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Neues von den Jammerlappen

Ist erst mal der Ruf ruiniert …

Doch, es muss sein. Denn ein solches Gejammer gab es in den Schweizer Medien noch nie. Selbst der «Kosmos», selbst die Rote Fabrik tun das nicht. Der «Kosmos» ist nach jahrelanger Misswirtschaft einfach implodiert und hinterlässt einen Millionenkrater, den der Steuerzahler auffüllen darf. Shit happens. Aber er hat nicht gross gejammert.

Die Rote Fabrik hat mehr Geld ausgegeben als sie hat. Shit happens. Kein Gejammer. Ach, und das «Schauspielhaus» vergrault konsequent seine Abonnenten, kriegt aber Millionensubventionen. Shit happens. All diese schwarzen Löcher jammern aber nicht kontinuierlich und lautstark vor sich hin.

Die «Republik» schon. Als der inzwischen verstummte Constantin Seibt noch schwurbelte, waren das immerhin geistreich auf Glatzen gedrehte Locken. Inzwischen hat Niveau und Stil bedenklich nachgelassen, statt Edelfeder gibt es Holzhammer:

Auch launig werden gelingt nicht mehr so recht:

«Teilen Sie einen bestimmten Link mit möglichst vielen Bekannten. Es ist ein persönlicher Link, eine Art Wegweiser, der Nicht-Verlegerinnen zur Republik führt. Ab heute finden Sie ihn in dieser Übersicht, und Sie können ihn so verschicken, wie es Ihren Gewohnheiten am besten entspricht: per E-Mail, Direkt­nachricht, als Beitrag in einem sozialen Netzwerk oder auf einer von Hand beschriebenen Karte, einem Fress­zettel, in einem Liebes­brief.»

Es gelingt eigentlich überhaupt nix, denn wer auf den hinterlegten blauen Text klickt, kommt hierher:

Behauptet wird aber: «Wer draufklickt oder die Adresse von Hand in seinen Browser eingibt, gelangt auf eine Begrüssungs­seite. Dort erklären wir den Gästen, was die Republik ist, was wir tun, warum es unseren Journalismus braucht. Und warum es sich lohnt, die Republik mit einem Abo zu unterstützen – so wie Sie es bereits tun.»

Irgendwie typisch für die «Republik». Gewollt, aber nicht gekonnt. Peinlich. Zum Fremdschämen. Aber es geht ja noch weiter im Elend. Damit bitte, bitte, bitte endlich mal wieder mehr Verleger «an Bord» kommen als das sinkende Schiff verlassen, bietet die «Republik» wie der billige Jakob Sonderpreise, Sonderrabatte, nur für kurze Zeit, jetzt zuschlagen, kommt nie wieder: man kann einen «flexiblen Einstiegs­preis wählen: irgendwo zwischen 120 und 480 Franken für ein Jahr Republik».

Eigentlich kostet das Blatt zur Rettung der Demokratie 240 Franken im Jahr. Allerdings: «Hier stützen wir uns auf Erfahrungs­werte aus dem vergangenen Frühjahr: 120 Franken (und damit die Hälfte des Normal­preises) entsprechen dem 2023 am häufigsten gewählten Einzelpreis.» Aha, der vorsichtige Neueinsteiger wählt flexibel die untere Preisgrenze. Irgendwie vernünftig in der Unvernunft, dafür überhaupt Geld rauszuwerfen.

Aber es wird noch lustiger. Denn die «Republik» macht sich zu recht Gedanken darüber, wie denn die Leser dieses Bettelaufrufs ihre nichtsahnenden Freunde überreden könnten, 120 Franken zum Fenster rauszuschmeissen: «Sie möchten die Republik Ihren Bekannten weiter­empfehlen, aber Ihnen fehlen die Worte. Kein Problem. Hier sind ein paar Vorschläge.» Da fehlen ZACKBUM die Worte …

Glücklicherweise (viele mögen das anders sehen) ist die schreibende Schmachtlocke vom Coiffeur, den Skiferien, einer Retraite oder was auch immer zurück. Und sorgt für Spass und Unterhaltung, wie es sonst nur der «Blick» kann. Schon mit dem Titel: «Wir brauchen Antworten – rasch». Wer braucht die nicht. Wenn er oder sie (oder es oder nonbinär oder Kim) fragt: liebst du mich noch, dann möchte man/frau/es – ach, lassen wir das – eine schnelle Antwort. Aber sonst?

Daniel Binswanger hat’s natürlich immer mit den ganz grossen Fragen (und Antworten): «Nato, Klima, Kaufkraft: Es mangelt nicht an Krisen, die adressiert werden müssen. Die Mittel haben wir. Nötig ist nun der politische Wille.»

Bevor wir die grossen Krisen «adressieren» und frankieren: wieso kümmert sich der Herr Co-Chefredaktor eigentlich nicht um die kleine grosse Krise in seinem eigenen Laden? Um die nicht aufgearbeitete Affäre um einen ruppig rausgefetzten ehemaligen Starreporter? Um die finanzielle Krise? Die Abo-Abgänge-Krise? Die Krise eines Kopf-in-der-Luft VR-Präsidenten?

Ja sakrament, wieso tun wir denn dann nichts, wenn wir die Krisen und die Mittel haben? Binswanger weist doch den Weg: «Europa muss nicht nur seine Militär­hilfe an die Ukraine so schnell wie möglich hochfahren, sondern in den nächsten Jahren auch im Eilzug­tempo aufrüsten.» Na, ob Binswanger eigentlich mal in der GSoA war?

Das ist immerhin noch einigermassen verständlich. Militärkopf Binswanger setzt den Helm auf und will Aufrüstung. Aber unter dem Helm sieht man irgendwie schlecht raus: «Drei Ereignisse haben ein denkbar schrilles Schlaglicht auf die aktuelle europäische Sicherheits­lage geworfen.» Hä, ein denkbar schrilles Schlaglicht? Hat er damit eins auf den Kopf bekommen?

Es hat den Anschein: «Putin führt seinen Krieg nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen den Westen.» Also gegen uns alle. Auch diejenigen, die in der Ostschweiz wohnen, by the way.

Das bedeute nun eine «Zeitenwende», hoppelt Binswanger dem deutschen Bundeskanzler hinterher. Zeitenwenden sind immer ein Riesending das hier ist aber ein Überding: «Das ist umso einschneidender, als es an weiteren epochalen Heraus­forderungen nicht mangelt

Ja sakrament, was gibt’s denn noch, neben gewaltiger Aufrüstung gegen den Krieger Putin? «Da ist zum einen der Klimawandel». Ach so, natürlich, Russland ist zwar Väterchen Frost, aber immer mehr Eisbären haben die Füsse im Wasser.

Doch aller Krisen sind drei: «Schliesslich und endlich sind wir konfrontiert mit einer dritten Krise, die sich ebenfalls immer deutlicher bemerkbar macht und deren Dringlichkeit nun relativ rasch ein kritisches Ausmass annehmen könnte. Es ist die sozial­politische Krise der Ungleichheit.»

Eine Wunderwuzzi-Wortschöpfung. Aber der Mann ist in Schöpferlaune: «Sie befeuert das Wagenknecht-Phänomen, das heisst eine linkspopulistisch-nationalistische Bewegung, die zur Stabilisierung der Demokratie wohl kaum einen Beitrag leisten wird

Das ist nun absolutes Neuland. Die Wörter links, populistisch und nationalistisch zu koppeln, das kann nur einer. Allerdings, wie meist, und hier haben wir die Lektüre der Suada abgebrochen, hebt die Schmachtlocke dann in Parallelwelten ab: «Funktionierende Demokratien brauchen ein kritisches Mass an sozial­staatlicher Umverteilung.» Und an der fehle es zunehmend, behauptet der Wirtschaftsweise. Dass, in Konkurrenzkampf mit den Schuldzinsen, Sozialausgaben der mit Abstand grösste Budgetposten in jedem mitteleuropäischen Staatshaushalt sind, dass noch nie in der Geschichte des Sozialstaats so viel umverteilt wurde wie heute – ob er das wohl mal zur Kenntnis nehmen wird?

