Was ist Diskriminierung? Teil 2

Reich, Russe, Bärenjagd.

Hier geht’s zum Teil 1.

Kehren wir zurück ins Kleine, in die Schweiz. Viele Politiker würden sich über den schrecklichen Krieg in der Ukraine empören, schreibt Loser, aber sie lehnten «sämtliche Vorschläge ab, die den russischen Oligarchen das Leben in der Schweiz schwerer machen könnten».

Verstehen wir ihn richtig? Russischen Oligarchen, wer immer das sein mag, soll das Leben schwer gemacht werden? Weil sie reich und Russen sind? Ohne rechtliche Grundlage? Auf Verdacht hin? Sind wir wieder zu den Zeiten der Verbrechervisage zurückgekehrt? Zu den Zeiten von Cesare Lombroso, der überzeugt war, «kriminelle» Schädelformen messen zu können?

Der Vergleich drängt sich auf. Judenverfolgungen waren häufig dadurch verursacht, dass es Christen nicht erlaubt war, am Zins- und Geldhandel teilzunehmen. Also wurden Pogrome veranstaltet, mit denen sich Teile der Gesellschaft, vor allem Adlige und reiche Christen, ihrer Schulden entledigten. Natürlich mussten andere Gründe vorgeschoben werden, um das zu bemänteln.

Nun sprechen wir auch bei reichen Russen von erklecklichen Summen. Naturgemäss sind sie schwer zu schätzen, aber laut «Handelszeitung» gehen Kenner der Sachlage davon aus, dass alleine in der Schweiz reiche Russen mehr als 100 Milliarden Dollar gebunkert haben. Andere Schätzungen gehen von bis zu 300 Milliarden aus. Das wären 40 Prozent des BIP.

Jagd auf Oligarchen mit Jagdschein

Loser träumt davon, dass analog zum Vorgehen der USA eine spezielle Task Force gebildet werden soll, die «Jagd auf Oligarchen» mache, wie das der «Blick» fordert. Worin bestünde nun die Tätigkeit dieser Suchtrupps? Sie sollen offen sichtbare oder verborgene Besitztümer reicher Russen aufspüren – und die beschlagnahmen.

Warum? Weil nach vielen Jahren plötzlich der Verdacht aufkeimt, dass diese Vermögen illegal erworben worden sein könnten. Oder, eine Lieblingsleerformel von Loser & Co., zumindest illegitim. Dieser Verdacht existierte zwar schon vorher, führte aber nie zu drakonischen Massnahmen.

Hat sich nun sozusagen der kriminelle Gehalt dieser Russenvermögen verändert? Nein, die einzige Veränderung ist der russische Überfall auf die Ukraine. Haben diese reichen Russen damit direkt oder indirekt zu tun, profitieren sie davon? Wohl mehrheitlich nicht, oder aber, es müsste in jedem Einzelfall nachgewiesen werden.

Das wäre Rechtsstaat. Wildwest ist: zuerst schiessen, dann fragen. US-Justiz ist: gebt ihnen einen fairen Prozess – dann hängt sie auf. Beschlagnahme ist: wir nehmen dir dein Eigentum weg. Dann darfst du beweisen, dass es dir rechtmässig gehört. Wenn du noch das Geld dafür hast.

Ist das eine zivilisierte Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit?

«Geld stinkt nicht», weiss Loser. Da hat er recht. Das Geld, das sich verlumpende und überschuldete Staaten so einstecken, stinkt tatsächlich nicht. Denn nach der Beschlagnahmung kommt normalerweise die Verwertung. Denn der Staat will ja nicht Besitzer von Jachten, Flugzeugen, Villen oder Fabergé-Eiern bleiben. Der Erlös füllt die leeren Kassen, wunderbar. Nur stinkt dieses Vorgehen zum Himmel.

Und alle, die ihm das Wort reden, tun nichts Gutes. Sondern beschädigen unseren letzten Schutzwall gegen Abgründe. Allen, die solchem Tun das Wort reden, kennen den wohl weisesten und wichtigsten Satz zur Verteidigung des Rechtsstaats nicht:

Das Unrecht, das einem Einzelnen widerfährt, ist eine Bedrohung für alle.

Mit seinen Forderungen ist Loser, und nicht nur er, eine Bedrohung für alle.

Was ist Diskriminierung? Teil 1

Benachteiligung von Gruppen durch Vorurteile. Neu in diesem populistischen Drecksspiel: die Russen.

Wer sagt, ein bestimmter Schwarzer sei dumm, mag damit recht haben. Wer sagt, Schwarze seien dumm, ist ein diskriminierender Rassist.

Denn er verbindet ein bestimmtes Merkmal eines Menschen, hier seine Hautfarbe, mit einer bestimmten Eigenschaft, hier mangelnde Intelligenz. Unter zivilisierten und denkenden Menschen ist man sich einig, dass das Unfug ist. Schwachsinn. Disqualifizierend für den, der so denkt. Selbst die Äusserung, ein bestimmter Schwarzer sei dumm, kann ohne weiteres den Vorwurf einfangen, es handle sich auch hier um Rassismus.

Alle ständig in moralisch-ethischer Überlegenheit mit dem Zeigefinger wackelnde Journalisten sind sich einig: diskriminierende Beschreibungen von Individuen, nur weil sie einer bestimmten Gruppe angehören, sind des Teufels. Pfui. Macht man nicht. Geht nicht. Ist das Allerletzte.

Nun, man muss flexibel sein. Dabei in der moralischen Schussfahrt unfähig zur Selbstreflexion. Der richtige Moment für einen Auftritt von Tamedia-Redaktor Philipp Loser. Er soll hier stellvertretend für eine ganze Spezies von Dummschreibern stehen. Ja, das ist diskriminierend, aber die haben es sich verdient.

«Dieses Mal wird es ganz konkret: Es geht um den russischen Oligarchen, der in St. Moritz ein Haus hat. Eine Luxuswohnung im Berner Oberland. Eine Geliebte samt Kindern im Tessin. Ein Bankkonto in Genf und ein Kunstwerk in Zürich.» Diesmal macht Loser nicht im Auftrag seines Herrn einen missliebigen Konkurrenten nieder. Sondern er schliesst sich im «Magazin» dem Geheule gegen russische Oligarchen an.

