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Rutishausers neuster Knaller

Der Mann rettet im Alleingang die Reputation von Tamedia.

Arthur Rutishauser ist der fleissigste Chefredaktor im Umzug. Seitdem er auf den Posten des Chefs der «SonntagsZeitung» heruntergestuft wurde, läuft er wieder zu Höchstformen auf. Zuvor war er das Bauernopfer bei der verunglückten Reaktion auf ein Protestschreiben von 78 erregten Tamedia-Frauen, die eine ganze Latte von anonymen und unbewiesenen Verleumdungen in Umlauf gebracht hatten.

Sein neuste Coup: er hat den vorläufigen Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) in die Hände bekommen, die den Untergang der Credit Suisse ausleuchten soll. Und dabei kam heraus, dass es zu regelmässigen Geheimtreffen zwischen dem damaligen Finanzminister Ueli Maurer, Nationalbankchef Thomas Jordan und CS-Präsident Axel Lehmann kam.

In bester Corona-Manier. Vertraulich, ohne Protokoll, ohne Mitwisser. Zudem legt Rutisuhauser nochmals den Finger in die Wunde, dass die CS nicht einfach wegen widriger Marktverhältnisse kollabierte, sondern weil sie von einem unfähigen Management in den Abgrund getrieben wurde. Dass Lehmann eine mögliche Staatshilfe ablehnte, weil das Auswirkungen auf die Boni gehabt hätte, ist nur eines der vielen unappetitlichen Details.

In seinem Kommentar zu diesem unwürdigen Stück nimmt Rutishauser kein Blatt vor den Mund:

«Alles wurde über Jahre hinweg vertuscht, wer aufmuckte, landete auf der Strasse. Zeitungen und Journalisten wurden eingeklagt, wenn sie versuchten, Licht ins Dunkel zu bringen. Und das seit bald 50 Jahren. So lange brauchte es, bis nach zahllosen Skandalen das Vermächtnis von Alfred Escher so weit ruiniert war, dass die UBS fast gratis ihre Konkurrenz übernehmen konnte

Auch jetzt versucht die Politik, den Deckel auf manch dunklem Geheimnis zu lassen. Als erste Aktion liess die windelweiche PUK-Präsidentin Isabelle Chassot die PUK-Akten für die nächsten 50 Jahre sperren. «Wozu? Das weiss nur Chassot, denn schützenswerte Geschäftsgeheimnisse der CS gibt es nicht mehr

Aber jede Menge Sauereien, die zurückbleiben:

«Die Bank hat von 2012 bis 2022 rund 12 Milliarden Franken für Bussen, Vergleichs- und Schadenersatzzahlungen bezahlt, mehr als jede andere Schweizer Bank. Und dabei ging es nicht «nur» um unversteuertes Schwarzgeld, sondern um Drogenhandel und Betrug. Im Fall von Moçambique haben die Banker sogar ein ganzes Land in Ruin und Armut gestürzt. Dafür hätten sich die hoch bezahlten Manager, die ja nie für etwas verantwortlich sind, öffentlich rechtfertigen sollen.»

Aber während in den USA wenigsten schwitzende Versager vor laufender Kamera Entschuldigungen stammeln müssen, hat in der Schweiz noch niemals ein solcher Vollpfosten sich wenigstens öffentlich rechtfertigen müssen. Von Haftbarkeit und Verantwortlichkeit ganz zu schweigen. Angefangen beim Oberversager Urs Rohner, der wie alle seine eingesackten, aber unverdienten Millionen geniesst.

Das macht mal wieder die Lektüre der SoZ unterhaltsam, wie in alten Zeiten. Aber alleine dadurch wird all das, was der «Tages-Anzeiger» anstellt, bzw. unterlässt, noch peinlicher.

Wenden wir hier die Bärtschi-Peinlichkeitsskala an. Benchmark ist Simon Bärtschis unterirdischer Kommentar «in eigener Sache» mit einer 10. Ohne, dass er etwas dazu tun musste, steht der publizistische Leiter durch diese Leistung von Rutishauser mit 15 Bärtschis da. Die Tagi-Chefredaktorin Raphaela Birrer bewegt sich in der Höhe von Patrizia Laeri und erreicht schweigend eine 20. Das Mitglied der Chefredaktion Kerstin Hasse, die sich um Astrologie, blanke Busen und einen angeblichen Skandal an der ETH kümmert, darf eine 12 in ihren Palmares eintragen.

Aber solange Rutishauser nicht zwecks Qualitätssteigerung eingespart wird, stemmt er ganz alleine das Niveau nach oben. Einziger Nachteil: desto peinlicher wirken die anderen traurigen Gestalten an führenden Positionen.

Licht und Schatten

Die traditionelle Doppelnummer vor dem 1. August ist da.

Randvoll mit interessantem Lesestoff und dramatischen Abstürzen. Das fängt schon beim Cover von Michel Comte an:

Der Titel ist gut, einige der aufgeführten Namen sind gut, das Foto des «Starfotografen» ist unterirdisch. Genauso das Editorial von Roger Köppel. Dann passiert einige Seiten lang nichts, oder nur Vorhersehbares:

Ob damit das Siegerlied von Conchita Wurst «Rise like a Phoenix» gemeint ist?

Nur in der «Weltwoche» ist dann allerdings möglich, dass Christoph Mörgeli darauf hinweist, dass ein kritischer Kommentar des SoBli-Chefredaktors Reza Rafi über das Verbot des Magazins «Compact» in Deutschland in der freien EU nicht gelesen werden kann. Stattdessen erscheine die Meldung: «Die Nutzung dieses Inhalts ist in ihrem Land gesperrt». Ein Skandal, der keiner wird.

Die üblichen Sticheleien gegen unliebsame Politiker wie Biden oder Cassis, dann darf sich Mirna Funk darüber beschweren, dass sie in den Berliner Promischuppen «Borchardt» ausgeführt wurde, der Treffpunkt für Möchtegerns. Sie schreibt huldvoll: «Er hatte ein Date mit mir gewollt, und ich hatte ihm dieses Date gewährt.» Aber dann, oh Schreck: «Doch dann kam die Rechnung. Die wollte er teilen.» Wollte sie nicht, er zahlte. Sie lud ihn danach noch «auf einen Kaffee» zu sich nach Hause ein, er wollte nicht.

Aus so einem Pipifax kann man natürlich eine Abhandlung über das mangelnde «Gespür für chivalry» basteln; Karl Kraus nannte das Locken auf einer Glatze drehen. Zwei verschwendete Seiten.

Dann ein britisch zurückhaltender Vergleich zwischen Trump und Harris. Trump: «Sein Bericht über das Attentat auf sein Leben wahr ehrlich, ergreifend, unvergesslich.» Ob Douglas Murray damit die frömmlerische Attitüde des Heuchlers Trump meint, dass der Gottes Hand verspürt haben will? Dagegen Harris: «… vorgetäuschte Hysterie, der fast hyperventilierende Ton … Stimmlage, die man vielleicht in einem Kindergarten verwenden würde». Auch diese Seite hätte man auf zwei Sätze einschrumpfen können: «Ich mag Trump. Harris nicht

In der langen Reihe von Vaterfiguren, die Köppel verehrt, darf Josef Ackermann nicht fehlen. Der endete unrühmlich als Boss der Deutschen Bank, die seinen ungehemmten Ausflug ins US-Zockerbanking fast nicht überlebte. Als CDOs bereits am Absaufen waren und die Finanzkrise eins auslösten, machte der böse Spruch die Runde, ob es denn noch Käufer dafür gebe: «yes, the stupid Germans». Mit seiner unbedachten Victory-Zeichen-Geste machte er sich zum Posterboy der hässlichen Fratze des Gierbankers. Auch seine nächste Station bei einer Versicherungsgesellschaft endete sehr unrühmlich. Dann war er noch VR-Präsident der weltberühmten Bank of Cyprus.