Die Antwort ist nein. Also lassen wir’s.

Ach, noch nicht ganz. Wusste man eigentlich, dass Binswanger auch ein religiöser Schwurbler ist? Nein? Zufällig haben wir diesen Schmachtfetzen von vor zehn Jahren im «Magazin» gefunden und mussten anschliessend duschen gehen:

«Ohne den vom Evangelium gebotenen Anspruch eines jeden Christenmenschen auf die tätige Nächstenliebe seiner Glaubensbrüder, ohne die von der Schöpfungsgeschichte beschworene Gottesebenbildlichkeit eines jeden Erdenbürgers, ohne das Dogma, dass Christi Kreuzestod ausnahmslos jedem Gläubigen den Heilsweg eröffnen kann, hätte sich der moderne Aufklärungsbegriff von Gleichheit, Brüderlichkeit und Freiheit nicht entwickelt.»

Ähm, dieser in der Französischen Revolution geborene Dreiklang wurde gegen den erbitterten Widerstand der Kirche erkämpft. Aber Geschichte ist nichts für Anfänger. Jedoch für Schreiber ohne Schamgefühl oder einem Sensorium für die eigene Peinlichkeit.

If You Gotta Go, Go With a Smile!

Es gibt Organe, die gibt es gar nicht. Oder doch?

«Wenn du gehen musst, geh mit einem Lächeln.» Sagt Jack Nicholson mit seinem sardonischen Lächeln als Joker. Irgendwie erinnert der Zustand zweier Medien unwillkürlich daran. Die bilden in ihrer Art die ganze Misere des modernen Journalismus ab.

Mit grossem Trara gestartet, seither unaufhaltsam auf dem Weg nach unten. Beide mit Anspruch, aber ohne nennenswerten Inhalt. Zwei verschiedene Konzepte, aber eine Gemeinsamkeit: anhaltende Erfolglosigkeit.

Natürlich, es handelt sich um die «Republik» und um den «Nebelspalter». Die Retterin der Demokratie lässt uns live an ihrem Niedergang teilnehmen:

Grosse Töne spukt sie immer noch: «Die Aufgabe der Republik ist, brauchbaren Journalismus zu machen. Einen, der die Köpfe klarer, das Handeln mutiger, die Entscheidungen klüger macht. Und der das Gemeinsame stärkt: die Freiheit, den Rechtsstaat, die Demokratie

Aber offensichtlich ist das Interesse an nicht so brauchbarem Journalismus abnehmend. Wobei man inzwischen von einer Realsatire sprechen muss:

Schwülstig wird verkündet, dass «der strategische Fokus» inzwischen auf «Stabilität» liege: «Zu- und Abgänge bei Mitgliedschaften und Abonnements müssen sich dafür über das Jahr die Waage halten.» Dieses fokussierte strategische Ziel hat die Zeitschrift der guten Denkungsart das letzte Mal im April 2023 erreicht …

Immerhin ist eine neue Bescheidenheit ausgebrochen, das Ziel, 33’000 Abonnenten zu erreichen (und das entsprechende Geld gleich mal vorab rauszuballern), ist gestrichen (und das Geld weg).

Inhaltlich gibt es wenig bis nichts zu berichten. Dermassen langweilig, vorhersehbar und flachbrüstig ist er. Oder will jemand ernsthaft wissen, was die schreibende Schmachtlocke … Eben. Schlagzeilen machte die «Republik» letzthin nur, weil sie ihren Steuerstreit beilegen konnte und sich brutal von ihrem Starreporter trennte. Der war übergriffigen Verhaltens beschuldigt worden, sollte die Gelegenheit eingeräumt bekommen, seine Beschuldiger zu konfrontieren – und wurde stattdessen ohne diese Selbstverständlichkeit fristlos gefeuert.

Der «Nebelspalter» ist eher nebulös, was seine Zahlen betrifft. Seitdem ZACKBUM enthüllte, dass er es auf nicht mehr als 4000 zahlende Abonnenten gebracht hat, ist Ruhe im Karton. Brutale Entlassung kann er auch; von einem Tag auf den anderen trennte sich Markus Somm vom Chefredaktor der Printausgabe. Der wird stalinistisch nicht mal mehr in der Liste der Chefredaktoren des Nebi erwähnt. Dafür prangt nun Somm mit grossem Foto als «Verleger und Chefredaktor» über der Selbstbespiegelung «über uns». Sein Motto «Wir sind liberal, dass es kracht», nimmt er zu wörtlich; die Bombardierung Moskaus zu fordern, das ist krachig, aber nicht sehr liberal. «Der Nebelspalter hat Humor», auch das würden immer weniger unterschreiben, angesichts des unterirdischen Niveaus der Karikaturen letzthin:

Fäkal-Humor mit Einlauf.

Überhaupt hat die Kaperung der Printausgabe durch Somm & Co. dem Blatt nicht gutgetan. Angefüllt wird es mit gut abgehangenen Somm-Texten. Im Gegensatz zu den Republikanern ist er ein fleissiger Schreiber; inhaltlich hat er allerdings auch nicht viel mehr zu bieten.

Bei beiden Organen kann man eine Frage stellen, deren Antwort tödlich ist. Was hat man verpasst, wenn man sie nicht zur Kenntnis nimmt, nichts dafür zahlt, sie lesen zu dürfen?

Nichts.

 

Zwei Sumpfblasen aus der «Republik»

Auch auf die Gefahr hin, dass das die Einschaltquote von ZACKBUM sinkt.

Aber wir verstehen das als empathische Sterbebegleitung. Anstatt uns durch den mageren Wochenausstoss zu quälen, werden nur zwei Sumpfblasen angestochen. Vorsicht, übler Geruch.

Da hätten wir diese hier:

Die schreibende Schmachtlocke, der Co-Chefredaktor der «Republik», hat wieder ein Stück, nun ja, ein Interview abgesondert. Schon die Ausstattung des Artikels lässt an Demagogie nichts zu wünschen übrig. Wer so abgebildet wird, muss ein Verbrecher sein. Treffer, das ist auch der «mug shot»,  das Polizeibild von Donald Trump. Bloss schwarzweiss und dämonisiert. Aber immerhin, ihm wachsen keine Hörner.

Das Titelzitat erspart die weitere Lektüre. «Zweiter Versuch der Machtergreifung»? Es gab also schon einen ersten? Oder vielleicht haben wir das falsch verstanden, dass Trump anscheinend in demokratischen Wahlen zum Entsetzen vieler Fehlprognostiker zum Präsidenten gewählt worden war. Oder nein, das scheint sich darauf zu beziehen, dass Trump einen idiotischen Versuch unternahm, das Resultat der letzten Wahlen nicht anzuerkennen.

Das ist zwar bedenklich, disqualifiziert ihn aber nicht dafür, nochmals zu kandidieren. Genauso wenig, wie dass der amtierende Präsident zunehmend senil wird, den davon abhält, im biblischen Alter nochmals zu den Wahlen anzutreten. Die Amis sind wirklich nicht zu beneiden.

