Wo informieren?

Eine Liste gegen die Rastlosigkeit.

Immer mehr aufgeweckte Beobachter des Zeitgeschehens fragen sich, welchen Newsquellen sie eigentlich noch vertrauen können. Bzw., wo sie Food for Thought herbekommen, nicht durchgekauten Einheitsbrei. Auf eine Leserfrage hin hat unser Mitarbeit Felix Abt in einem Leserkommentar eine Liste zusammengestellt. Sie verdient es, hier ergänzt aufgeführt zu werden:

The Intercept – ohne Bezahlschranke, unabhängig, das erste Medium, welches über die weltumspannende NSA-Schnüffelei berichtete und die entsprechenden Edgar Snowden-Reports publizierte.

Consortium News –  ohne Bezahlschranke, unabhängig, gegründet von einem amerikanischen investigativen Journalist, der bekannt wurde für seine Rolle bei der Berichterstattung über die Iran-Contra-Affäre für Associated Press (AP) und Newsweek, einschließlich der Aufdeckung der psychologischen Operationen im Guerillakrieg (CIA-Handbuch für die nicaraguanischen Contras) und der CIA-Beteiligung am Contra-Kokainhandel.

Fair Observer –  ohne Bezahlschranke, unabhängig, ein Kunterbunt an Artikeln verschiedenster Ausrichtung, da die Beiträge nach dem Crowdsourcing-Prinzip entstehen: prinzipiell kann jeder Artikel einreichen. Man erhofft sich so eine länderübergreifende umfassende 360°-Perspektive.

Asia Times – teilweise mit Bezahlschranke, die wichtigste der [englischsprachigen] Regionalpublikationen, welche Asien abdecken.

Counterpunch – ohne Bezahlschranke, unabhängig, gegründet von investigativen Journalisten, gilt als eine der beliebtesten politischen Quellen in Amerika, war in einen Skandal verwickelt, als eine fiktive Journalistin, hinter der angeblich der russische Geheimdienst stand, Artikel publizierte (die inzwischen alle gelöscht wurden).

Off-Guardian – ohne Bezahlschranke, unabhängig, wurde im Februar 2015 ins Leben gerufen und hat seinen Namen von der Tatsache, dass seine Gründer, ehemalige Journalisten und Leser der britischen Zeitung «The Guarden» zensiert und/oder aus den Abschnitten «Comment is Free» des Guardian verbannt wurden. Ihre Redaktoren und Administratoren sitzen in den USA, Großbritannien und Europa.
Off-Guardian will sich dem offenen Diskurs und der freien Meinungsäußerung widmen und Artikel auf beiden Seiten eines bestimmten Themas publizieren.

The American Conservative – ohne Bezahlschranke, unabhängig, steht für einen Konservatismus, der unkontrollierte Macht in Regierung und Wirtschaft gleichermaßen ablehnt.

CovertAction Magazine – ohne Bezahlschranke, gegründet von einem ehemaligen CIA-Offizier, der zum Agenturkritiker wurde. Das Magazin hat sich spezialisiert auf illegale Regierungsaktivitäten, die in aller Regel geheim gehalten werden und von den Medien nicht thematisiert werden. Beiträge und Informationen stammen zu einem grossen Teil von ehemaligen CIA- und anderen Regierungsbeamten. Einer seiner Autoren ist John Kiriakou, ein ehemaliger CIA-Agent, welcher sich gegen Folterungen aussprach, selbst nie folterte, aber 30 Monate lange ins Gefängnis musste, weil er diese Praktiken öffentlich machte. Im Unterschied zu ihm wurde keiner der Folterknechte der CIA und des amerkanischen Militärs jemals bestraft.

The Atlantic – mit Bezahlschranke. Aber lachhafte 60 US-Dollar kostet das digitale Jahresabonnement; eine Investition, die sich lohnt.

The New Yorker – mit Bezahlschranke. Das Blatt, bei dem Journalisten noch Freiheiten und Privilegien der Tiefenrecherche geniessen, bei denen man in Europa nur grün vor Neid werden kann.

Mother Jones – die grosse, alte Dame des Muckraking-Journalismus, des Aufdeckungsjournalismus in der Tradition eines Upton Sinclair oder Lincoln Steffens. Finanziert sich weitgehend durch Spenden.

The Economist – das grosse englische Wirtschaftsmagazin, das dank eigener Stiftung selbstfinanziert ist. Und den guten, alten angelsächsischen Faktenjournalismus betreibt, weiterhin ohne Autorenzeile, denn Bauchnabelschau ist nicht in. Eigentlich alles hinter Bezahlschranke; wobei 175 Franken für ein digitales Jahresabo ist gut investiertes Geld.

Financial Times – Höchstens im Zweikampf mit dem WSJ an einem Konkurrenten zu messen. Deckte zum Beispiel im Alleingang den deutschen Wirecard-Skandal auf – während alle deutsche Medien sich einer Verleumdungskampagne anschlossen und Wirecard Prozesse lostrat. Mit einem Franken ist man für vier Wochen dabei. Wer sich dadurch anfixen liess, zahlt dann 399 Franken für ein Jahr. Die Hälfte einer Schweizer Tageszeitung – für den doppelten Wert.

Wall Street Journal – Auflage 2,2 Millionen; auf jeden Artikel wird normalerweise mehr Manpower verwendet als für eine ganze Ausgabe einer Schweizer Tageszeitung. Zusammen mit der FT die Benchmark für Wirtschaftsberichterstattung – und vieles mehr. Mit dem Schnäppchenpreis von 24 Franken ist man digital dabei – für ein Jahr.

 

Und auf Deutsch? Auf Deutsch senden wir das Pausenzeichen …

Wumms: Marko Kovic

Unser Dauergast auf dem Weg nach unten. Wir begleiten ihn.

Marko Kovic sei «Soziologe und Journalist». Also behauptet er einen gewissen wissenschaftlichen Anspruch plus Handfertigkeiten.

Das äussert sich dann so:

Die «rassistische Fantasie» basierte dann allerdings auf wahren Ereignissen, wie der «Wissenschaftler» Kovic schnell einräumen musste, nachdem ihn ein Journalist darauf aufmerksam gemacht hatte.

