ist.»

«Ich verbitte mir Anspielungen auf meine Familie, bei Euch mag ja der Vertreter der nächsten Generation eine Künstlermähne haben, aber …»

«Ich darf vielleicht einen ordnungspolitischen Zwischenruf in die Debatte werfen; das ist schon nicht das Niveau, das ich mir von einer Debatte gewohnt bin.»

«Ach komm, geh doch wieder mit Deiner Gattin in ein Wellnesshotel und erhol Dich dort schön.»

«Hallo? Hallo? Oh, es scheint so, als ob wir einen Teilnehmer weniger hätten. Gohts no? Die Lage ist ernst, also bitte.»

«Ja, die Lage ist ziemlich zero. Ihr habt sicher mitgekriegt, dass Komitees gegen die nötige Mediensubvention wie Unkraut spriessen. Da gibt’s mal die Rechten um Philipp Gut. Dann sogar linke Journalisten. Dann ein bürgerliches Komitee dagegen. Und nun auch noch ein sogenanntes «überparteiliches Komitee» mit Exponenten der SVP, der FDP und sogar der Mitte

«Ja, und die feuern nun wie eine Ballmaschine unablässig übers Netz, wobei …»

«Nochmal eine Tennis-Metapher von Dir, und ich bin auch weg.»

«Das Netz ist ein Symbol für die Resilienz, die wir entwickeln müssen. Daher …

Stimmenchor: «Schnauze!»

«Meine Herren, gut, meine Dame, zunächst möchte ich wissen: wer hat bei diesen Politikern versagt? Wir hatten uns doch aufgeteilt, um alle durchzutelefonieren. Und den Renitenten den Unterschied zwischen einer wohlwollenden Berichterstattung über sie oder einer kritischen klarzumachen. Also bei mir haben das alle kapiert.»

«Hör mal, Du Dummerchen mit Flasche leer, ich hatte den FDP-Ständerat und den SVP-Nationalrat am Rohr. Die haben mir beide versichert, dass sie absolut und bedingungslos für die Mediensubvention sind.»

«Na, Du Herausgeber eines Blatts mit Abflussrohr im Titel, und Du hast nicht gedacht, dass die Dich einfach anlügen könnten, nein?»

«Wie bitte, die verhalten sich wie wir? Das ist aber unverschämt, das geht doch nicht.»

«Wieso, wenn Du ständig davon quatschst, dass die Zusammenlegung der beiden Berner Blätter nicht zur Debatte stünde, was erwartest du denn dann von den Politikern?»

Hier bricht das helle Chaos aus, Stimmengewirr, die Wogen schlagen hoch, man hört nur noch vereinzelt Rufe wie «leck mich», «selber blöd», «macht doch Euren Dreck alleine», «Resilienz», «Persönlichkeitsverletzung», dann hat sich auch der letzte Teilnehmer abgemeldet.

Schweizer Journalist:in-klusive Werbung

Das Medienmagazin mit hohem Gähnfaktor probiert neue Werbeformen bei kopierten Ideen aus.

Dass die frisch umgetaufte «Schweizer Journalist:in» weitgehend inseratefrei daherkommt, das ist ja im heutigen Journalismus nichts Neues. Dass der Inhalt nur teilweise mit der Schweizer und auch der Schweizer:in Realität zu tun hat, Sparmassnahme. Dass er auch weitgehend inhaltsfrei daherkommt, keine Sparmassnahme.

Dass man die eigene Herausgeberin dazu zwingt, nochmal und ausführlich das Interview mit Claas Relotius zu beschreiben, nun ja, vielleicht gibt es tatsächlich JournalistInnen, die immer noch etwas über den Lügner, Fälscher und Ausnützer des Gesinnungsjournalismus beim «Spiegel» wissen wollen. Sozusagen der Über-Tom-Kummer, die Schande des einstmals grossen deutschen Nachrichtenmagazins.

Das alles sind halt Notizen aus der Tiefebene des modernen Sparjournalismus, wo Schmalhans, Pardon, Schmalhänsin, Küchenmeister!in ist. Aber dennoch bietet die aktuelle Ausgabe des Medienmagazins einen echten Primeur.

Eins, zwei, viele Scoops.