Die verbliebenen Leser der «Republik» allerdings auch nicht. Denn vielen von ihnen dürfte der Interviewpartner von Daniel Binswanger bekannt vorkommen. Richtig, den interviewte auch die NZZaS. Denn der «Harvard-Politologe» Daniel Ziblatt war wohlfeil zu haben, da er sowieso in der Schweiz weilte. Dass er eigentlich ein eher kleines Licht ist und zumindest merkwürdige Sachen sagt («Reiche Demokratien sterben nicht» verwendete die NZZaS als Titelzitat), was soll’s.

Die zweite Sumpfblase schillert nicht minder hübsch, platzt aber auch mit üblem Geruch. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie sich wie eine Gebrauchsanleitung für das Verhalten der 55 Schnarchnasen anhört, die sich in der finanziellen Hängematte der «Republik» suhlen und Leistung für ein unappetitliches Schimpfwort halten:

Mitarbeiter der «Republik» fragen sich hier sicher: wieso antrainieren? Fast nichts tut hier Ronja Beck, denn auch sie verwendet die kleinste Münze im Hosensack des Journalismus. Sie macht ein Interview. Mit dem Psychiater Michael Pramstaller. Der hat eine hübsche Marktlücke gefunden, denn Behandlungen und Therapien, das ist ein hart umkämpfter Markt mit vielen Konkurrenten. Zusammen mit seiner Gattin Dr. phil. Maria Pramstaller betreibt er die Praxis Pramstaller mit einer ganzen Latte von Angeboten:

  • Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung (ADHS)

  • Angsterkrankungen, Panikattacken

  • Asperger-Syndrom, Autismus

  • Belastungskrisen

  • Depressionen, chronische oder rezidivierende Depression

  • Essstörungen

  • Komplizierte Trauer

  • Paar- und Familienkonflikte

  • Persönlichkeitsstörungen

  • Prokrastination («Aufschieberitis»)

  • Schlafstörungen

  • Selbstwertprobleme

  • Sexualstörungen

  • Suchterkrankungen (auch substanzungebundene Süchte, wie Internet, aber auch Rauchentwöhnung)

  • Stress und Stressfolgestörungen (z.B. Burnout)

  • Zwangsstörungen

Keine Störung kommt hier unbehandelt davon, da ist es natürlich gut, etwas für Aufmerksamkeit aufs eigene Tun zu lenken. Was eignet sich dafür besser als ein Interview? Was eignet sich für die «Republik» besser als die Frage: «Wann macht Arbeit krank

Interessiert jemanden die Antwort? Bitte sehr: «Es ist etwas schwierig, zu generalisieren. Aber ich glaube, Arbeit macht dann krank, wenn es nur noch Arbeit gibt. Und ich spreche hier von Arbeit im weiteren Sinn: die Arbeit im Unter­nehmen, aber genauso die Arbeit daheim, als Partner, als Mutter. Wenn die eigenen Bedürfnisse, der Ausgleich zu dieser Arbeit, keinen Platz mehr haben, dann wird das Warnlicht dunkel­orange.»

Interessieren danach noch weitere Antworten? Schliesslich macht’s die arbeitswütige «Republik» auch hier nicht unter knapp 15’000 A. Nein? Dachten wir uns doch.

Man muss allerdings schon sagen: Geldgeber, die sich Millionenbeträge ans Bein streichen können, Verleger, die mit solchem Quatsch abgespeist werden, all die müssen sich langsam echt verarscht vorkommen, was ihnen da für viel, sehr viel Geld vorgesetzt wird.

Denn woran erkennt man den Unterschied dieser Werke zu reiner, heisser Luft? Nur am üblen Geruch.

Wir sind alle Antisemiten

Endlich ein Club, in den man zwangsweise eingeliefert wird.

Gibt es Kriegsverbrechen minderer und grösserer Natur? Natürlich, so wie es auch bei individuellen Gewaltverbrechen zwischen Totschlag und Mord aus niederen Beweggründen Abstufungen gibt. Aber ein Tötungsdelikt bleiben alle.

Ist nun jemand, der einem Schwarzen einen Mord vorwirft, ohne darauf hinzuweisen, dass auch Weisse Morde begehen, ein Rassist? Ist Friedensnobelpreisträger Obama Antisemit, weil er in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten eine sofortige, bedingungslose Waffenruhe im Gazastreifen forderte?

Ist die EU antisemitisch, weil sie das auch fordert und zudem darauf hinweist, dass die Abriegelung des Gazastreifens nicht mit dem Völkerrecht zu vereinbaren sei?

Ist die UNO antisemitisch, wenn sie mit Zweidrittelmehrheit  jegliche Gewalt gegen israelische und palästinensische Zivilisten verurteilt, die bedingungslose Freilassung aller Zivilisten, die «illegal festgehalten» werden, fordert und zu einer sofortigen Waffenruhe auffordert? Ist das eine «Schande» wie Israel sagt?

Ist selbst der Gutmensch Daniel BinswangerWir sind alle Israeli») ein Antisemit? Greta Thunberg? 2000 US-Künstler? Fridays for Future?

Heisst diese Fragen stellen bereits, dass irgend ein Würstchen den Zeigefinger heben kann und auch ZACKBUM des Antisemitismus bezichtigen? Ist jede Kritik an Israel antisemitisch? Wenn nein, wer bestimmt, in welcher Form sie geäussert werden darf, ohne die Antisemitismuskeule übergebraten zu bekommen?

Es ist wieder die Zeit der aufgeregten Intellektuellen, die mit ungeheuerlicher Sensibilität jede Äusserung zum Nahen Osten abhorchen, sensibel erspüren, ob im dritten Oberton, in einer falsch gesetzten Konjunktion, in einer Auslassung, im Verzicht auf die Verurteilung mit Abscheu der Bluttaten der Hamas eine Haltung durchschimmert, die eindeutig antisemtisch sei. Die den Israeli unterschieben will, sie seien selbst schuld daran, dass sie wieder zum Opfer werden.

Die das barbarische Massaker der fundamentalistischen Wahnsinnigen der Hamas ungeschehen machen will. Wer wagt, auch nur zu sagen, dass dieses Massaker nicht im luftleeren Raum stattfand, nachdem er es ausdrücklich und mit Abscheu verurteilt hat, wird von selbsternannten Semitismus-Beauftragten übel beschimpft.

Der einzige Ort, wo sich’s aushalten lässt, wo man redlich und anständig stehen sollte, ist mal wieder zwischen allen Stühlen. Die dümmlichen «Free Palestine»-Skandierer, alle, die «from the river to the sea» summen, sind Idioten. Machen sich gemein mit den Ayatollen im Iran, die Israel vernichten wollen und mit ihrem religiösen Wahnsinn (und viel Geld) die Sache der Palästinenser gekapert haben. Al Fatah, ihr Witzpräsident Abbas, ausrangiert, ohne Einfluss, eine klägliche Impotenzveranstaltung.

Das Sagen haben die Hamas, die Hetzbolla, Anhänger einer Todesreligion, die jeden europäischen Intellektuellen mit tiefster Abscheu erfüllen sollte.

Wer leichtfertig sagt, dass die Palästinenser im Gazastreifen sich doch gegen diese märtyrergeilen Wahnsinnigen zur Wehr setzen sollten, stelle sich einmal konkret die Situation vor. Man wohnt in einem Wohnblock und sieht des Nachts, wie eine Bande Vermummter Raketenwerfer das Treppenhaus hinauf aufs Dach schleppt. Sollte der friedliebende Palästinenser denen nun entgegentreten, um dann wie die Vertreter der Al Fatah gleich vom Dach geschmissen zu werden? Oder fliehen, nur wohin und womit?

