Wumms: Adelheid Wölfl
Es lebe das ordnende Vorurteil.
Auch die NZZ leistet sich nicht mehr überall eigene Korrespondenten. Das ist bedauerlich, weil sie dann auf zweite Qualität zurückgreifen muss, hier in Gestalt von Adelheid Wölfl, normalerweise in Lohn und Brot beim Wiener «Standard».
Die mag die Serben nicht besonders. Das ist ihr unbenommen, als persönliche Marotte. Wenn sie aber über den Besuch der Präsidentin der EU-Kommission beim serbischen Präsidenten Vucic berichtet, lebt sie diese Marotte doch zu stark aus.
Das zeichnet alle ihre Werke zum Thema aus. Nun besucht von der Leyen ein «Regime», sie betreibt auch keine Machtpolitik, sondern bringt wie eine Weihnachtsmännin (ein Begriff, der noch der korrekten Sprachregelung harrt) «einen Sack voller Geschenke» mit.
Dafür wollte sie bloss, dass Vucic endlich mal die Beziehungen zum Kosovo «normalisiere». Vielleicht vergisst Wölfl dabei, dass Serbien nach dem Jugoslawienkrieg die territoriale Integrität zugesichert worden war. Wie das Russland gegenüber der Ukraine tat. Allerdings anerkannte dann die EU (teilweise) die Unabhängigkeit des Kosovo, obwohl der zu Serbien gehört. Aber von solchen historischen Tatsachen will sich Wölfl doch nicht eine schöne Polemik kaputtmachen lassen.
Denn Serbien ist offenbar zu einer Grossmacht gereift: «Die EU wirkt schon lange vielmehr wie ein Bittsteller.» Wahnsinn, EU (BIP 16,5 Billionen) als Bittsteller in Serbien (BIP 63 Milliarden). Aber die EU (und die USA) sind nicht nur Bittsteller, sondern auch blöd: «Doch obwohl Vucics Strategie durchsichtig ist, halten die EU und die USA an ihrer Beschwichtigungspolitik fest.»
Blöd auch, dass die beiden Wirtschaftsmächte nicht auf den strategischen Sachverstand von Wölfl zurückgreifen. Denn die sieht glasklar: «Oberstes Ziel dieses Festhaltens an einer wirkungslosen und kontraproduktiven Strategie ist es, angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine Serbien unter Kontrolle zu halten, damit der Kreml keine zweite Front auf dem Balkan eröffnet. Dafür nimmt man hin, dass Serbien sich vermehrt in hegemonialem Stil in den Nachbarländern einmischt.»
Das seien ja die gleichen Fehler wie zuzeiten von Slobodan Milosevic, lässt Wölfl einen Schweizer «Osteuropa-Historiker» schimpfen. Der wird dann gleich militärisch-militant an seinem Schreibtisch: «Schmitt empfiehlt, Vucic klar zu kommunizieren, was die Folgen seiner Politik sein werden: die Aufhebung der Schengen-Visumsfreiheit, die Androhung einer robusten militärischen Abwehr weiterer serbischer bewaffneter Provokationen, die klare Benennung der Verantwortlichen in Belgrad mit Verhängung persönlicher Sanktionen, politische Garantien für die bedrohten Staaten Kosovo, Montenegro und Bosnien-Herzegowina. «Notfalls muss auch der Widerstand von Vucics Hauptverbündetem, Viktor Orban, in der EU endlich gebrochen werden», sagt Schmitt.»
Widerstand brechen, der Mann hat zu viele Kriegsheftchen gelesen. Oliver Jens Schmitt ist auch schon mit unqualifizierten Meinungen zum Ukraine-Krieg aufgefallen; eigentlich liegen seine Forschungsschwerpunkte ganz woanders als in Ex-Jugoswlawien. Mit einer Skanderberg-Biographie machte er sich schon bei den Albanern unbeliebt, Wikipedia weiss, dass er unterwegs ist «im Rahmen der vergleichenden Faschismusforschung mit einem Schwerpunkt auf Rumänien, ostmediterrane Stadtgesellschaften im langen 19. Jahrhundert, Gesellschaft und Politik im spätosmanischen Reich, soziokulturelle Entwicklungen im albanischen Balkan (19.–21. Jahrhundert), Gesellschaftsgeschichte des venezianischen Überseereichs sowie die spätmittelalterliche Geschichte des Balkans».
Also der Fachmann für Serbien und Ungarn, will es scheinen. Nach solchen fundierten und erhellenden Ausführungen kommt Grossstrategin Wölfl zu einem vernichtenden Schluss: «Jeder weiss es, aber niemand will es aussprechen. Die EU-Erweiterung im Balkan ist tot.»
Also sie meint es zu wissen und spricht es als Einzige aus. Das kann daran liegen, dass alle anderen nicht so drauskommen wie sie. Oder aber daran, dass sie in ihrer Einäugigkeit nicht so drauskommt. Leiden muss auf jeden Fall der NZZaS-Leser, der Besseres verdient hätte.
Man muss Vucic, Serbien oder die serbische Politik nicht sympathisch finden. Aber in einem Qualitätsorgan kann man schon verlangen, dass der Leser Analysen und Erklärungen für sein Geld bekommt, die Hand und Fuss haben.
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