Putin (oben), Oligarch (unten).

Zunächst einmal ist schon die Begriffswahl unsinnig. Ein Oligarch ist ein Grossunternehmer, der meist durch Korruption politische Macht erlangt hat. Nun ist aber spätestens seit dem Fall Chodorkowski eigentlich jedem geläufig, dass reiche Russen alleine dadurch keine politische Macht mehr in Russland haben. Aber ein Begriff, der schön stigmatisierend und diskriminierend ist, dazu irgendwie negativ konnotiert, obwohl viele nicht einmal seine Bedeutung kennen, wieso soll man den aufgeben. Er ist doch mindestens so gut wie der Geldjude. Nur darf man den nicht verwenden.

Reicher Russe ist besser, aber Russe reicht schon

Aber die Diskriminierung fängt inzwischen schon viel vorher an. Russe reicht bereits. Ob Künstler, Musiker, Schriftsteller. Lebend oder tot. Tut nichts, das sind verächtliche Menschen. Dostojewski, nicht wert, ein Seminar über ihn zu halten. Rachmaninow, nicht wert, gespielt zu werden. Die weltberühmte Opernsängerin Anna Netrebko darf nicht am Opernhaus Zürich auftreten, weil sie sich angeblich nicht klar genug von ihrem Präsidenten distanziert habe. Sie darf nicht in Russland auftreten, weil sie sich klar von ihrem Präsidenten distanziert hat.

Wer Russe ist, kann nur akzeptiert werden, unabhängig von seinem Beruf, seinen Beziehungen und Abhängigkeiten, wenn er ein klares Wort gegen den Überfall auf die Ukraine ausspricht. Das gilt für alle, selbst für Behindertensportler. Niemals wurde Vergleichbares beispielsweise von US-Bürgern abgefordert. Weder während des verbrecherischen Vietnamkriegs, noch während der verbrecherischen Invasion des Iraks.

Da hörte man weder von Loser noch von seinen Gesinnungsgenossen ähnliche Töne. Loser erregt sich insbesondere darüber, dass selbst für russische Oligarchen, also für reiche Russen, in einem Rechtsstaat rechtsstaatliche Gesetze und Garantien gelten. Gelten sollten. Denn die Schweiz hat sich den EU-Sanktionen gegen Russland angeschlossen.

Die beinhalten eine Beweisumkehr und einen Verzicht auf das konstituierende Merkmal eines Rechtsstaats. Ein Angeschuldigter hat nicht seine Unschuld zu beweisen. Und er ist unschuldig, bis ein rechtsgültiges Urteil das Gegenteil beweist. Das ist kein Brauch, das ist das Fundament zivilisierten Zusammenlebens. Das ist das, was uns vor Willkür, Faustrecht und Barbarei schützt. Das ist das, was uns von Staaten wie Russland oder China unterscheidet. Unterscheiden sollte.

Task Force (hinten), Oligarch (vorne).

Präsident Putin ist sicherlich kein lupenreiner Demokrat, wie ihn Alt-Bundeskanzler und Ex-Ringier-Berater Gerhard Schröder bezeichnet. Und wie reiche Russen in den Wirren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu ihren Vermögen kamen, ist sicherlich mehr als fragwürdig. Aber letztlich auch nicht anders als US-Oligarchen, als Drittwelt-Potentaten. Denen man entweder rechtsgültig kriminelles Handeln nachweisen kann – oder für die unsere kapitalistische Eigentumsgarantie und Gewerbefreiheit gilt.

Das Schwelgen in obszönem Luxus vor dem Hintergrund von Elend und Ausgezehr in den Herkunftsländern, das ist kein schöner Anblick, das ist ziemlich widerlich. Aber den schadenfrohen Voyerismus bedienen, wenn ein Reicher nicht mehr in seinen Privatjet steigen kann, ihm der Zugang zu seiner beschlagnahmten Jacht verweigert wird, keine seiner Kreditkarten mehr funktioniert, das ist billiger Populismus.

Nach schärferen Sanktionen gegen reiche Russen rufen, das ist in einer  Demokratie mit Meinungsfreiheit erlaubt. «Wer Geschäfte macht mit Autokraten, ist nicht neutral, sondern finanziert ihr Regime und ihre Kriege», tönt der SP-Co-Präsident Cédric Wermuth und wird zustimmend von Loser zitiert. Abgesehen davon, dass Wermuth von keinerlei Geschäften oder gar von Wertschöpfung eine Ahnung hat: die ganze Welt macht Geschäfte mit Autokraten. Angeführt vom Führer der sogenannten freien Welt, den USA. Die EU macht inzwischen mehr Geschäfte mit dem autokratischen China als mit den USA. Na und?

Will Wermuth also, dass die Schweiz keine Geschäfte mehr mit China macht? Ist er – oder Loser – sich der Absurdität dieser Forderung bewusst?

Fortsetzung folgt sogleich.

Wumms: Regula Stämpfli

Klag es ein! Kampffeminismus scheitert meistens vor Gericht.

Regula Stämpfli hat sich einen Namen als Brachial-Polemikerin gemacht. Das ist ihre Nummer, um sich ein Scheibchen von der öffentlichen Aufmerksamkeit abzuschneiden. Sie wusste schon früh: besser als ein Auftritt in der inzwischen verblichenen Talkshow «Schawinski» ist eine demonstrative Absage.

Das ersparte ihr, von ihm gegrillt zu werden – und sorgte für reichlich Hallo. Genauso schlägt sie auch in ihren unzähligen Kolumnen und Kommentaren kräftig drauf. Allerdings ist diese Nummer in den grossen Plattformen so ausgeleiert, dass sie auf ein Kleinstorgan ausweichen muss. Schon seit einiger Zeit gehört sie zum Inventar des «Klein Reports».