Aber für Köppel ist er «einer der erfolgreichsten Schweizer Bankmanager». Der führte ja auch Jubel-Lobes-Interviews mit dem Totalversager Urs Rohner. Hier fragt er doch tatsächlich: «Was können wir persönlich und unser Finanzplatz von ihm (Ackermann, Red.) lernen

Statt vier Seiten zu verschwenden, hätte auch ein Wort genügt: nichts.

Geht’s noch tiefer? Dafür braucht es nur einen Namen: Tom Kummer. Der kann immer. Immer tiefer. Diesmal macht er (ZACKBUM schwört, das ist keine Erfindung) «Ferien mit Mutter». Gut, dann kommen noch vier Jubelseiten über Michel Comte.

Und dann, es findet kein Ende, «Brief aus Moskau». 10 Seiten! Köppel! Ehrlich, ZACKBUM schaffte nicht den rettenden Sprung ins anschliessende Feuilleton von Daniel Weber und gab hier erschöpft auf. Aber immerhin blieben uns so zwei weitere Kummers erspart. «Will Smiths Wiederkehr» (leider wohl ohne Fake-Interview) und ««Palestine Queen», aufreizend entspannt» über Bella Hadid.

So hat alles etwas Gutes, auch im Schlechten.

SoZ schwankt

Zwischen grossartig und banal.

Wenn eine SonntagsZeitung den Speisezettel von Schulmensen in den Ferien untersucht, dann wäre die Alternative «weisses Papier» gar nicht so schlecht gewesen:

Daneben der Versuch eines klassischen Aufregers. Die «Grünen» fordern irgend einen Unsinn, andere regen sich darüber auf. Gähn. Aber die ersten drei Seiten sind durch, uff.

Dann sorgt Rico Bandle dafür, dass sich der langsam hyperventilierende Thomas Bucheli, der dringend ein Abkühlung bräuchte, weiter ins Elend quatscht. Denn die SoZ wandelt auf den Spuren der «Weltwoche» und hat ihrerseits stichprobenartig Prognosen von SRF Meteo mit der Wirklichkeit und mit BBC verglichen. Ernüchterndes Resultat: weiterhin Abweichungen bei SRF nach oben, bis zu sechs Grad. Dabei habe sich doch das ganze Team «reingekniet» und eine «neue Version des Algorithmus implementiert».

Widerspruch: die Prognosen sollen doch fixfertig von einem anderen «Wetterbüro» eingekauft werden. Nun scheint aber Buchelis «Team» die Vorhersagen selbst aufgrund von eingekauften Daten zu berechnen. Wieso denn SRF Meteo nicht einfach die fertigen Prognosen einkaufe, fragt Brandle dann. Ohne netterweise zu erwähnen, dass der Intimfeind von Bucheli mit Kachelmannwetter eine Möglichkeit wäre.

Aber nein, schmettert Bucheli zurück: «Auch Zeitungen schreiben selber Artikel, obschon sie die Beiträge auch einkaufen können.» Das hat natürlich was, und einkaufen wäre auch hier häufig besser. Dennoch ist der Vergleich schön schräg, wenn ein Einkaufen auf einen Schlag die Prognosen und die Qualität deutlich verbessern würde. Was bei Tamedia bei der Übernahme von Artikeln der «Süddeutschen Zeitung» nicht unbedingt der Fall ist.

Dann zeigt die SoZ, das ist wenigstens lustig, der «Blick»-Familie den Stinkefinger. Denn statt in seinem Hoforgan SoBli erklärt Bundespräsident Alain Berset hier, wieso er an der Street Parade teilnahm. So viel sei hier verraten: nicht, weil es dort so viele leichtbekleidete Weiber hat … Abgesehen davon, dass er diesen Beitrag garantiert nicht selbst verfasst hat.

Ein bedenklicher gedanklicher Tiefflug ist die Kolumne von Markus Somm. Er lobt Sergio Ermotti und Karin Keller-Sutterthis is not a bail-out», der potenzielle 16-Milliarden-Satz) dermassen über den grünen Klee, dass man sich fragen muss, ob er sich irgendwelche Hilfe für sein absaufendes Projekt «Nebelspalter» erwartet. Peinlich.

Aber nun kommen wir zum erwarteten Höhepunkt:

Nachdem sich Arthur Rutishauser in der ersten Folge den Versagerrat Urs Rohner vorgeknöpft hatte, kommen nun die letzten Führungsfiguren dran:

«Mit Tidjane Thiam und António Horta-Osório setzte der Verwaltungsrat der Credit Suisse gleich zwei Männer an die Spitze der Bank, die schwere charakterliche Schwächen aufwiesen. Beide konnten nicht rechtzeitig gefeuert werden, da der Verwaltungsrat geschwächt und die Bank in der Krise war. Das trug massgeblich zum Ruin der Bank bei. Ob die beiden strafrechtlich belangt werden können, muss sich noch weisen. Ihr Spesengehabe könnte Anlass geben zu einer Klage wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung.»

Das sind mal wieder beglückend klare Worte, bei denen es den Hausjuristen noch wärmer geworden sein dürfte, als die Aussentemperaturen vermuten liessen. Denn Rutishauser zieht wirklich vom Leder: «Thiam nützte Rohners Schwäche gnadenlos aus und machte, was er wollte … Thiam war fast ständig unterwegs, in Paris und auch in Hongkong, wo seine neue Freundin arbeitete.»

Auch der designierte Nachfolger von Rohner war ein Flop: «Doch auch bei Horta-Osório kamen die charakterlichen Schwächen rasch zum Vorschein. So fiel im Verwaltungsrat bald auf, dass er ausserordentlich hohe Spesen verursachte. Er flog fast jedes Wochenende mit dem Privatjet der Credit Suisse nach Portugal, was Millionenkosten verursachte. Horta-Osório liess die Maschine in Portugal jeweils tagelang auf dem Flughafen warten.»

Das Ende der zweiten Folge macht den Mund wässrig für die dritte: «Axel Lehmann war der letzte Mann, der Anfang 2022 verfügbar war, sofort das Präsidium zu übernehmen. Wie ungeeignet er dafür war, das zeigte sich ein Jahr später.»

Ob man Gleiches dann auch mal von der neuen Oberchefredaktorin von Tamedia sagen wird?

 

 

 

Wumms: Arthur Rutishauser

Der Mann läuft zu alten Formen auf.

Karrieremässig war es bitter, dass Arthur Rutishauser seinen Posten als Oberchefredaktor von Tamedia aufgeben musste. Er war das Bauernopfer für die blamable Art, mit der Big Boss Pietro Supino die Roshani-Affäre vergeigte.

Neben Rutishauser spickte es auch andere Mitglieder der Chefredaktion, allesamt Pimmelträger. Hinaufbefördert wurde dann nach Geschlecht, nicht nach Kompetenz. Dementsprechend kommt der Tagi und seine unzähligen Kopfblätter auch daher. Niveaulos, mit bedenklichen Qualitätsproblemen, zunehmend verludert als Egoplattform von selbstverliebten Bauchnabelbetrachtern, die an sich und der Welt leiden und den verbliebenen Lesern mit unablässig erteilten Ratschlägen auf den Geist gehen.