Es brauchte die geballte Frauenpower von Carmen Epp (Autorin, Redaktorin Tierwelt) und Annette Milz (Formatidee, ehemalige Chefredakteurin des deutschen Medium Magazins für Journalisten vom Oberauer Verlag, der auch den SJ herausgibt), um den Vorhang vor den «heimlichen Heldinnen und Helden» zu heben. Abgesehen davon, dass man diesen Titel auch eleganter gendern könnte: die Suche nach Medienschaffenden, die «sonst nie im Mittelpunkt stehen, ohne die im Alltag auch nichts laufen würde».

Gut kopiert und eingeschenkt: wo soll da ein Problem sein?

Das ist durchaus eine verdienstvolle Idee, allerdings nicht sonderlich originell:

Das ist nun bis zur Präsentation mit einem sich öffnenden Vorhang gut kopiert, auch von den «Hidden Stars» konnten sich die beiden Chefredaktorinnen nicht trennen. Im Editorial brüsten sie sich damit:

«Wir haben uns gefragt: Wer sind eigentlich die heimlichen Heldinnen und Helden auf den Schweizer Redaktionen? … Gemeinsam mit unserer Autorin Carmen Epp haben wir uns auf die Suche gemacht.»

Mit Verlaub: «Gemeinsam haben wir eine Idee eins zu eins übernommen und auf die Schweiz übertragen.» Das wäre wenigstens näher als Relotius an der Realität gewesen. Das ist weder verboten, noch anrüchig, im Gegensatz zur Methode Relotius. Nur sollte man es vielleicht nicht als Antwort auf eine Selbstbefragung präsentieren, sondern transparent eingestehen, dass gut kopieren immer besser als schlecht selbst erfinden ist.

Aber neben der Kopie gibt es noch etwas Originelles

Es gibt hingegen eine echt originelle Idee bei dieser Story, aber die wird leider recht unter den Scheffel gestellt. Bevor diese Suche auf 11 Seiten ausgerollt wird, überrascht den Leser ein ganzseitiges Inserat der Credit Suisse. Das fällt besonders auf, weil es im Heftinnern das einzige ist. Auch das ist nicht verboten oder anrüchig; hoffentlich kann die CS auch die rund 6000 Franken nach Inseratetarif noch zahlen.

Überraschend ist hingegen der Text des Inserats:

«Wir gratulieren den heimlichen Heldinnen und Helden der Medienhäuser zu ihrer tollen Arbeit und aussergwöhnlichen Leistung! Wir freuen uns auf weitere spannende Projekte und wünschen auch künftig viel Erfolg!»

Das weist doch darauf hin, dass die «Credit Suisse Medienstelle» als Gratulantin über den Inhalt des folgenden Artikels informiert war. Was man dann im Schönsprech eine Publireportage, einen Paid Content, einen gesponserten Artikel nennt. Genau diese Frage stellten wir der Chefredaktion des SJ. Ihre Antwort: «Auf unserer Webseite können Sie feststellen, dass die Mediadaten im Voraus bekannt sind. Dass im Heft 3/2021 die heimlichen Heldinnen und Helden gekürt werden sollten, war also sämtlichen Werbekunden (und allen, die es sonst interessiert) seit Anfang Jahr einsehbar.»

Frei nach Radio Eriwan: im Prinzip ja

Die Kür ist angekündigt, nur: von wem und für was?

Es ist nun aber eher realitätsfremd, um das ganz frei von Diskriminierung oder Sexismus auszudrücken, dass die Grossbank eine ganze Seite Gratulation kauft, ohne mehr als diese dürre Angabe aus den Mediadaten zu kennen. Denn wem sie da wozu gratuliert, das wäre vielleicht schon noch gut zu wissen, Schliesslich achten gerade Banken doch trotz alledem auf ihre Reputation, und heimlichen Helden zu gratulieren, die sich als Whistleblower gegen Finanzinstitute Verdienste erworben haben, das wäre dann vielleicht etwas peinlich gewesen.

Also machen die neuen Führungskräfte des Trümmel-Magazins den gleichen Fehler wie viele ihrer Kollegen in den sogenannten Qualitätsmedien der Schweiz: sie halten ihre Leser für brunzblöd. Dabei würde doch niemandem ein Zacken aus der Krone brechen, wenn eine kopierte Idee als solche ausgewiesen und ein mit dem Inhalt eines Artikels gekeiltes Inserat als solches präsentiert würde.

