Persönliches Manifest

ZACKBUM ist nicht nur Beobachter. Sondern auch Partei.

Es ist im Journalismus verpönt, das Wort «ich» zu verwenden. Ausser, es geht um das Ich. Mir geht es um mein Ich, also verwende ich für einmal dieses Wort.

Ich möchte gerne meine Restlaufzeit auf Erden in Frieden beenden. Ich bin mir bewusst, dass eine Geburt inmitten Europas dafür einerseits gute Voraussetzungen geschaffen hat, für die ich nichts kann. Das Leben in der Schweiz schafft noch bessere Voraussetzungen dafür, für die ich auch nicht viel kann.

Wer wie ich nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurde, den aber aus dem Erleben seiner Eltern kennt, glaubte mit zunehmendem Alter erstaunt prognostizieren zu können, dass er zu den wenigen, den ganz wenigen Generationen in der Geschichte Europas gehören dürfte, die von der Wiege bis ins Grab keinen Krieg in unmittelbarer Nähe erleben mussten.

Die Bürgerkriege in Ex-Jugoslawien mit all ihren Kriegsverbrechen, begangen nicht zuletzt auch von der NATO, unterstützt nicht zuletzt auch von den ehemals pazifistischen Grünen, konnte man noch mit wahrhaft eurozentristischer Arroganz als Randerscheinung im Wilden Osten abtun, was ja nun nichts mit Kerneuropa zu schaffen habe.

Unter dieses Kriterium könnte eigentlich auch der Krieg in der Ukraine fallen. Er könnte uns, Pardon, so scheissegal sein wie der Gemetzel im Jemen. Wie das Gemetzel in Tigray (wer weiss schon, wo das liegt. Da sind auch nur mehr als eine halbe Million Menschen umgekommen, zwei Millionen wurden vertrieben. Aber sie haben die falsche Hautfarbe und lebten am falschen Ort). Wie die Kriegsverbrechen des NATO-Mitglieds Türkei in Syrien. Es könnte uns egal sein wie die Desaster, die die Achse des angeblich Guten im Irak, in Afghanistan, in Libyen verursacht hat.

Wie der verbrecherische Krieg der USA in Südostasien, in Vietnam, Laos und Kambodscha, für den die Supermacht bis heute keinen Cent Reparationen bezahlt hat.

Wir könnten den Völkern der Ukraine, Russlands oder des Iran wünschen, dass sie ihre korrupten und unfähigen Führungscliquen zum Teufel jagen. Man könnte das alles tun im festen und sicheren Wissen, dass unsere Stimme, die Stimme der einfachen Bürger, meine Stimme weniger als Blasen gegen den Wind ist, wenn die Mächtigen, die grossen Töter und Herren, Weltpolitik machen, Machtpolitik.

Dennoch wird hier auf ZACKBUM herumgekräht, opiniert, räsoniert und kritisiert. Warum? Einfach deswegen, weil mir mein Leben lieb ist. So egoistisch bin ich nunmal. Ich sehe nicht ein, wieso in der undemokratischen Ukraine die Demokratie verteidigt werden soll. Ich sehe nicht ein, wieso ein imperialer Machtkampf zwischen den USA und Russland zur endzeitlichen Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse hinaufstilisiert werden sollte.

Weder Biden noch Putin, noch Selenskyj geben einen feuchten Dreck auf meine Meinung – oder meinen Wunsch, wenn irgend möglich mein Leben nicht in einer atomar zerstörten Welt beenden zu wollen. Auch wenn ich ein «Manifest für den Frieden» mitunterzeichne, wiege ich mich nicht in der Illusion, dass das einen Einfluss auf die Politik von Olaf Scholz haben könnte.

Aber was mich umtreibt, sind diese unreflektierten Kriegsbefürworter, diese Militärstrategen in ihren Redaktionsstuben, die der Welt, Putin, Biden, Europa, der Schweiz, der Schweizer Regierung, der Schweizer Bevölkerung Ratschläge aufdrängen wollen, was sie zu tun oder zu lassen hätten.

Was mich umtreibt, sind diese verantwortungslosen Kriegstreiber, bei denen man nur froh sein kann, dass auch auf ihre Meinung (fast) niemand etwas gibt.

Was mich umtreibt, sind diese Bellizisten, die lustvoll die Ukrainer in noch mehr Leid und Tod treiben wollen, die sie mit allen dafür nötigen Waffen ausrüsten möchten, die am liebsten wieder deutsche Panzer durch die Ukraine rollen sehen wollen, die es diesmal dem Iwan richtig besorgen möchten, diesem Untermenschen, der doch tatsächlich mehrheitlich für einen Vollirren, einen dementen Kriegsverbrecher wie Putin sein soll.

Was mich umtreibt, ist deren Indolenz, dass aus dem Ukrainekrieg ohne Weiteres ein Dritter Weltkrieg werden kann. Die das nicht sehen wollen oder können und in einer Spirale der Eskalation gefangen sind, die von Munition über schwere Waffen und Kampfpanzer nahtlos zu Kampffliegern, Raketen und U-Booten führt.

Was mich umtreibt, sind diese publizistischen Brandstifter, sei das der alte Wanner oder sei das ein deutscher CDU-Politiker, die mit Nato-Bodentruppen oder der Bombardierung von Munitionslagern in Russland oder von Luftangriffen auf Russland fantasieren.

Was mich umtreibt, sind diese fahrlässigen Undemokraten, die erfüllt vom sicheren Wissen um das Gute den Schweizer Rechtsstaat, die Eigentumsgarantie, die Neutralität in die Tonne treten wollen, weil sie meinen, ihre Mission sei wichtiger und richtiger als all das.

Demgegenüber muss ich klar festhalten, ob ich damit als Diversant (für die wenigen Gebildeten), als Putin-Versteher (für die Trottel und Würstchen) oder als feiges Weichei gelte, das den imperialen Gelüsten des Kreml-Herrschers willfährig nachgeben will: für mich ist die Ukraine keinen Weltkrieg wert. Für mich ist die Verteidigung eines korrupten Oligarchen-Systems gegen den Überfall durch ein anderes keinen Weltkrieg wert.

Allen, die das propagieren, die dann wieder einmal fassungslos stammeln würden «das habe ich doch nicht gewollt», all denen sei ein deutliches Gedicht von Bertolt Brecht in Erinnerung gerufen, das er nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs schrieb, als nach dieser Weltkatastrophe von vielen, die sie mitverursacht hatten, «vergessen und Schwamm drüber und nach vorne schauen» propagiert wurde.