Das Gute daran ist: Rutishauser läuft als Chefredaktor der «SonntagsZeitung» zu alten Formen auf. Hier und nur hier erscheinen noch aufmüpfige Beiträge wie der über die Intoleranz der urbanen Woken, auf den sie sehr intolerant reagierten. Hier stellt sich Rutishauser vor seine angerempelte Redaktorin, wie er es im Fall Canonica auch hätte tun sollen. Aber vielleicht durfte er damals nicht.

Noch besser: Rutishauser hat wieder Zeit, seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Knackige Wirtschaftsstorys schreiben. Während die NZZ in der Begleitung des Credit-Suisse-Desasters eine eher schlechte Figur macht – zu viele Verflechtungen und Rücksichtnahme – und zunächst sogar den Skandal des 16-Milliarden-Abschreibers von AT1-Wandelanleihen kleinzuschreiben versucht, nimmt sich Rutishauser in einer vierteiligen Serie die Schuldigen am CS-Debakel zur Brust.

Schon der Titel des ersten Teils schlägt so zu, dass kein Gras mehr wächst: «Urs Rohner machte die CS zu einem legalen Schneeballsystem». Wumms. Rutishauser meint damit, dass neben allen Skandalen das Grundproblem der CS darin bestand, dass kein nachhaltiges Geschäftsmodell die exorbitanten Gehälter und Boni unterfütterte. Wurden mal grosse Gewinne ausgewiesen, zogen die regelmässig grosse Bussen nach sich. Immer wieder wurde neues Geld zusammengekratzt, das Tafelsilber verscherbelt.

Und das Ganze hatte einen Verantwortlichen, trug einen Namen: Urs Rohner. Auch ZACKBUM-Autor René Zeyer hatte ihn in der Vergangenheit mehrfach in der «Basler Zeitung» zum Rücktritt aufgefordert, als man so was dort noch schreiben konnte. Natürlich vergeblich. Rohner sass stoisch seine zehnjährige Amtszeit ab und verabschiedete sich mit Millionen im Sack, einem Lächeln auf den Lippen und einer windelweichen Abschiedsrede, dass er natürlich nicht mit der Entwicklung des Aktienkurses zufrieden sei.

Ein Hohn für alle Aktionäre, die dank ihm den grössten Teil ihres Einsatzes verloren hatten. Einen Aktienkurs von fast 100 Franken auf am Schluss noch windelweiche 3 Franken runterschränzen, das soll mal einer nachmachen.

All das beschreibt Rutishauser in einer Direktheit und Offenheit, die den Tamedia-Hausjuristen den Angstschweiss auf die Stirne getrieben haben dürfte. Allerdings: die Leiche CS führt zwar in Form der UBS ihre Klage gegen Hässigs Finanzblog «Inside Paradeplatz» weiter, aber es ist kaum anzunehmen, dass sie nun auch noch im Namen der beerdigten Bank auf die SoZ losgehen wird. Zumal auch Chefjurist Diethelm nach dem Wechsel von der UBS zur CS den Rücksprung nach ganz oben bei der UBS wohl nicht schafft.

In der Wüste der Sonntagsmedien gibt es nun immerhin noch drei Mal Anlass zur Freude. Wenn die drei Folgeartikel von Rutishauser erscheinen.

Spar-NZZaS

Früher Abschluss, weniger Inhalt. Merkt man was?

«Auf einen Teil der Aktualität verzichten, Produktion früher abschliessen und den Umfang leicht reduzieren.» Das bedauert der NZZaS-Chefredaktor Jonas Projer ausserordentlich.

Der immer noch nicht bewältige Cyberangriff macht der alten Tante weiterhin zu schaffen. Und das gerade an Ostern, wo sich die Redaktionen sowieso mühsam von Thema zu Thema hangeln und bei jedem Fundstück lauter gackern als die Henne beim Eierlegen. Oder der Hase beim Eierverstecken, oder so.

Wagen wir wieder einen Blick aufs Cover, womit will die NZZaS den Leser erfreuen?

Vergiftete Trüffelsuchhunde im Piemont (gut, das ist das «Magazin», das ist sowieso ausser Kontrolle und Konkurrenz), die Psychologin sagt etwas zur Arbeitskultur, dann ein Anriss auf die (Verlags-)Beilage Bildung (ein Inserateschmiermittel).

Dann ein Titel mit dem sich, mutig, die NZZaS beim Schweizer Hauptexporteur (mit Abstand) nicht gerade beliebt macht. Ein netter Hinweis darauf, dass nicht nur im «Kosmos», sondern in der Kultur ganz allgemein Millionen verlocht werden, insbesondere während Corona.

Die brennende Riesenrose soll, welche merkwürdige Wahl an Ostern, dafür Werbung machen, Artikel über Paartherapien zu lesen. Vielleicht sollte der verantwortliche Blattmacher auch mal …

Seite zwei ist dann nicht gerade ein Beweis dafür, dass der geschrumpfte Platz sinnvoll genutzt wurde. Ein suspendierter Geistlicher, der gleichgeschlechtliche Paare segnete – in Italien. Ein Riesenfoto und minimaler Text über Trump. Der wurde doch, breaking news, angeklagt.

Dann ein Abgesang auf den verglühenden Politstar Robert Habeck. Fast boulevardesk, die NZZaS. Zuerst einen hochschreiben, um ihn dann besser niedermachen zu können.

Dann ein Artikel, wie er auch problemlos im Ersten Weltkrieg hätte erscheinen können. Abgründig:

Das hätte Ernst Jünger nicht besser dichten können: «Ukrainische Kriegsversehrte kommen als Helden in das Prothesenzentrum in Kiew und werden erst einmal zu dem gemacht, was sie sind: Patienten. Sie wollen aber nur eins, zurück an die Front

Den Patienten wurden meistens Beine oder Arme weggeschossen oder -gesprengt. Beim Kriegshetzer-Autor muss man sich eher ums Hirn Sorgen machen.

Was macht eine Redaktion, wenn sie schon ziemlich auf dem Zahnfleisch läuft? Richtig, einen Artikel über das E-Voting. Den muss man nicht mal neu schreiben …

Wirklich lustig in seiner gelungenen Mischung aus Einblicken ins eigene (hoffentlich nicht erdichtete) Beziehungsleben und allgemeinen Schlussfolgerungen ist dann der Hauptkommentar von Chefredaktor Projer. Der erwähnt allerdings die beiden wohl wichtigsten Schmiermittel in einer Ehe nur indirekt: Humor und Selbstironie.

Dann kolumnieren allerdings Aline Wanner und Patrick Imhasly. Also hatte man doch zu viel freien Platz. Aber dann, auf Seite 15, aber immerhin, wird ein Thema aufgenommen, das an diesem Wochenende eine gewisse Bedeutung hatte: «An Ostern ist Wirklichkeit geworden, was niemand für möglich hielt». Ja was denn, dass eine katholische Priesterin diesen Kommentar schreibt? Nicht ganz, es ist eine reformierte Pfarrerin …

Dann kommt der eindeutige Tiefpunkt der Ausgabe. Dennis Frasch behauptet, viele Menschen seien «Im Banne des Gauklers». Er fragt sich und den Leser: «Warum glauben Menschen, was nachweislich falsch ist? Ein Abend mit Ganser und seinem Publikum.» Wer den Artikel liest, findet spontan eine erste Antwort: weil es solche Artikel gibt.

