Schlagwortarchiv für: Russen

Kriegsziele

Was schwebt denn den journalistischen Sandkastengenerälen so vor?

Der Historiker Herfried Münkler schwafelt von einer Reheroisierung und postheroischen Gesellschaften. «Material und Durchhaltewillen», Menschenmaterial, der heroische Soldat, fehlt nur noch die Statue von Arno Breker zur Illustration. Wir sind verbal und mental wieder dort, wo wir 1914 schon mal waren.

Auch sonst gibt es jede Menge wohlfeiler Ratschläge. Mehr Waffen, mehr Menschen, mehr Schlachten, wäre doch gelacht, wenn man den Iwan nicht kleinkriegen würde. Der ist sowieso demotiviert, desillusioniert, eigentlich schon tot, am Ende, kurz vor dem Zusammenbruch.

Mit welchen Fanfarenklängen wurde die grosse ukrainische Offensive angekündigt und begleitet. Wie kleinlaut wurde ihr Zusammenbruch vermeldet. Wenn’s auf dem Schlachtfeld nicht nach Wunsch der Kommentatoren geht, dann eröffnen sie Nebenschauplätze. Dafür aber müssen sie zuerst die Wirklichkeit kräftig umbiegen. Dass Putin und sein Regime ein Unrechtsstaat sind, mit einer dysfunktionalen Justiz, endemischer Korruption und dem Beseitigen von Oppositionellen nach Mafia-Art, darüber muss man keine Worte verlieren.

Putin ist aber kein Irrer, nicht verrückt, auch nicht einfach böse. Sondern er ist einfach ein Machtmensch, der sich schwer verkalkuliert hat und diese Scharte wieder auswetzen möchte.

Auf der anderen Seite war und ist die Ukraine eines der korruptesten Länder der Welt, seinem Präsidenten wurde die Wahl ins Amt von einem ukrainischen Oligarchen gekauft, der dafür eine Amnestie für seine Milliardenbetrügereien bekam. Pressefreiheit existiert so wenig wie in Russland, Opposition dito. Mit den wenigen verbliebenen Oppositionellen geht Selenskyj auch nicht viel sanfter um als Putin. Immerhin lässt er sie nicht umbringen oder in ein Straflager stecken.

Und das soll also der strahlende Verteidiger westlicher Werte wie Freiheit, Liberalismus, Rechtsstaatlichkeit sein. Da lachen die Hühner, und die Hähne wälzen sich am Boden.

Wer wie ZACKBUM einen Ausflug in den «Tages-Anzeiger» wagt und dort eine Replik veröffentlicht, ist nur deswegen nicht entsetzt über die Kommentare, weil er nichts anderes erwartet hat. Banale und fundamentale Prinzipien eines Rechtsstaats – pfeif drauf, sagt die überwältigende Mehrheit der Kommentatoren. Einer holt gleich zum grossen Schlag aus: «Herrn Zeyers Replik auf Herrn Kisslings Argumentation ist moralisch, politisch und historisch weder fundiert noch vertretbar.»

Es ist grauenerregend, welche Unkenntnis auch in der Schweiz über das Funktionieren eines Rechtsstaats herrscht und mit welch lockerer Hand seine Prinzipien und Gesetze weggewedelt werden, wenn es angeblich übergeordnete, moralische oder sonstwelche Gründe gäbe, die einen eklatanten Gesetzesbruch angeblich legitimierten.

Diesen Gesinnungsverbrechern arbeiten Journalisten in die Hand, indem sie martialisch mit Napalm gurgeln und an den Endsieg der Ukraine glauben. Alle objektiven Faktoren sprechen dagegen. Um so länger der Krieg dauert, desto teurer werden die Aufräumarbeiten, vom menschlichen Blutzoll und Elend ganz zu schweigen. Einige Dummköpfe wie ein ETH-Militärexperte machten sich bereits lächerlich, indem sie konkrete Prognosen wagten, wann Russland besiegt sei und das Schlachtfeld schmählich verlassen werde. Genau im Oktober vorletzten Jahres, zum Beispiel.

Aber wozu in die Ferne schweifen, das Schlechte liegt so nah. Verfassungsauftrag, Kriegsmaterialgesetz, ohne Deuteleien glasklare Formulierung, was erlaubt ist und was verboten. Pfeif drauf, sagt ein Chor von Stimmen, das biegen wir hin, um. Weil es doch übergeordnete Gründe gibt, Moral, Solidarität, Freiheit. Man entblödet sich sogar nicht, fragwürdige Exporte von Kriegsmaterial beispielsweise nach Saudiarabien als Grund anzuführen, dass man doch auch in die Ukraine liefern könne, solle, müsse. Oder wenigstens den Weiterexport dorthin durch Staaten, die auf ihre eigenen Gesetze pfeifen, endlich erlauben. Denn eine Fragwürdigkeit legitimiere doch zweifellos die andere, so lautet diese perverse Logik.