Vielleicht ist das nach einem atomaren Weltkrieg gar nicht mehr möglich, dass man sich aus der Verantwortung stehlen kann, aber falls doch, sei all diesen warmonger, diesen Kriegshetzern ins Stammbuch geschrieben, was Brecht in kalter und berechtigter Wut formulierte:

«Und die da reden von Vergessen
und die da reden von Verzeihn –
All denen schlage man die Fressen
mit schweren Eisenhämmern ein

Wumms: Eva Illouz

Eine Soziologin auf Abwegen in der «Zeit».

Sie ist eine französisch-israelische Professorin und Buchautorin, die in Jerusalem und Paris lehrt. Ihre ganze Familiengeschichte sollte Illouz sensibilisiert haben. «Die Zeit» ist ein Monument des deutschen Journalismus, zu dessen Herausgebern der Staatsmann Helmut Schmidt gehörte. Diese Vergangenheit sollte die Wochenzeitschrift sensibilisiert haben.

Nun ist es so, dass selbst Schulaufsatz-Autorinnen wie eine Salome Müller ihr ewig gleiches Narrativ von einer angeblichen Machokultur im Journalismus belegfrei, mit anonymen Quellen, voreingenommen und sogar im Indikativ hier verbreiten dürfen. Blamabel. Aber dieser Unfall passierte im Schweizer Split; vielleicht ist man in Hamburg da nicht so aufmerksam.

Nun durfte Eva Illouz einem «Gastbeitrag» über den Ukraine-Krieg den Titel geben: «Ich wünsche mir einen totalen Sieg». Mit der Begründung: «Vielleicht kann nur eine vernichtende Niederlage Russland helfen, aus seiner diktatorischen Geschichte herauszufinden.»

Dass der geschichtsvergessenen «Zeit» hier nicht auffiel, dass die Gastautorin diese Ungeheuerlichkeit ziemlich genau 80 Jahre nach der infamen Sportpalast-Rede von Joseph Goebbels schreibt, in der er von einem totalen Sieg in einem «totalen Krieg» faselte, ist bedenklich.

Natürlich erlaubt es die Meinungsfreiheit, auch totalen Unsinn zu schreiben. Denn ein «totaler Sieg» der Ukraine, eine «vernichtende Niederlage» Russlands ist ohne einen atomaren Schlagabtausch nur schwer denkbar. Und in diesem Fall kann es wohl nur eine totale Niederlage für alle Beteiligten, für die ganze Welt absetzen.

Natürlich kann man auch fordern, dass es dann möglich sei, den russischen Präsidenten vor ein Kriegsverbrechertribunal zu stellen. Das blüht Verlierern gelegentlich, aber nur, weil sie verloren haben. US-Kriegsverbrecher, die in Vietnam, dem Irak, Panama und an vielen weiteren Orten der Welt wüteten, müssen das nicht befürchten. Denn Verbrechern, die im Notfall auf den roten Knopf drücken können und sicherheitshalber die Gerichtsbarkeit des Kriegsverbrechertribunals gar nicht anerkennen, müssen nicht damit rechnen, vor ihm zu landen. Ds ist nicht nur im Fall von Henry Kissinger bedauerlich.

Man kann in der heutigen Wüstenlandschaft der Medien nur noch wenig an Wissen, Kenntnissen, Bildung und historischen Erinnerungen erwarten. Dass das nun auch auf «Die Zeit» zutrifft, ist bitter.

 

Wie die Ukraine siegt – in der NZZ

Manchmal ist copy/paste einfach gut.

Auf das Kriegsgestammel der Mainstream-Medien hat ZACKBUM schon (zu) viele Zeilen verwendet. Allerdings hat nun der Chefredaktor der Zeitschrift «Schweizer Monat» in seinem Newsletter sich mal die NZZ zur Brust genommen, und das Resultat ist durchaus beeindruckend. Statt so zu tun, als hätte ZACKBUM das selbst recherchiert (was uns auch von den Mainstream-Medien unterscheidet), präsentieren wir einfach unseren Lesern seine Erkenntnisse, mit freundlichem Einverständnis von Ronnie Grob.

Für Interessenten am Original und an weiteren Werken:

Dieser Text erschien zuerst im Newsletter «Grob gesagt» des «Schweizer Monat». Man kann ihn hier abonnieren.
Ronnie Grob ist Chefredaktor des Autoren- und Debattenmagazins «Schweizer Monat».

Die Ukraine steht kurz vor dem Sieg

Wer westliche Medien über den Verlauf des Kriegs in der Ukraine konsumiert, wähnt sich seit rund einem Jahr kurz vor dem endgültigen Durchbruch der ukrainischen Streitkräfte.

In der gedruckten Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) trugen die Artikel in den letzten 12 Monaten etwa diese Titel:

«Der Krieg läuft schlecht für Russland» (1. März 2022)
«Drohnen sind ein Schwachpunkt der Russen» (16. März 2022)
«Kann der Kreml die vielen Verluste verkraften?» (22. März 2022)
«Russisches Landungsschiff versenkt: Schwerer Schlag für Putins Marine» (25. März 2022)
«Die russische Armee sitzt fest» (30. März 2022)
«Russland hat die Schlacht um Kiew verloren» (2. April 2022)
«Putins Elitesoldaten werden entzaubert» (8. April 2022)
«Kiew trotzt der russischen Bedrohung» (11. April 2022)
«Kein rascher Sieg für Putin in Sicht» (30. April 2022)
«Das grösste Land der Welt hat zu wenig Soldaten» (6. Mai 2022)
«Ukraine überrascht mit Gegenoffensive» (9. Mai 2022)
«Keine neuen Ideen an der Kremlmauer» (10. Mai 2022)
«Die Ukrainer wehren sich erfolgreich» (20. Mai 2022)
«Auch im Donbass kommt Putin kaum voran» (20. Mai 2022)
«Charkiw kann für die Russen zum Problem werden» (4. Juni 2022)
«Russland zieht sich von der Schlangeninsel zurück» (1. Juli 2022)
«Putin hat verloren» (27. August 2022)
«Russland versucht, Zeit zu gewinnen» (29. August 2022)
«Ukrainer rücken im Norden vor – Putins Truppen wirken überrumpelt» (8. September 2022)
«Russlands Besatzungsregime taumelt» (10. September 2022)
«Wladimir Putin blendet die Realität einfach aus» (12. September 2022)
«Russlands Militär auf dem Rückzug» (12. September 2022)
«Russland hinterlässt ein gigantisches Waffenarsenal» (13. September 2022)
«Russland bleibt selbst- und fremdgefährdend» (19. September 2022)
«Der Krieg kommt nach Russland» (19. September 2022)
«Putins Kehrtwende kommt zu spät» (22. September 2022)
«Keine Angst vor Russland» (23. September 2022)
«Russen auf der Flucht vor Putin» (29. September 2022)
«Putins letzte Karte» (1. Oktober 2022)
«Putins Landraub trügt» (1. Oktober 2022)
«Russland verschlechtert seine Zukunftsaussichten» (3. Oktober 2022)
«Wenn Moskau schwächelt» (6. Oktober 2022)
«Der Angriff auf die Krim-Brücke zeigt die Schwäche der russischen Armee» (10. Oktober 2022)
«Schlag gegen Putins Prestigebrücke»  (10. Oktober 2022)
«Russlands Frontstadt unter Beschuss» (20. Oktober 2022)
«Die russischen Angreifer erleiden hohe Verluste» (9. November 2022)
«Russland zieht sich aus Cherson zurück» (10. November 2022)
«Feldzug gegen die Vernunft» (19. November 2022)
«Putin steht am Abgrund» (21. November 2022)
«Nur ein grosser Schlag kann Putin noch retten» (6. Dezember 2022)
«Russlands trügerische Selbstdarstellung» (13. Dezember 2022)
«Putin agiert hilflos» (29. Dezember 2022)
«Russland erlebt eine der blutigsten Nächte» (3. Januar 2023)
«Ein Desaster für Moskaus Armee» (4. Januar 2023)
«Wie die Ukraine die russischen Luftangriffe abwehrt» (6. Januar 2023)
«Die Kampftruppe Wagner erleidet Rückschläge fern der Front» (20. Februar 2023)

«Was für eine willkürliche und überhaupt nicht vollständige Auswahl!», werden nun einige einwenden. Zurecht, denn es gab auch andere Titel. Nur viel, viel weniger:

«Russische Offensive kaum zu stoppen» (4. März 2022)
«Die letzten Verteidiger von Mariupol kapitulieren» (18. Mai 2022)
«Der russische Zangenangriff wird enger und enger» (28. Mai 2022)
«Die Russen kontrollieren jetzt die ganze Region Luhansk» (4. Juli 2022)
«Russlands Feuerwalze rollt weiter» (25. Juli 2022)
«Der Nato gehen die Granaten aus» (21. Dezember 2022)
«Schwere Kriegsphase für Kiew» (19. Januar 2023)
«Die Ukraine gerät in die Defensive» (6. Februar 2023)
«Die Ukraine braucht mehr Munition» (15. Februar 2023)

Die Entwicklung des Kriegsgeschehens, ebenfalls dokumentiert von der NZZ, zeigt, dass es sich bei vielen Titeln im besten Fall um einen Journalismus der Hoffnung handelt: Russland besetzt die ostukrainischen Gebiete inklusive Krim weiterhin erfolgreich und stabil. Dass es anders sein möge, ist Wunschdenken von Journalisten, die sich eine andere Lage herbeisehnen. Darüber geschrieben hat immerhin einer in der NZZ – Feuilletonchef Benedict Neff:

«Wie Medien die Lage der Ukraine schönschreiben» (10. Juni 2022)
«Die Fieberkurve des Krieges» (9. Februar 2023)

Doch an der Haltung des NZZ-Chefredaktors Eric Gujer und des NZZ-Auslandchefs Peter Rásonyi wird sich so bald wohl nichts ändern. In ihren Augen steht die Ukraine ganz offenbar kurz vor dem Sieg. Während Russland weiterhin alles falsch macht, und die Niederlage nur aus Trotz nicht einräumt.

Packungsbeilage: ZACKBUM-Redaktor René Zeyer hat auch seine Spuren im «Schweizer Monat» hinterlassen.

Roshani im Zwielicht

Sind ihre Anschuldigungen haltlos und erfunden?

Schlechte Nachricht für alle, die bereits losgaloppiert sind. In erster Linie die «Zeit»-Mitarbeiterin Salome Müller, die «feministische Aktivistin» Franziska Schutzbach und alle die vielen Journalisten, die sich freudig sabbernd auf die Anschuldigungen der ehemaligen «Magazin»-Redaktorin Anuschka Roshani geworfen haben.

Völlig bescheuert wirkt in diesem Zusammenhang nun das Verwenden von anonymen Quellen, die mutig aus der Dunkelheit «es war alles noch viel schlimmer» gerufen haben sollen (wenn sie nicht schlichtweg erfunden wurden). Mit ziemlich abgesägten Hosen steht auch mal wieder der «Spiegel» da, der seiner ehemaligen Mitarbeiterin die grosse Bühne freimachte und eine vierseitige Klageschrift von ihr veröffentlichte. Deren Inhalt angeblich gnadenlos verifiziert worden sei.

Das alles steht nun in einem schiefen Licht, seit es Roger Schawinski gelungen ist, Einblick in den Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei Rudin Cantieni zu nehmen. Der Bericht über die Vorfälle im «Magazin» war schon von Tamedia als Zusammenfassung publiziert worden. In ihr hatten beide Protagonisten dieser Affäre kräftig eins über die Rübe bekommen.

Finn Canonica waren inakzeptable Verhaltensweisen vorgeworfen worden, Anuschka Roshanis Anschuldigungen hätten sich aber grösstenteils nicht erhärten lassen, zudem habe sie die weitere Zusammenarbeit mit der Kanzlei verweigert.

Beide Angestellten waren im Anschluss entlassen worden; zuerst der «Magazin»-Chefredaktor Canonica, dann die Anklägerin und Redaktorin Roshani.

Was Schawinski nun auf seinem Radio 1 aus dem ihm offenbar vorliegenden Gesamtbericht zitiert, ist starker Tobak:

«Zusammenfassend ergibt sich, dass auch die meisten Vorwürfe gegenüber Finn Canonica verneint werden mussten…Bossing gegenüber Anuschka Roshani scheidet aus, da es an der Zielgerichtetheit und Systematik über längere Zeit fehlt und gerade sie auch Privilegien genoss, die andere nicht hatten… Die Sonderbehandlung eines bezahlten Sabbaticals stellt eine Bevorzugung gegenüber anderen dar und schliesst ein gleichzeitiges Bossing gegenüber Anuschka Roshani eigentlich aus.»