Er ist vier Spalten lang. Fast zwei davon verbraucht Frasch, um ausgewählte Exemplare des Publikums zu beschreiben. Dann will er ganze zwei Tricks der «Ganserichen Rhetorik» entlarven. Mässig überzeugend. Fraschs Tricks sind hingegen offensichtlich. Ausgewählte Beobachtungen und Behauptungen «Eine weisse Taube flimmert über die Leinwand. Bald sind es Verschwörungstheorien.» Bis dann aber mal eine kommt, sind wir bereits auf der letzten Spalte angelangt.

Der «Höhepunkt des Abends» sei «der angebliche Putsch 2014 in Kiew, der mit der Flucht des ehemaligen Präsidenten Wiktor Janukowitsch endete. Ganser sagt, das Ganze sei eine von amerikanischen Geheimdiensten gesteuerte Verschwörung gewesen

Obwohl das nicht nur Ganser sagt, sondern auch eine ganze Reihe ernstzunehmender Wissenschaftler, zitiert Frasch eine Nada Boskovska, Professorin für Osteuropäische Geschichte an der Universität Zürich. Die ist zwar ausgewiesene Spezialistin für Makedonien oder «Die russische Frau im 17. Jahrhundert», aber als Ukraine-Kennerin ist sie noch nicht sonderlich aufgefallen. Auf jeden Fall sagt sie hier wunschgemäss, es sei «kein ausländischer Putsch» gewesen.

Womit dann Ganser wohl als Verschwörungstheoretiker entlarvt und bis auf die Knochen blamiert wäre. Nein, das ist eher der Autor – und das Blatt, das so eine erbärmliche und weitgehend argumentenfreie Hinrichtung publiziert. Denn selbstverständlich kann man Gansers Ansichten kritisieren. Aber können sollte man das halt schon. Dass Frasch als freier Journalist  häufig für das Qualitätsmedium «watson» arbeitet, muss nicht unbedingt gegen ihn sprechen. Aber auch nicht für ihn.

Schon alleine wegen des Autors muss der Artikel «Der Warner, der abgestraft wurde», gelobt werden. Denn Felix E. Müller hat hier schon einige Male Dresche bezogen. Nun aber hat er offenbar den ehemaligen VR der Credit Suisse Jean-Daniel Gerber dazu gebracht, aus dem Nähkästchen zu plaudern. Beziehungsweise Müller seine Abschiedsrede zugänglich zu machen, die Gerber 2015 beim «Chairman’s Dinner» hielt. In Anwesenheit von Urs Rohner und der GL sowie dem VR kanzelte er die Entschädigungspolitik ab und nannte viele Faktoren, die schliesslich zum Untergang der CS führten.  Dafür sei er dann nachträglich von Rohner per Mail gerüffelt worden.

Einen hübschen Knaller hat dann der Bund «Kultur» zu bieten. «Was ist mit den 80 Millionen passiert?» So viel schüttete der Bund während Corona-Zeiten für sogenannte «Transformationsprojekte» aus, zusätzlich zu Ausfallentschädigungen. Knackeboul, (30’000 Franken), die Fondation Beyeler (95’800) und natürlich der «Kosmos»-Bruchpilot Samir (173’142) bekamen Steuergelder für «Transformationsprojekte».

455 Millionen zahlte der Bund, um Kulturbetriebe während der Pandemie am Leben zu erhalten. Darüber hinaus gab es bis vor Kurzem (allerdings wohl nicht bis «Oktober 2023» wie die NZZaS schreibt) 80 Millionen obendrauf. Allerdings: von den entsprechenden «Transformationsprojekten» ist keine Spur sichtbar. Was machte Knackeboul mit seinen 30’000 Franken? Auf wiederholte Anfragen antworte sein Management: «keine zeitlichen Kapazitäten für ein Interview».

Da bleibt der NZZaS nur spitze Ironie: «Womöglich befindet er sich gerade in einer intensiven Phase der Transformation.» Allerdings fände er Zeit, bis zu fünfmal am Tag zu twittern. Ach, und Samirs Produktionsfirma antwortet erst gar nicht auf die Anfrage. Ach, und der gescheiterte «Kosmos», bei dem Samir regelmässig für leere Kinosäle und jede Menge interne Querelen sorgte, kriegte auch noch 300’000 Franken. Wohl dafür, sich in den Bankrott zu transformieren.

Allerdings: Ende Oktober müssen Schlussabrechnungen eingereicht und von einer externen Treuhandfirma überprüft werden. «Spätestens dann könnte der eine oder andere Betrieb ziemlich ins Schwitzen kommen«, vermutet die NZZaS. Wetten, dass allen genügend Geschwurbel und Geschleime einfallen wird?

Man würde sich fast versöhnt von der NZZaS verabschieden, wenn auf Seite 53 nicht die 6. Folge einer Fortsetzungsgeschichte von Jan Weiler erschienen wäre. Ein Kulturchef, der das zu verantworten hat, müsste fristlos einer anderen Tätigkeit zugeführt werden. Welcher? Schwer zu sagen, denn was kann Teuwsen eigentlich?

Warum sollte er?

Hund beisst Mann – oder Mann beisst Hund.

Auch so eine alte Journalistenregeln, die nicht mehr befolgt wird. Natürlich will Urs Rohner kein Geld zurückzahlen. Warum sollte er auch? Dass er das nicht tut, ist eine sogenannte No-News.

Ungefähr so beeindruckend wie: Heute kam es wieder nicht zu einem Banküberfall. Der Schneefall verursachte keine Massenkarambolage. Die «Republik» ist nicht gerade pleite gegangen.

Wieso titelt dann der «Blick»: «Urs Rohner (63) will kein Geld zurückzahlen!» Wäre er denn dazu verpflichtet? Hat ihn jemand dazu aufgefordert? Gäbe es irgend eine gesetzliche Handhabe, dass er das tun sollte/müsste? Und selbst wenn, was würden seine läppischen 55 Millionen am Schicksal der CS ändern?

Selbst die 32 Milliarden Boni, die in den letzten Jahren seit der Finanzkrise eins ausbezahlt wurden, um einen kumulierten Verlust von 3,2 Milliarden herzustellen, selbst eine Rückzahlung dieses Betrags würde die CS nicht mehr retten. Wenn jeden Tag 10 Milliarden Franken herausmarschieren, dann ist jede Bank zum Untergang verurteilt. Vor allem, wenn sie diesen Exodus nicht stoppen kann.

Nun hätte die CS schon ein paar Voraussetzungen gehabt, um am Leben zu bleiben. Sie wurde 167 Jahre alt, ein Schweizer Wahrzeichen, vom Überindustriellen Alfred Escher gegründet, zutiefst verwoben mit dem Wirtschaftsstandort Zürich, der Schweiz. In ihr haben Generationen von Bankern gedient. Zu Zeiten, als es noch den Begriff Schalterbeamter gab.

Ein Ausdruck der Wertschätzung, denn der war gar kein Beamter. Aber was der tat oder sagte, das war amtlich. Eine unerschütterliche Wahrheit. Er nahm sich Zeit, führte auch ältere Menschen vor dem Schalter geduldig durch alle Schritte einer Überweisung, eines Geldwechsels.

Er wusste um Anlagekriterien wie «wer gut schlafen will, kauft Obligationen. Wer gut essen will, Aktien.» Wurde er nach einem ganz scharfen kurzfristigen Anlagevehikel gefragt, empfahl er Termingeld und machte dazu ein wissendes Gesicht.