Dort nimmt sie sich den Tamedia-Autor Jean-Martin Büttner zur Brust. Denn der hatte es gewagt, eine Polemik über Patti Basler zu verfassen. «Die Frau nervt», konstatierte er. Das ist noch milde formuliert; eine Humoristin, die es lustig findet, «Benissimo» in «Penissimo» zu vergewaltigen und bei Kritik völlig humorlos reagiert («Wer dies missversteht, handelt entweder ignorant oder bewusst hetzerisch.»), hat sich selbst disqualifiziert.

Nun hat sich Büttner mit Basler zum Gespräch getroffen, Auftritte angeschaut und schreibt ein hochstehendes, natürlich kritisches Porträt, keine Ferndiagnose und auch keine Hinrichtung. Vorsichtshalber ist das Ganze noch mit «Polemik» etikettiert.

Dabei reflektiert Büttner über Basler und über sich selbst, stellt also auch seine eigenen Motive auf den Prüfstand, wieso die Komikerin nerve. Das kann man mögen oder nicht. Man kann damit einverstanden sein oder nicht. Oder man nimmt die Sexismuskeule hervor und fuchtelt damit herum. Man macht also die Stämpfli.

Eingeleitet wird ihre Polemik mit einem Rückblick auf den angeblichen ««#metoo»-Skandal im «Hause Tages-Anzeiger»». Da hätten sich 78 Journalistinnen über «strukturelle Diskriminierung, Sexismus und Lohnungleichheit» beschwert. Richtig daran ist, dass auch ein Jahr später kein einziger der damaligen Vorwürfe erhärtet oder belegt ist.

Dann legt die «Politologin, Bestsellerautorin & Podcasterin» Stämpfli los. Sie versucht sich an einer Hinrichtung: «Ihn nervt Patti Basler derart, dass er einen Text mit dem Ziel, maximalen Schaden anzurichten, verfasst – Begleitbild inklusive.» Was werfe Büttner Basler denn vor? Müsterchen: «Sie sei «dauerpräsent», sie sei «selbstgerecht», sie sei eine «systematische Dutzerin» – als ob sich irgendwer in der Schweizer Promiszene NICHT duzen würde und – wait for it – «sie hat zu allem eine Meinung». Wo kommen wir denn hin, wenn Frauen eine Meinung haben, nicht wahr?»

Basler zeigt den Stinkefinger. Ist das Foto sexistisch?

Vielleicht ein Müsterchen (neben «Penissimo») von Basler; ihre Meinung zu Putin: «Ich fürchte, das Nervengift hat deine Hirnrinde und deinen frontalen Stirnlappen inzwischen irreversibel angegriffen.» Kann man machen, muss man nicht machen. Kann man wohl nur mit sehr viel Feminismus vor Augen lustig finden.

Aber Stämpfli ist auch «Politologin», also will sie gleich noch die grösseren Zusammenhänge ins Spiel bringen:

«Sexismus ist nicht einfach unschön und diskriminiert theoretisch, sondern ist so angelegt, dass die angegriffenen Frauen enteignet werden sollen und/oder in ihrer Fähigkeit, Kapital zu bilden, gebremst und/oder blockiert werden.»

Hier nimmt sie als untaugliches Beispiel Patrizia Laeri. Die klagte gegen «Inside Paradeplatz» unter anderem wegen «unlauterem Wettbewerb». Dort war ihr – zu Recht – vorgeworfen worden, dass eine von ihr angepriesene Geldanlage unterdurchschnittlich performe und überdurchschnittlich koste. Das war nun faktisch richtig, also wurde ihr Begehren, den Artikel superprovisorisch zu löschen, gleich zweimal abgeschmettert. Lediglich ein paar persönlichkeitsverletzende – und völlig überflüssige – Passagen mussten gestrichen werden.

Denn die Absicht von IP war im Gegenteil, solche Bremsen bei der Fähigkeit, Kapital zu bilden, zu lockern. Aber das ist wohl eine Nummer zu hoch für Stämpfli, um eine schwer nach Sexismus riechende Bemerkung zu machen.

Damit ist sie noch nicht am Ende angelangt: «Und Patti Basler sei doch eine juristische Intervention empfohlen – es würde allen prominenten und künftigen Frauen helfen.» Verstehen wir das richtig? Trotz der bitteren Erfahrung von Laeri, die versuchte, eine Kritik an ihrem Geschäftsgebaren als sexistischen Angriff umzudeuten, soll Basler gegen Büttner vor Gericht ziehen? Wegen dessen Polemik? Weil er Basler logischerweise mit einer ganzen Seite zusätzlich Aufmerksamkeit verschafft hatte?

Da begibt sich ZACKBUM in die Todeszone des diskriminierenden Sexismus und urteilt: Wer solche Kampfgenossinnen hat, braucht eigentlich keine Feinde mehr. Was Büttner über Basler geschrieben hat, ist zehnmal empathischer, analytischer und verständiger als das, was Stämpfli ungefragt und überhaupt nicht komisch der Komikerin rät.

 

 

 

 

 

Noch ein Lichtblick

Natascha Wodin schreibt ein Essay in der WoZ, das Massstäbe setzt.

«Was nutzt den Toten ihr Heldenmut?» Einen solchen Titel muss man sich mal trauen, in den heutigen Zeiten, wo jeder Ex-Pazifist am Schreibtisch im gut geheizten Büro Kriegslüsternes von sich gibt.

Natscha Wodin hat die Biografie für das richtige Mass an Betroffenheit. Ihre Mutter wurde von den deutschen Besatzern im Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiterin verschleppt, Mariupol wurde schon damals in Schutt und Asche gelegt. Wodin hat die intellektuelle Kraft, die Klarheit der Sprache und die Unbestechlichkeit einer empathischen Beobachterin, die es für ein gelungenes Essay in all dem Geschrei und Gekreische der heutigen Zeiten braucht.

Sie beginnt mit einer klugen Beobachtung des deutschen Überintellektuellen Alexander Kluge und setzt damit das Niveau für das Folgende. Und ihr eigener Diskurs, ihr Nachdenken über sich, den Krieg, die Zukunft ist dermassen klug und beeindruckend, dass man sich gar nicht recht eine Zusammenfassung traut.

