Von Juden und Russen

Trigger-Begriffe triggern immer.

Aus diesem Grund vermeidet ZACKBUM weitgehend  Vergleiche mit angebräunten Zeiten. Alles Wohlfeile «das erinnert an Hitler-Deutschland» ist mit äusserster Vorsicht zu verwenden. Denn das Jahrhundertverbrechen des Holocaust darf niemals relativiert werden.

Das bedeutet aber nicht, dass Israel nicht kritisiert werden darf. Hier wird die Holocaust-Keule wohlfeil eingesetzt, um eine kritische Berichterstattung über israelische Verbrechen in den illegal besetzten Gebieten totzuschlagen.

ZACKBUM hat es gewagt, die Frage zu stellen, ob Russen die neuen Juden seien. Dem wird sofort entgegengehalten, dass bislang Russen im Westen sicherlich nicht in KZs gesperrt werden oder gar vergast.

Das ist richtig, aber das ist in diesem Vergleich auch nicht enthalten. Der Vergleich in Frageform bezieht sich darauf, dass vor der Vernichtung auch bei Juden zunächst die Enteignung stand. Oder wie das Raoul Hilberg in seinem unübertroffenen Werk «Die Vernichtung der europäischen Juden» formulierte: Die Vernichtungslogik der Nazis gegen die Juden war: Zuerst «Ihr dürft nicht so sein, wie ihr seid.» Dann: «Ihr dürft nicht unter uns sein.» Schliesslich: «Ihr dürft nicht sein.»

Der Diskurs der Ausgrenzung wurde schon von Adolf Muschg als «eine Form von Auschwitz» denunziert, was zu einem Aufschrei der Betroffenen führte, aber eine völlig richtige, zugespitzte Beobachtung ist.

In unserem Artikel «Sind Russen die neuen Juden?» haben wir in vollem Bewusstsein des Minenfelds, das man mit solchen Vergleichen betritt, logisch unbestreitbar argumentiert:

Die Zugehörigkeit zur vage definierten Gruppe «reicher Russe» reicht inzwischen, um generell, nicht im Einzelfall einen «Generalverdacht» zu unterstellen. Wer alleine durch diese Eigenschaft auf eine Sanktionsliste gerät (indem er zum Beispiel mit dem Namen identifizierbar auf einer Forbes-Liste der Reichen auftaucht), dessen Besitztümer werden beschlagnahmt. Präventiv.

In Umkehr der Unschuldsvermutung. Schuldig, bis der Betroffene das Gegenteil beweisen kann. Jede Versuche der Gegenwehr, beispielsweise völlig legale Holding- oder Truststrukturen, werden als weiterer Beweis der hinterfotzigen Gerissenheit ausgelegt. Politiker fordern, dass unter Verletzung aller rechtsstaatlicher Grundprinzipien im Namen des angeblich Guten kurzer Prozess mit russischen Vermögenswerten gemacht werden soll.

Sie sollen nicht nur beschlagnahmt und enteignet werden. Sie sollen sogar als angebliche Wiedergutmachung der korrupten, autokratischen ukrainischen Regierung zur Verfügung gestellt werden. Nach der Devise: Russe, reich, Räuber. Wer Russe ist, dazu reich und im Vertrauen auf den Rechtsstaat im Westen lebt, soll erleben, dass hierzulande die Eigentumsgarantie die gleiche Gültigkeit hat wie in Russland.

Als Gipfel der Unverschämtheit haben von den Sanktionen Betroffene in der Schweiz keine Möglichkeit, sich gegen Willkürmassnahmen zu wehren. Der Rechtsweg ist ihnen verwehrt, sie können kein Gericht anrufen, um sich gegen staatliche Enteignung und Beschlagnahmung zu wehren. Der Bundesrat hat die Gewaltenteilung ausgehebelt und spielt Legislative, Exekutive und Judikative in Personalunion.

Schlimmer noch, versucht sich ein Betroffener gegen diese ohne Überprüfung übernommenen Sanktionen der EU oder der USA zu wehren, kann er nur an den Bundesrat gelangen. Der die Anfragen und Anträge nicht beantwortet und in den Papierkorb schmeisst.

Die Hysterie gegen alles Russische umfasst – eine weitere Analogie – nicht nur Oligarchen, sondern alles Russische. Kultur, Kunst, Musik, Literatur, Malerei. Alles.