Aber dazu bräuchte es vielleicht weniger gespielte Lockerheit, sondern echte Souveränität, wenn man zwei Jungjournalistinnen diesen Ratschlag geben darf, die vielleicht von ihrer Funktion leicht überfordert sind. Aber da kann man noch hineinwachsen, ganz sicher. Vielleicht. Unter Umständen. Falls es den SJ noch ein paar Jährchen gibt. Was aber eher unwahrscheinlich ist.

 

 

 

 

Es darf gelacht werden: Feuer frei!

Knellwolf, übernehmen Sie! Es gibt noch mehr Gefahr, die von dieser Aufforderung zur Gewalt ausgeht.

Alles ist relativ. Ein SVP-Politiker, der sich nicht unbedingt nationaler Bekanntheit erfreut, verwendete in einer rund 100 Nasen umfassenden Chatgruppe den Spruch «Feuer frei!», um zur Gegenwehr gegen eine Forderung des Bundesamts für Gesundheit aufzurufen.

Das zwirbelte das Blatt der sensiblen Gewaltfreiheit zur Coverstory hoch und warnte in insgesamt drei Artikel davor, dass das brandgefährlich sei. Solche virtuellen Aufrufe könnten schnell real missverstanden werden, und dann könnte auf das BAG geschossen werden. Mit echten Kugeln.

Aber Thomas Knellwolf als ehemaliger Recherchier-Journalist hat natürlich nur an der Oberfläche gekratzt. Da wäre zum Beispiel die deutsche Band «Rammstein» mit ihrem Song «Feuer frei!». Schockierend: der wurde alleine auf YouTube bislang rund 140 Millionen (!) Male aufgerufen. Fast 600’000 Fans gaben ihm ein Daumen hoch.

Bitte nicht nachmachen: Videoclip von «Rammstein».

Wenn man sich vergegenwärtigt, was für ein Gewaltpotenzial hier wie Magma unter der Oberfläche brodelt: Knellwolf, es besteht dringlicher Handlungsbedarf. Das ist Faktor 1,4 Millionen mal mehr Gefährdungspotenzial als beim Aufruf zur Gewalt der SVP!

Hemmungslose Feuerorgie auf der Bühne. Ist das noch Kunst?

Es ist ja nicht nur der Schiessbefehl im Titel des Songs, auch das Lied selber enthält genügend Munition, um einem Knellwolf die Schweissperlen der Angst auf die Stirne zu treiben:

Wann fallen die ersten Schüsse, bei diesen Songzeilen?

Es ist bedauerlich, dass man einem so ausgewiesenen Recherchier-Journalisten weitere Fundstücke nachtragen muss:

Ein gut getarnter Aufruf zur Gewalt. Anleitung für Pyromanen.

Zumindest die Webseite im Aufbau könnte noch durch ein beherztes Eingreifen von Tamedia verhindert werden; dass selbst die NZZ, ja gar der Limmattaler mit dem Feuer spielt, ist so bedauerlich wie traurig; es wirft ein Schlaglicht auf den Sittenzerfall in unserer Gesellschaft, der nicht erst gestern begonnen hat.

Vielleicht könnte Tamedia – mit oder ohne Knellwolf – sein Recherche-Desk endlich mal für etwas Konstruktives einsetzen. Statt sinn- und zwecklos gestohlene Geschäftsunterlagen durchzuflöhen und absurd übertriebene Behauptungen aufzustellen, auf welche Abgründe man da wieder gestossen sei, wäre es doch verdienstvoll, der Gewalt im Internet den Kampf anzusagen.

«Feuer frei!» gegen «Feuer frei!», sozusagen. Die Folgen wären so unabsehbar wie segensreich. Endlich würde ein alter Traum wahr, Tamedia würde ein bisschen Frieden in die Welt bringen:

Damit ihr Traum endlich wahr wird …

Denn das bewegende Lied von Nicole ist bislang nur 6,5 Millionen mal aufgerufen und magere 32’000 mal gelikt worden. Das muss besser werden, damit die Welt eine bessere wird.