«Es darf nicht sein, dass Nigerianer oder Iraker mit ukrainischen Pässen plötzlich 18-jährige Ukrainerinnen vergewaltigen.» Diese Formulierung des SVP-Fraktionschefs Thomas Aeschi im Nationalrat strotzte auch nicht gerade von Intelligenz. Die Anwendung des Plurals und des Indikativs war bescheuert.

Das liess sich aber problemlos durch diesen Soziologen steigern, der einen Shitstorm gegen den SVP-Politiker lostrat, dem sich selbstverständlich die Grünen anschlossen. Sie boykottierten tapfer eine «Arena»-Sendung, um ein Zeichen zu setzen. Denn die grüne NR-Präsidentin Irène Kälin streute Asche auf ihr Haupt, ihn nicht sofort gemassregelt zu haben. Sie sei abgelenkt gewesen, «auch Präsidentinnen haben nur beschränkte Multitasking-Fähigkeiten».

Diese Scharte machte dann Fraktionschefin Aline Trede wieder wett – keine Teilnahme an der «Arena» mit dem «Rassisten» Aeschi. Dieses Zeichen wurde von Moderator Sandro Brotz tapfer aufgenommen, der seinerseits den SVP-Nationalrat auf den Grill legte.

Was lernen wir daraus? War’s absichtliche Provokation oder unabsichtlicher Ausrutscher: diese Formulierung Aeschis war daneben. Von einem «Soziologen und Journalisten» müsste man ein Mü mehr Recherche erwarten, bevor der einen Shitstorm lostritt. Während eine Grüne einen Blackout hatte, setzt die nächste mutig ein Zeichen in Form der Debattenverweigerung.

Da soll sich noch einer wundern, dass das Image von Wissenschaft und Politik nur noch vom Journalismus unterboten wird.

Von Schiffen und Ratten

Führungsfiguren verdienen viel, weil sie viel Verantwortung tragen.

Selten so gelacht.

Das hier wird in die Lehrbücher als Beispiel für Heuchelei eingehen. Immer, wenn es Kritik an Millionensalären von Angestellten geht – denn alle Wichtigtuer in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat sind das –, murmeln die was von grosser Verantwortung, schier übermenschlichen Leistungen, grosser Übersicht, weltweiter Erfahrung.

Als Sahnehäubchen setzen sie noch drauf, dass der Wettbewerb halt verlange, für gute Leute gute Saläre zu bezahlen. Schliesslich müsse sich Leistung lohnen, könne das nicht jeder. Was genau?

Die Credit Suisse wird von einem Skandal nach dem anderen geschüttelt. Der vorletzte CEO stolperte über eine Beschattungsaffäre. Der vorletzte VR-Präsident über seine Wurstigkeit gegenüber Corona-Regeln.

Der Aktienkurs dümpelt noch knapp über dem Allzeit-Tief bei 7,50 Franken. Nahe am Totalverlust für Anleger, die zu Höchstkursen einstiegen. Mit einem einzigen, vorbestraften Kunden fuhr die Bank einen Verlust von wohl 5 Milliarden ein, mit dem dubiosen «Geschäftsmodell» eines australischen Wunderknaben 2 Milliarden.

Engagement in Russland, offene Kredite im Rohstoff-Trading, Asset-Beleihung für reiche Russen: steht wo ein Fettnapf, die CS springt rein.

Das ist nun eindeutig die Zeit, Verantwortung zu tragen, die grosse Überlegenheit des Beziehers eines Millionensalärs auszuspielen. Hier ist der Verwaltungsrat gefordert, der schliesslich die Strategie vorzugeben hat, an die sich die GL halten soll.

Also genau der richtige Moment für den Pharma-Man Severin Schwan, die Verantwortung für seine Personalpolitik zu übernehmen. Rücktritt. Oder von Kai Nargolwala, berühmt geworden für seine Salärexzesse und Leiter des Vergütungsauschusses. Rücktritt. Oder für Juan Colombas, um zu zeigen, dass er nicht einfach als Horta-Osório-Mann in den VR kam. Rücktritt.

Da soll sich noch ein Banker wundern, wieso das Image dieser Berufsgattung im Keller ist und bleibt.

Der grösste Schurke USA

Nehmt den reichen Russen ihre Jachten weg. Am lautesten schreit immer der grösste Schurke.

Die Schummeleien mit CumEx, eine Methode, sich einmal gezahlte Steuern zwei- oder mehrfach zurückzahlen zu lassen, richtete in Europa einen Schaden von geschätzten 60 Milliarden Franken an.

Über Jahre hinweg waren die Steuerämter, in erster Linie der deutsche Fiskus, nicht in der Lage eine offenkundige Gesetzeslücke zu stopfen – obwohl sie ständig darauf hingewiesen wurden. In der Schweiz wurde der Trick auch versucht – und scheiterte an eidgenössischen Steuerkommissären, die sich weder ins Boxhorn jagen, noch hinters Licht führen liessen.

Der Mastermind des Schwindels flüchtete in die Schweiz. Und sitzt in Auslieferungshaft Richtung Deutschland. Glaubte halt das Märchen der Alpenfestung, hätte sich besser in die USA abgesetzt.

Wenn man an westliche Rechtsstaaten glaubt

Über viele Jahre hinweg war das Geld von reichen Russen, aus unerfindlichen Gründen Oligarchen genannt, im ganzen Westen hochwillkommen. Die reichen Russen befeuerten den Bau von Superjachten, kauften teuerste Immobilien an bester Lage und verstauten ihr Geld auf westlichen Bankkonten.

Solche Geldflüsse sind naturgemäss sehr schwer aufzudecken, weil es durchaus im Interesse der Besitzer ist, zwar mit ihrem Reichtum anzugeben, aber nicht offenzulegen, wo sie ihn gebunkert haben. Deshalb gibt es nur Schätzungen. Eine aus dem Jahr 2017 geht davon aus, dass reiche Russen rund 800 Milliarden Dollar auf Banken in England, Zypern, der Schweiz und Offshore-Paradiesen gelagert haben.