Und: «Nicht bestätigt wurde (von Redaktionsmitgliedern) die Aussage, dass Finn Canonica bösartige höchst verächtliche Aussagen über Anuschka Roshani machte.» Dafür rückt nun ein weiterer Ex-Mitarbeiter ins Zentrum der Affäre: «Nachdem Prof. Dr. Peter Nobels Untersuchung im 2014 eine basale Lüge von Mathias Ninck zeigt, vorliegend Mathias Nincks Angaben nachweislich nicht stimmen, kann er nicht als glaubwürdige Quelle eingestuft werden.»

Ninck habe behauptet, Canonica habe eine Affäre mit einer Angestellten gehabt; diese Story wurde auch von Roshani im «Spiegel» erzählt und noch ausgeschmückt. Dazu der Bericht:

«Die Überprüfung von Mathias Nincks Angaben zeigen, dass schon die äusseren Eckpunkte seiner Schilderung nicht stimmen können.»

Der Bericht merkt weiter an: «Anuschka Roshani baut ihre Versionen ihrerseits stetig aus. Anreicherungen können Hinweise auf bewusste Lügen oder aber auf suggestive Einflüsse sein. Vorliegend fand mutmasslich eine Absprache von Mathias Ninck und eine Angleichung an seine Version statt.» Anscheinend soll Roshani solche Kontakte zuerst verneint, dann eingeräumt haben, um sich dann weiteren Antworten zu entziehen.

Auch in einem anderen Punkt bekommt Ninck gröbere Probleme: «Mathias Nincks Vorwurf, Finn Canonica habe eine Frauenbrust mit nach oben gerichteter Brustwarze auf dem Pult gehabt und diese jeweils – begleitet von zweideutigen Aussagen – vor weiblichen Bewerberinnen gestreichelt, geht ins Leere. Der fragliche plastische Chirurg bestätigte schriftlich, dass er Finn Canonica erst im 2018 – nach Matthias Nincks Zeit – ein Brustimplantat schenkte. Implantate sind nicht als Brust zu erkennen und haben insbesondere keine Brustwarzen.»

Und dann der Hammer:

«Die Untersuchungspersonen gehen nach dem Gesagten von Absprachen zwischen Anuschka Roshani und Mathias Ninck aus.»

Wenn sich das erhärten lässt, kann das für beide Beteiligten ohne Weiteres strafrechtliche Konsequenzen haben.

Ein weiterer schwerer Vorwurf gegen Roshani: Diverse Beweismittel, welche Untersuchungspersonen angefordert hatten, wurden nicht eingereicht. Zum Vorwurf, Canonica habe Roshani die «Ungefickte» genannt, steht im Bericht: «Ins Auge springt vorab die Verwendung der Terminologie. So äusserte Michèle Roten ursprünglich, Finn Canonica habe die «Untervögelte» gesagt. Anuschka Roshani sprach später von die «Ungefickte», worauf Michèle Roten, die als Einzige den Ausdruck hörte, ebenfalls auf «die Ungefickte» umschwenkte. Unbestritten ist, dass Michèle Roten und Anuschka Roshani sich austauschten.»

Eine Parallele zwischen Ninck und Roshani scheint darin zu bestehen, dass beide entlassen, bzw. freigestellt wurden. Ninck kündigte dann 2015 von sich aus, nachdem der damalige Untersuchungsbericht der Kanzlei Nobel seine Anschuldigungen in der Luft zerrissen hatte. Ein weiteres pikantes Detail aus dem Bericht ist die Verbandlung zwischen dem Chefredaktor der «Schweizer Familie» Daniel Dunkel als VR des Verlags «Kein & Aber», dessen Gründer, Besitzer und Geschäftsführer Peter Haag ist, der Ehemann von Roshani. Haag wiederum soll die Tamedia-Verwaltungsrätin Pascale Bruderer mit einem von seiner Frau zusammengestellten Dossier über Canonica versorgt haben, das sie in den VR trug.

Auch die Behauptung von Roshani, sich seit 2007 bei zuständigen Stellen gemeldet und beschwert zu haben, ist laut Bericht nicht belegbar. Mündlich korrigierte sie dann, dass die Meldungen zwischen 2012 bis 2015 stattgefunden haben sollen, allerdings telefonisch. Dem HR von Tamedia liegen dazu aber keine Unterlagen vor.

Wohlgemerkt wurde dieser Bericht vor den Entlassungen von Canonica und Roshani abgeschlossen. Laut Tamedia soll er ihr zur Kenntnis gebracht worden sein, sie bestreitet das.

Wenn man es als belegt erachtet, dass sich Roshani in einer Blindbewerbung um die von Canonica besetzte Stelle des «Magazin»-Chefredaktors bewarb, sich ab März 2022 krank meldete («ohne ärztliches Attest», wie der Bericht anmerkt), schliesslich mit Kündigungsfrist bis Ende 2022 entlassen wurde, um dann im «Spiegel» die ganz grosse Keule hervorzunehmen, kommt der nicht voreingenommene Betrachter zu einer klaren Schlussfolgerung.

Es hat im Verhalten von Canonica offensichtlich schwere Schnitzer gegeben, die auf jeden Fall geahndet werden mussten, wie das auch der Bericht vorschlägt. Allerdings spricht er von Coaching und Abmahnung, nicht von Entlassung.

Nochmals in einem ganz schrägen Licht erscheint das Schweigen der Männer, also der übrigen «Magazin»-Redaktoren. Sie waren und sind offenbar zu feige, sich zwischen einer Bestätigung der Vorwürfe von Roshani und einem Dementi zu entscheiden. Entweder hätten sie sexuelle Ausfälligkeiten ihres Chefredaktors geduldet – oder sie müssten einer Frau widersprechen, die das Narrativ der sexistischen Machokultur bei Tamedia bedient. Herausragend feige ist dabei Daniel Binswanger, früher eng mit Canonica und als Chefredaktor a.i. der «Republik» nicht mehr Lohnabhängiger von Tamedia.

Aber auch er schweigt, wohl um sich die Aussicht auf ein warmes Plätzchen nach dem möglichen Untergang seines jetzigen Brötchengebers nicht zu verscherzen. Was für ein Charakter.