Man muss tief in sich und in die Ereignisse hinabsteigen können, um zu solchen Sätzen zu gelangen: «Das grösste Verbrechen des Kriegs an denen, die ihn überleben, besteht darin, dass er ihnen das Vertrauen ins Leben nimmt.» Das ist von einer elementaren Wucht, wie sie sonst nur die besten russischen Schriftsteller hinkriegten. Die man ja im Westen boykottieren sollte, wenn es nach den hyperventilierenden Intellektuellen ginge. Auch hier ist Wodin gnadenlos und seziert dieses Verhalten mit ihrem klaren Blick:

«Noch nie haben wir uns mit so viel Enthusiasmus selbst gefeiert, noch nie gab es ein solches Feuerwerk an Selbstgerechtigkeit, noch nie waren wir so überzeugt davon, dass wir die Guten sind.»

Wir verneigen uns vor dieser Autorin, die uns, peinliches Eingeständnis, völlig unbekannt war, und auf deren Essay wir erst aufmerksam gemacht werden mussten. Wir schliessen in dieses Lob auch die WoZ ein, die sich im Gegensatz zu den unsäglichen Kriegsgurgeln im Mainstream traut, einen solchen Brocken auf ihre Leser fallen zu lassen. Ein Essay, das in seiner gnadenlosen Wahrhaftigkeit, in seiner subjektiven Objektivität immerhin Hoffnung leuchten lässt, dass es doch da und dort noch intellektuelle Widerstandsnester gibt, die nicht ins Schablonendenken und die ewigen Wiederholungsschlaufen des Immergleichen geraten sind.

Zur Lektüre strengstens empfohlen. Ach, und da die WoZ ja ihre Artikel gratis zur Verfügung stellt: eine kleine Spende nicht vergessen.

Brandbeschleuniger Putin

Schwarzweiss versperrt den Blick auf die wahren Gefahren.

Präsident Putin verfügt über drei gewaltige Keulen. Die erste ist der militärische Angriff auf die Ukraine. Ob sich dieses militärische Abenteuer zum Fiasko auswächst, in Kriegsgreueln versinkt oder mit einem zumindest teilweisen Sieg Russlands endet: Ausgang ungewiss.

Starker Auftritt eines Schwachen.

Die zweite Keule besteht aus der Abhängigkeit Westeuropas von russischem Gas und Erdöl. Putin wird sicherlich nicht untätig zuschauen, wie sich Europa bemüht, diese Abhängigkeit herunterzufahren oder zu beseitigen. Der Versuch, nur mehr Bezahlung in Rubel zu erzwingen, war nur der erste Schlag. Weitere werden folgen.

Die dritte Keule besteht aus dem grössten Atomwaffenarsenal der Welt. Jeder Potentat, jeder Staat weiss: schon der Besitz einiger Atomwaffen katapultiert das Land in eine neue Liga. Hätte Afghanistan Atombomben und Pakistan keine, wäre Pakistan als Brutstätte und Unterstützer des internationalen fundamentalistischen Terrors angegriffen worden. So beschränkte man sich darauf, den von Pakistan beherbergten Fürsten der Finsternis Bin Laden auszuschalten.

Der deutsche Historiker Jörg Baberowski hält in einem sehr lesenswerten NZZ-Interview fest: «Ich frage mich jedoch, ob die Feldherren, die im Lehnstuhl sitzen und kluge Ratschläge erteilen, eigentlich wissen, was eine Flugverbotszone ist und wie man sie sichert, was man sich unter einem Häuserkampf in einer zerstörten Stadt vorstellen muss und was die Entfachung der Leidenschaften bewirkt.»

Der Buchautor («Räume der Gewalt») und Professor für Geschichte Osteuropas ist ein profunder Kenner Russlands und vor allem als Stalin-Forscher anerkannt. Mit seinen nicht immer dem Mainstream entsprechenden Ansichten ist er bereits in diverse Kontroversen geraten.

Analysen statt Verurteilungen

Aber das ist die Bürde des eigenständigen Denkens, das auf Kenntnissen und nicht moralischen Vorurteilen beruht. Seine Prognose für die Zukunft ist alles andere als rosig. Sollte es Putin nicht gelingen, einen vollständigen militärischen Sieg zu erringen oder zumindest die Neutralität der Ukraine plus die Einverleibung grosser Stücke zu erreichen, vermutet Baberowski: «Es ist wahrscheinlich, dass es dann zu einem verlustreichen Zermürbungskrieg kommt, durch den die Ukraine auf Dauer zugrunde gehen und Putin sein Ziel doch noch erreichen könnte, wenngleich unter grossen materiellen und menschlichen Verlusten. Die Brutalisierung des Krieges kommt aus der Schwäche, nicht aus der Stärke, und sie wird an Dynamik gewinnen, je erfolgloser die Versuche der Angreifer und der Verteidiger sind, den Krieg für sich zu entscheiden.»

Butscha, Ukraine. April 2022.

Baberowski glaubt nicht daran, dass sich Präsident Bidens Stossseufzer, dass dieser Mann doch nicht an der Macht bleiben dürfe, erfüllen wird. Dazu sei die Hierarchie in der russischen Machtsphäre zu vertikal ausgerichtet. Zudem sei es wie damals bei Stalin. Der verschätzte sich gröblich und rechnete zu diesem Zeitpunkt nicht mit einem Angriff Hitlers, weil Stalin einen Zweifrontenkrieg für ausgeschlossen hielt.

Daraus entwickelte sich die historische Mär, dass kurzzeitig im Politbüro mit dem Gedanken gespielt wurde, den Diktator nach dem Überfalls Hitlers auszuschalten. Aber die historische Forschung (und die Anwendung von Logik) habe ergeben, sagt der Geschichtswissenschaftler: «Die Gefolgsleute scharten sich in der Stunde der grössten Gefahr um ihren Anführer, weil niemand das Risiko eingehen wollte, das Regime in Gefahr zu bringen. Mit anderen Worten: Krisen arbeiten für den Herrscher, nicht gegen ihn. So ist es wahrscheinlich auch jetzt.»