Natürlich sind damit nur Gelder gemeint, die mehr oder minder direkt mit einem solchen reichen Russen in Verbindung gebracht werden können. Die meisten dieser Superreichen sind zwar stinkreich, aber leider auch furzdumm. Denn sie glaubten an Dinge wie Eigentumsgarantie, Rechtsstaatlichkeit und daran, dass man zwar in Russland einfach enteignet werden kann, aber doch nicht in zivilisierten, westlichen Staaten.

Am sichersten ist das Geld immer in den USA

Geschickter waren schon die, die ihr Geld im sichersten Ort auf Erden für alle Arten von dunklen Geldflüssen investierten. In den USA natürlich. Von Sunny Isles in Florida über Cleveland bis hin zu Hochhäusern in Manhattan ist das Geld der postsowjetischen Oligarchen in den letzten Jahrzehnten in die Grossstädte und das Kernland geflossen.

Das liegt daran, dass die Regierung nur sehr wenig tun kann, um herauszufinden, wem welche Immobilien in den USA gehören, die zu einem «Ziel der Wahl» für Geldwäscher auf der ganzen Welt geworden sind, sagt Louise Shelley, Direktorin für grenzüberschreitende Kriminalität und Korruption Center an der George Mason University, die als Sachverständige darüber auftrat, wie russisches Geld durch Immobilien gewaschen wird.

Auf mehr als 2,3 Milliarden Dollar wird das Geld geschätzt, dass in den letzten Jahren so gewaschen wurde.

«Es gibt dieses Missverständnis, dass Sie einfach rausgehen und diese Villen beschlagnahmen können, diese Yachten beschlagnahmen. Bei so vielen ist der Besitzer eine komplette Blackbox»,

sagt Casey Michel, der Autor von «American Kleptocracy: How the U.S. Created the World’s Greatest Money Laundering Scheme in History».

«Die USA haben den Oligarchen alle Werkzeuge der Anonymität zur Verfügung gestellt, die sie brauchten», sagt er, und es gebe keine unmittelbaren exekutiven Massnahmen, die Präsident Biden ergreifen kann, um das Problem zu beheben.

Übrigens, nebenbei, natürlich sollte auch Igor Kolomoisky auf der Liste sanktionierter Oligarchen stehen, der Förderer des ukrainischen Präsidenten und Kriegshelden Selinskyj.

Die Schweiz stellt sich selbst an den Pranger

Die ewigen Leak-Ausschlachter bei Tamedia überbieten sich gerade mal wieder in Selbstanklagen: «Die Schweiz, entblösst als Putins Geldträgerin», leitartikelt Oliver Zihlmann. Ohne sich der unfreiwilligen Komik bewusst zu sein, beginnt der Tamedia-Redaktor:

«Die USA haben zur wohl grössten Schatzsuche der Geschichte geblasen.»

Da ist was dran, denn mit rechtsstaatlicher Abklärung des korrekten Besitzes von Vermögen, Jachten oder Immobilien hat diese Schatzsuche wenig zu tun. Es geht darum, Symbole des Reichtums schlichtweg zu arretieren – auf nichts hin. Denn die gleichen Besitzer, denen heute ihre Bankkonten eingefroren werden, konnten sie jahrelang problemlos benutzen.

Was hat sich geändert? Präsident Putin hat die Ukraine überfallen, das hat sich geändert. Sonst eigentlich nichts, was die Besitzer dieser Vermögen betrifft. Aber Zihlmann geht noch einen Schritt weiter: «Doch jetzt jagen die mächtigsten Länder der Welt diesen Geldern nach, und sie werden immer wieder auf Schweizer Bankkonten stossen

Richtig, so wie sie auf Bankkonten überall auf der Welt stossen werden. Dass reiche Russen ihre Vermögenswerte nicht Banken in Angola, Cabo Verde oder Paraguay anvertrauten, sondern in erster Linie dem nach wie vor grössten Finanzplatz für Privatvermögen, nämlich der stabilen Schweiz, was Wunders.

Zihlmann sieht schwarz: «Wir riskieren, dass man uns als Geldträgerin und Gehilfen für ein Regime wahrnimmt, das für eine humanitäre Katastrophe historischer Dimensionen verantwortlich ist. Einmal mehr muss das ganze Land den Kopf hinhalten für die Skrupellosigkeit einiger Akteure auf dem Finanzplatz.»

Wenn Akteure auf dem Schweizer Finanzplatz gegen Schweizer Gesetze verstossen haben, gehören sie selbstverständlich bestraft. Aber so die «Schatzsuche» verlumpender Staaten bejubeln, das ist schon nassforsch.

Moderner Imperialismus geht mit dem Big Stick Dollar

Gerade die Schweiz musste schmerzlich erfahren, wie die USA rechtsimperialistisch die Gültigkeit ihrer Gesetze innerhalb der Schweizer Grenzen durchsetzten – im sogenannten Steuerstreit. Man kann es nicht oft genug wiederholen, vielleicht kapiert’s dann auch Zihlmann irgendwann:

Die meisten Schwarzgelder der Welt liegen in den USA. Die undurchsichtigsten Firmenkonstruktionen zwecks Verschleierung des wirklichen Besitzers sind in den USA möglich. Die grössten Geldwaschmaschinen für alles kriminelle Geld der Welt, aus Drogenhandel, Menschenhandel, Prostitution, Sklaverei und Ausbeutung von Kindern – stehen in den USA.

Im Vergleich dazu stehen die Schweizer Gnome inzwischen mit blütenweisser Weste da. Das Land, das den Kampf gegen Steuerhinterziehung auf alle Flaggen geschrieben hat, nimmt nicht am Automatischen Informationsaustausch über ausländische Kundenvermögen teil. Wenn ein Ami in der Schweiz Geld vor dem Fiskus verstecken will, dann hat er schlechte Karten. FATCA. Und sollte sein Finanzinstitut diese Meldung unterlassen und es kommt doch heraus, dann hat es drakonische Strafen zu befürchten.