Was allerdings Roshanis Anschuldigungen betrifft, kann ZACKBUM nur wiederholen: sollten sie sich als übertrieben, erfunden herausstellen, als Rache für gescheiterte Karrierepläne und eine Entlassung, dann ist die Dame als Journalistin erledigt und hätte der «Spiegel» neuerlich einen kleinen Fall Relotius an der Backe.

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PS: Die Ereignisse überschlagen sich mal wieder. Wie abzusehen war, wurde nach dem Prinzip «Ene, mene, muh» ein Sündenbock bestimmt. Supino kann’s nicht sein, die beiden Geschäftsführer retteten auch ihre Haut. Also wurde der arme Arthur Rutishauser degradiert und auf den Posten des Chefredaktors der «SonntagsZeitung» runtergstuhlt.

Gleichzeitig wurden die beiden Co-Chefredaktoren des «Tages-Anzeigers» gespült. Von deren Existenz merkte sowieso niemand gross was. Nun ist Marco Stäuble neu «Inlandchef». Also ist dieses Ressort von abnehmender Bedeutung. Priska Amstutz kommt ins Abklingbecken «neues Projekt».

Das ist noch nicht so schlimm (ausser für Arthur). Aber jetzt kommt’s: Raphaela Birrer wird die neue Quotenfrau-Chefredaktorin. Die «ausgebildete Lehrerin» auf Primarschulstufe fiel in der Vergangenheit mehrfach durch so unqualifizierte wie rechthaberische Kommentare auf, sonst aber durch nichts. Offenbar ist Tamedia die Mantelredaktion auch zunehmend schnurz. Denn auch Kerstin Hasse, die unsichtbare Frau mit Blödel-Tweets und starkem feministischem Einschlag, ist ebenfalls in dieser Chefredaktion.

ZACKBUM drückt allen verbleibenden Redaktionsmitgliedern sein Mitgefühl aus. Ihr Trost kann nur sein: die nächste Sparrunde kommt bestimmt. Vorher wird das aber auf die Leber gehen!

 

 

Das Tiefe im Flachen

Wie CH Media die Welt verstehen will.

Die Welt ist bekanntlich rund, bunt und kompliziert. Das zeigt sich insbesondere in der Ukraine. Nun nähert sich der Tag, an dem Russland unter Bruch aller Versprechen der Wahrung der territorialen Integrität der Ex-Sowjetrepublik in das Land der korrupten Oligarchen einfiel, die sich einen Präsidenten gekauft hatten.

Dazu muss natürlich Hinz und Kunz, also Lohnschreiber und schreibender Operetten-Chefredaktor, etwas Tiefsinniges absondern, weil sich der Tag der Invasion jährt. Und Jahrestage sind immer Leitlinien für die Medien, oftmals Leidlinien für die Leser.

Das «Tagblatt» aus dem Hause Wanner, also Mitglied des CH-Media-Imperiums, macht da keine Ausnahme. Zunächst einmal darf Raffael Schuppisser das Wort ergreifen: «Ein Jahr Krieg in der Ukraine: Die Generäle, Putin und wir – alle haben sich getäuscht».

Das macht ja nix, von dieser Ausgangsbasis her kann man doch weiterschreiben. Schuppisser bringt für seine Ukraine-Analyse beste Vorraussetzungen mit. Er hat an den Universitäten Basel und Zürich Philosophie studiert. Er ist laut LinkedIn «Redaktor Digital & Wissen Schweiz am Sonntag», zudem «Ressortleiter Leben & Wissen Schweiz am Sonntag» und zeitgleich «Stv. Chefredaktor| Leiter Kultur & Leben/Wissen». Vielleicht darf man ihn auf den Irrtum aufmerksam machen, dass es die «Schweiz am Sonntag» schon ein Weilchen nicht mehr gibt.

Aber gut, das alles hindert ihn nicht daran, über die Ukraine nachzudenken. Weiss ein Philosoph, wie die Zukunft aussieht? Nein, Schuppisser hält sich da mehr an Sokrates, in der Version von Platon, überliefert von Cicero: «Wie geht es weiter? Die ehrliche Antwort ist: Keiner weiss es.»

Aber das ist nun zu viel Nichtwissen, Schuppisser muss hinzufügen: «Denn dieser Krieg – in dem es nicht zuletzt um die Verteidigung der demokratischen Werte geht – darf nicht mit einer Niederlage der Ukraine enden.» Es ist immer wieder erstaunlich, dass es in einem korrupten Oligarchensystem in einem Staat, der erst seit rund 30 Jahren in die Unabhängigkeit taumelt, dessen Präsident sehr rustikal mit Opponenten umgeht, in dem eine Zensur wie in Russland herrscht, dass es ausgerechnet hier um die «Verteidigung demokratischer Werte» gehen soll. Aber vielleicht muss man das philosophisch sehen.

Nun schüttet das «Tagblatt» zum Jahrestag ein ganzes Füllhorn von Artikeln und Kommentaren zum Thema Ukraine aus. «Eine Ukrainerin aus dem Thurgau näht Kriegsmaterial für die Heimat – aber der Export aus der Schweiz ist verboten». Aber es wird dennoch genäht und verschickt; nicht nur Bekleidung, weiss das «Tagblatt»: «Nebst Tarnanzügen basteln die Ukrainerinnen Grabkerzen, die gerade in den klirrekalten Nächten die Soldaten wärmen, die sich für ihre Heimat einsetzten.» Wärmende Grabkerzen? Sachen gibt’s.

Aus dem fernen Peking meldet sich der Jungspund Fabian Kretschmer mit wie immer spekulativen Wackel-News: «Im Westen versucht sich die Volksrepublik als Vermittlerin im Ukraine-Krieg zu positionieren, doch gegenüber Russland gibt sie sich loyal. Die US-Regierung glaubt, Peking könnte bald eine rote Linie überschreiten.»

