Gemeinsam ins Elend, Teil I

Endlich: Tagi und NZZ Seit´ an Seit´.

Es gibt zwei Gebiete auf der Welt, wo’s drunter und drüber geht. Genau da wäre dringlich geboten, um diesen Ausdruck zu verwenden, dass sogenannte Qualitätsmedien ihrer Aufgabe nachgehen. Beschreiben, erklären, einordnen, dem Leser die Grundlagen für eine eigene Meinung vermitteln.

Was für ein klägliches Scheitern stattdessen. Im Nahen Osten der Tagi und in der Ukraine die NZZ.

Es gibt Dumpfbacken wie Markus Somm, für den sind die Israelis die unbezweifelbar «Guten» und alle ihre Feinde genauso einfältig die «Bösen». Aber mit so einem Tiefflieger muss man sich ja nicht ernsthaft auseinandersetzen.

Nun versucht sich der Tagi an einer Einordnung im Nahen Osten:

Immerhin ohne die Hilfe der «Süddeutschen Zeitung» – dafür aber mittels Zusammenschrieb der Ticker-Agenturen DPA und SDA, wobei noch ein gewisser «cli» mitfummelte. Resultat: Desaster.

Ein rechtsextrem-fanatischer Minister im Kabinett Netanyahu, der selbst in einer völkerrechtswidrigen Siedlung im von Israel besetzten Westjordanland lebt (aber für Somm sicher ein Guter), hat weitere 800 Hektaren zum israelischen «Staatsgebiet» erklärt, vermeldet der Tagi. Mit welcher Begründung findet dieser Landraub statt, warum, ausser, um damit den US-Aussenminister Blinken zu begrüssen? Da schweigt der Tagi kenntnislos.

Dann soll der Aussenminister Netanyahus Kriegskabinett dazu überreden, auf die Militäroffensive gegen die Stadt Rafah im Gazastreifen zu verzichten. Der korrupte Ministerpräsident (für Somm sicher ein Guter) hält aber an seinen Plänen fest. Wie steht es eigentlich in dieser Stadt, wie sieht die Lage dort aus? Ist die Bevölkerung tatsächlich am Verhungern? Was soll man davon halten, dass Israel zunächst der palästinensischen Bevölkerung im Norden des Gazastreifens nahelegte, in den angeblich sicheren Süden zu fliehen – nur um den anschliessend zu bombardieren und zu beschiessen? Da schweigt der Tagi kenntnislos.

Im UNO-Sicherheitsrat hätten 11 von 15 Mitgliedern für einen Resolutionsentwurf gestimmt, der einen «sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand» forderte. Der sei entweder von den USA «unterstützt» worden oder es war ein Entwurf der USA; da ist sich der Tagi nicht ganz sicher. Ebensowenig, ob der nun einen dauerhaften Waffenstillstand oder eine «sofortige Feuerpause» von sechs Wochen fordere. Da eiert der Tagi kenntnislos.

China und Russland hätten ihr Veto eingelegt, vermeldet das Blatt. Warum? Der russische Botschafter habe vor der Abstimmung «Zweifel am Wortlaut der Resolution» geäussert. Welche? Und China sagte nichts? Doch, der geplante Einmasrsch in Rafa werde nicht deutlich genug verurteilt. Und wer war der dritte Staat, der dagegen stimmte (Algerien), wer enthielt sich (Guyana)? Keine Ahnung, sagt der Tagi kenntnislos, ist doch wurst.

Damit liefert das Haus der Qualitätsmedien Tamedia eine neue Definition des Begriffs «freie Medien des Westens». Vor allem frei von Informationsgehalt, frei von Erklärungen, frei von banalsten Zusammenhängen.

Tragisch dabei ist: wenn man nur ein einziges dieser Stücke etwas genauer analysiert, kommt erbärmliches Nichtwissen zum Vorschein. Wenn man das auf die gesamte Auslandberichterstattung, auf die Wirtschaftsberichterstattung extrapoliert, kann man mit Fug und Recht sagen, dass hier keinerlei geldwerte Leistungen erbracht werden. Wenn man Geseire gegen angebliche Gendersprachverbote in Bayern mal beiseite lässt, die haben wenigstens noch einen gewissen Unterhaltungswert.

Aber mal ehrlich, liebe Tamedia-Zentralredaktion: schämt Ihr Euch denn überhaupt nicht mehr für nichts?

Aber die NZZ ist auch nicht viel besser. Das erklären wir in Teil II.

 

4 Kommentare
  1. C. Wallens
    C. Wallens sagte:

    Immerhin ist sich die Tagi-Redaktion im Ukraine-Konflikt einig, wer die Guten und wer die Bösen sind. Im Gaza-Krieg ist sich die Journaille allerdings nicht so sicher, wie man sich denn nun positionieren soll. Entweder man befürwortet einen Völkermord oder ist im Lager der Antisemiten. Damit scheint die Münger-Truppe ziemlich überfordert zu sein – zumindest solange keine klare Ansage aus München oder der Chefetage kommt.

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  2. Irgendeiner
    Irgendeiner sagte:

    >»Aber mal ehrlich, liebe Tamedia-Zentralredaktion: schämt Ihr Euch denn überhaupt nicht mehr für nichts?»

    Wozu denn? Die bedauernswerten Redaktor*Innen müssen doch irgendwo/irgendwie ihren Lebensunterhalt verdienen.

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  3. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Immerhin hat der TA den Landraub der israelischen Regierung thematisiert. Sollte all den unkritischen Israelfreunden zu denken geben und die laute jüdische Community in der Schweiz schweigt, sie fordert hinschauen und schaut selber weg Das Problem Israels ist die Hamas und die Regierung Netanyahu unter der orthodoxen Fuchtel die seit ihres Bestehens nie wirklich an Frieden interessiert war

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    • Peter Bitterli
      Peter Bitterli sagte:

      Gut gelernt, knapp und klar zusammengefasst. Note: 5. Das mit der „lauten jüdischen Community in der Schweiz“ sollten Sie ausbauen. Es hat Potenzial, wie historisch betrachtet auch schon. Eine sehr originelle Eigenleistung ist der Gebrauch des Kasus nach „seit“. Der Genitiv ist dem Dativ sein Tod. Das rennt definitiv mutig gegen den Zeitgeist an.

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