Sind diese Fragen auch schon antisemitisch? Sind wir also alle Antisemiten, denn ausser vielleicht Markus Somm ist eigentlich niemand davon überzeugt, dass die Israelis per Definition die Guten sind. Und ihre Gegner daher unbezweifelbar die Bösen.Während ein Guter nie böse und ein Böser nie gut sein könne.

Statt den verbalen Zweihänder gegen alle zu schwingen, denen auch nur ein schräger Blick auf Israel vorgeworfen werden kann, wäre es doch sinnvoll, Lösungsvorschläge auszudenken. Denn weder der Vorwurf des Antisemitismus gegen fast alle, noch dumme Slogans wie «Free Palestine» beinhalten auch nur den Hauch eines Lösungsansatzes.

Eine Liquidierung der Hamas, sollte sie denn gelingen, schafft nur ein neues Reservoir von rachehungrigen jungen Palästinensern, die sich von einer Verliererreligion einreden lassen, dass zum Märtyrer werden, indem man Israelis tötet, das höchste Ziel im Leben wäre.

Israel ist von Staaten umgeben, die mehr oder minder intensiv einer Religion anhängen, die voraufklärerisch, mittelalterlich untaugliche Rezepte und Verhaltensvorschriften für eine moderne Zivilisation anbietet und dabei Staatsreligion ist, also kein Korrektiv kennt. Da Israel sie nicht alle vernichten kann, muss sich das Land arrangieren. Daran führt doch kein Weg vorbei, das kann ja nicht so schwer zu verstehen sein.

Der israelische Ministerpräsident Rabin und der Palästinenserführer Arafat waren einer möglichen Lösung schon sehr nahe. Aber dann wurde Rabin von einem rechtsradikalen Israeli ermordet. Kurz zuvor sagte Rabin in seiner letzten Rede vor Hunderttausenden:

«Ich bin überzeugt: Eine Mehrheit des Volkes will Frieden – und will für einen Frieden auch Risiken in Kauf nehmen. Denn die Gewalt zerstört die Grundlage der israelischen Demokratie. Wir müssen Gewalt verurteilen und zurückdrängen. Sie gehört nicht zu Israel. In einer Demokratie gibt es Meinungsverschiedenheiten. Aber Entscheidungen werden in demokratischen Wahlen getroffen. Deshalb haben wir das Mandat, das zu tun, was wir tun. Und wir werden diesen Weg fortsetzen

Damals sagte der heutige Ministerpräsident Netanjahu, damals Fraktionschef des Likud, einen Monat vor dem tödlichen Attentat: «Dieser niederträchtige Mörder wird von der Regierung hofiert. Diese israelische Regierung ist blind und erlaubt Arafat, seinen Plan zu verwirklichen: Die Vernichtung des jüdischen Staats

Ist es antisemitisch, auf diesen entscheidenden Moment in der israelischen Geschichte hinzuweisen? Wäre es nicht sinnvoller für uns europäische Intellektuellen, die sowieso aufgeregt mit dem Zeigefinger fuchteln können, aber rein gar nichts zu sagen haben und bewirken können, dass wir uns wenigstens Gedanken über Lösungen, Auswege machen, bevor vielleicht ein Atomkrieg den Nahen Osten unbewohnbar für alle macht?

Die Debatte über die jüngsten Entwicklungen dort ist bereits dermassen entgleist, dass es sinnlos geworden ist, weiter mitzudebattieren. Deshalb gibt es hier eine Nahost-Pause.

Der hinterhältige Bucheli

Die Meinungskrieger sind am Werk.

Roman Bucheli ist eigentlich für deutschsprachige Literatur «sowie für das Kinder- und Jugendbuch» zuständig. Also eine idyllische Tätigkeit für den studierten Germanisten und Philosophen.

Das hindert ihn aber nicht daran, sich in die garstigen Niederungen der Konfliktberichterstattung zu begeben. Obwohl sein Vordenker Peter Rásonyi bereits genügend vorgelegt hat, ist Bucheli wohl der Meinung, dass doppelt polemisiert wohl besser halte. Also legt er unter dem Titel «Das hinterhältige Aber» ein intellektuelles Schmierenstück vor, das überhaupt nichts Kindliches und auch nichts Kindisches hat. Ausser vielleicht beim Argumentationsniveau.

Zunächst zitiert er einige Prominente, die sich kritisch über die Reaktion Israels auf den barbarischen Angriff der Hamas geäussert haben. Jedesmal fragt er in Anklägermodus: «Wo waren die am 7. Oktober?» Eine hübsche rhetorische Pirouette, die unterstellt, dass alle, die Israel kritisieren, den Terrorschlag der Hamas ausblenden würden. Was sie natürlich nicht tun. Aber Unterstellungsjournalismus statt inhaltliche Auseinandersetzung ist en vogue, leider auch in der NZZ.

Das ist nur die Einleitung, um richtig Gas zu geben. Er nimmt sich den Satz vom luftleeren Raum des UN-Generalsekretärs nochmals zur Brust, obwohl in normalen Zeiten die Qualitätskontrolle sagen würde: hatten wir alles schon, wozu die Wiederholung?

Nun, damit auch Bucheli noch seinen Senf dazu geben kann: «Was hatte er also damit sagen wollen? Dass die Hamas Grund zum Morden hatte? Weil sie die Luft atmeten, in der die Israeli den Hass gesät haben sollen? Wer so denkt, vergisst oder verschweigt, was in der Charta der Hamas steht.»

Aber das alles ist nur eine längliche, aufgepumpte Einleitung zu dieser Infamie:

«Man merkt schon, wohin die Leute zielen, wenn sie solche verbalen Pirouetten drehen. Das Massaker der Hamas wird verharmlost oder gleich ungeschehen gemacht, indem es aus dem Gedächtnis gelöscht wird. Es erforderte keine besondere prophetische Gabe, um schon am Morgen nach dem 7. Oktober voraussagen zu können, dass Israel für das Massaker würde büssen müssen. Es würde dafür bestraft werden, das Opfer einer schändlichen Bluttat geworden zu sein.»

Wer will das Massaker der Hamas ungeschehen machen? Wer will die Israelis dafür bestrafen, Opfer geworden zu sein? Die US-Schauspielerin Tilda Swinton, mitsamt 2000 Künstlern Autorin eines Protestbriefs? Da ist Bucheli jede Unredlichkeit recht, denn er zitiert sehr ausgewählt aus diesem Protestschreiben und unterschlägt zum Beispiel, dass im Brief «jede Gewalttat gegen Zivilisten und jede Verletzung des Völkerrechts, wer auch immer sie begeht» verurteilt wird. Das Schreiben zitiert auch den israelischen Verteidigungsminister Yoav Galant, der die Palästinenser als «menschliche Tiere» abqualifiziert.

Wenn man diesen eines Verteidigungsminister eines zivilisierten Staates unwürdigen Satz kritisiert, muss man dann zuerst auf die Charta der Hamas hinweisen, die die Vernichtung Israels als Ziel formuliert? Muss man zuerst seinen Abscheu über die Bluttaten der Hamas äussern? Und muss man das alles in Worten und in einer Art tun, die Bucheli akzeptieren kann? Wo sind wir hier eigentlich?

Ist das ein Niveau der Schmiere, das der NZZ angemessen ist? Eigentlich nicht. Aber Bucheli ist sich sicher: «Die vereinigten Antisemiten der Welt würden grossen Zulauf erhalten». Dann nimmt sich Bucheli sogar noch Daniel Binswanger von der «Republik» vor. Dessen dilettantischer Kommentar unter dem Titel «Wir sind alle Israelis» enthält für Bucheli noch nicht genug Parteinahme für Israel. Einfach deswegen, weil es auch Binswanger wagt, nach bedingungsloser Verurteilung der Hamas zu schreiben: «Aber auch die Netanyahu-Regierung hat ihren Anteil an der heutigen Tragödie.»