Fabian Hock hat eine glasklare Meinung über die Stippvisite des US-Präsidenten: «Bidens Besuch in Kiew ist jedoch nicht nur eine Ohrfeige für den Kriegstreiber im Kreml. Es ist auch eine glasklare Botschaft an die Ukraine. Sie lautet: «Die USA stehen hinter euch.» Davon kann Biden nun nicht mehr abrücken. Sein persönliches Erscheinen in Kiew ist die ultimative Zusicherung von Unterstützung

Gleich zwei Korrespondenten braucht es, um dem Leser einen Blick in den innersten Machtzirkel der USA zu erlauben, wo Renzo Ruf sich unter dem Schreibtisch Bidens verstecken durfte: «Die Entscheidung fiel am Freitag im Oval Office des Weissen Hauses. Umgeben von seinen engsten Beraterinnen und Beratern beschloss der amerikanische Präsident, vor seiner anstehenden Reise nach Polen auch einen Abstecher nach Kiew zu machen.»

Launig berichtet dagegen Inna Hartwich aus Moskau: «Socken stricken für Russlands Helden». Dort ist natürlich alles manipuliert, Propanda, Fake, den aber die Korrespondentin glasklar durchschaut: «Der Krieg ist nah, das Mädchen strahlt in die Kamera. Sie fährt fort mit dem auswendig gelernten Gedicht, mit dem sie sich in den Dienst von Russlands Kriegspropaganda stellt und sich ausstellen lässt

Für die militärische Einschätzung ist dann Armeechef Thomas Süssli zuständig. Er teilt mit dem Leser seine Learnings: «Was wir aus dem Ukrainekrieg lernen: Man hat nie genügend Munition.»

Stefan Bühler mahnt Leistungen an, die er persönlich erbringen will. Ach, nein, eine Milliarde sollen alle Steuerzahler und andere aufwerfen: «Es ist unerlässlich, dass sich auch Private am Wiederaufbau des kriegsversehrten Landes beteiligen. So viel Solidarität mit der Ukraine muss sich die Schweiz leisten – trotz angespannter Bundesfinanzen

«Muss sich die Schweiz leisten», das sind Sätze, mit denen einer allen ins Portemonnaie greifen will.

Da fehlt doch nur noch die Meinung des Chefredaktors Stefan Schmid zu diesem Jahrestag. Aber leider Fehlanzeige,  er kümmert sich um das Lokale: «Kommentar zum Schlussspurt in den St. Galler Ständeratswahlen: Die einzige Chance gegen Esther Friedli».

Irgendwie beruhigend, dass wenigstens einer Lösungsvorschläge für lokale Bedrohungen hat.

Auf der Suche nach dem verlorenen Leib

Der «Tages-Anzeiger» lotet Abgründe in Untiefen aus.

Man verspürt die Absicht und ist verstimmt. Aber genug der literarischen Anspielungen, sonst wird es Nora Zukker noch ganz anders. Denn die Absicht von Tamedia ist offenkundig: was unsere eigenen Schreibkräfte an unterirdischem Unfug und Unsinn nicht gestammelt kriegen, das lassen wir unsere neuen Kolumnisten erledigen.

Und wer wäre da besser geeignet als der «Shootingstar der Literaturszene», der Mann, Pardon, das Wesen «von Gethen, einem Planeten weit, weit weg, aus einer anderen Geschichte». Sein Nom de Plume ist so bescheuert wie sein irdischer Name banal, also lassen wir beide weg.

Auf jeden Fall hat hier eine*r zugeschlagen:

Nun könnte man auf ihn (der Einfachheit halber verwenden wir sein dominierendes irdisches Geschlecht) reinfallen und sich an seinen angeblichen «Neuigkeiten» abarbeiten, die in Wirklichkeit altbackene und einfältige Reflexionen sind, was passiert, wenn sich jemand sonderlich kleidet, sonderlich spricht und schreibt.

Aber besser als die erste Kommentatorin unter seinem Gebabbel kann man es nicht zusammenfassen, also lassen wir es dabei bewenden:

«Ich bin weder gekränkt noch freudig – es interessiert mich einfach nicht. Gewisse Leute haben offenbar ein sehr grosses Mitteilungsbedürfnis und können nicht verstehen, dass andere sich nicht für deren Leben interessieren, besonders da man die Person persönlich nicht kennt.»

ZACKBUM möchte höchstens hinzufügen: Dass wir uns einmal nach einer Kolumne von de Weck oder Bleisch zurücksehnen, das hätten wir nie gedacht …

Die NZZ und Köppel

Endlich mal ein Lob: was für ein Porträt.

ZACKBUM hatte schon fast aufgegeben, daran zu glauben, dass es im heutigen Elendsjournalismus noch möglich ist, ein beeindruckendes Porträt über eine Reizfigur, einen Konkurrenten zu schreiben.

Wenn da Konzernjournalist Philipp Loser ans Gerät geht, kommt nur Dreck heraus. Das gilt auch für Andreas Tobler oder gar die Scheuklappen-Schreiber der «Republik». Ob die sich an Lebrument oder an Projer vergreifen: es ist Elend und Dummschwätzerei, womit sie die flüchtenden Leser quälen.

Als müsste die NZZ nochmals unterstreichen, welche Abgründe inzwischen hier klaffen, hat sich Samuel Tanner an Roger Köppel versucht. Versuchung gelungen. Es ist keine unkritische Eloge geworden, aber auch kein wäffelnder Verriss. Es ist das geworden, was ein Porträt sein muss. Sein sollte: der Versuch, einem komplexen, in der Öffentlichkeit stehenden und durchaus konfliktiven Menschen auf 12’000 Anschlägen gerecht zu werden. «Porträt des Politikers, Publizisten, Pyrotechnikers», stabreimt die NZZ. Dafür ein erstes Bravo.

«Pyrotechniker», schon das kann man abschmecken, das hat Körper, Fülle und Abgang. Brandstifter steckt drin, aber eben veredelt, hier ist kein Zeusler am Werk, sondern ein eleganter Techniker des Feuers, des Feuerwerks.

Für ein gutes Porträt braucht es, daran erinnert die NZZ so nebenbei, eigentlich nur drei Dinge. Aufmerksame Beobachtung, Reflexion und informiert aus dem Vollen schöpfen können. Ach ja, und schreiben sollte man auch können, klug schreiben, verdichtet schreiben, analytisch und konzis. Also alles Ingredienzien, von denen die meisten übrigen Lohnabhängigen, die sich Journalisten schimpfen, nicht mal gehört haben. Oder wenn, dann haben sie’s schnell wieder vergessen.