Versteckt aber ein Schweizer sein Schwarzgeld in den USA, dann hat er schlichtweg nichts zu befürchten. Genauso wenig wie der Drogenbaron, der Blutdiamantenhändler, der Kinderausbeuter. Und da macht sich Zihlmann echt Sorgen, dass das Image der Schweiz leiden könnte? Nun, wenn solche nützliche Idioten für grosse Multiplikatoren schreiben, muss man sich darum tatsächlich Sorgen machen.

Weil die ihren Beitrag dazu leisten, dass der grösste Schurke beim Verstecken, Waschen, Investieren von schmutzigem Geld, mit dem Zeigefinger auf alle anderen zeigen darf. Ohne dass alle Zeigefinger auf ihn deuten, ohne dass die USA weltweit aufgefordert werden, zuerst mal den eigenen Saustall aufzuräumen.

 

 

Freie Presse

Kommentar? Kommentar fast überflüssig. Die neue Rubrik.

«Oder ob die Bevölkerung endgültig genug hat von Putins wichtigstem Trojaner im Westen.»
Wolfgang Rössler in der NZZaS über Ungarns Präsident Viktor Orban.

«Ich möchte, dass Sie Ukrainer sind
Wolodimir Selenskyj zu Demonstranten in Bern. Es gab Applaus.

«Die Politik kommt nicht umhin, bei der Förderung der Erneuerbaren ein paar Gänge höher zu schalten.»
SoBli-Chefredaktor Gieri Cavelty mit einer wunderbaren Auto-Metapher in seinem Editorial über «Blochers bizarre Neutralitätsdebatte».

«Der Westen kann den neuen Kalten Krieg gewinnen».
Der heisse Krieger Martin Suter in der «SonntagsZeitung».

«Die Historikerin Anne Morelli hat zehn eherne Regeln der Kriegspropaganda definiert.»
Daniel Friedli in der NZZaS. Man stelle sich vor, welches Gebrüll erschallen würde, hätte Friedli Arthur Ponsonby als geistigen Urheber dieser zehn Regeln bezeichnet, während es in Wirklichkeit Morelli gewesen wäre. Aber da es umgekehrt ist …

«Insbesondere gilt es, jene Kräfte zu bekämpfen, die jetzt auf Putins Logik einsteigen und seinem chauvinistischen Grössenwahn geradezu defätistisch mehr Nationalismus, Protektionismus und Aufrüstung entgegensetzen wollen. Angesagt ist vielmehr ein entschlossenes Vorantreiben multilateraler Lösungsansätze auf globaler Ebene, eine Stärkung der Uno, das Zur-Rechenschaft-Ziehen von Kriegsverbrechern und eine internationale Abrüstung, die Ressourcen freisetzen kann, die anderswo dringend gebraucht werden.»
Der emeritierte Professor für Geschichte Jakob Tanner im SoBli. Das haben wohl nicht nur die Leser dort nicht verstanden.

«Was sollen die USA tun, um den Ukrainern zu helfen? Eine Flugsverbotszone errichten und wirksame Waffen liefern. Die Nato vielleicht sogar Truppen. Was soll die Schweiz tun, um der Ukraine zu helfen? Den Rohstoffhandel stoppen, der zu 80 Prozent über unser Land läuft. Und natürlich das Geld von Putin, seiner Entourage und seinen Helfern, den russischen Oligarchen, sperren, das sind 180 Milliarden Franken, die bei uns vermutet werden.»
Arthur Rutishauser, der Oberchefredaktor bei Tamedia, in seinem Editorial in der «SonntagsZeitung». Er möchte also gerne den Dritten Weltkrieg ausrufen und nebenbei noch den Rechtsstaat Schweiz zu Kleinholz verarbeiten.

«Das 700 PS Finale. Auf dem Weg ins E-Zeitalter lässt es der britische Hersteller Aston Martin nochmals krachen: Der Vantage feiert sein letztes Comeback als V12».
Autor spx. In der «SonntagsZeitung» über zeitgemässe Automobiltechnik.

 

 

Wumms: Frank A. Meyer

Geist und Geld, eins davon regiert die Welt.

Ringiers Hausgespenst, der Weltenlenker und Denker Frank A. Meyer führt im Blatt der gehobenen Intelligenz eine Kolumne. Aus Gründen, die nur ihm erfindlich sind, bemüht er sich um die Klärung Schweizer Probleme mit einem Autorenporträt, das ihn mit verdunkelten Brillengläsern vor dem Brandenburger Tor zu Berlin zeigt. Aber soll wohl den SoBli-Leser von seiner Weltläufigkeit überzeugen.

Ein Jugendfoto von Meyer in Berlin.

Aktuell nimmt er sich der «Politik des Friedens nach dem Motto «Wandel durch Handel», die neue Formel der zivilisierten Welt für den Umgang mit der unzivilisierten Welt, auf dass sich jene schliesslich ebenfalls zivilisieren möge» an. Als zivilisiert gilt für Meyer offenbar die Schweiz und Deutschland, unzivilisiert im Besonderen sind Russland und China. Etwas geschichtsvergessen, der Herr.

Eben «Business as sual». Das sei ein «Irrglaube», gar «eine gefährliche Praxis im Umgang mit Diktaturen und Despotien», donnert Meyer aus dem sicheren Schützengraben der deutschen Hauptstadt.

Da ist ihm offenbar etwas der Kontakt zur Geschäftsrealität in der Schweiz abhanden gekommen. Genauer zum «Business as usual» seines Brötchengebers. Denn Ringier ist inzwischen ein internationaler Konzern geworden, der in Ungarn freundlich mit dem Potentaten Orban umgeht. In Serbien gegen die Diskriminierung des Tenniscracks Djokovic schimpft.

2017 hat sich Ringier, aus rein geschäftlichen Gründen, von Ringier China Co. Ltd. verabschiedet. Man wolle sich mehr auf die Aktivitäten in Myanmar und Vietnam konzentrieren. Bekanntlich zwei lupenreine Demokratien, wie vielleicht Altkanzler Schröder sagen würde, den Meyer als teuren Berater zu Ringier lotste und gerne als Schmuckleiste bei seinen sogenannten «Dîner républicain» begrüsste.