Daraus schliesst Bucheli: «Also doch, die Israeli sind mitschuldig, eigentlich sind sie selber schuld.» Binswanger schreibt viel Unsinn in seinem Kommentar, aber ihm das zu unterschieben, ist infam und unredlich. Die Beschreibung von Ursachen mit Schuldzuteilung verwechseln, das unterläuft Bucheli nicht aus Dummheit. Das ist unredliche Absicht.

Aber immerhin, zum Schluss schreibt Bucheli etwas, das er sich selbst hinter die Ohren schreiben sollte: «Es steckt heute viel Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit in der Debatte um Israel.»

Was auch Bucheli, der vielleicht besser Kinderbücher rezensieren sollte, völlig auslässt: was wäre denn ein möglicher Lösungsvorschlag? Wie könnte man das Problem der Geiseln lösen? Wäre das nicht eine vornehme Aufgabe eines Intellektuellen, nachdem das Israel-Kritiker-Bashing in der NZZ schon flächendeckend stattfand? Sollte nicht aus der Analyse von Ursachen nach Lösungen gesucht werden? Ist es nicht kindisch, stattdessen wie der artige Streber in der Primarschule den Finger hochzustecken und «ich auch, ich auch» zu rufen?

Versuchen wir zu spiegeln, um den unfruchtbaren Unsinn dieses Gewäffels zu zeigen. Als die USA unter dem erfundenen Vorwand, der irakische Diktator Saddam Hussein stelle Massenvernichtungswaffen her und unterstütze den Terror der Al Qaida (was beides erstunken und erlogen war), in den Irak einmarschierten, gab es deutliche Kritik daran. Wurde der damals eigentlich auch immer vorgeworfen, sie müsse dann aber schon auch die Gräueltaten des Diktators erwähnen, bevor sie die USA kritisieren dürfe? Oder gar, wer die USA kritisiere, rechtfertige die Verbrechen des Diktators? Wolle sie ungeschehen, vergessen machen? Wer darauf hinwies, dass Hussein zuvor unterstützt von den und applaudiert durch die USA einen der wohl grausligsten Eroberungskriege gegen den Iran führte, in dem schätzungsweise 800’000 Menschen starben, wurde der gleich als Saddam-Verharmloser beschimpft?

Solche Versuche gab es, aber damals war noch eine offenere Debatte möglich als heute. Wie idiotisch und unproduktiv ist das denn, eine Kritik an Israel nur dann zulassen zu wollen, wenn ihr genügend Abscheu gegen die Gräueltaten der fundamentalistischen Wahnsinnigen der Hamas voranging? Kann man das nicht umdrehen, dass diese Zensoren à la Bucheli jegliche Kritik an Israel mundtot machen wollen? Oder sich anmassen zu sagen: Du darfst Israel vielleicht schon kritisieren, aber nur, wenn Du meine Bedingungen dafür erfüllst.

Es ist bedauerlich, dass sich auch die NZZ gelegentlich solche Taucher in die Morastgebiete des geistig Unverarbeiteten, Unredlichen, Unproduktiven leistet. Das ist weder erkenntnisfördernd, noch enthält es auch nur den Hauch eines Lösungsvorschlags, einer Analyse, einer intellektuellen Durchdringung. Das könnte sie besser.

 

Die «Republik» tief im Elend

Jeder «Untersuchungsbericht» macht’s noch schlimmer.

Es ist ein Bericht aus dem Gagaland: «Zwei der Betroffenen sollen zum Zeitpunkt der Vorfälle bei der Republik angestellt gewesen sein, ob auch heute noch ein Arbeits­verhältnis mit der Republik besteht, konnte die Republik nicht abschliessend beantworten. Die Vorwürfe wurden anonym erhoben, die Republik kennt die Identität der Betroffenen nicht.»

Die «Republik» untersucht also Vorwürfe von anonymen, angeblichen «Betroffenen». Gaga.

Darüber hinaus liess sie den «Anstellungsprozess der beschuldigten Person» untersuchen. Das habe ergeben, «dass die Republik eine Hinweis­geberin unangebracht und ohne Wertschätzung behandelt sowie keine geeigneten Massnahmen ergriffen hat, um künftige sexuelle Belästigungen im Arbeits­umfeld möglichst zu vermeiden». Unangebracht und ohne Wertschätzung. Gaga.

Interessanter dann der «Prozess nach der Meldung an die Geschäftsführung». Vielmehr der Nicht-Prozess, das gelähmte Zuwarten. Die GL habe prima gehandelt, «sich aber durch die rechtliche Beratung bei ihren Entscheidungen fehl­leiten» lassen. Gaga.

Nur zwei Wochen lang installierte die «Republik» eine «Meldeplattform». Da hätten «ca. 20 Personen 35 Meldungen abgegeben», also ein Paradies für Denunzianten. «Teilweise war ihnen (den externen Betreibern, Red.) die Identität bekannt, teilweise waren die Meldungen anonym. Sie erhielten aber auch Meldungen von Zeuginnen, die etwas selbst gesehen haben, oder denen etwas zugetragen wurde. Dadurch lassen sich auch anonyme Meldungen plausibilisieren.» Denunziationen auch vom Hörensagen. Gaga.

«Zum Schutz der meldenden Personen und da eine sofortige Trennung aufgrund des ausgewerteten Materials für die Arbeit­geberin alternativlos war, hat keine erneute Konfrontation des Beschuldigten mehr stattgefunden.» Bis heute für die GL anonyme Personen erheben Anschuldigungen. Auf der Meldeplattform gibt es weitere, teilweise anonyme Anschuldigungen. Und diese anonymen Denunzianten müssen dann «geschützt» werden? Dem Angeschuldigten wird das vorher zugesagte fundamentale Recht der Konfrontation verweigert? Das sei im merkelschen Sinne «alternativlos»? Gaga.

Aber es wird noch bedenklicher: «Eine sorgfältige Analyse aller Meldungen zeigt, dass die Republik AG von Anfang an mit personellen Konflikten, Führungs­kämpfen und verletzendem persönlichem Verhalten auf verschiedenen Ebene konfrontiert war.»

Hoppla. Das Magazin für die Besserung der Welt, die Heimat des erhobenen Zeigefingers, der Besserwisserei, der Verurteilung allen Fehlverhaltens bei anderen ist ein wahrer Intrigantenstadl, wo jeder jeden (und jede) in die Weichteile tritt?

Oder wie sagte die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger noch im Februar dieses Jahres so schön wie peinlich: «Diese NZZ-Polemik ist vollkommen haltlos. Ich habe die Tamedia 2017 verlassen, um mich an der Gründung der Republik zu beteiligen – und ich kann Ihnen versichern, dass die Tamedia- und Republik-Betriebskultur nichts miteinander zu tun haben.» Die NZZ hatte beim Roshani-Skandal die Rolle der übrigen Medien (und auch die von einigen ehemaligen Tamedia– und inzwischen «Republik»-Redaktoren) scharf kritisiert; allerdings nicht die eigene, verfehlte Berichterstattung.