Selbst ehemalige Pfaffen wie der deutsche Ex-Bundespräsident Gauck üben sich in der alten Beschäftigung der Kirche, Waffen für einen angeblich guten Zweck zu segnen und zu fordern.

Aber immerhin hat das Kriegsgeschrei etwas Gutes. Zuvor war es vielen unverständlich, wie ansonsten zurechnungsfähige Menschen, Intellektuelle, besonnene Denker ab August 1914 sich plötzlich in Berserker verwandelten, den Sieg des eigenen Landes forderten, besangen, herbeifantasierten. Dabei die Heroik, den übermenschlichen Einsatz der eigenen Soldaten lobten, das grausame, entmenschte Wüten des barbarischen Gegners verurteilten.

ZACKBUM gesteht: bis vor Kurzem war uns das nicht verständlich, nicht nachvollziehbar. Inzwischen haben wir verstanden, dass sich die Geschichte immer ins Gleiche verschlauft, kein zivilisatorischer Fortschritt erkennbar ist. Sich wie ein Mühlstein, wie ein Rad dreht und wiederholt. Und ist das grosse Schlachten mal wieder vorbei, will sich keiner mehr daran erinnern, welch verbaler Blutsäufer er war, wie ungehemmt er den Tod von anderen für eine vermeintlich gute Sache forderte, wie schamlos er den Kriegsgegner dämonisierte. Es hat im deutschen Sprachraum eine lange Tradition, das mit Russen, dann Sowjetbürgern, jetzt wieder mit Russen zu tun.

In Schlamm und Dreck zu stecken, zu frieren und zu hungern, das hat nichts Heroisches. All diese Sandkastenkrieger in ihren wohlbeheizten Arbeitsstätten, die mit wichtiger Miene und strategischer Überlegenheit mehr Waffen, mehr Krieg, mehr Tote, mehr Siege fordern, merken gar nicht, wie widerwärtig sie sind.

 

Von Juden und Russen

Trigger-Begriffe triggern immer.

Aus diesem Grund vermeidet ZACKBUM weitgehend  Vergleiche mit angebräunten Zeiten. Alles Wohlfeile «das erinnert an Hitler-Deutschland» ist mit äusserster Vorsicht zu verwenden. Denn das Jahrhundertverbrechen des Holocaust darf niemals relativiert werden.

Das bedeutet aber nicht, dass Israel nicht kritisiert werden darf. Hier wird die Holocaust-Keule wohlfeil eingesetzt, um eine kritische Berichterstattung über israelische Verbrechen in den illegal besetzten Gebieten totzuschlagen.

ZACKBUM hat es gewagt, die Frage zu stellen, ob Russen die neuen Juden seien. Dem wird sofort entgegengehalten, dass bislang Russen im Westen sicherlich nicht in KZs gesperrt werden oder gar vergast.

Das ist richtig, aber das ist in diesem Vergleich auch nicht enthalten. Der Vergleich in Frageform bezieht sich darauf, dass vor der Vernichtung auch bei Juden zunächst die Enteignung stand. Oder wie das Raoul Hilberg in seinem unübertroffenen Werk «Die Vernichtung der europäischen Juden» formulierte: Die Vernichtungslogik der Nazis gegen die Juden war: Zuerst «Ihr dürft nicht so sein, wie ihr seid.» Dann: «Ihr dürft nicht unter uns sein.» Schliesslich: «Ihr dürft nicht sein.»

Der Diskurs der Ausgrenzung wurde schon von Adolf Muschg als «eine Form von Auschwitz» denunziert, was zu einem Aufschrei der Betroffenen führte, aber eine völlig richtige, zugespitzte Beobachtung ist.

In unserem Artikel «Sind Russen die neuen Juden?» haben wir in vollem Bewusstsein des Minenfelds, das man mit solchen Vergleichen betritt, logisch unbestreitbar argumentiert:

Die Zugehörigkeit zur vage definierten Gruppe «reicher Russe» reicht inzwischen, um generell, nicht im Einzelfall einen «Generalverdacht» zu unterstellen. Wer alleine durch diese Eigenschaft auf eine Sanktionsliste gerät (indem er zum Beispiel mit dem Namen identifizierbar auf einer Forbes-Liste der Reichen auftaucht), dessen Besitztümer werden beschlagnahmt. Präventiv.