Ringier ist auch in Ghana, Senegal, Nigeria, Kenia, Uganda oder der Elfenbeinküste tätig. Da ist es für den Medienkonzern sicher eine Erleichterung, dass Meyer am Schluss seiner Suada zum Ergebnis kommt: «Business mag Business sein. Politik jedoch ist mehr. Politik ist Verantwortung.»

Vielleicht könnte der Hauskolumnist auch mal Verantwortung in seinem eigenen Laden übernehmen. Aber das hat er in seiner jahrzentelangen Karriere dort immer gefliessentlich vermieden.

Flops produzieren ja, dafür geradestehen – niemals. Grosse Reden schwingen – immer. Praktisch umsetzen – niemals.

Viertes Sanktionspaket der EU

So geht’s halt: die Schweiz übernimmt und übernimmt.

Eisen, Stahl und Luxusgüter. So könnte man die Massnahmen des inzwischen vierten Sanktionspakets der EU zusammenfassen. Plus der Entzug des Meistbegünstigtenstatus und die Erweiterung der sogenannten Oligarchenliste.

Was schon beim gescheiterten Rahmenvertrag ein Problem darstellte, manifestiert sich hier deutlich. Mitgegangen, mitgefangen. Wer einmal Sanktionen der EU übernimmt, muss auch alle weiteren automatisch nachvollziehen.

Hier geht es um ein fast vollständiges Verbot jeglicher Transaktionen mit 12 bedeutenden russischen Staatsbetrieben wie Gasprom oder Rosneft. Allerdings, neckisch, der Erwerb «fossiler Energieträger», sowie von Titan, Aluminium etc. ist ausgenommen. Man will ja schon sanktionieren, aber bitte in der warmen Stube.

Köstlich ist auch ein Ausfuhrverbot für Luxusgüter, also

Luxusautos, Schmuck, Haushaltsgegenstände, Porzellan, Elektrogeräte, Bekleidung und Taschen, Lebensmittel und Alkoholika, reinrassige Zuchttiere.

Viel souveräner handhaben das die USA. Deren Sanktionen sind schlichtweg weltweit gültig und verbindlich. Denn eigentlich jeder (und jede) verwendet entweder US-Dollar oder Produktebestandteile oder Technologien made in USA. Und im Zweifelsfall hat man ja eine Filiale im Land of the Free, und was da eine vertiefte Prüfung der hygienischen Zustände samt Werksschliessung alles anrichten könnte …

Wie sagte EU-Präsidenten Ursula von der Leyen pompös: «Diejenigen, die Putins Kriegsmaschinerie am Laufen halten, sollten nicht länger ihrem pompösen Lebensstil frönen können, während Bomben auf unschuldige Menschen in der Ukraine fallen.»

Nehmt das, ihr Kriegsmaschinenwarte. Chanel, Rolex, Gucci, Single Malt, Meissen, Dysonfön, könnt ihr euch alles abschminken. Fertig mit Versace, der Brioni muss aufgebügelt werden, die Louboutins ausgetragen.

Kein Nachschub für Oligarchinnen …

Wer nach einem Beispiel sucht, um das Wort lachhaft zu illustrieren …

 

 

Soldaten im Propagandakrieg

Wir sind auf die eigene Bedeutungslosigkeit zurückgeworfen. Aber nicht alle wissen darum.

Eigentlich gibt es nur eine Art von Menschen, deren Meinung tatsächlich zählt. Das sind die Regierenden, die Herrschenden, die Mächtigen. Was ein US-Präsident, der chinesische Machthaber, ein Bill Gates oder ein George Soros, ein Carlos Slim denken, wollen, beabsichtigen, das bewegt etwas.

Natürlich sind sie umgeben von Beratern und Einflüsterern wie Schmeissfliegen, die sich den Platz nahe am Ohr des Mächtigen streitig machen. Einflüsterer wie der mutmassliche Kriegsverbrecher Henry Kissinger, graue Eminenzen, Kofferträger spielen eine wichtige Rolle bei Entscheidungen.

Die werden meistens nicht in offener Feldschlacht an grossen Tischen gefällt. Sondern in kleiner, vertrauter Runde, am Abend, durchaus auch mit einem Absackerchen. Da gewinnt dann nicht etwa der mit den besseren Argumenten. Sondern der begabte Rhetoriker, der Schlagfertige, der im richtigen Moment den richtigen One-Liner produzieren kann. Das ist nicht immer der Präsident, wie das in «House of Cards» so unnachahmlich vorgeführt wurde.

Natürlich spielt auch der Generalstab eine wichtige Rolle, also sein meinungsstärkstes Mitglied, denn zumindest als Option ist Gewalt immer ein Thema. Auch bei wirtschaftlich Mächtigen, dafür gibt es auch im Westen private Söldnerfirmen, die auf Wunsch ganze Staatsstreiche servieren.

Schliesslich spielt der Geheimdienstchef eine besondere Rolle, das ist in Privatfirmen der Intel-Officer. Beide sollen den Mächtigen mit legalen oder illegalen Mitteln erworbene Intelligence liefern, also Lageberichte, Einschätzungen, Geheiminformationen.

Aus der Serie: Kim looking at things.

Selbst Kim der Dickere kann zwar auf begrenztem Raum, dort aber unbeschränkt seine Meinung durchsetzen. Umso diktatorischer ein Regime funktioniert, desto hierarchischer sind die Entscheidungswege. Von oben nach unten. Wobei das Problem besteht, dass von unten nach oben meist nur das kommt, was der Herrscher hören will.

So ist es lustigerweise eines der grösseren Probleme aller Mächtigen, realistische und wirklichkeitsnahe Entscheidungsgrundlagen zu bekommen. Der Überfall auf die Ukraine ist das aktuellste Beispiel einer unendlich langen Reihe solcher Entscheidungen, die offensichtlich in völliger Verkennung der wirklichen Sachlage getroffen wurden. In den ersten, längst vergessenen Ankündigungen aus dem Kreml hiess es noch, dass es sich um eine zeitlich eng begrenzte, sozusagen überschaubare Militäraktion handeln werde. Mehr so ein chirurgischer Eingriff, anlog zur Okkupation der Krim. Schnell rein, schnell aufräumen, schnell wieder raus.