Alle können noch dazulernen

Aber nicht nur Knellwolf, auch sein oberer Vorgesetzter kann noch dazulernen, wie mehr Friede und weniger Feuer in die Welt kommt. Denn Arthur Rutishauser hat nach zweitägigem, vertieftem Nachdenken herausgefunden, dass eine kindische Karikatur, in der der Kopf seiner Mitarbeiterin Michèle Binswanger in eine Illustration der Hinrichtungen während der Französischen Revolution hineingemecht wurde, eine «Grenzüberschreitung» darstelle. Sogar eine «schwere».

Rutishauser gelangt in seinem mit langer Lunte entstandenen Kommentar zur Schlussfolgerung:

«Besorgniserregend ist, dass mittlerweile ein Teil der politischen Linken so intolerant geworden ist, dass sie auf jeglichen Anstand verzichtet und Volksverhetzung betreibt.»

Bittere und anklagende Worte des Oberchefredaktors von Tamedia. Nur: fällt ihm dieses Phänomen nicht in seinen eigenen Redaktionen auch auf? Existiert da dieser Teil der politischen Linken nicht? Und wenn wir schon dabei sind: kennt man dieses Phänomen bei der politischen Rechten nicht? Zumindest bei einem Teil davon?

Oder nochmal anders: Sind Grenzüberschreitungen in Richtung brunzdumm nicht noch besorgniserregender? Ein paar Knallköpfe aus dem Umfeld der Berner Reitschule werden mit einer Strafanzeige überzogen. Tamedia fällt wie das Jüngste Gericht über einen unbesonnenen Spruch eines SVP-Politikers her, weil der in der SVP ist.

Tiefergelegtes Niveau der Debatte

Allgemeines Wehgeschrei: die da sind ganz böse. Nein, selber böse. Nein, du böse. Nein, du mehr böse. Du Hetzer. Ha, du grosser Hetzer. Ich kein Hetzer, du aber. Ohne die Verwendung des Wortes Hetzer werden so Konflikte im Sandkasten ausgetragen, inklusive Zerstörung von Sandkuchen, Fuchteln mit Schäufelchen oder gar dem Ziehen an Haaren, Kratzen und Beissen, bis die Eltern eingreifen.

Kampfplatz, nach einer aktuellen Debatte …

Auf diesem ärmlichen Niveau ist ein Teil der politischen Debatte angekommen. Begleitet von Dialogverweigerung, Unfähigkeit, mit Kritik oder Gegenargumenten umzugehen. Mit Ballern aus dem Glashaus, aber feigem Wegducken, wenn zurückgeschossen wird. Rechthaberei und Belehrung ist hohl und lachhaft, wenn sie sich nicht der Debatte stellt. Wäffeln ist einfach, argumentieren anspruchsvoll.

Um nicht nur Männerriten und Pseudo-Martialisches wie von Rammstein zu denunzieren: auch die erregten Tamedia-Frauen haben nach ihrem Protestbrief bislang jede Gelegenheit ausgelassen, sich einer Debatte zu stellen. Auch so verzichtet man auf jeden Anstand.

Schiessscharte auf, rausballern, Schiessscharte zu und die Reaktion aussitzen. Das soll dann Erkenntnisgewinn durch Meinungsaustausch und Debatte sein?

 

Elendsjournalismus à la «Blick»

Null Vorbereitung, Interview zum Erschrecken, aschgraues Niveau.

Die Corona-Kreischen sind langsam durch. Nur im harten Notfall, kein Aufreger weit und breit zu sehen, greifen die Schweizer Qualitätsmedien noch zum «Experten, Virologen, Forscher», der warnt, unkt, den Teufel an die Wand und Leichenberge vor die Intensivstationen malt.

Auch die neue Todeswelle mit der Variante Delta ist eher abgenudelt. Was tun? In der Verzweiflung zeigt das Organ mit dem Abflussrohr im Titel, was dumpfbackiger Journalismus alles kann.

Dazu hat der «Blick» den «Verhaltensökonom Gerhard Fehr» ausgegraben. Gerhard who? Na, der andere Fehr. Der Bruder des ziemlich prominenten Ernst Fehr, in der Schweiz als Ökonom und Glücksforscher sehr bekannt. Damit hat es sich allerdings auch schon mit der Qualifikation des «Verhaltensökonomen».