Was für vorläufige Schlussfolgerungen kann man daraus ziehen?

  1. Es geht nicht nur um die Ukraine. Sondern um uns alle. Um Europa, gar die Welt, und auch die Schweiz natürlich.
  2. Militärische Sandkastenspiele aus dem Sessel heraus sind völlig unsinnig und überflüssig. Interessant ist höchstens, wie Pazifisten und Kriegsgegner ohne zu zögern wieder kriegerisches Vokabular verwenden, inklusive Helden, von «ruhmreichen Abwehrschlachten und vom nationalen Stolz der Verteidiger» reden. «Vor Wochen noch wären Bekenntnisse dieser Art mit Verachtung gestraft worden», beobachtet Baberowski.
  3. Nach der Fehleinschätzung, die Ukraine militärisch schnell besiegen zu können, kann Putin nur noch die Karte «unberechenbar» ausspielen. Seine Armee, sein Geheimdienst, seine Fähigkeit zur richtigen Lageeinschätzung sind desavouiert.
  4. Dass er durch mögliche Greueltaten der Armee zum Outcast wird, gar vor einen Internationalen Gerichtshof gestellt würde, sind Illusionen. Die vielfach gescheiterte Staatsanwältin Carla del Ponte fordert einen Haftbefehl gegen Putin. Ausgerechnet sie, die nie in ihrer ganzen, langen Karriere eine einzige Angeklagte zur Verurteilung führte.
  5. Natürlich wird man mit Putin verhandeln müssen, was denn sonst? Natürlich wird man einige seiner Forderungen erfüllen müssen, was denn sonst? Beschimpfungen, das Wackeln mit dem moralischen Zeigefinger sind zwar schön fürs Publikum, das ist zwar schön für Sympathiepunkte, aber realitätsfern.
  6. Ein militärischer Sieg gegen Russland in der Ukraine ist illusorisch. Ein Putsch gegen Putin ist illusorisch (ganz abgesehen davon: und dann? Kommen russische Pazifisten und Freunde der Demokratie an die Macht?).

Daraus folgt, dass wir im Westen gut daran täten, uns auf Keule zwei und drei vorzubereiten. Weder mit Putin-Beschimpfen, noch mit Putin-Verstehen ist’s getan. Die Entrüstung über Greueltaten ist verständlich, aber nutzlos. Und scheinheilig, denn finden ähnliche Greuel nicht an diversen anderen Orten der Welt statt? Jetzt und heute? Im Jemen, in Äthiopien, auf so vielen Killing Fields. Nein, das relativiert die Ukraine nicht. Macht aber verständlich, wieso an vielen Orten der Welt die westliche, die europäische, die schweizerische Entrüstung über die Invasion der Ukraine nicht wirklich gut ankommt.

Luftangriff auf Sanaa, Januar 2022.

Denn eine Verurteilung von Taten, vor allem, wenn sie dazu noch moralisch aufgeladen ist, muss universell gelten, nicht fokussiert auf ein Gebiet, das gerade die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Weil Kiew 2000 km von Zürich entfernt ist, Bagdad hingegen 4370 km, und Zürich – Sanaa sind 6440 km. Ach, und Kabul ist wieder 6700 km entfernt …

Wumms: Rena Zulauf

Nachhilfe für eine Anwältin: Wer sie als Rechtsvertreterin hat, muss sich warm anziehen.

RA Zulauf liegt mit ZACKBUM in diversen Rechtshändeln. Hier entstehen an Positivem ihre sicherlich beeindruckenden Honorarnoten. Sonst kommt aber nicht viel Nützliches heraus.

So wie das Bundesgericht Zulauf über banale Formvorschriften aufklären musste, erteilt ihr nun das Bezirksgericht Zürich Nachhilfeunterricht für Anfänger. Denn hier geriet sie ohne Not in das Problem, wer denn für ihre Zivilklage zuständig sei.

Sie verfasste eine weitschweifige, fünfseitige «Stellungnahme», die ihren Mandanten eine wohl ebenfalls fünfstellige Summe gekostet haben dürfte. Denn sie war vor den Einzelrichter gelangt, obwohl jeder Laie erkennen müsste, dass für ihre Zivilklage das Kollegialgericht zuständig wäre.

Nun hatte sie aber den falschen Pfad betreten und versuchte mit allen Kräften, das Schlimmste zu verhindern. Falls ein Einzelrichter nicht zuständig sein sollte, bat die Anwältin um Überweisung an das zuständige Gericht.

Schon wieder musste sie sich belehren lassen: «Eine Überweisung von Amtes wegen an das zuständige Gericht findet – entgegen den Ausführungen des Klägers – nicht statt.» Klatsch. Auf Deutsch: falschen Baum angebellt. Setzen, nach Hause gehen, nochmals antreten.

Oder wie das Bezirksgericht sec verfügt:

«Auf die Klage wird mangels sachlicher Zuständigkeit nicht eingetreten. Die Gerichtskosten werden der klagenden Partei auferlegt.»

Zudem muss sie der beklagten Partei (also ZACKBUM) eine Umtriebsentschädigung zahlen.

Das sind allerdings Peanuts im Vergleich dazu, was dieser Schuss in den Ofen ihren Mandanten an Honoraren bislang gekostet hat. Der litt schon andernorts unter der eklatanten Rechtsunkenntnis seiner Anwältin, worüber er draussen vor der Türe auf einem unbequemen Bänkli reichlich Zeit zum Nachdenken fand.

Die Liste der Klatschen ist lang und länger. Für ihre Mandantin Jolanda Spiess-Hegglin kassierte Rechtsanwältin Zulauf sicherlich erkleckliche Honorare – und Niederlagen. Über eine Buchveröffentlichung stritt sie bis vors Bundesgericht.

Das im ersten Anlauf auf eine schludrig abgefasste, nicht mal die Voraussetzungen erfüllende Berufungsschrift gar nicht eintrat – Höchststrafe in Anwaltskreisen.