Ging es um höhere Summen, eine neue Hypothek, einen Betriebskredit, dann bat er ins Besprechungszimmer. Das war eher karg möbliert, zweckmässig halt, und nur bei wirklich grossen Summen hatte der Schalterbeamte Prokura für das Bestellen eines Kundenkaffees, gegen Weihnachten dann auch mit einem Wernli-Keks auf der Untertasse.

Brachte jemand 100’000 Franken Vermögen auf die Waage, sprach der Schalterbeamte von einer komfortablen Kapitalausstattung, und Kunde wie Banker nickten sich anerkennend zu. Und niemals nicht fragte der Schalterbeamte nach der Herkunft oder dem steuerlichen Zustand der ihm anvertrauten Gelder.

Wozu der nostalgische Rückblick? Weil diese Zeiten gar noch nicht so vergangen sind. Weil Juristen wie Rohner nicht mal einen Posten als Portier bekommen hätten. Weil damals Banking etwas spröde, langweilig, stockseriös und wertschöpfend für alle war.

Und noch aus einem anderen Grund. Wenn der Staat wirklich die Spielregeln bestimmen würde, und die Politik, welche Spielregeln der Staat aufstellt, dann wär Rohner gar nicht in die Verlegenheit gekommen, seine 54 Millionen nicht zurückzugeben. Denn er hätte sie gar nicht verdient …

Hier spricht der Präsident

Best of des CS-Bashing von René Zeyer.

Dieser Artikel erschien am 24. Mai 2014 in der «Basler Zeitung».

Wenn unterwürfige Fragesteller am Werk sind, ist die Unfehlbarkeit des obersten Führers nicht in Gefahr. Sei es nun bei Kim Jong-un – oder bei CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner.

Folgendes Interview wurde von der Parteizeitung Rodong Sinmun mit Präsident Kim Jong-un geführt. Er spricht über die Beilegung eines Konflikts, in den nordkoreanische Unternehmen mit den USA verwickelt waren. Seine Aussagen wurden aus unbekannten Gründen nicht publiziert und von einem Mitarbeiter der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA unter Lebensgefahr in den Westen geschmuggelt. Obwohl Kims Antworten weitgehend inhaltsleer sind, sei das Gespräch hier weltexklusiv veröffentlicht. Die unterwürfige Haltung der Fragesteller muss man im Kontext der fehlenden Meinungsfreiheit in Nordkorea sehen.

O grosser Führer, wie konnten Sie diese übermenschliche Anspannung ertragen?

«Für das Unternehmen, die Mitarbeiter und auch für mich war die Belastung sehr gross.»

Der konnte nur ein Übermensch wie Sie standhalten. Nachdem durch Ihre weise Führung das Problem gelöst wurde, wie ist Ihr wertes Befinden?

«Ich bin nicht entspannt, aber erleichtert, dass wir eine Lösung gefunden haben.»

Wann wurde Ihr Augenmerk, bei all Ihren anderen wichtigen Aufgaben, zum ersten Mal auf dieses Problem gelenkt?

«Wir wurden im Dezember 2010 informiert, dass ein Verfahren läuft. Daraufhin wurde eine interne Untersuchung eingeleitet und auch eine Weisung erlassen, alle relevanten Unterlagen aufzubewahren.»

Daraufhin haben aber die amerikanischen Teufel ihre letztlich zum Scheitern verurteilten Angriffe auf Sie und weitere verdiente Unterführer nicht eingestellt, sondern sogar eine Anhörung durch den US-Senat durchgeführt. Glauben Sie, grosser Führer, dass das einen Einfluss auf das Verhalten der Oberteufel in der amerikanischen Regierung hatte?

«Ich glaube nicht, dass die Anhörung eine massgebliche Verschärfung bewirkt hat, aber die Kritik des Senatsausschusses war wohl auch nicht ohne Einfluss.»

So weise kann nur ein wahrhaft grosser Führer sprechen. Nun behaupten die US-Imperialisten aber, in der unter Ihrer genialen Aufsicht arbeitenden Volksstaatsbank habe es anhaltende Verfehlungen gegeben.

«Es gibt interne Überprüfungen. Wenn es Hinweise auf Verfehlungen gegeben hätte, wäre man diesen nachgegangen.»

Natürlich, grosser Führer, damit entlarven Sie einmal mehr diese Propagandalügen der Imperialisten, ausgezeichnet. Aber haben Sie, o grosser Führer, nicht selbst eingeräumt, dass es nun doch zu klitzekleinen Verfehlungen gekommen sei?

«Richtig ist, dass eine kleine Gruppe von Beschäftigten Verstösse gegen interne Weisungen begangen hat. Die Nationale Verteidigungskommission stellt aber auch fest, dass die Mitglieder des obersten Managements keine Kenntnisse von diesen Verfehlungen hatten.»

Niemand, o grosser Führer, könnte verrückt genug sein, das auch nur zu denken. Die skrupel­losen Propagandisten aus Washington behaupten aber auch, sie hätten Beweise dafür, dass Mitar­beiter Ihrer exzellenten Staatsbank in den USA Besuche, die in Wirklichkeit der Stärkung der Völkerfreundschaft dienten, zu angeblich illegalen Zwecken ausgenützt hätten. Wäre es da nicht besser gewesen, auf diese Form des Wunschs des nordkoreanischen Volkes, sich mit dem US-Volk zu verbrüdern, zu verzichten?

«Rückblickend muss man sich diese Frage stellen, und wir haben später auch die Besuche zu gesellschaftlichen Zwecken nicht mehr erlaubt.»

Wir können erahnen, wie Sie, grosser Führer, das geschmerzt haben muss, dass Ihr vom ganzen Volk geteilter Wunsch nach Völkerfreundschaft so missverstanden werden konnte. Aber blicken wir mit Ihnen zusammen in die Zukunft, wohin werden Sie uns führen?

«Entscheidend ist, dass wir nun einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen können. Die Verantwortung des Topmanagements lag und liegt nun darin, das Unternehmen durch diese schwierige Zeit zu führen und es für die Zukunft richtig aufzustellen.»

Was täten wir nur, wenn Sie sich dieser Verantwortung nicht stellen würden, wir wären verloren. Können Sie uns an Ihrem Weitblick teilhaben lassen und beschreiben, welche wie immer richtige Massnahmen Sie da ergreifen werden, grosser Führer?

«Wir können sicher nicht zur Tagesordnung übergehen. Ich will der Frage zur Strategie hier nicht vorgreifen. Wir sind selbstkritische Leute. Wir haben wiederholt gezeigt, dass wir auf Veränderungen von aussen sehr schnell und entschieden reagieren.»

Das haben Sie immer und zweifellos unter Beweis gestellt, trotz aller Weisheit selbstkritisch, schnell, entschieden, das sind Sie. Natürlich können nur erbitterte und uninformierte Feinde überhaupt auf eine solche Idee kommen, die wir zutiefst verabscheuen, aber einige unserer Kritiker gehen in ihrer Umnachtung sogar so weit, die völlig absurde, ja kranke Überlegung anzustellen, ob Sie, o grosser Führer, an einen personellen Wechsel denken?

«Nein.»

Wir können uns also an der Hoffnung auf­richten, dass wir weiterhin im Glanz Ihrer Unfehlbarkeit aufblühen und gedeihen können?

«Ich bin nicht einer, der davonläuft, wenn es schwierig wird.»

Wir wissen gar nicht, wie wir unsere Dank­barkeit und Erleichterung ausdrücken können. Wir dürfen also sicher sein, dass Ihre Unfehlbarkeit makellos über uns strahlt.

«Persönlich haben Brady Dougan und ich eine weisse Weste.»