Übrigens kläffte damals auch der inzwischen fristlos Gefeuerte: «Ich habe das Magazin 2014 wegen Finn Canonica verlassen … Wenn die NZZ das heute für Republik-Bashing missbraucht, kann ich ihr auch nicht helfen. Ich war drei Jahre beim Magazin, 2011 bis 2014, und kann ehrlich gesagt nicht viel Gutes über die Zeit dort sagen. Dass ich schweigender Teil irgendeiner Kultur gewesen sein mag, ist, entschuldigen Sie den Ausdruck, geradezu lachhaft.»

Ob der Mann heute noch lacht?

Schon interessant, wie diese Herren damals noch auf dem hohen Ross ritten. Erinnert an den Kinderreim:

«Hoppe, hoppe Reiter.
Wenn er fällt, dann schreit er.
Fällt er ins grüne Gras,
macht er sich die Hosen nass.»

Sind das alles vielleicht Figuren, und die wollen moralische Instanz sein und die Demokratie retten. Gaga.

 

Binswanger, die Letzte

Kein Wort mehr über den Schwurbler, versprochen.

Daniel Binswanger ist ein grosser Schweiger. Wenn es um den Roshani-Skandal bei Tamedia geht. Dort könnte er als nicht mehr Lohnabhängiger vom «Magazin» als Augen- und Ohrenzeuge bestätigen oder dementieren, dass die gefeuerte Mitarbeiterin Anuschka Roshani von ihrem damaligen Chef vor versammelter Mannschaft verbal übel angegangen worden sei. Wie sie behauptet. Aber er schweigt.

Die «Republik» hat neben den üblichen Geld-, Steuer- und Leistungsproblemen auch noch einen saftigen Sexismus-Skandal. Anonyme Frauen behaupten, ein zunächst freigestellter, dann fristlos entlassener Mitarbeiter habe sie verbal sexuell belästigt. Auch dazu schweigt Binswanger als Co-Chefredaktor eisern.

Dafür meldet er sich unter dem Gaga-Titel «Wir sind alle Israelis» zum Nahen Osten zu Wort. Aber damit nicht genug. Neuerdings versucht er sich als Bettler in eigener Sache. Indem er eine Art Newsletter verfasst. Auch hier ist der Betreff schon ziemlich gaga: «Für die Infrastruktur der Demokratie».

Natürlich gibt Binswanger Unverständliches zum Besten: «Ohne Auseinandersetzung und lebendige Pluralität ist die Demokratie nichts anderes als die Diktatur der Mehrheit.» Das ist nun merkwürdig, denn wenn ZACKBUM die Grundregel der Demokratie richtig versteht, entscheidet in ihr die Mehrheit. Die dann aber allenfalls zur Diktatur werden kann. Während ZACKBUM meinte, eine Diktatur sei eine Herrschaftsform, in der die Mehrheit nichts zu sagen hat.

Aber schon kommt die schreibende Schmachtlocke zum lustigen Teil:

«Die Republik ist ein unabhängiges Medium. Wir bemühen uns um objektive Informationen, halten die Debatte in Gang, setzen uns ein für den öffentlichen Diskurs. Das geht nur dank einer lebendigen Community, die unser gemeinsames Magazin trägt. Bitte unterstützen auch Sie unsere Arbeit! Ohne Journalismus keine Demokratie

Wie unabhängig kann ein Medium sein, das es nur wegen dem dicken Portemonnaie der Gebrüder Meili noch gibt? Woran erkennt man das Bemühen um «objektive Information», und was ist das überhaupt? Selbst die Aussage «es ist jetzt fünf vor zwölf» kann kaum als objektive Information bezeichnet werden. Wie man im Anfängerkurs für angehende Journalisten lernen sollte, gibt es das nicht. Es gibt höchstens ausgewogene Information oder das Bemühen, ein möglichst realistisches Bild der Wirklichkeit zu beschreiben. Was nun nicht gerade die Stärke der einäugigen, in ihrer Gesinnungsblase unter Luftabschluss  miefenden Redaktion ist. Die sich stolz zu diesem und jenem bekennt, aber sicher nicht zur «objektiven Information».

Dann hat Binswanger noch einen richtigen Schenkelklopfer auf Lager: «Das Schweizer Parlament dürfte am Sonntag nach rechts rücken – und noch weiter rechts steht heute das Schweizer Mediensystem.»

Das Schweizer Mediensystem steht weiter rechts als das Parlament? Also alle an der Seite der NZZ, der «Weltwoche» gar? Oder im Dunstkreis der «Schweizerzeit»? Angeführt von SRF? Man wischt sich die Lachtränen aus den Augen. Aber Binswanger ist gnadenlos, bis sich der Leser am Boden wälzt und prustend abklopft und um Einhalt bettelt: «Unser Kampf gilt nicht den Klicks, sondern der Qualität.»

Aber dann kommt die kalte Dusche, der Leser trocknet die Tränen und ist verstimmt. Denn das alles ist nur die Ouvertüre zur nächsten Bettelaktion: «Wir können Ihnen helfen bei der Meinungsbildung. Und Sie können uns helfen, diesen Job auch in Zukunft noch zu machen

Mit Link zum Bezahlen, natürlich.

Die «Republik» kann bei der Meinungsbildung helfen, aus welchen Gründen man die SVP wählen könnte? Die FDP? Aus welchen Gründen man die SP, die Grünen, den Hamas-Freund Molina nicht wählen sollte? Ganz objektiv natürlich?

Gut, es war herausfordernd, nach den Lachnummern zuvor noch einen Burner draufzusetzen. ZACKBUM wischt sich zum Abschied nochmals die Lachtränen aus den Augen.

 

Wumms: Daniel Binswanger

Der HiC der «Republik».

Es gibt den Commander in Chief, den Oberkommandierenden. Berühmtestes Beispiel war Fidel Castro, der Comandante en Jefe. Das war ein Monument von Mann.

Bei der «Republik» ist alles eine Nummer kleiner. Einige Nummern kleiner. Klitzeklein. Hier gibt es einen HiC. Das steht für Heuchler in Chief. Denn nichts anderes ist der Chefredaktor Daniel Binswanger.

Er gehörte zum Team des «Magazin» von Tamedia. Eine rachsüchtige Ex-Mitarbeiterin zog, nachdem sie gefeuert worden war, über ihren ehemaligen Chef dort her. Der habe sie auch vor der versammelten Redaktion erniedrigt, sei verbal übergriffig geworden.

Endlich mal eine Anschuldigung, die man problemlos verifizieren oder falsifizieren könnte. Denn es gab ja angeblich genug Augen- und Ohrenzeugen. Nur: die feigen Gutmenschen des «Magazin» waren nicht in der Lage, so viel Zivilcourage aufzubringen, um sich öffentlich zu äussern. Stimmen die Vorwürfe, stimmen sie nicht? Der nachgerutschte Chefredaktor Bruno Ziauddin? Verweist schmallippig an die Medienstelle des Hauses. Mikael Krogerus, Lebensgefährte der Kampffeministin Franziska Schutzbach, die nie zögert, Sexismus anzuprangern, wo er ist und nicht ist? Tiefes Schweigen. Und Daniel Binswanger, der über Jahre eine Kolumne schrieb, in der er unermüdlich der Welt gute Ratschläge erteilte und alles Böse, Diskriminierende, Sexistische streng verurteilte? Kein Ton.

Er bleibt sich treu. Denn er wechselte zur «Republik», wo er jede Woche genau das Gleiche wie beim «Magazin» macht. Und sonst nicht viel. Aber da das Blatt für alles Gute auf der Welt einen ziemlichen Verschleiss an Chefredaktoren hat, übernahm er auch diesen Posten geschmeidig.