In Umkehr der Unschuldsvermutung. Schuldig, bis der Betroffene das Gegenteil beweisen kann. Jede Versuche der Gegenwehr, beispielsweise völlig legale Holding- oder Truststrukturen, werden als weiterer Beweis der hinterfotzigen Gerissenheit ausgelegt. Politiker fordern, dass unter Verletzung aller rechtsstaatlicher Grundprinzipien im Namen des angeblich Guten kurzer Prozess mit russischen Vermögenswerten gemacht werden soll.

Sie sollen nicht nur beschlagnahmt und enteignet werden. Sie sollen sogar als angebliche Wiedergutmachung der korrupten, autokratischen ukrainischen Regierung zur Verfügung gestellt werden. Nach der Devise: Russe, reich, Räuber. Wer Russe ist, dazu reich und im Vertrauen auf den Rechtsstaat im Westen lebt, soll erleben, dass hierzulande die Eigentumsgarantie die gleiche Gültigkeit hat wie in Russland.

Als Gipfel der Unverschämtheit haben von den Sanktionen Betroffene in der Schweiz keine Möglichkeit, sich gegen Willkürmassnahmen zu wehren. Der Rechtsweg ist ihnen verwehrt, sie können kein Gericht anrufen, um sich gegen staatliche Enteignung und Beschlagnahmung zu wehren. Der Bundesrat hat die Gewaltenteilung ausgehebelt und spielt Legislative, Exekutive und Judikative in Personalunion.

Schlimmer noch, versucht sich ein Betroffener gegen diese ohne Überprüfung übernommenen Sanktionen der EU oder der USA zu wehren, kann er nur an den Bundesrat gelangen. Der die Anfragen und Anträge nicht beantwortet und in den Papierkorb schmeisst.

Die Hysterie gegen alles Russische umfasst – eine weitere Analogie – nicht nur Oligarchen, sondern alles Russische. Kultur, Kunst, Musik, Literatur, Malerei. Alles.

Ist es nun statthaft, diese Verwilderung des Rechtsstaats, die Aufhebung der Gewaltenteilung, die Umkehr der Unschuldsvermutung, die Schuldvermutung qua Teilhaberschaft an einer stigmatisierten Gruppe, mit dem Vorgehen des Dritten Reichs in den Anfängen der Judenverfolgung zu vergleichen?

Als die Gesetze zur Enteignung von Juden erlassen wurden, als ihre Entrechtung begann, war die Wannsee-Konferenz noch in weiter Zukunft. Sind fand erst 1942 statt. Erst hier wurde aus «ihr dürft echt so sein, wie ihr seid», aus « ihr dürft nicht unter uns sein» das endgültige «ihr dürft nicht sein».

Wer den begründeten Vergleich der Behandlung von reichen Russen heute mit der Behandlung von reichen Juden damals zieht, tut nichts Unstatthaftes. Er relativiert nicht den Holocaust, weil niemand auf die Idee käme, als nächste Handlung gegen reiche Russen deren Einlieferung in Arbeits- oder gar Todeslager zu prognostizieren.

Aber die Art der Enteignung, der Entrechtung, der Aufhebung rechtsstaatlicher Prinzipien, der Ersatz der individuellen Unschuldsvermutung durch eine kollektive Schuldvermutung, eben der «Generalverdacht», das riecht nicht nur angebräunt und angebrannt, das ist bräunlich, widerlich und faschistoid.

Saitenstark

ZACKBUM muss hier in die Harfe greifen.

Wir loben zu wenig. Ein häufig gehörter Vorwurf, den wir hiermit entkräften. Ausnahmsweise. Aber der Anlass drängt sich auf.

Es gibt in der Ostschweizer Medienszene das «Tagblatt»-Konglomerat. Angeblich über 100 Redaktoren bemühen sich dort, neben dem fixfertig aus Aarau angelieferten Mantel Lokales zu beschreiben. Kläglich.

Es gibt «Die Ostschweiz», für die ZACKBUM-Redaktor René Zeyer schreibt, wodurch jedes Lob eine gewisse Subjektivität nicht abstreiten kann. Also fassen wir uns kurz: grossartiges Magazin, einfach spitze, unerreicht.

Dann gibt es das «Ostschweizer Kulturmagazin Saiten». Wir haben uns schon mehrfach sehr kritisch über Inhalt und Mitarbeiter geäussert. Alles Gründe, um diesmal in hemmungsloses Lob auszubrechen. Die zweiteilige Serie «Viel russische Kohle im Appenzellerland?» und «Noch mehr Kohle im Appenzellerland – und in der Stadt St. Gallen» ist ein ganz starkes Stück Recherchierjournalismus.