Hoppla, da ist doch einiges durcheinander­geraten, sehe ich gerade. Die Antworten stammen nicht von Nordkoreas Präsidenten, sondern sind Originalzitate aus einer Interviewserie, die der CS-Verwaltungsratspräsident Urs Rohner der NZZ, dem Blick, dem Tages-Anzeiger und dem Radio SRF gegeben hat. Nur das Wort Finma wurde durch Nationale Verteidigungskommission ersetzt.

Die Fragen sind nicht original, aber ihr unterwürfiger, unkritischer, geradezu kriecherischer Ton ist getroffen – so würde das die Korean Central News Agency formulieren. Aber die ist entschuldigt, denn dort gibt es ja keine freie Presse.

Rücktritt, Herr Rohner!

Niemand habe schon früh und massiv gewarnt? Einspruch.

Aus eigenen Werken zu zitieren kann etwas Selbstverliebtes haben. Im Fall der Credit Suisse ist es allerdings so, dass René Zeyer die Bank mit kritischen Kommentaren verfolgte – und die Bank auf ihn losging. Er habe als Sprecher der Schweizer Lehman-Opfer deren Persönlichkeit und Ehre verletzt.

Das hätte man ihm allerdings auch bei einer ganzen Reihe von Artikeln vorwerfen können, die vornehmlich in der «Basler Zeitung» erschienen. In der von Markus Somm verantworteten BaZ, die noch Pfupf im Füdli hatte und sich was traute.

Als Beitrag zu den Beerdigungsritualen veröffentlicht ZACKBUM ein «best of» in unregelmässigen Abständen. Als Opener ein Artikel, der am 17. Juni 2016 erschienen ist.

Was sind die beiden wichtigsten Begriffe im Banking? Verantwortung und Vertrauen. Urs Rohner war ab 2004 Group General Counsel der Credit Suisse (CS). Es ist die Verantwortung des Chefjuristen einer Bank, für die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen besorgt zu sein. Wie soll man ihm vertrauen, wenn seine Bank kriminelles Verhalten eingestehen musste?

Von 2009 bis 2011 war Urs Rohner Vizepräsident des Verwaltungsrats (VR) der CS, seither ist er der VR-Präsident. Was ist die Aufgabe eines Verwaltungsrats? Er ist verantwortlich für die Strategie und die Geschäftspolitik seines Unternehmens. In seiner Amtszeit ist der Aktienkurs der Bank von rund 40 auf aktuell unter 12 Franken abgestürzt. Ein Multimilliardenverlust für alle Anleger. Wie soll man einem dafür Verantwortlichen vertrauen?

Weder Konzept noch Plan

Urs Rohner wollte mit der im Parlament gescheiterten Lex USA seine Bank aus dem Steuerstreit möglichst verlustfrei herausführen. Das endete in einer Busse von 2,6 Milliarden Franken, ein Desaster. Obwohl sich die CS zudem diverser Gesetzesverstösse schuldig bekennen musste, übernahm Rohner keine Verantwortung und behauptete, er persönlich habe «eine weisse Weste». Weitere potenzielle Milliardenbussen drohen. Wie viel Vertrauen verdient ein solcher Verantwortungsträger? Im letzten Jahr, in den letzten Monaten ist die Credit Suisse tief in die roten Zahlen abgerutscht. Der von Rohner ausgewählte CEO Tidjane Thiam reagiert darauf, indem er Massenentlassungen und einen Umbau der Bank ankündigt, er hat offensichtlich weder ein Konzept noch einen Plan, wie die einst stolze Schweizer Bank erfolgreich in die Zukunft geführt werden könnte.

Genauso wenig wie die für Milliardenhonorare tätigen Berater von aussen. Aber der CEO kann und soll nur die Strategie des Verwaltungsrats umsetzen, das ist die Verantwortung von Urs Rohner. Wie kann man ihm vertrauen, wenn auf seiner weissen Weste rote Zahlen stehen?

Unter Rohners Weste sitzt sein Portemonnaie, einer der wenigen Orte in der CS, wo Freude herrscht. Unbeschadet vom katastrophalen Ergebnis seines Wirkens erhielt Rohner alleine für das Verlustjahr 2015 satte 3,2 Millionen Franken, die er sich wohlweislich in bar ausbezahlen liess. Also schwarze Zahlen für ihn, während die Zukunft der Credit Suisse zugleich feuerrot und brandschwarz aussieht. Schon mehrfach rügte die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Revisionsgesellschaft der Bank mangelhaftes Controlling. Ein CS-Banker in Genf setzte für einen prominenten Kunden mindestens hundert Millionen Franken in den Sand, verantwortungslose Händler in New York produzierten mit Junkbonds einen Verlust von fast einer Milliarde.

Natürlich wie immer ohne das Wissen ihrer Vorgesetzten. Aber innerhalb des Verantwortungsbereichs des obersten Leiters der Bank. Oswald Grübel zog bei ähnlichen Vorkomm­nissen bei der UBS die Konsequenzen und trat zurück. Weil er zu Recht befürchtete, dass sonst das Vertrauen in seine Bank beschädigt würde.

Leben in der Parallelwelt

Urs Rohner hat zu verantworten, dass der Börsenwert der CS weniger als 23 Milliarden Franken beträgt, ihr Buchwert laut eigener Darstellung rund das Doppelte. Dazu tragen Goodwill-­Positionen und kühne Bewertungen von Assets in der Bad Bank der CS wesentlich bei. Also Hoffnung und Glauben als Bewertungskriterien. Offensichtlich lebt Rohner in einer Pa­rallelwelt, in der die Begriffe Verantwortung und ­Vertrauen nicht existieren.

Das reale Leben ist aber kein Filmfestival. Im Kino handeln Schauspieler nach dem Drehbuch, spielen einen Verantwortungsträger und reden von Vertrauen. Das ist nur eine Rolle, die mit ihrem wahren Leben nichts zu tun hat. Diesseits der Leinwand muss gelten: Herr Rohner, treten Sie zurück. Sofort.

Wiederholung, Wiederholung

Es ist gespenstisch. Wir sind in einer Zeitschlaufe gefangen.

Sowohl Politiker wie Medien müssen ins Archiv gestiegen sein und alte Reden und Artikel abgestaubt haben.

«Mitte-Präsident Pfister fordert Umdenken der Bürgerlichen und will Eigenkapitalvorschriften verstärken.»

Wir steigen kurz ins Wurmloch. Am 16. Oktober 2008 wurde verkündet, wie die UBS gerettet wird. «Wir sind jedoch von der Schnelligkeit, mit der sich die Krise verschlechterte, überrascht worden.» Kommt uns dieser Satz bekannt vor? Ja, er wurde ziemlich genau so bei der CS-Rettung gesprochen. Er wurde genau so bei der UBS-Rettung gesprochen.

Danach wurden viele weitere Sätze gesprochen. Die Vorschriften müssen verschärft werden. Banken dürfen nicht mehr voll ins Risiko gehen. Die Boni müssen gedeckelt werden. Überhaupt sollen falsche Anreize ausgeschaltet werden. Die Löhne sind zu begrenzen. Gierbankern muss ein Riegel geschoben werden. Obszöne Gewinne müssen abgeschöpft werden, Dinge wie das High Frequency Trading müssen durch Transaktionssteuern begrenzt werden.