Nun hat die «Republik» ein paar Probleme. Geldprobleme, Steuerprobleme, Klimalabor-Probleme, Payroll-Probleme, Probleme mit dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung. Ach, und ein Problem mit ihrem Star-Reporter, der gerade menschenfreundlich fristlos gefeuert wurde. Ohne dass er wusste, wer ihn eigentlich beschuldigt. Ohne dass er die versprochene Gelegenheit bekam, sich zu den Vorwürfen zu äussern.

Selten schräg ist auch: alle Denunziantinnen (Männer dürften nicht darunter sein) verstecken sich feige in ihrer Anonymität. Den Namen des Beschuldigten kennt eigentlich jeder, aber auch er wird nicht genannt. ZACKBUM respektiert das, findet es aber inzwischen ziemlich kindisch.

Das wären doch so zwei, drei Gründe, dass der nie um einen Ratschlag für die Welt verlegene Binswanger das mal in seiner Kolumne thematisieren könnte. So als Chefredaktor und Verantwortungsträger.

Doch nicht die schreibende Schmachtlocke. Stattdessen labert sie im Podcast «Demokratie-Check» über das ausgeleierte Thema «Was macht Fremdenhass zu einer politischen Waffe der Rechten?» Stattdessen:

Die Hütte brennt, der Dachstock droht einzustürzen, der Keller steht unter Wasser, die «Republik» steckt in einer existenzbedrohenden Krise, die diesmal nicht durch Geldmangel verursacht ist. Das Blatt der guten Lebensart versemmelt geradezu dramatisch und tragisch die Handhabung einer keinen Sexismus-Affäre. Der neue Verwaltungsrat zeigt gleich zu Beginn, dass er die Lage nicht im Griff hat und dem Problem nicht gewachsen ist.

Screenshot «Republik».

Ungeschicktere Medienmitteilungen als diejenigen, die von 55 angeblichen Kommunikationsprofis gebastelt werden, hat man nicht mehr gesehen, seit Pietro Supino den Roshani-Skandal in den Sand setzte.

Und Binswanger? Er folgt dem Beispiel von Constantin Seibt. Der kümmert sich eigentlich nur noch um den Faschismus in den USA. So von Zeit zu Zeit, wenn er Sprachdurchfall bekommt. Co-Chefredaktorin Bettina Hamilton-Irvine? Preist im idealen Moment einen neuen NL an. Die «Stabsstelle Chefredaktion»? Sagt komischerweise nix. Dominik Cavalli, «Head Human Resources»? Sagt zu dieser humanen Katastrophe nix. Sonia Cirillo, «Senior Controllerin», kontrolliert nix. Amanda Strub und Katharina Hemmer, die Co-Geschäftsführerinnen? Dürfen nix mehr sagen. Der Golden-Ager VR? Eiert.

In einer solch desolaten Lage wäre es doch die vornehmste Aufgabe des Commander in Chief, von der Kommandobrücke der eigenen Mannschaft aufmunternde Durchhalteparolen zuzurufen. Der Öffentlichkeit mit markigen Worten klarzumachen, dass die «Republik» alle Probleme in den Griff bekommt, noch besser wird, noch guter, noch humaner, noch vorbildlicher, noch transparenter.

Da könnte sich Binswanger ein Beispiel an der Edelfeder Ullrich Fichtner beim «Spiegel» nehmen. Den kostete der Relotius-Skandal zwar die schon zugesagte Stelle als Chefredakteur. Aber in einem Gewaltakt schrieb der die Relotius-Affäre so hin, dass es eine intellektuelle und schriftstellerische Freude war, ein solch raffiniertes Schönschreiben zu lesen. Eine perfekte Mischung aus Schuldeingeständnis, Erklärung, Berufung auf das Gute beim «Spiegel», Selbstgeisselung und ein Spürchen Kritik an den Kritikern. Ein Sahnestück.

Statt schwabbeln endlich mal schreiben. Statt die Welt, die Schweiz und alles Rechte und vor allem die SVP zu kritisieren, was ja wohlfeil ist, endlich mal ein intellektuell anspruchsvoller Versuch, die Kacke, in der die «Republik» steckt, golden anzumalen und zu parfümieren. Wäre eine echte Herausforderung. Aber davor versagen die Republikaner regelmässig.

Sie bleiben lieber im Mief der Selbstgerechtigkeit unter Luftabschluss unter sich. Kein schöner Anblick.

Wir wollten das Positive sehen, Part II

ZACKBUM leidet unter der Berichterstatterpflicht.

Der Plan war gut. ZACKBUM liest je einen Artikel aus der WoZ und aus der «Republik» und betont das Positive. Aber schon die Planwirtschaft ist an der Realität gescheitert.

Die WoZ haben wir hinter uns, nun fehlt noch die «Republik». Wir werden das in aller gebotenen Objektivität tun, obwohl das Organ der guten Denkungsart in seiner Liste der Links zur Berichterstattung über den jüngsten Skandal das Organ, das am ausführlichsten berichtete, nicht aufführt. ZACKBUM-Leser ahnen, welches gemeint ist.

Wir könnten nun gemein werden und «Acht Learnings aus dem Klimalabor» auswählen. Das sind über 15’000 Anschläge darüber, dass die Ankündigung einer Ankündigung nach monatelangem Nichtstun doch immerhin noch besser ist als nichts – tun. Oder?

Die Qual der Wahl war allerdings gross. 30’000 A über ein neues Buch der «linken Philosophin Susan Neiman»? «Sie wollte die Schwangerschaft abbrechen, jetzt hat sie Zwillinge», ebenfalls 30’000 A? Himmel hilf. Dann doch lieber, wir wollen so nett wie möglich sein, «Die den Service public lieben – und die SRG zerstören». Das sind 9400 A, immerhin. Es ist allerdings von Daniel Binswanger.

Aber ZACKBUM ist immer objektiv, der Wahrheit verpflichtet und – das zeichnet uns zuvorderst aus – nachsichtig.

Binswanger fängt mit der SVP an. Nein, er macht’s durchaus nachvollziehbar. Die Partei habe noch vor fünf Jahren fast einstimmig für die No-Billag-Initiative gestimmt, an ihrem Parteitag. Binswanger süffisant: «Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde dargestellt als nationale Bedrohung – die ein für alle Mal aus der Welt geschafft werden müsse.»

Aber heute sage die SVP «quasi das exakte Gegenteil». Lassen wir das Aufeinanderprallen von «quasi» und «exakt» ungestraft vorbeiziehen. Denn nun zititiert Binswanger den Präsidenten des Komitees der gerade eingereichten Halbierungsinitiative: ««Wir wollen die SRG. Sie hat eine sehr wichtige Funktion in diesem Land als Service public.» In nur fünf Jahren ist die SRG von einem Anschlag auf die eidgenössischen Grundwerte zu einer wichtigen Grundlage des helvetischen Zusammen­lebens geworden

Ein Schlag ins Kontor. Wer aber nun meint, Binswanger lehne sich anschliessend zurück und versetze der SVP noch ein paar Fusstritte, täuscht sich. Denn nun kommt die «Mitte» dran, genauer deren Präsident Gerhard Pfister. Vorher: «Der SRG ist halt nicht mehr zu helfen», er bezichtigte sie gar, «die Spaltung des Landes» voranzutreiben. Nachher: «Die Schweiz braucht einen starken öffentlich-rechtlichen Sender, das ist diskussionslos», flötet Pfister.

Dann geht’s weiter zur NZZ. Da holte Chefredaktor Gujer weit in die Geschichte aus und schrieb anlässlich der No-Billag-Initiative über die SRG und ihre Geburtsstunde in der Zeit, «als Hitler und Stalin die neue Radiotechnik nutzten, um ihre Propaganda zu verbreiten», daher «sei die Behauptung, «nur ein öffentlich-rechtlicher Sender könne die sozialen Schichten, Regionen und Sprachen verbinden, so vermessen wie totalitär»», zitiert Binswanger.