Auch für ihre Mandantin Patricia Laeri klagte sie gleich zweimal gegen «Inside Paradeplatz». Damit machte sie nicht nur zwei Gerichte ranzig, die sich zähneknirschend für vorläufig zuständig erklärten. Denn die Justiz will natürlich unbedingt vermeiden, dass zwei Spruchkörper zwei verschiedene Urteile in gleicher Sache fällen. Zudem kassierte sie mit ihrer Forderung nach einer superprovisorischen Verfügung gegen einen Artikel gleich zwei Klatschen: abgeschmettert.

Das alles hinderte die NZZaS-Journalistin Rafaela Roth nicht daran, einen weiblich-solidarischen Jubelartikel über eine der angeblich «geschicktesten Medienanwältinnen der Schweiz» zu verbrechen. Solches Ausblenden der Realität findet normalerweise nur in der Staatspresse Russlands oder Chinas statt.

Wenn es Gerechtigkeit in dieser Welt gibt, sollten nun zwei Dinge passieren. Roth schreibt einen korrigierenden Artikel. Zweitens: nicht nur dieser Mandant, sondern auch ein paar andere suchen sich eine kompetentere Rechtsvertretung

Fordernde Kulturschaffende

Wenn Sie nicht nach Subventionen gieren, wollen sie anderen Unsinn.

Filmemacher Samir, eher konfliktiv im Subventionsgrab «Kosmos» in Zürich unterwegs, hatte mal wieder eine Idee. Man sollte doch unbedingt eine Forderung an den Bundesrat auf den Weg bringen.

Worum geht’s? Blöde Frage, die Ukraine natürlich. Denn: «Mit jedem Tag, an dem wir nicht entschieden gegen das Regime vorgehen, sterben mehr Menschen». Wer will das schon, also her mit der Entschiedenheit. Was tun? «Die Finanzierungsnetzwerke des Putinregimes austrocknen».

Wer sollte das tun? Die «geschätzten Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte» – das hat man vom Genderwahnsinn. Was sollten die vermeiden? «Dass sich unser Land abermals zum Komplizen von Verbrechern macht». Wie geht das? Mit der Schaffung einer «Task Force».

Das fordert eine Liste von Kulturtätern «im Namen der Menschlichkeit und der Verteidigung der Demokratie». Kleiner hat man es in diesen Kreisen nie. Zum einen sollen «komplexe Vermögensstrukturen aufgedeckt» werden. Zum anderen soll der «russische Rohstoffhandel nicht weiter ungestört über/via die Schweiz fliessen». Und schliesslich soll das Land «so schnell wie möglich von russischen Öl- und Gasimporten unabhängig» werden.

Unterzeichnet ist der von Samir in Umlauf gebrachte «Aufruf» von den üblichen Verdächtigen. Charles Lewinsky, Jonas Lüscher, der ihn getextet haben soll, von Brachial-Komiker Mike Müller, Adolf Muschg, Roger de Weck, Patrick Frey und einigen Möchtegerns.

Wie es sich für verkopfte Künstler und Kulturschaffende gehört, wird nicht ganz klar, was sie eigentlich wollen. Welche Finanzierungsnetzwerke Putins sollte es denn in der Schweiz geben? Offenbar sind damit Vermögenswerte von reichen Russen gemeint, die man denen doch einfach mal präventiv wegnehmen sollte. Warum? Weil sie Russen sind, darum.

Und reiche Russen sind bekanntlich Verbrecher, weiss doch jedes Kind. Falls sie es nicht sind, sollen sie das halt gefälligst beweisen. Unschuldsvermutung war gestern, die Schuld muss über jeden vernünftigen Zweifel bewiesen werden, im Namen der Menschlichkeit: hinweg mit solchem Pipifax.

Dann soll der Handel mit russischen Rohstoffen nicht mehr in der Schweiz stattfinden. Wieso, ist das plötzlich illegal geworden? Will sowieso niemand mehr russische Rohstoffe? Doch, die ganze EU will sie weiterhin. Also soll der Handel woanders stattfinden? Super Idee.

Die Schweiz ist überhaupt nicht von russischem Öl, aber zu fast 50 Prozent von russischem Gas abhängig und stellt damit ca. 8 Prozent unserer Energie her. Das kann substituiert werden, und daran wird gearbeitet. Nur nützt da ein «so schnell wie möglich» ungefähr gleich viel wie der Wunsch, dass es morgen nicht regnen möge.

Auch mit ihren begleitenden Bemerkungen zeigen die Unterzeichner ein erschreckend flaches intellektuelles Niveau. So sagt Millionenerbe Patrick Frey:

«Wir wissen, was die Schweiz im Dritten Reich nicht getan hat. Und wir möchten, dass sich die Schweiz für einmal wirklich anständig verhält.»

Schriftsteller Lüscher schwant ganz Übles, käme Putin mit seinen Absichten davon: «Die Faschisten, auch im Westen, werden Frühlingsgefühle verspüren. Der Militarismus und der unsägliche Heroismus werden sich zurückmelden. Die Demokratie ist enorm bedroht.»

Sind das aber nicht die Gleichen, die den Heroismus und militärischen Widerstandswillen der Ukrainer loben? Und wieso sollte die Demokratie bedroht sein? Von Putin oder von diesen Rabauken, die keine Ehrfurcht und keinen Respekt vor dem Rechtsstaat zeigen?

Was lehrt uns also dieser Aufruf? Schweizer Kunstschaffende und Intellektuelle haben von Eigentumsgarantie, Gewerbefreiheit und anderen Grundwerten der Menschlichkeit und Demokratie keine Ahnung. Sie behaupten, wenn sich die Schweiz wie ein Rechtsstaat verhält, mache sie sich zum Komplizen von Verbrechern. Daher wollen sie nichts weniger als ihn beschädigen.

Im Namen der Menschlichkeit: Herr, lass Hirn vom Himmel regnen. Und verteile vorher an alle Unterzeichner dieses Aufrufs ganz grosse Löffel.