Ständig Fehlentscheide aufgrund ungenügender Faktenkenntnis

So kann man sich täuschen. Die beiden letzten Weltkriege (wie die meisten Kriege zuvor) waren voller Fehlentscheide aufgrund falscher Wahrnehmungen. Frankreich wird einem deutschen Angriff widerstehen. Die UdSSR wird dem deutschen Angriff nicht widerstehen. Der damalige Kremlherrscher Stalin wollte es mehrere Tage lang nicht glauben, dass sein Verbündeter Hitler tatsächlich mit dem Überfall auf die UdSSR begonnen hatte. Zuvor hatte Stalin alle Geheimdienstinformationen, die sogar das exakte Datum der Invasion vorhergesagt hatten, als Feindpropaganda, auf die man hereingefallen sei, vom Tisch gewischt. Alle Kriege der eigentlich weit überlegenen arabischen Staaten gegen Israel endeten in krachenden Niederlagen. Der Vietnamkrieg war von Anfang bis Ende ein so aussichtsloses wie verbrecherisches Unternehmen.

In Afghanistan haben sich alle Grossmächte seit den Kolonialzeiten die Zähne ausgebissen und eine blutige Nase geholt. Die Ureinwohner beider Amerika meinten, den Besuchern von jenseits des Atlantiks entweder mit Freundlichkeit oder mit überlegener militärischer Stärke entgegentreten zu können.

Umgeben werden all diese Mächtigen von geschickten Handwerkern, die ihre Entscheidungen der Öffentlichkeit schmackhaft machen. Spin Doctors, PR-Genies, Wortzauberer. Mit der Verbreitung der Massenmedien und nochmals mit mehr Schub durch all die Internet-Plattformen spielt der mediale Aspekt einer Entscheidung eine gleich grosse Rolle wie materielle Faktoren bei der Umsetzung. Einen Krieg gewinnen, das bedeutet auch und nicht zuletzt den Propagandakrieg gewinnen.

Der Lautsprecher beginnt, sich wichtig zu nehmen

Dazu sind Plattformen, Megafone, Lautsprecher, Multiplikatoren unabdingbar. Das führt aber zu einem merkwürdigen Kollateralschaden. Die Angestellten dieser Lautsprecher, also die Journalisten, die Redaktoren, meinen, dass auch ihre Meinung etwas zähle. Dabei sind sie höchstens Soldaten im Propagandakrieg. Erfüllungsgehilfen. Kanonenfutter, mehr oder minder nützliche Windfahnen, Meinungsträger, meistens Opportunisten.

Häufig auch noch mit einem sehr bescheidenen Rucksack an Allgemeinbildung oder Vorkenntnissen ausgerüstet. Aber sie geben sich der Illusion hin, weil das Mediale so wichtig geworden ist, dass das ihre eigene Bedeutung erhöht habe. Dabei ist es den wirklich Mächtigen völlig schnurz, ob Redaktor X einen flammenden Kommentar dagegen schreibt, Redaktor Y scharfe Kritik übt, gewürzt mit strengen Forderungen.

In den Kommandozentralen der Entscheider löst das – wenn überhaupt – gelegentlich amüsiertes Gelächter aus, wenn kleine Würstchen grossen Machtmenschen die Leviten lesen, sie zurechtweisen, ihnen Handlungsanleitungen ans Herz legen.

Die Meinung der Mächtigen zählt. Die Meinung der Medienmacher zählt nicht. Die einen wissen um die Macht, die anderen bilden sie sich ein.

Und der grosse Rest?

Die breite Masse aber, wozu auch ZACKBUM zählt, ist sich wenigstens bewusst, dass unsere Meinung, unsere Ansichten eigentlich nichts zählen. Überhaupt nichts. Keine Demonstration, keine Zeichen, kein Einstehen für, kein Protestieren gegen wird etwas ändern.

Wieso wir es denn überhaupt tun? Ganz einfach. Weil es uns selbst bestätigt, dass wir auch auf der Welt sind und einen eigenen Kopf haben. Der sich auch an der Realität abarbeitet und zu Erkenntissen, Schlussfolgerungen, Einsichten kommt. Aber eigentlich nur für sich selbst – und für die «happy few», für die Stendhal schrieb. Für die jeder schreibt, der nicht der Illusion verfallen ist, Schreiben bringe mehr als im besten Fall intellektuellen Spass und wirkungslosen Erkentnisgewinn.

Denn schreiben bedeutet immer: trotz alledem. Man schreibt, weil man muss. Sonst ist da nichts.

Hilfe, mein Papagei onaniert

Niveau: liefergelegt. Denkapparat: ausgeschaltet. Banalyse statt Analyse. Part 2.

«Held. Staatspräsident. Präsident. Format. Mutig. Grösse. PR-Genie. Tapfer. Vorbild. Gewachsen. Anführer. Mediengenie. Ausgezeichneter Redner. Motivierend. Unterschätzt. Überlegen. Stark. Begeisternd. Landesvater. Treue. Patriotismus. Freiheit. Echt. Authentisch»

Blütenlese eines Tages.

In einem Rechtsstaat gilt, dass ein Angeschuldigter nicht seine Unschuld beweisen muss. Sondern der staatliche Ankläger die Schuld, die über jeden vernünftigen Zweifel erhaben sein sollte. Denn sonst gilt der zentrale Satz: Im Zweifel für den Angeklagten.

Das gilt für alle und überall. Natürlich mit Ausnahme von russischen Oligarchen. Tamedia verfügt offenbar seit Längerem über Insiderkenntnisse, was Roman Abramowitsch betrifft. Früher, ja früher, war er ein gern gesehener Gast, mitsamt seinen Firmen und natürlich Steuergeldern sowie spendablen Ausgaben.

Roman Abramowitsch (links).

Die Berichterstattung war lange Jahre wohlwollend, höchstens etwas verwundert über den Multimilliardär. Das hat sich in den letzten Jahren geändert, und seit dem Überfall auf die Ukraine weht ein eisiger Wind dem Oligarchen ins Gesicht.