Neue Töne in der NZZ: «Die SRG produziert gute Informations­sendungen und leistet ihren Beitrag zur Demokratie.» Hier muss man aber einwenden, dass Binswanger einen Kommentar, der die Halbierungsinitiative für eine gute Sache hält, einfach unterschlägt. Ein kleiner Tolgen im bislang blütenweissen Reinheft.

Nun auf zur Erklärung, woher diese Wendungen? «Die SRG-Basher von gestern haben heute lange Nasen.» Warum? Das Scheitern der No-Billag-Initiative habe eben gezeigt, «wie unglaublich populär die SRG auch weiterhin bleibt».

Weil man sie nicht liquidieren könne, müsse sie nun stückchenweise entsorgt werden. Hier greift Binswanger zu einem Sprachbild, das nicht zur Nachahmung empfohlen ist: «Ein Hummer, den man halbiert, kann immer noch etwas die Scheren bewegen – bevor er dann verendet.» Hat Binswanger das etwa bei seinem letzten Ausflug in die gehobene Gastronomie mit eigenen Augen gesehen? Wobei normalerweise Hummer nicht lebendig halbiert werden.

Vom halbierten Hummer geht’s nun zur halbrichtigen Interpretation: «Zweitens verliert ein Sender, der keine Unterhaltung mehr anbietet, sondern nur noch politischen Inhalt, massiv an Reichweite und Relevanz. Die Meinungs­macht des Senders würde stark abnehmen, wenn er ausschliesslich der politischen Meinungs­bildung dienen sollte.»

Hm, das ist doch genau das, was die «Republik» auch macht, oder könnte jemand behaupten, dass die ein Unterhaltungsprogramm biete? Aber nun wird Binswanger grundsätzlich, und da verliert sein Gedankengang leider die vorherige Flughöhe, wobei sich der Abwärtstrend bereits mit dem Hummer ankündigte: «Medien­macht ist Meinungs­macht, Meinungs­macht ist politische Macht.»

Wir kneifen den Leser mit einer Hummerschere wieder wach, denn nun kommt noch das Finale. Der Blick in andere Länder. Wir machen ein lustiges Ratespiel, das jeder Leser gewinnt: welche Namen und Beispiele nennt Binswanger? Ja?

Berlusconi, natürlich. Trump, logo. Netanyahu, okay, ein wenig schwierig muss das Quiz schon sein, aber dann noch Viktor Orbán. Na, geht doch. Nun wird es allerdings, wir müssen objektiv bleiben, etwas wirr: «Ihre Wahlerfolge hängen wesentlich an ihrer Medienmacht – weshalb es heute evidenter scheint denn je, dass wir die öffentlich-rechtlichen Medien ausbauen und sicher nicht amputieren sollten.»

Also Berlusconi ist erfolgreich tot, Trump hat verloren, und wo ist schon wieder dessen Medienmacht? Also wenn das Argumente für den Ausbau der öffentlich-rechtlichen Medien sein sollen, dann gute Nacht am Abstimmungstag. Aber auch Binswanger kann bis dahin noch etwas üben.

Falls – das sagen wir auch in aller Objektivität – diese Kolumne an diesem Ort bis dahin überhaupt noch weiter stattfindet …

Schwurbelnde Schmachtlocke

Wollt Ihr wissen, wie sich ein klebriges Bonbon anfühlt?

Zerdehntes, gequältes Ringen um Worte. Pseudointellektuelles Verkrampfen. «Postfaktisch … Wahrheitssuche … Frage stellen … öffentlicher Diskurs … einschneidende Veränderungen … Wahrheitssuche … öffentliche Diskurse … man kann, ich würde dem absolut Recht geben, Macht ist – Definitionsmacht … eher noch stärker als früher … ethische Standards haben sich eher generalisiert.»

Winseln da die ersten um Gnade? Gnade kennt er nicht: «Standards für Fairness haben sich in unseren Gesellschaften eher verstärkt. … Überall, wo es Machtungleichheit gibt, gibt es auch Machtmissbrauch.»

Einer geht noch:

«Ich glaube, in einem gewissen Sinne ist für heutige Machtsysteme die Lüge, das Schummeln, das Wegschauen, das Unter-dem-Deckel-Behalten eher wichtiger geworden als für traditionelle Gesellschaften oder vielleicht auch – was weiss ich – die Schweizer Demokratie vor einem halben Jahrhundert, wo äh das Verständnis für, wo man das Gefühl gehabt hat, dass ein gewisses Gefälle natürlich und akzeptabel sei …»

So mäandert sich das in sinnlosen Wortkaskaden minutenlang, gefühlte Ewigkeiten lang vor sich hin. Da steht ein Mann mit Mikrophon in der Kirche Kilchberg und hat Sprachdurchfall. «Ein historisches Epos ist eigentlich wahrer wie eine historisch faktisch richtige Geschichte, weil sich die historische Faktizität am Einzelfall orientiert.»

Versteht das jemand? Nein, auch in den gelichteten Reihen in der Kirche sah man fast unsichtbare, aber deutlich zitternde Fragezeichen über den Köpfen. Was will uns dieser Schlacks da vorne eigentlich sagen, mit so vielen, so leeren, so inhaltslosen Worten, die er aber wie unter grossem Leidensdruck mit sich kämpfend hervorwürgt, unterbrochen von Pausen, gefüllt mit dem einen oder anderen Äh.

Wer seinen Mitmenschen nicht liebt, sondern ihn quälen will, der muss ihm das Video vom Abendgottesdienst mit Daniel Binswanger aufs Auge und aufs Ohr und aufs Hirn drücken.

Wahrlich, ich sage Euch: der Mensch ist nach der Visionierung nicht mehr der gleiche wie vorher. Er braucht dann mindestens eine kalte und langanhaltende Dusche mit viel Rubbeln, um sich zu erholen.

Oder anders gesagt: wer wissen will, wieso die «Republik» so ist, wie sie ist, muss nur in eine beliebige Stelle dieses Geplappers zappen, wo jemand unablässig versucht, vermeintlich tiefe Gedankengänge wie Gewölle hervorzuwürgen.

Der grosse Tartuffe würde ganz klein werden, müsste er dieser Meisterklasse im Schwurbeln beiwohnen. Welche Gestik, welch pseudo-schlaues Lächeln, welche Emphase, wie die sprechende Schmachtlocke gelegentlich die Haarsträhne hinter dem Ohr versorgt, die sich vorwitzig-erstaunt über solch luzide Gedankengänge hervorgewagt hat, einfach göttlich.

ZACKBUM fragt sich, was wir eigentlich dem Menschen angetan haben, der uns auf dieses gefilmte Entstehen eines Schleimballs in den heiligen Hallen einer Kirche aufmerksam machte. Wir sind bekanntlich hart im Nehmen, aber das hat uns an unsere Grenzen geführt – und darüber hinaus. Wir sind immer noch auf dem Rückweg …

Apropos Wahrheitssuche: wie wäre es eigentlich, wenn Binswanger mal die Wahrheit über die Zustände beim «Magazin» und bei der «Republik» sagen würde? Er kennt sie doch, die Wahrheit. Was ist da stärker, auch im biblischen Sinn: der Drang nach Wahrheit oder die Feigheit? Ein Anfang wäre schon mal gemacht, wenn er über die Rolle einer «Mittelsperson» Auskunft geben und deren Namen nennen würde.