Ist es nun statthaft, diese Verwilderung des Rechtsstaats, die Aufhebung der Gewaltenteilung, die Umkehr der Unschuldsvermutung, die Schuldvermutung qua Teilhaberschaft an einer stigmatisierten Gruppe, mit dem Vorgehen des Dritten Reichs in den Anfängen der Judenverfolgung zu vergleichen?

Als die Gesetze zur Enteignung von Juden erlassen wurden, als ihre Entrechtung begann, war die Wannsee-Konferenz noch in weiter Zukunft. Sind fand erst 1942 statt. Erst hier wurde aus «ihr dürft echt so sein, wie ihr seid», aus « ihr dürft nicht unter uns sein» das endgültige «ihr dürft nicht sein».

Wer den begründeten Vergleich der Behandlung von reichen Russen heute mit der Behandlung von reichen Juden damals zieht, tut nichts Unstatthaftes. Er relativiert nicht den Holocaust, weil niemand auf die Idee käme, als nächste Handlung gegen reiche Russen deren Einlieferung in Arbeits- oder gar Todeslager zu prognostizieren.

Aber die Art der Enteignung, der Entrechtung, der Aufhebung rechtsstaatlicher Prinzipien, der Ersatz der individuellen Unschuldsvermutung durch eine kollektive Schuldvermutung, eben der «Generalverdacht», das riecht nicht nur angebräunt und angebrannt, das ist bräunlich, widerlich und faschistoid.

5 Kommentare
  1. H.von Atzigen
    H.von Atzigen sagte:

    Leider auch hier, Geschichte wird zumindest in Ansätzen zur Durchsetzung und Begründung Zeitgenössischer Ziele missbraucht .Aus der Geschichte sollte man lernen, doch das mit dem aus der Geschichte lernen, das ist leider sehr selten zu beobachten. Aus der Geschichte kann man auch herauslesen, warum was der Hintergrund ist das Völker und Gemeinschaften so reagieren wie sie jeweils reagieren.Leider wurde seit dem 2.Weltkrieg nur sehr wenig Grundsätzliches gelernt nix neues, leider wiederholt sich Geschichte variabel sind lediglich die Umstände und die jeweiligen Treibenden Kräfte.
    Die Aufarbeitung der Geschichte ist ein innzwischen allbekannter Begriff, ob es nicht Überfällig ist, die Rolle der Medien im Vorfeld von Kriegen aufzuarbeiten? Explizit in den Mainstream Medien hat sich innzwischen ein „Betonhartes» Gleichschritt Meinungskartell gebildet.Da müssten innzwischen alle Alarmglocken laut dröhnen.Im Vorfeld des Militärischen Gleichschrittes, wütet IMMER der Geistige Gleichschritt.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    zackbum, vom Seichten mitten ins Harte:
    Israel wäre ein grosses Thema, weit weg, verklärt oder gemieden in unseren ’news›.
    Russland, Sippenhaft.
    Aber der Wahnsinn und Raoul Hilberg ist längst unter uns.
    «Ihr dürft nicht so sein, wie ihr seid.» Dann: «Ihr dürft nicht unter uns sein.» Schliesslich: «Ihr dürft nicht sein.»
    2020, ihr Gefährder dürft nicht so denken wie ihr denkt.
    2021, ihr dürft nicht unter uns sein.
    Winter 2022, erinnert Ihr Euch an die Kreische*n rundum – bis ins Parlament rein???

    Aber solche Vergleiche sind heikel, weil zu befürchten ist, dass am 18.Juni immer noch eine Mehrheit diesen Boden ‹demokratisch› legidummieren wird.
    Adolf würde bloss staunen, wie schnell die Färbung 90 Jahre später im digitalen Zeitalter hergezaubert werden kann.
    Und fast alle machen jubelnd und ’save› mit.
    Die Mitte, FDP, das wouke Nelkengrüne walzt uns für die nächste PanndeWHO flach,
    fast nur bei den erdnahen SUVPler*n*innen gibt’s lächts von rächts ein paar, die NEIN sagen.
    Gspässigi Zyte.

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  3. H.R. Füglistaler
    H.R. Füglistaler sagte:

    Der bald zehnjährige Krieg in der Ukraine wird wohl in etwa drei Jahren zu Ende sein.
    Weltereignisse werden Uncle Sam zu globalen Umstrukturierungen zwingen.
    Ein Brand wird durch ein «Gegenfeuer» gelöscht.
    Man wird Mütterchen Russland wieder akzeptieren und in der Schweiz werden
    diverse hochgestellte Personen den Hut nehmen müssen.

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