Und vor allem wurde gesagt: so etwas wie die UBS-Rettung darf sich nie mehr wiederholen. Darüber lachten schon damals die Hühner, denn nach dieser Rettung war der Staat, der Steuerzahler in Geiselhaft der Bank geraten. Als die UBS zum zweiten Mal zu Kreuze kriechen musste und Staatshilfe beim Steuerstreit erbettelte, kostete das zwar nicht noch mal Milliarden, aber das Bankgeheimnis. Und ihrem Wunsch musste entsprochen werden, sonst wäre die Bank wieder blank gewesen und das Steuergeld futsch.

Übrigens wurden all diese Massnahmen damals mit Notrecht beschlossen. Auch das sollte nie mehr angewendet werden, daher wurde ein Gesetzeswerk verabschiedet, das die ordentliche Abwicklung einer systemrelevanten Bank ermöglichen sollte. Kranke Teile absprengen, lebensnotwendige Teile wie Zahlungsverkehr, Hypotheken und Kreditvergabe sollten bewahrt bleiben.

Nun sind 14 Jahre vergangen, und geschehen ist genau – nichts. Es ist allerdings noch viel schlimmer. Weil nichts geschehen ist, werden nun wieder die gleichen Forderungen wie damals erhoben. Die Boni sollen gedeckelt, das Eigenkapital hinaufgesetzt … Blabla, Blüblü.

Natürlich gibt es auch wieder Stimmen, die vor zu scharfen Massnahmen warnen, so sollen die Boni für hart arbeitende Mitarbeiter keinesfalls angetastet werden. Und natürlich fordern die Politiker wieder, dass systemrelevante Banken eine Eigenkapitaldecke haben sollten, die sie unsinkbar macht. Meistens wird da die Zahl von 20 Prozent in die Runde geworfen.

Die UBS hat neuerdings eine Bilanzsumme von rund 1600 Milliarden US-Dollar. Das ist in etwa das Doppelte des Schweizer BIP, also der Wert aller in einem Jahr erbrachten Dienstleistungen, Wertschöpfungen und hergestellten Produkten.

Wir brauchen nun kein Wurmloch, um in die Zukunft zu reisen und zu erfahren, welche dieser Forderungen umgesetzt werden. Das kann man locker im Lehnstuhl prognostizieren: keine.

Ach, und damals wie heute wurde und wird gefordert, dass Verantwortliche benannt und sanktioniert werden sollten. Auch her braucht’s keine Reise in die Zukunft, um mit Sicherheit sagen zu können: kein einziger dieser Versager wird auch nur um einen Rappen geschädigt werden. Der Oberversager Urs Rohner nicht, all die Kleinversager um ihn herum genauso wenig.

Im Gegenteil, es herrscht weiterhin völlige Schamlosigkeit. So liess doch der vorvorletzte CEO verlauten, dass unter seiner Ägide dann noch alles super gelaufen sei. Tidjane Thiam kann nun schlecht rot werden, wenn er solchen  Müll verzapft. Aber seine Äusserung wirft ein Schlaglicht auf die Mentalität, die in der Chefetage herrscht. Persönliche Verantwortung, Eingeständnis von Fehlern, Kenntnisnahme des Fakts, dass die Bank mit den vereinten Kräften all dieser Nulpen gegen die Wand gefahren wurde? I wo.

Es waren auch mal wieder nicht die Umstände, auch nicht der Zusammenbruch zweier Bänkli in den USA, schon gar nicht irgend ein Tweet vom anderen Ende der Welt. Es war auch nicht eine etwas ungeschickte Aussage des Präsidenten einer saudischen Bank.

Es war reine und brüllende Unfähigkeit der Chefetage der Credit Suisse. Der ewige Konkurrent UBS lag nämlich 2008 ziemlich am Boden, während die CS stolz verkündete, keine Staatshilfe zu brauchen. Und in den folgenden Jahren setzten die CS-Führer ein Ding nach dem anderen in den Sand. Es wurden horrende Bussen bezahlt, es sah zeitweise so aus, als ob die CS aus Prinzip an jedem Skandal beteiligt sein wollte, der aufpoppte.

Zusammenarbeit mit Bruchpiloten, mit windigen Geschäftsleuten, die Beteiligung an einem Milliardenkredit an ein bankrottes afrikanisches Land, überall, wo’s übel roch, steckte die CS ihre Nase rein. Überall, wo man sinnlos Geld verrösten konnte, tat das die CS.

Nun gab es auch damals und in den Jahren seither viele Leute, darunter auch Medienschaffende, die immer wieder betonten, dass man das alles ja nicht habe kommen sehen. Damals nicht, heute nicht. Dass das so nicht stimmt, kann ZACKBUM beweisen.

Daher beginnen wir heute mit einer kleinen Serie. Eigene Werke des Redaktors René Zeyer, die vor Jahren erschienen, aber keineswegs an Aktualität eingebüsst haben.

Aus heutiger Perspektive waren das geradezu prophetische Ansagen, die ganz alleine auf weiter Flur dastanden. Und die auch heute gar nicht mehr erscheinen könnten, weil das Organ, in denen sie publiziert wurden, inzwischen zum Tages-Anzeiger-Konzern gehört und die gleiche Langeweile wie die Zürcher Ausgabe verbreitet.

CS: Keiner dran schuld …

Jetzt geht’s dann ganz schnell …

Vorgestern noch solide wie das Matterhorn. Gestern noch solider als manch andere Bank. Heute bröselt und bröckelt es. Und morgen? Morgen ist’s mit der Credit Suisse, wie wir sie kannten, vorbei.

Die Lage der zweitgrössten Bank der Schweiz ist so dramatisch, da muss man zum Dichterwort greifen und Franz Kafka zitieren:

«Denn wir sind wie Baumstämme im Schnee. Scheinbar liegen sie glatt auf, und mit kleinem Anstoss sollte man sie wegschieben können. Nein, das kann man nicht, denn sie sind fest mit dem Boden verbunden. Aber sieh, sogar das ist nur scheinbar.»

Das perfekte Bild für den aktuellen Zustand der CS. Sie bestätigt wieder einmal eine alte Regel im Wirtschaftsleben: wenn etwas ins Rutschen kommt, geht’s holterdipolter und sehr, sehr schnell.

Das vorher schon überforderte Management (sonst wäre die einstmals stolze Escher-Bank ja nicht in diese Schieflage geraten) ist völlig von der Rolle. Seine Aussagen sind nur noch mitleiderregend: «Wir haben noch einen weiten Weg vor uns», sagte der CEO Ulrich Körner im Februar dieses Jahres. Im März sieht es ganz danach, aus, als ob er schon am Ende des Weges angekommen sei.

Wenn’s schnell geht, ist «zu wenig, zu spät» der Todeskuss für einen komatösen Patienten. Selbst die Notinfusion durch die Schweizerische Nationalbank vermochte es nicht, dem moribunden Opfer rosa Bäckchen zu verpassen.

Die meist wohlinformierte, zumindest besser als alle Schweizer Wirtschaftsmedien informierte «Financial Times» berichtet bereits, dass Bern und die SNB die Spitzen von UBS und CS dazu gedrängt hätten, übers Wochenende eine Lösung zu finden, bevor am Montag die Börsen öffnen.

Denn die Nachricht, dass die CS über 50 Milliarden Liquidität verfügen könne, also auf die unbeschränkte Feuerkraft der SNB zählen dürfe, hat an der Börse nur das ausgelöst, was der zynische Börsianer einen «dead cat bounce» nennt. Wenn eine Katze aus dem Hochhaus fällt, prallt sie auf den Boden und ist tot. Aber durch die Wucht des Aufschlags wird sie nochmal in die Luft geschleudert, was man aber nicht mit einer Wiederbelebung verwechseln darf.