Justizposse

Die Zürcher Staatsanwaltschaft III als Flop-Produzent.

In Büro A-1 sitzt Dr. iur. Marc Jean-Richard-dit-Bressel. Der Abteilungsleiter mit dem langen Namen geht gerade im Prozess gegen Pierin Vincenz und weitere baden. Mit einer monströs überzogenen und an den Haaren herbeigezogenen Anklage wegen gewerbsmässigem Betrug. Damit will er die drakonische U-Haft von über 100 Tagen, die Vincenz und sein Kompagnon erleiden mussten, nachträglich legitimieren. Obwohl er höchstens Munition für simplen Spesenbetrug hat.

Im Büro A-2 sitzt Dr. iur Peter Giger. Der Name ist öffentlich weniger bekannt, obwohl auch Giger für einen ganz speziellen Flop sorgte. Es kommt nämlich sehr selten vor, dass ein Staatsanwalt wegen Befangenheit abberufen wird. Genau das widerfuhr aber Giger. Die Erste Strafkammer des Obergerichts Zürich urteilte auf Antrag der Verteidigung eines deutschen Wirtschaftsanwalts, dass «ein Anschein von Befangenheit» bei Giger vorhanden sei.

Das wiederum hat weitreichende und für die Anklage katastrophale Folgen: «Das führt dazu, dass die vom Staatsanwalt erhobenen Beweismittel nicht verwertet werden dürfen.» Ein Unglück kommt selten allein (aus der anonymisierten Urteilsbegründung): «Die in der Folge anstelle von Staatsanwalt A. durch Staatsanwalt F. durchgeführten Einvernahmen basieren dabei zu einem grossen Teil auf den Erkenntnissen der von Staatsanwalt A. erhobenen Beweise. Entsprechend erscheinen auch sie aufgrund des Anscheins der Befangenheit von Staatsanwalt A. grösstenteils als «fruit of the poisonous tree» und damit als nicht verwertbar. 4.2 Das Verfahren ist daher zwecks Wiederholung der nicht verwertbaren Beweisabnahmen an die Vorinstanz zurückzuweisen.»

Die könnte das Ganze an die Staatsanwaltschaft zurückgeben. Was auf Deutsch heisst: alles zurück auf null. Damit war dann auch der Prozess in Zürich gegen den deutschen Wirtschaftsanwalt geplatzt.

Der war in der Schweiz wegen Wirtschaftsspionage angeklagt. Konkret ging es darum, dass der Anwalt im Auftrag seines deutschen Mandanten, der von der Bank Safra Sarasin in Anlagen in sogenannte Cum/Ex-Fonds hineinberaten worden war, ihm zugespielte interne Unterlagen an die deutsche Staatsanwaltschaft weitergegeben hatte.

Insbesondere ein Gutachten der angesehenen Wirtschaftskanzlei Freshfields sagte klar, dass der Deutsche nur unzulänglich über die Risiken der Anlage aufgeklärt worden sei und man ihn zu entschädigen habe.

Bei Cum/Ex ging es darum, dass um das Auszahlungsdatum der Dividende fiktiv mehrere Besitzer der gleichen Aktie geschaffen wurden. Die konnten dann mehrfach eine nur einmal abgelieferte Steuerzahlung wieder zurückfordern. Auf diesem Konstrukt wurden ganze Fonds aufgebaut, die unter anderem von Safra Sarasin betuchten Kunden angeboten wurden. Als endlich diese Gesetzesunsicherheit beseitigt wurde, krachten die Fonds zusammen, die Anleger verloren ihre gesamte Investition in Millionenhöhe.

Ein Staatsanwalt verteilt die Gegenklage

Der Verdacht auf Befangenheit des gegen den deutschen Anwalt ermittelnden Staatsanwalts speiste sich insbesondere daraus, dass der Staatsanwalt der als Privatkläger involvierten Bank die Gegenklage des deutschen Anwalts zuhielt. Hier aber keinerlei Untersuchungshandlungen vornahm, während er die Klage der Bank gegen den deutschen Anwalt und weitere Beschuldigte energisch vorantrieb.

Schon der Fall Swissair zeigte, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft bei komplexeren Fällen an ihre Grenzen kommt – und darüber hinaus. Der Fall Vincenz, der Fall Cum/Ex, offenbar verlaufen sich hier die Staatsanwälte im Dickicht komplexer Finanztransaktionen oder Verträgen oder Geschäftsabwicklungen. Sie untersuchen so lange, bis sie ein Datenmeer gefüllt haben, in dem sie dann absaufen.

Wenn dann noch erschwerend hinzukommt, dass einem Staatsanwaltschaft Befangenheit nicht nur vorgeworfen werden kann, sondern die auch gerichtlich bestätigt wird, dann ist wirklich Feuer im Dach. Denn gerade Staatsanwälte im Bereich der Wirtschaftskriminalität haben Befugnisse, die nicht nur Personen, sondern auch Firmen beschädigen, gar zerstören können.

Staatsanwälte haben grosse Macht

Der Fall Swissair endete mit Freisprüchen für die Verantwortlichen des grössten Firmendesasters der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Der Ruf, die Karriere, die Reputation von Pierin Vincenz sind unrettbar zerstört. Der Satz «es gilt die Unschuldsvermutung» wurde ins Lächerliche gezogen. Unabhängig vom Urteil ist Vincenz (und sein Kompagnon) vorverurteilt. Erledigt. Ruiniert.

Da während solchen Strafuntersuchungen die Vermögenswerte der Angeschuldigten beschlagnahmt werden, haben die zudem nur beschränkte Möglichkeiten, sich eine erstklassige Verteidigung zu leisten. Das ist so wie wenn der Boxer in den Ring steigt – und eine Hand ist auf dem Rücken festgebunden.

Auch der deutsche Anwalt war mit einer mehrjährigen Gefängnisstrafe bedroht, von der er sich aber nicht beeindrucken liess und persönlich in Zürich vor Gericht erschien. Obwohl ihn sein Heimatstaat Deutschland sicher nicht an die Schweiz ausgeliefert hätte.