Seine Vermögenswerte in der Schweiz sollen eingefroren werden, weiss Tamedia. Und die Rechercheure wissen auch, dass die Schweizer Justiz geamtet hat. Genauer das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen. Dorthin war Abramowitsch gezogen, um die Bundespolizei und andere Schweizer Behörden dazu zu zwingen, Anschuldigungen gegen ihn zurückzunehmen.

Fedpol hatte geurteilt, die Anwesenheit des Oligarchen in der Schweiz sei eine «Gefährdung der öffentlichen Sicherheit sowie Reputationsrisiko für die Schweiz». Der Rohstoff-Magnat sei «wegen Verdachts auf Geldwäscherei und mutmasslicher Kontakte zu kriminellen Organisationen bekannt».

Das wollte Abramowitsch nicht auf sich sitzen lassen und verlangte Streichung, Löschung, Zurücknahme – oder Offenlegung von Belegen für diese Behauptungen. Nun urteilten die obersten Verwaltungsrichter der Schweiz, laut Tamedia:

«Die St. Galler Richter betonen zwar auch, dass die erhobenen Daten Verdachtsinformationen seien. Aber Abramowitsch habe «in keiner Weise» belegen können, dass die Ermittlungsergebnisse grundfalsch wären

An dieses skandalöse Urteil schliesst sich nun sicherlich eine strenge Rüge der Autoren Thomas Knellwolf und Bernhard Odehnal an. Denn das sind sicherlich zwei sattelfeste Verteidiger des Rechtsstaats, Kritiker von Unrechtsstaaten wie Russland. Die Ukraine ist zwar auch alles andere als ein Rechtsstaat, aber das spielt zurzeit nicht so eine Rolle.

Unschuldsvermutung, im Zweifel für?

Eine grosse Rolle spielt allerdings, dass es sich hier nicht um einen normalen Staatsbürger handelt – sondern um einen russischen Oligarchen. Und für die gelten natürlich rechtsstaatliche Prinzipien nicht. Schliesslich weiss man ja, wie die zu ihrem Vermögen kamen. Und wie nah die Putin standen oder stehen.

Und ist es nicht herrlich, dass ihre Flieger nun am Boden bleiben. Die Jachten im Hafen. Die Häuser und Villen versiegelt werden, mitsamt den Bankkonten. Und nicht mal die Black Centurion von American Express funktioniert mehr. Der Rechtsstaat Schweiz auch nicht so wirklich.

Wer die hat, lässt zahlen.

Aber so einen Kollateralschaden muss man doch im Kampf gegen Putin, für die Ukraine, gegen Oligarchen in Kauf nehmen. Nur Putin-Versteher oder nützliche Idioten des Kreml, die zu häufig «Russia Today» geschaut haben, können das kritisieren.

Denn Abramowitsch steht nun auf der Sanktionsliste der EU, und die Schweiz übernimmt die bekanntlich. Die «Republik», sie sei für einmal lobend erwähnt, hat sich etwas Gedanken gemacht, wie man eigentlich als russischer Reicher auf diese Shitlist kommt:

«Ob also ein russischer Oligarch auf einer Sanktions­liste landet oder nicht, wird durch einen vielschichtigen und relativ intransparenten Vorgang bestimmt. Und auch der Zufall spielt wohl mit, ob jemand ins Visier der Sanktions­behörden gerät oder nicht. So hatte beispiels­weise das US-Finanz­ministerium seine 2018 veröffentlichte «Putin-Liste», die als Grundlage für spätere Sanktionen dienen sollte, von der Milliardären-Liste abgeschrieben, die das Magazin «Forbes» im Jahr zuvor veröffentlicht hatte.»

In der Schweiz kann man ja die Liste der «Bilanz» durchforsten … Die ersetzt locker ein ordentliches Strafverfahren mit Urteil. Denn man weiss ja seit Proudhon:

«Eigentum ist Diebstahl.»

 

 

 

 

Alternative Bürgerjournalismus

Von der Vielfalt zum Einheitsbrei: Gibt’s einen Ausweg?

Von Felix Abt

Vor etlichen Jahrzehnten habe ich in Personalkantinen gegessen, wo jeden Tag ein immer gleich schmeckender Einheitsbrei serviert wurde, sozusagen mit Firmenstallgeruch. Dagegen boten die Medien damals ein tägliches Menu mit Vielfältigem, Informativem, Interessantem sowie Reportagen und Analysen mit Tiefgang an. Inzwischen hat sich das umgekehrt: Personalkantinen haben sich zu Personalrestaurants gemausert, wo vielfältiges, schmackhaftes Essen, zubereitet von Köchen, die auch über Kompetenz in gesunder Ernährung verfügen, angeboten wird.

Die damals unzähligen Medien wurden seither sowohl weltweit wie auch in der Schweiz, grossmehrheitlich von Konzernen aufgekauft, womit die Vielfalt zur Einfalt schrumpfte, und die grosszügige Medienmenükarte auf den Einheitsbrei mit Konzernstallgeruch reduziert wurde. Begleitet war die Medienkonzentration mit dem Zusammenlegen von Redaktionen, dem Ausdünnen des Korrespondentennetzes, dem Abbau vieler Journalistenstellen und dem Einstellen, billigerer, weniger qualifizierten Medienschaffenden.

Als es obligatorisch war, die NZZ zu lesen

In der Prä-Einheitsbreiperiode war es fast ein «Muss», die NZZ zu lesen, wo journalistische Riesen wie zum Beispiel ein Ernst Kux die Sowjetunion und China haarscharf beobachtete, abklopfte und erklärte, oder der mit dem Markenzeichen (H.A.) berühmt gewordene Hansjörg Abt unerschrocken und tief hinter die Wirtschaftskulissen guckte und Skandale enthüllte, oder ein Arnold Hottinger, der den Nahen Osten so gut kannte und so gut verständlich machte wie kein zweiter Journalist im deutschen Sprachraum. Inzwischen sind alle Riesen abgetreten und haben den journalistischen Zwergen Platz gemacht. Das bedeutet, dass es heute eigentlich keinen Unterschied mehr macht, ob man die NZZ noch liest oder nicht.