Auf seiner eigenen Webseite weltberühmt …

Besonders bekannt ist er auch nicht, wie er auf seiner Webseite selbst bekannt gibt:

Aber in den Weiten des Web eher weniger …

Wie auch immer, keiner zu klein, um Interviewpartner zu sein. Denn der «Behavioral Designer» (what the f*** das auch immer sein mag) weiss natürlich, dass man ein knackiges Quote abzuliefern hat, wenn man schon mal die Chance dazu bekommt. Also sagt er:

«Wir überzeugen nur mit Diskriminierung».

Was meint er denn damit?

Zum Beispiel das: «Nur noch diejenigen, die geimpft sind, dürfen ins Restaurant oder in ein Konzert gehen. Systematische Diskriminierung ist nichts Neues, sie begegnet uns dauernd im Alltag. Beispielsweise können sich die meisten Leute nicht jeden Tag einen Restaurantbesuch leisten und sind dementsprechend wegen ihres Lohns davon ausgeschlossen.»

Ein beknackter Ratschlag nach dem anderen

Ausserdem rät er zur Aufforderung mit Termin, sich impfen zu lassen. Wer schwänzt, bekommt eine Busse. Schon nach diesem Blödsinn beginnt man, sich Sorgen um die Zukunft von Firmen zu machen, die sich allenfalls von diesem «Designer» beraten lassen. Denn den Ausschluss von einem Restaurantbesuch damit zu legitimeren, dass es schliesslich auch genügend Leute gäbe, die ihn sich nicht jeden Tag leisten könnten, das ist schon Gaga-Logik.

Aber hat Fehr wenigstens ein paar Zahlen im Griff? «Alle Nichtgeimpften sind jederzeit bereit, an einem Virus zu erkranken, an dem sie mit 0,5-prozentiger Wahrscheinlichkeit sterben werden.» Stimmt das?

Das ist absoluter, relativer und unwissenschaftlicher Quatsch. Die Schweiz zählt offiziell rund 700’000 Fälle von an Corona Erkrankten. Davon sind knapp 11’000 verstorben. Das wären 1,57 Prozent. Also falsche Zahl. Nun ist es aber so, dass es eine unbekannte, sehr hohe Dunkelziffer gibt. Also Menschen, die symptomlos infiziert sind und das auch nicht testen liessen.

Daher ist es wohl sinnvoller – und wird deshalb auch so gemacht –, sich mit der sogenannten Übersterblichkeit zu befassen. Das wiederum bedeutet: sterben aktuell mehr Menschen als in einem gemittelten Vergleichzeitraum in der Vergangenheit? Da ist die Antwort: nein, es existiert sogar eine Untersterblichkeit in der Schweiz.

Schliesslich wäre es noch sinnvoll, die Altersverteilung der Todesfälle in Betracht zu ziehen:

Hohe Sterblichkeit über 80, kaum je ohne Vorerkrankung …

Oder den Medianwert des Alters der an Corona Verstorbenen zu ermitteln. Der liegt mit rund 85 sogar leicht oberhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung in der Schweiz. Also mit anderen Worten: der «Behavioral Designer» designt im luftleeren Raum, basierend auf Quatschzahlen, ein Vorgehen, das an Untauglichkeit nicht zu überbieten ist. Solche «Diskriminierungen» sind weder durchsetzbar, noch hätten sie einen nennenswerten Einfluss auf die Impfbereitschaft.

Ein Windmacher, vor dem gewarnt werden müsste

Das spielt aber gar keine Rolle, weil schon die Zahlen, die der Dampfplauderer verwendet, keinem zweiten Blick standhalten. Also mit anderen Worten ein Windmacher, vor dem ein seriöses Blatt seine Leser warnen müsste. Statt ihm widerspruchslos an den Lippen zu hängen. Ob das an der Qualifikation der Journalistin liegt?

Wir wollen uns weder über abbiegende Köchinnen, noch über Jungjournalistinnen wie Rachel Hämmerli lustig machen. Ganz im Gegenteil, solche Entscheidungen wollen wir mit Applaus begleiten. Aber: dass es beim «Blick» keinerlei Kontrollinstanzen mehr gibt, die einen solchen Unsinn dem Leser ersparen, das ist in Wirklichkeit Ausdruck des Elends des modernen Magerspar-Skelett-Koma-Journalismus.

Die Qualitätskontrolle beim «Blick», in flagranti ertappt.