Schon vom Bezirksgericht wurde er vom Vorwurf der Wirtschaftsspionage freigesprochen. Es blieb eine Geldstrafe in sechsstellige Höhe, weil er einen Ex-Mitarbeiter der Bank Safra Sarasin zur Weitergabe von geheimen Bankdaten angestiftet haben sollte. Dagegen legte der Anwalt sofort Berufung ein und sprach von einem «schmutzigen Urteil nach einem schmutzigen Prozess».

Bevor der dann am Obergericht wieder richtig in die Gänge kommen konnte, ereilte die Staatsanwaltschaft der Blitz der Befangenheit, der sie dazu zwingen würde, die ganze Strafuntersuchung nochmal von Anfang an aufzurollen. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie diesen Extraeffort leisten will. Was bedeutet, dass das ganze Strafverfahren wie das Hornberger Schiessen ausgegangen ist.

Das hat auch in Deutschland das Renommee der Schweizer Justiz nicht gerade gestärkt.

 

Wumms: Nicole Althaus

Der Genderwahnsinn kennt keine Grenzen.

Eine Ska-Musikerin wird von den Klimarettern von «Fridays for Future» zu einem Event ein-, dann wieder ausgeladen. Ihre Dreadlocks gehen gar nicht, kulturelle Aneignung. Falls sie die abschneiden würde, vielleicht …

Die 95-jährige Philosophin Carola Meier-Seethaler wird zu einem Anlass über Philosophinnen ein-, dann wieder ausgeladen. Obwohl sie in ihrem langen Leben mehr für Gleichstellung und Feminismus getan hat als all die Gendersternchen-Kämpferinnen, hat sie das Wort «biologisch» nach Meinung der Veranstalter an einer falschen Stelle verwendet – und wollte es nicht streichen.

Wahnsinn, dennoch steigerbar. Denn Nicole Althaus serviert in der aktuellen NZZaS auch eine Portion Geschwurbeltes. Die stramme Feministin hatte sich schon in der Debatte um das Burkaverbot lächerlich gemacht: ««Ein liberaler Staat darf etwas nicht einfach deshalb verbieten, weil es manchen als unmoralisch scheint.»

Aber sie kann noch mehr. Anlässlich der Ohrfeige an der Oscar-Verleihung füllt sie eine Seite mit dem «Comeback der Ehre». Da mäandert sie sich nicht leicht verständlich durch die Zeilen, um dann zum grossen Finale anzusetzen, das in voller Pracht zitiert werden muss:

«Jada Pinkett Smith wurde buchstäblich auf einen Schlag mundtot gemacht und zur Statistin degradiert in der Diskussion um ihre Krankheit, ihre Glatze und das damit verbundene Weiblichkeitsbild. Sie kann sich nicht mehr verteidigen. Ihr Mann hat für sie entschieden und sie damit entmündigt. Was damit unsichtbar gemacht wurde, ist weibliche Selbstbehauptung und männliche Verletzbarkeit. Sie passen nicht zum Comeback des Ehrbegriffs, das wir gerade erleben. Das muss uns zu denken geben, wenn es, wie gern betont wird, in dieser Zeit vorab um die Verteidigung der Freiheit und der Werte in Demokratien geht.»

ZACKBUM bittet händeringend darum, dass jemand erklärt, was uns Althaus hier sagen will. Irgendwie hat ihr Mann Jada Smith mundtot gemacht und gar entmündigt. Das habe irgend etwas mit Freiheit und Werten in Demokratien zu tun.

Wir gestehen: entweder sind wir zu blöd, oder das ist Blödsinn.

 

Maximale Beschimpfung

Es gibt noch kleine Lichtblicke. Bernhard Schlink heisst einer.

«Das Denken macht nicht unglücklich», sagt der deutsche Autor («Der Vorleser») im Interview mit der NZZaS. Da hat er recht, aber können muss man es. Das Problem ist dann aber: wer denkt, kann nicht mehr schwarzweiss sprechen. Und das ist im Zeitalter der «Kultur des Denunziatorischen» nicht sehr gefragt. So bezeichnete Schlick schon 2015 die Unsitte, mit wohlfeilen denunziatorischen Urteilen sich «die Beschäftigung mit der Sache selbst» zu ersparen.

Was der andere Ansatz wäre, exemplifiziert er auf die Frage, was er davon halte, dass Putin zunehmend mit Adolf Hitler verglichen werde. Ein kleiner, atmender Moment des Reflektierens, der vollständig zitiert werden muss:

«Der Vergleich ist unergiebig. Putin ist schlimm, und wir müssen herauszufinden versuchen, warum er handelt, wie er handelt. Der Vergleich mit Hitler hilft dabei nicht, er ist nur der hilflose Versuch einer maximalen Beschimpfung.»

Man müsse nicht Jurist sein, «um die reflexhafte moralische Empörung dürftig zu finden». Darüber werden sich nun sicherlich manche empören, die sich nur wohlfühlen, wenn sie die Welt sauber in gut und böse unterteilen können. Wobei das Böse fraglos böse ist, und schon alleine der «Putin-Versteher» auf der dunklen Seite der Macht angekommen ist.

Solche moralinsauer imprägnierte Welterklärungen im Schwarzweiss-Modus sind nicht nur ungenügend und dumm. Schlimmer noch, sie erklären nichts. Sie vereinfachen zwar, aber damit nehmen sie die Wirklichkeit aus der Realität. Erstaunlich ist dabei, dass die Anhänger dieser Schattenrisse immer wieder bitter erkennen müssen, dass diese simplen Modelle scheitern. Weder im Irak, noch in der Ukraine kämpft der unbezweifelbar Gute gegen den unbezweifelbar Bösen. Putin ist nicht Hitler, auch nicht der Teufel. Selenskyj ist nicht Bandera, auch kein Engel.

Wer urteilt, sollte zuerst zu verstehen versuchen. Sonst ist sein Urteil falsch. Unnütz. Erkenntnishemmend. Aber eben, erspart das Denken. Das ist manchen sehr viel wert.