Schwurbelnde Schmachtlocke

Wollt Ihr wissen, wie sich ein klebriges Bonbon anfühlt?

Zerdehntes, gequältes Ringen um Worte. Pseudointellektuelles Verkrampfen. «Postfaktisch … Wahrheitssuche … Frage stellen … öffentlicher Diskurs … einschneidende Veränderungen … Wahrheitssuche … öffentliche Diskurse … man kann, ich würde dem absolut Recht geben, Macht ist – Definitionsmacht … eher noch stärker als früher … ethische Standards haben sich eher generalisiert.»

Winseln da die ersten um Gnade? Gnade kennt er nicht: «Standards für Fairness haben sich in unseren Gesellschaften eher verstärkt. … Überall, wo es Machtungleichheit gibt, gibt es auch Machtmissbrauch.»

Einer geht noch:

«Ich glaube, in einem gewissen Sinne ist für heutige Machtsysteme die Lüge, das Schummeln, das Wegschauen, das Unter-dem-Deckel-Behalten eher wichtiger geworden als für traditionelle Gesellschaften oder vielleicht auch – was weiss ich – die Schweizer Demokratie vor einem halben Jahrhundert, wo äh das Verständnis für, wo man das Gefühl gehabt hat, dass ein gewisses Gefälle natürlich und akzeptabel sei …»

So mäandert sich das in sinnlosen Wortkaskaden minutenlang, gefühlte Ewigkeiten lang vor sich hin. Da steht ein Mann mit Mikrophon in der Kirche Kilchberg und hat Sprachdurchfall. «Ein historisches Epos ist eigentlich wahrer wie eine historisch faktisch richtige Geschichte, weil sich die historische Faktizität am Einzelfall orientiert.»

Versteht das jemand? Nein, auch in den gelichteten Reihen in der Kirche sah man fast unsichtbare, aber deutlich zitternde Fragezeichen über den Köpfen. Was will uns dieser Schlacks da vorne eigentlich sagen, mit so vielen, so leeren, so inhaltslosen Worten, die er aber wie unter grossem Leidensdruck mit sich kämpfend hervorwürgt, unterbrochen von Pausen, gefüllt mit dem einen oder anderen Äh.

Wer seinen Mitmenschen nicht liebt, sondern ihn quälen will, der muss ihm das Video vom Abendgottesdienst mit Daniel Binswanger aufs Auge und aufs Ohr und aufs Hirn drücken.

Wahrlich, ich sage Euch: der Mensch ist nach der Visionierung nicht mehr der gleiche wie vorher. Er braucht dann mindestens eine kalte und langanhaltende Dusche mit viel Rubbeln, um sich zu erholen.

Oder anders gesagt: wer wissen will, wieso die «Republik» so ist, wie sie ist, muss nur in eine beliebige Stelle dieses Geplappers zappen, wo jemand unablässig versucht, vermeintlich tiefe Gedankengänge wie Gewölle hervorzuwürgen.

Der grosse Tartuffe würde ganz klein werden, müsste er dieser Meisterklasse im Schwurbeln beiwohnen. Welche Gestik, welch pseudo-schlaues Lächeln, welche Emphase, wie die sprechende Schmachtlocke gelegentlich die Haarsträhne hinter dem Ohr versorgt, die sich vorwitzig-erstaunt über solch luzide Gedankengänge hervorgewagt hat, einfach göttlich.

ZACKBUM fragt sich, was wir eigentlich dem Menschen angetan haben, der uns auf dieses gefilmte Entstehen eines Schleimballs in den heiligen Hallen einer Kirche aufmerksam machte. Wir sind bekanntlich hart im Nehmen, aber das hat uns an unsere Grenzen geführt – und darüber hinaus. Wir sind immer noch auf dem Rückweg …

Apropos Wahrheitssuche: wie wäre es eigentlich, wenn Binswanger mal die Wahrheit über die Zustände beim «Magazin» und bei der «Republik» sagen würde? Er kennt sie doch, die Wahrheit. Was ist da stärker, auch im biblischen Sinn: der Drang nach Wahrheit oder die Feigheit? Ein Anfang wäre schon mal gemacht, wenn er über die Rolle einer «Mittelsperson» Auskunft geben und deren Namen nennen würde.

9 Kommentare
  1. Frederic Davide
    Frederic Davide sagte:

    Was für ein Video. Herrlich. Was fällt dem Betrachter da spontan ein? Karl Krauses Zitat zum Journalisten:
    «Keinen Gedanken haben und ihn ausdrücken können – das macht den Journalisten.
    Allerdings Bedarf es natürlich einer leichten Modifikationen:
    «Keinen Gedanken haben und ihn auch nicht ausdrücken können – das macht den Journalisten Binswanger aus.»

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Binswanger passt zur Kirche Kilchberg. Dort wirkt schon eine Pfarrerin die ihren schönen Worten nicht gerecht wird und auch im Umfeld von Spiess- Hegglin zu finden ist!

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  3. AST
    AST sagte:

    Die Zürcher Staatskirche und D. Binswanger, beide für und an sich schon schwer erträglich, zusammen und speziell zum Thema Wahrheit-Corona dann aber an Heuchelei kaum mehr überbietbar und weit über der Schmerzgrenze. Glücklicherweise wird sich diese Belanglosigkeit bald selbst erledigen, durch Kirchenaustritte und Überalterung, hüben wie drüben. Etwas gequält wird man sich selbst darin noch gefallen ( …in der Redaktion respektive am Kreuz ).

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  4. Alois Fischer
    Alois Fischer sagte:

    Endlich wieder einmal (mehr) Realsatire vom Feinsten! Republik sei Dank. Häuptling Schmachtlocke pilgert in den gabentempal der Refgormation und schwaudert und schwafelt und langweilt.
    Frau Pfarrer liefert Stichworte und heuchelt INtderesse und der geschmeichelte Festredner verliert sich im geschwurbelten Unterholz. Übrigens eine Superdemonstration, weshalb die falsche Verendung von «Schwurbler» als Inbegriff (oder Kampfbegriff?) gegen Coronaskeptiker und -kritiker so sackschwaches «Wording der Staatsgläubigen (umwirklich jeden Preis) war.
    Hier erlebt man auf einer viel zu langen Strecke, die im Namen des Herrn zur Verfügung gestellt wurde, was man wirklich unter einem Schwurbler zu verstehen hat.
    Ungeniessbar, aber überdeutlich echt und abschreckend. Vielleicht auch eine verständliche Erklärung für die rasante Kirchenabstinenz?

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  5. Peter Bitterli
    Peter Bitterli sagte:

    Ok, aber die Frage (oder Fragen? – nach einmal ist man ja raus), die die reformierte Intelligenzbestie stellt, kann auch einem stärkeren Geist als Binswanger den Stupor geben, nachdem das Nervenkostüm bereits durch den Saxophonisten völlig zerrüttet wurde.

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  6. Schorschli
    Schorschli sagte:

    Ich hab mir das Video nur kurz angetan. Der verkniffene Gesichtsausdruck war für mich nicht länger tragbar. Hab den Müll «gecancelt».

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  7. Sam Thaier
    Sam Thaier sagte:

    Fadengerade dargestellt – kein Mäandern im Nichts. Danke für die präzise Analyse René Zeyer.

    Versteckis spielen geht einmal nicht mehr Daniel Binswanger. Den hohen Begriff Dandyismus kann man eben nicht überstrapazieren!

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