Hans Fässler, lediglich unterstützt von zwei Mitarbeitern und einem Recherchierfonds, hat sich auf Spurensuche nach russischen Firmen, Verwicklungen, Sitzgesellschaften und einheimischen Helfershelfern begeben. Hartnäckig, sorgfältig, wie ein Eichhörnchen hat er alles zusammengetragen, was aus öffentlich einsehbaren Quellen wie dem Handelsregister, logischen Schlussfolgerungen und hartnäckigen Nachfragen gewonnen werden kann.

Wer sich auf dem Gebiet etwas auskennt, kann ermessen, wie gross die Visualisierung aller Verästelungen, Zusammenhänge, Quellen und weltweiten Verschleierungskonstruktionen gewesen ist. Und wie Fässler wohl gelegentlich vor diesem Board stand und sich fragte, ob er das überhaupt zu Ende bringen kann – und ob jemand die beiden Riesenstücke in einer Kulturzeitschrift überhaupt lesen wird.

Es ist tatsächlich wie das Durchschreiten eines Labyrinths. Aber Fässler gelingt es, den Faden der Adriadne so zu benützen, dass man auch wieder herausfindet und (meistens) weiss, wo man gerade ist. Was auch sehr für den Autor spricht, ist die Tatsache, dass er russische Connections nicht als Minotaurus denunziert, als ob alle und alles, was mit Russland zu tun hat, alleine dadurch verdächtig, kriminell, unsauber, Putin-hörig, ungeheuerlich sei.

Natürlich bewegt er sich mit aller Vorsicht, die potenziell gefährliche Gegner und Enthüllte verlangen. Noch ist es in der Schweiz nicht so weit, dass russische oder ukrainische Zustände in den Medien herrschen. Aber alleine die Drohung mit teuren Rechtshändeln, sollte etwas Unliebsames veröffentlicht werden, reicht häufig aus, dass sogar mächtige Medienkonzerne den Schwanz einziehen und mit der weissen Flagge winken.

Also kommt zur Recherchierleistung auch noch eine Portion Mut hinzu, was sowohl den Autor wie das Organ ehrt; denn an die Kasse kämen beide.

Das ganze Elend der CH-Media-Kopfblätter vom «Tagblatt» abwärts zeigt sich an einer Parallelgeschichte. Denn das «Tagblatt» traute sich immerhin, auf einer Doppelseite eine Recherche von René Zeyer über den Sherkati-Clan in St. Gallen zu publizieren, der aus beschaulichen Villen heraus einen weltweit tätigen Konzern beherrscht, inklusive Bank und geschäftlichen Verbindungen mit Zeitgenossen und Staaten, mit denen man nicht unbedingt öffentlich gesehen werden möchte.

Sozusagen in einem Mutanfall wurde das publiziert; als aber der Clan einen Emissär aussandte, der beim Chefredaktor des «Tagblatts» vorsprach, zwar inhaltlich nichts, rein gar nichts zu bemängeln hatte, aber dennoch durchblicken liess, dass man überhaupt nicht amüsiert sei und sich ernsthaft rechtliche Schritte überlege – knickte der Chefredaktor ein und löschte den Artikel aus dem Netz.

Notabene ohne den Autor darüber zu informieren oder Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen. Daraufhin wurde der Artikel in identischer Form – lediglich ein Namensdreher wurde korrigiert – in «Die Ostschweiz» publiziert. Und siehe da, trotz allen Bedenken und Befürchtungen des feigen «Tagblatt» –passierte überhaupt nichts. Der Bericht über das «weitverzweigte Sherkati-Imperium» ziert weiterhin «Die Ostschweiz».

Zwei Beispiele dafür, wo heutzutage noch Recherchen durchgeführt und publiziert werden. Die grosse Freude über die Arbeit von Fässler wird nur dadurch getrübt, dass sein Mammutwerk so überdeutlich aufzeigt, wie ärmlich, wie verarmt, wie blutleer, wie mutlos all das ist, was ein Hundert von wohlbezahlten Sesselfurzern im Dienste von CH Media leisten.

Zum Fremdschämen, wie all diese Journalisten täglich vorführen, dass sie den Beruf verfehlt haben und besser Zuckerbäcker geworden wären. Oder Luftfächler. Oder Büttel.

Aber ZACKBUM lässt es sich nicht nehmen, Fässler für diese Sternstunde des Schweizer Journalismus ausdrücklich zu danken und zu gratulieren. Natürlich in der Hoffnung, dass ihm das Lob von der falschen Seite in seiner Gesinnungsbubble nicht um die Ohren geschlagen wird.