Journalist Arnold Hottinger †.

Als jemand, der aus geschäftlichen Gründen viel auf der Welt herumgekommen ist, habe ich auch etliche Medien aus dem anglosächsischen, lateinamerikanischen und asiatischen Raum in Flugzeugen und Hotels konsumiert. Dabei ist mir aufgefallen, dass deutschsprachige Medien meist nur ein Abklatsch amerikanischer und englischer Medien waren, wenn es um internationale Nachrichten und Reportagen ging. Weil die Originale halt immer noch wesentlich besser sind als die ausgedünnten, deutschsprachigen Billigkopien, zog ich es vor, mehr englischsprachige Medien zu konsumieren.

Die weltweit profitorientierte Verlagerung von Familieneigentum zu börsennotierten Medienkonzernen hat natürlich zu einem schamlosen Wettlauf weg von journalistischen Spitzenleistungen geführt. Wie können Nachrichten – ob innerhalt oder ausserhalb der Vereinigten Staaten – gedeihen, wenn NBC 500 Millionen Dollar für die Übertragungsrechte der National Football League ausgibt?

Die Massenmedien schaden sich selbst

Klick-ködernde Massenmedien haben sich auch geschadet, indem sie immer mehr Meinungen und Fakten vermischten, oder haben ihre Glaubwürdigkeit verloren wegen ihrer forschen Parteinahme in politischen Angelegenheiten. So haben sich die amerikanischen Medien bei den Präsidentschaftswahlen 2016 fast unisono, massiv und unverschämt für die Kandidatin Hillary Clinton und gegen Donald Trump als Kampagnenhelfer engagiert. Was immer man auch von Trump halten mag, der Mangel an objektiver und fairer Berichterstattung hat selbst Trumpkritiker schockiert.

Nicht nur die NZZ hatte mal journalistische Riesen, auch andere renommierte Zeitungen, wie zum Beispiel die «New York Times». Chris Hedges war so einer, wegen dem das Blatt sogar einen Pulitzer Preis gewann. Er arbeitete für die «Times» während 15 Jahren als Korrespondent, gut qualifiziert mit fliessendem Spanisch in Südamerika und mit fliessendem Arabisch im Nahen Osten. Als er sich kritisch zu Amerikas illegalem Irakkrieg äusserte, wurde er von der «Times», einer Echokammer der U.S. Regierung und einer Kriegs-Cheerleaderin, einfach rausgeschmissen. Zwar «geächtet» von den Corporate Media, aber stets brillant, blieb ihm nichts anderes übrig, als für wesentlich weniger bekannte Medien tätig zu sein. Sein neuster Artikel «Waltzing to Armageddon» ist eine intelligente Analyse des aktuellen Kriegsgeschreis, wo er darlegt, warum und wie es unverhofft in eine Katastrophe epischen Ausmasses umschlagen kann. Natürlich sind derartige Gedanken bei den Kriegstrommlern in der Politik und den Medien, die gegenwärtig auf einer Flutwelle reiten, verpönt.

Journalist Chris Hedges.

Staatliche Medien können das Vakuum nicht füllen und bedienen sich auch zweifelhafter journalistischer Methoden. BBC-Starjournalist John Sweeney beispielsweise legte englische Universitätstudenten herein, und reiste mit ihnen als falscher «Universitätsprofessor» nach Pjöngjang, um dort einen Dokumentarfilm zu drehen.  Mehr gesehen als jeder andere am Händchen geführte Tourist hatte er dabei nicht. Immerhin konnte er ein paar graue Häuserfassaden und drei Meter hohe Mauern filmen, als Beweis für die schrecklichen Dramen, welche sich tagtäglich dahinter abspielen unter der brutalen nordkoreanischen Diktatur. Er filmte auch einige der vielen Propagandaposter, um zu beweisen, wie arme Nordkoreaner mit einer wahnsinnigen Hirnwäsche tagtäglich drangsaliert würden. Die vielen Nordkoreaner, die ich kannte, haben die Propagandaposter kaum zur Kenntnis genommen.

Journalist John Sweeney.

Da es immer weniger Auslandsbüros und feste Auslandskorrespondenten gibt und andere traditionelle Methoden des Fallschirmjournalismus bei der Berichterstattung schwieriger Themen nicht effektiv sind, können Bürgerjournalisten eine Lücke füllen und die Öffentlichkeit besser über Nachrichten und Hintergründe aus aller Welt informieren.

Bürgerjournalismus aus China

Als einer, der sich seit Jahrzehnten mit China beschäftigt und das Land auch unzählige Male besuchte, wollte ich wissen, was hinter der äusserst schwerwiegenden Anschuldigung der amerikanischen Regierung und westlicher Medien steckt, welche von einem Genozid der Muslime in der chinesischen Provinz Xinjiang reden. Ich habe deshalb Ausländer, insbesondere Amerikaner, die fliessend Chinesisch sprechen und Xinjiang öfters besuchen, kontaktiert. Die meisten haben Videoaufnahmen gemacht, einige sogar mit versteckter Kamera. Anders als wenn BBC oder CNN mit ihren Kamerateams vor Ort aufmarschieren und lokale Behörden und Bevölkerung nervös machen, weil sie mit deren Intentionen («China bashing») vertraut sind, können sich nicht journalistisch tätige Ausländer dort frei bewegen und mehr oder weniger filmen, was sie wollen. Das Resultat meiner Recherchen ist hier publiziert.

Als Abraham Zapruder mit seiner Amateurkamera beschloss, den Besuch von John F. Kennedy 1963 in Dallas zu filmen, nahm er unbeabsichtigt Bilder von dessen Ermordung auf, die als Vorläufer des Bürgerjournalismus betrachtet werden können.

Bürgerjournalisten ohne formelle journalistische Ausbildung sind nicht notwendigerweise weniger objektiv und weniger fair als professionelle Journalisten. Deren Berichterstattung ermöglicht ausserdem das Erzählen von Geschichten und persönlichen Erfahrungen, deren Zeugnis eine neue Dimension bietet.