Schon der Einstieg bei Tanner setzt die Tonhöhe: «Am Firmament von Roger Köppel gibt es einen Fixstern: die Faszination für Stärke.» Den ganzen Text hindurch bemüht sich Tanner, sein Objekt der Beobachtung zu charakterisieren: «Es ist eine Publizistik des absoluten Relativismus, die auch hinter einen Kriegsführer ein Aber setzt

Was angenehm auffällt: Der Autor des Porträts hält mit seiner Einschätzung des Porträtierten und Beobachteten nicht zurück. Aber die kleinen Details von Begegnungen, eine gemeinsame Autofahrt, die werden nicht wie bei Schmähporträts verwendet, um im Nachhinein fertigzumachen (so wie die Kleinschreiber der «Republik» aus einem zweistündigen Gespräch mit ihrem Feind, dem NZZaS-Chef Jonas Projer, nur ein Winzzitat und die Beobachtung, dass er eine teure Uhr trage, dem Leser präsentieren), diese Details werden hier verwendet, um Leben und Farbigkeit in eine Feinrasterung zu bringen:

«Die Frage, was ihn antreibe, findet Köppel uninteressant: «Immer diese Psychoanalyse», schreibt er in einer ersten SMS. Er ziehe Sachfragen vor, «die schweizerische Neutralität und deren Preisgabe», wie er es formuliert. «Dieser Objektträger-Journalismus, der mit zoologischer Verwunderung auf eine andere Meinung blickt, wie auf eine unbekannte Tierart, geht von falschen Prämissen aus.»»

Schon in einem solchen kleinen Absatz ist viel drin. Die Art der Unterhaltung auf allen Kanälen, Köppels verbaler Elan. Und vor allem: der Autor lässt das so stehen, tritt nicht mit der Überlegenheit dessen nach, der schliesslich den Porträtierten nachträglich fertigmachen kann, weil er das letzte Wort hat.

Wunderbar ist auch diese Einschätzung: «Roger Köppel ist immer auf der Suche nach der Hitze des Gefechts. Und wenn er sie nicht findet, entzündet er sich selbst.» Gefolgt von der Beschreibung, für die sich der NZZ-Autor ziemlich früh aus dem Bett quälen musste: «Mitten in der Nacht kommt er in die Redaktionsvilla der «Weltwoche» in Zollikon, und sofort findet er mit dem Kamera- auch den Zündknopf für seine morgendliche «Daily»-Sendung: «Die NZZ ist auf dem Nato-Trip!», sagt er in der Presseschau, um schnell nachzulegen. «Sie muss aufpassen, dass sie nicht zur Nahkampfwaffe der Nato wird! Sie überholt das Pentagon! Die Falken von der Falkenstrasse! Nomen est omen!» Er ist ein rhetorischer Pyrotechniker

Ein gutes Porträt kann man nur schreiben, wenn man einige Zeit Material gesammelt hat, den Porträtierten bei mehr als einer Gelegenheit beobachtete. Erst aus der Überfülle kann man verdichten, das macht auch jede gute Reportage aus: «Wenn er bei der SVP auftritt, wirkt es, als suche ein Hochgeschwindigkeitsmensch nach Haftung.» Besser kann man wohl das Verhältnis SVP-Nationalrat Köppel und SVP nicht beschreiben.

Bei einem solchen Niveau wartet man etwas bang auf die Schlusspointe. Kommt hier doch noch die Hinrichtung aus dem Hinterhalt? Jein. Das Resümee ist nicht ausgesprochen freundlich, aber nach dieser facettenreichen und durchdachten Darstellung davor erlaubt:

«Aber der Nonkonformist reagiert immer darauf, was die Konformen sagen – und wird zum Knecht des Mainstreams. So gesehen ist Roger Köppel, der Unruhegeist, ein Gefangener.»

Es gibt Porträts, aus denen selbst der Porträtierte noch etwas lernen kann. Das sind dann Sternstunden des Journalismus. Das hier ist eine davon, die in dunkler Nacht besonders hell leuchtet.

Wumms: Christof Münger

Gestatten, Münger, militärischer Logiker.

Jetzt hat sich auch noch der Ausland-Chef ohne Ausland von Tamedia zu Wort gemeldet. Christof Münger diagnostiziert knüppelhart:

«Dessen ungeachtet wird im Westen der Ruf nach Verhandlungen wieder lauter. Erhoben wird er vor allem von Putin-Apologeten, beispielsweise von der radikal linken deutschen Abgeordneten Sahra Wagenknecht oder dem radikal rechten Schweizer Nationalrat Roger Köppel – Antiamerikanismus verbindet. Wenn jedoch Exponenten der politischen Pole unisono Verhandlungen mit dem russischen Machthaber fordern, leuchtet die Alarmlampe auf.»

Man kann für Münger nur hoffen, dass er sich nicht ganz im Klaren darüber ist, was das Fremdwort Apologet eigentlich bedeutet. Dann schaltet er die Alarmlampe ab und konstatiert: «Dabei ist es so, dass die meisten Kriege irgendwann am Verhandlungstisch enden

Aber ein doppelter Rittberger ist ihm nicht genug, er legt noch eine Schraube drauf: «Ob und wann dieses Leid zu gross ist, entscheidet jedoch Kiew und nicht irgendeine Politikerin oder ein Strategieexperte im Westen, selbst wenn er Henry Kissinger heisst.»

Das wiederum entscheidet Münger, weil er Münger heisst. Da leider ohne weitere biografischen Angaben oder Eintrag in Wikipedia, weiss man nicht, ob der Mann überhaupt gedient hat und wenn ja, in welchem Rang.

Interessant, wie sich Münger diese «Apologeten» zurechtschnitt. Dass auch der deutsche Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas (der mit der Hasenscharte, wie Kläffer Rafi bemerkte) für Verhandlungen ist, lässt Münger weg, ebenso wie die Mitinitiatorin des Friedensmanifests Alice Schwarzer.

Dieses Leid der Ukrainer wird aber in erster Linie durch westliche Rüstungslieferungen verlängert; sollten die Hauptlieferanten USA, England und Deutschland beschliessen, sie einzuschränken, entscheiden sie, nicht Kiew.

Der US-Präsident Biden habe dabei Grossartiges geleistet, aber obwohl doch Kiew die alleinige Entscheidungsgewalt haben soll, meckert Münger: «Die ukrainischen Streitkräfte dürfen den Krieg nur auf eigenem Territorium führen, strategisch korrekt sozusagen. Das widerspricht der militärischen Logik: Die angemessene Reaktion wäre, jenseits der eigenen Grenzen die Nachschublinien, Munitionsdepots und Treibstofflager des Aggressors zu bombardieren.»