So ist es nach 167 Jahren leider Zeit, Bilanz zu ziehen. Rund 160 Jahre lang war die Schweizerische Kreditanstalt SKA der Stolz Zürichs. Der Stolz des Freisinns. Der Stolz der Schweiz. Wie die Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) trug sie als Trustmark das Wort Schweiz im Titel. Schweiz stand für stockseriös, bieder, korrekt, zuverlässig, solide. Kein Glamour, keine Angeberei, der Topbanker nahm das Tram zur Arbeitsstelle, hatte eine abgewetzte, alte Ledertasche bei sich.

Er trug Anzüge von ABM, eine grau gemusterte Krawatte war das Äusserste an Modestatement, die Gürtelschnalle war mächtig, aber billig, der Schuh ausgetreten und dunkelbraun oder schwarz. Eigentlich sah jeder Banker wie Walter Roderer aus und benahm sich auch so wie der Schauspieler in seinen Paraderollen als Buchhalter Nötzli. Der leicht verklemmte, biedere, schüchterne Bünzli, aber mit Charakter und Anstand.

Aber schon um die Jahrtausendwende hatte auch bei der SKA, die sich unnötigerweise in Credit Suisse umbenannt hatte, der Wahnsinn Einzug gehalten. Der Wahnsinn in Gestalt von grössenwahnsinnigen US-Investmentbankern, die sich für die «Masters of the Universe» hielten, sich selbst «big swinging dicks» nannten, was wir lieber nicht übersetzen wollen. Das Gleiche passierte auch bei der SBG, neu UBS.

Nicht das Geld war verrückt geworden, aber seine Götzendiener. Sie erfanden Ableitungen, Derivate, Wettscheine, die so kompliziert wurden, dass es Nerds und Quantenphysiker brauchte, um sie zusammenzulöten, mit ellenlangen Algorithmen zu jonglieren. Weder die Hersteller, noch die Anwender verstanden diese finanziellen Massenvernichtungswaffen, die Anwender wussten nur eins: aus ihnen tropfen Bonuszahlungen in unvorstellbarer Höhe. Und das Beste war: unabhängig von Verlust oder Gewinn, der einzige Massstab war der Umsatz.

Da schauten die Buchhalter Nötzli aus der Schweiz mit offenem Mund zu und begannen, auch zu sabbern und zu verdienen. Mit Oswald «Ossi» Grübel trat dann 2007 das letzte Schlachtross bei der CS ab, der noch einigermassen einschätzen konnte, welche Risiken man nehmen durfte – und welche nicht.

Sein Nachfolger wurde der eiskalte US-Investmentbanker Brady Dougan, der sich wie ein Rodeo-Reiter benahm und den Eindruck zu vermitteln versuchte, er lasse sich niemals aus dem Sattel werfen. Für ihn stimmte das, als er abstieg, war er um ein paar hundert Millionen reicher, die CS alleine an Bussen- und Bonuszahlungen um ein paar Dutzend Milliarden ärmer.

Begleitet und vermeintlich überwacht wurde das vom Juristen Urs Rohner, der zehn unselige Jahre als VR-Präsident amtierte und von Anfang bis Ende nur darauf bedacht war, selbst eine «weisse Weste» zu behalten. Dass die von Verlusten rotgesprenkelt war, das kümmerte ihn überhaupt nicht. Als er nach dem Doppelschlag Archegos und Greensill abtrat, fand er lediglich leise Worte des Bedauerns, auf die schon niemand mehr hörte.

Nach Dougan hatte er im Alleingang den Vollversager Tidjane Thiam auf den Posten des CEO gehievt. Der kassierte in seiner nur fünfjährigen Amtszeit satte 100 Millionen und stolperte über einen idiotischen Überwachungsskandal, nachdem er vergeblich versucht hatte, Rohner aus dem Sattel zu werfen. Aber ein VR-Präsident kann einen CEO entlassen, umgekehrt geht nicht.

Dann gab es ein kurzes Zwischenspiel von zwei weiteren Nulpen, bis dann die zweite Garnitur Lehmann/Körner ans Gerät ging, weil schon letztes Jahr kein erstklassiger Banker sich mehr die Finger an diesen Jobs verbrennen wollte. Und seither ging’s nur noch bergab. Dabei: was 160 Jahre lang gestanden ist, kriegt man nicht einfach mit der üblichen Menge von Fehlentscheidungen in die Knie.

Ein solches Gebilde steht wie ein altes Haus schon mal aus Gewohnheit, selbst wenn man tragende Wände rausspitzt. Trotz Umbenennung, trotz idiotischem Logo mit zwei Segeln (wohl eine Anspielung auf die grosse Seefahrernation Schweiz), trotz Geldverpulvern mit einer leichten Anpassung des Logos, trotz oder gerade wegen der Beschäftigung mit solchem Pipifax schlingerte der Tanker nicht nur, sondern bekam immer mehr Schlagseite.

Von der Kommandobrücke kamen lediglich beruhigende Geräusche, man arbeite an einer Rettungsstrategie, das ginge dann im Fall nicht von einem Tag auf den anderen, das sei dann schon ein ganz dickes Ei, das gelegt werde. Als dann mit viel Gegacker und Flügelschlagen das Ei präsentiert wurde, war es nur mit der Lupe erkennbar, dafür in den schönsten Farben der Kommunikationslehre angemalt. Aber kein Börsenhändler liess sich von einem solchen Kuckucksei überzeugen. Der Kurs kannte unaufhaltsam nur eine Richtung: nach unten.

Dann kam noch das übliche Gezeter, natürlich sei der Kurs nicht befriedigend, aber einstellig werde er niemals, ausserdem sei der Aktienkurs nicht alles im Leben einer Bank, stabil, gut aufgestellt, liquide, starke Marke, optimistisch in die Zukunft, Kurswechsel greift, alles kommt gut und besser, wir liefern, Blabla.

Das Publikum, die Investoren, die Kunden, die grossen und kleinen Besitzer der Bank fragten sich zunehmend, in welchem Paralleluniversum eigentlich die Führungscrew der Bank lebte. Und manch einer fragte sich schon, ob die wohl verbotene Substanzen oder verschreibungspflichtige rosa Pillen einwürfen.

Aber wenn der Baumstamm, der so stabil und mit dem Boden verwachsen erscheint, was er nicht ist, wenn der Baumstamm, der nicht leicht wegzuschieben ist, dennoch ins Gleiten, ins Rutschen gerät, dann ist das kein unseliges Schicksal, kein Pech, keine Verkettung unglücklicher Umstände, nichts Unvorhersehbares. Dann ist das das Resultat eines mutwilligen, fast absichtlichen Versagens der Kommandobrücke. Als hätte die sich den Befehl gegeben, den altehrwürdigen Tanker CS mit Volldampf gegen den Eisberg zu lenken. Auf Grund zu steuern, auf die Sandbank zu setzen, in die Klippen zu manövrieren.

Was bleiben wird, leider: niemand war dran schuld. Keiner hat Verantwortung. Alle werden haftungsfrei ihre Millionen geniessen.

Die oben. Die im Maschinenraum werden absaufen, wie immer. Der 50-jährige Anlageberater, die 55-jährige Sachbearbeiterin, der Kundenbetreuer, der sich schon seit Jahren die Beschimpfungen anhören musste, die die da oben verdient hätten: all die werden auf der Strasse stehen, nach dem RAV in die Sozialhilfe absinken.

Dafür fehlen die Worte. Nein, sie gäbe es, aber leider funktioniert das Legal Department, die juristische Abteilung einer Grossbank, immer bis zum Schluss …