Was dann möglicherweise nahtlos in einen Dritten Weltkrieg münden könnte, aber diese militärische Logik ist dem Spielzeuggeneral Münger offenbar nicht geläufig. Dafür hat er noch einen guten Ratschlag für die Schweiz zur Hand:

«Auch was die humanitäre Hilfe, die grosszügige Aufnahme von Flüchtlingen und den milliardenteuren Wiederaufbau betrifft, sollte sich die Schweiz grosszügig zeigen. Sonst zählt auch sie früher oder später zu den Verlierern dieses Kriegs.»

Die Schweiz als Verliererin des Ukrainekriegs, auf diese Idee muss man erst mal kommen. Das tut man, wenn man eigentlich als Ressortleiter nicht viel mehr zu tun hat, als die ß und andere Germanismen aus den Texten zu pulen. Das engt irgendwie das Blickfeld ein.

Und noch mal

Wem das Englisch vorkommt: wer immer das Gleiche macht …

«One trick pony» ist ein wunderbarer englischer Ausdruck für einen Menschen, der nur eine Sache draufhat. Die aber unermüdlich. Bestes Beispiel dafür ist Marc Brupbacher von Tamedia. Man fragt sich, wann der Mann noch dazukommt, die «Co-Leitung des Ressorts Daten & Interaktiv» wahrzunehmen.

Denn unermüdlich und ohne Rücksichten auf Verluste kümmert er sich um Corona. Ja, genau, diese Pandemie, die am Verschwinden ist. Aber nicht für Brupbacher. Er hat hier seine Lebensaufgabe gefunden. Man kann nur hoffen, dass er Tweets wie diesen mit Mundmaske und auf desinfizierter Tastatur schreibt:

Auch ein «one trick pony» ist natürlich Philipp Loser von Tamedia. Ist er nicht gerade als Konzernjournalist unterwegs, der Schmähkritiken über unliebsame Konkurrenten schreibt, wirft er sich nicht gerade für gendergerechtes Schreiben in die Bresche, kennt er nur ein Thema: die SVP.

Von Daniel Binswanger vernehmen wir hingegen Beunruhigendes: «Daniel Binswanger hat Ferien. Sein Wochen­kommentar fällt deshalb aus.» Damit will sich Binswanger wohl der Mehrheitsfraktion der «Republik»-Schreiber anschliessen, die ungern häufiger als einmal im Monat in die Tasten greift. Das schützt wohl vor einem Burn-out, trägt aber dazu bei, dass die «Republik» dieses Schicksal ereilt.

Daher kann er nicht seine Schindmähre zu Schanden reiten. Denn unermüdlich warnt er: «Im öffentlichen Diskurs wird die Demokratie vor allem durch Rassismus und Populismus bedroht.» Durch wen zum Beispiel? Überraschung, natürlich durch die SVP. Also ahnt Binswanger: «Es wird ein hässliches Wahl­jahr werden. Wir stehen erst am Anfang

Während er früher durchaus auf verschiedenen Klavieren zu spielen vermochte, verbiestert sich Frank A. Meyer auch immer mehr in einem Thema: Waffen und Ukraine. Wer nicht für Waffenlieferungen dorthin sei, natürlich auch aus Schweizer Produktion, ergreife Partei für Putin, behauptet der Irrwisch. Und wird nicht müde, über seinem Embonpoint aus dem Ohrensessel heraus Kriegerisches von sich zu geben.

Von allen vier Herrenreitern vermisst man aber klärende Worte zu Problemen, die viel näher liegen als die Ukraine. Wie war denn das nun genau mit der Standleitung zwischen Alain Berset und Marc Walder? Und wie ist das nun mit dem Sexismus bei Tamedia? Stimmt es, dass nun auch aus der betulichen «Schweizer Familie» Protestgeschrei zu vernehmen ist?

Da wäre doch Meyer bei Ringier echt gefordert. Oder Binswanger, Loser und Brupbacher bei Tamedia; die sollten doch Erfahrungen aus erster Hand haben.

Aber das ist eben das Problem eines one trick pony: es kann nur einen, auch wenn sich das Publikum gähnend abwendet.

Es darf gelacht werden

Der «Blick» als Gesundheits-Sprechstunde.

Die Diagnose des geistigen Zustands von Wladimir Putin ist längst erstellt. Er ist wahnsinnig, kriminell, bösartig, hinterlistig, ein notorischer Lügner und geht als Soziopath über Leichen. Da ist nun nicht mehr viel hinzuzufügen.

Aber dann gibt es natürlich noch seine körperliche Befindlichkeit. Auch da klaffen sein Selbstempfinden und diagnostische Fähigkeiten des Boulevardblatts mit Regenrohr im Logo etwas auseinander:

 

So sieht er sich gerne selbst; «Blick» hingegen schaut mit ärztlichem Blick auf den Kremlherrscher:

Also mehr so Richtung Lähmungserscheinungen unklarer Herkunft. Aber inzwischen scheinen die überwunden zu sein, wobei Putin aber offenbar in die andere Richtung übertreibt:

Wobei natürlich auch beides gleichzeitig möglich ist: der rechte Arm hängt weiter schlaff herunter, aber nun wackelt er auch noch mit den Beinen. Als ob das noch nicht lachhaft genug wäre, fragt sich der «Blick» auch noch, ob das vielleicht ein Morse-Code sei.

Eine berechtigte Frage; damit will Putin vielleicht seinen Anhängern im Westen, also Habermas, Schwarzer, Wagenknecht und der halben Million Putin-Versteher, die das Manifest für den Frieden unterzeichnet haben, neue Direktiven geben.

Wohl genau aus diesem Grund hat sich «Blick» nicht die Mühe gemacht, das Video von den restless legs einem Morse-Spezialisten vorzulegen. Denn so leicht will es das Friedensblatt, das für den Export Schweizer Waffen in die Ukraine ist, so leicht will es das Schandblatt («Habermas mit Hasenscharte») Moskaus Fünfter Kolonne nicht machen.

Übrigens, weil der Blöd-«Blick» diese menschenverachtende Rüpelei des stellvertretenden Chefredaktors Reza Rafi online gelöscht hat, sei sie hier in der Print-Version wiedergegeben, bevor das vielleicht mit einem schwarzen Balken abgedeckt wird:

So nahe liegen hier Lachhaftes, Lächerliches und Liederliches beieinander.