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Vorwärts, es geht zurück

Moderne Kriegsberichterstattung: Massaker an der Wahrheit.

Wie steht es denn nun mit der grossen Offensive der Ukraine? Geländegewinne, Durchbruch, die russische Front wankt, Putin wackelt, Prigoschin schwebt über seinen Wagner-Söldnern? Gibt’s die eigentlich noch?

Will Selenskyj die Krim zurückerobern oder ist er verhandlungsbereit? Bringt der deutsche Leopard etwas oder wird er reihenweise abgeschossen? Ist Uranmunition, sind Streubomben nun eigentlich geächtet oder nur dann, wenn sie von Feinden der Freiheit eingesetzt werden?

Desertieren russische Soldaten massenhaft oder kaufen sich Ukrainer massenhaft vom Wehrdienst frei, in einer der korruptesten Armeen der Welt? Werden russische Soldaten in der Knochen- und Blutmühle verheizt oder hat die Ukraine bereits 400’000 Mann Verluste zu verzeichnen?

Nehmen wir einen Querschnitt durch die deutsche Medienlandschaft: «Militärexperte Gustav Gressel über die Lage an der Front» («Stern»). Was weiss der Militärexperte im fernen Berlin über die Front? «Auf der russischen Seite sieht man schon deutliche Verschleißerscheinungen».

««Gepanzerte Faust» soll Putins Truppen zerschlagen» («Frankfurter Rundschau»). «Die Ukraine setzt auf eine ‚gepanzerte Faust‘, um jetzt durch die nächsten Linien zu stoßen, erklärte der österreichische Oberst Markus Reisner.»

««Kann ich nicht nachvollziehen». Major kritisiert Deutschlands Taurus-Zögern» («zdf Nachrichten»). Nein kein Major, Claudia Major weiss: «Die Ukraine hat in der Tat in den letzten Tagen große Fortschritte gemacht und hat die Initiative in der Offensive wieder.»

«Die entscheidende Frage der Gegenoffensive» («Welt»). Eine Stimme der Nachdenklichkeit: «Die Ukraine hat bei ihrer Offensive im Süden eine wichtige Verteidigungslinie durchbrochen. Das als entscheidende Erfolgsmeldung zu werten, ist jedoch ein Irrtum. Denn der Durchbruch hat einen hohen Preis

«Militärexperte: Höhepunkt der ukrainischen Offensive rückt näher» («Berliner Zeitung»). Auch hier ein Zukunftsseher mit Rückversicherung: «Militäranalyst Franz-Stefan Gady geht davon aus, dass es in den nächsten Wochen zu entscheidenden Kämpfen kommt.» Ausser, es kommt in den nächsten Wochen zu nicht entscheidenden Kämpfen. Oder so.

Vorwärts oder Rückzug? Gepanzerte Faust oder Abnützungserscheinungen? Demoralisierte Russen oder verzweifelnde Ukrainer?

Unglaublich, aber wahr: das Publikum, die Öffentlichkeit war wahrscheinlich über den Krimkrieg (1853 bis 1856) besser und umfassender informiert als wir heute über den Ukrainekrieg. Instant News via Internet, (wenige) Kriegsreporter vor Ort, massenhaft Analysten in der sicheren Etappe. Fernseher und Fernheiler und Ferndiagnostiker bis zum Abwinken.

Die Offensive ist steckengeblieben, ist erfolgreich, hat Durchbrüche erzielt, hat keine nennenswerte Erfolge gezeitigt. Die Russen sind am Ende, die ukrainische Armee ist am Ende. Den Russen geht das Material aus, der Ukraine geht das Material aus. Die russischen Waffen sind veraltet und untauglich, die westlichen Waffen sind nicht so überlegen, wie behauptet wird.

Was weiss man sicher? Eigentlich nur, dass gebombt, gekämpft und gestorben wird. Dass es hier nicht um einen Endkampf zwischen Freiheit und Demokratie gegen slawischen Untertanengeist und Diktatur geht. Sondern dass ein korruptes Regime mit einer Verbrecherclique an der Macht ein anderes korruptes Regime überfallen hat und sich gewaltig täuschte, wie einfach das sei.

Dass hier ein Stellvertreterkrieg stattfindet, aus dem China als der lachende Dritte auf jeden Fall als Sieger hervorgehen wird. Die Verlierer sind die ukrainische und die russische Bevölkerung. Die Verlierer sind die Europäer, wieder einmal nicht zu einer eigenständigen Aussenpolitik oder zur Verteidigung ihrer Interessen in der Lage. Der Verlierer ist das Putin-Regime. Als wortbrüchiger, unfähiger Haufen entlarvt, die russische Armee in all ihrer Unfähigkeit bis zur Lächerlichkeit demaskiert. Die russischen Waffensysteme weitgehend Schrott. Das wird vielen Waffenkäufern schwer zu denken geben.

Natürlich sind auch die zarten Anfänge einer Demokratie in der Ukraine niedergemacht worden. Opposition mundtot gemacht, eine Pressezensur, die der russischen in nichts nachsteht. Genauso wenig wie die ukrainische Oligarchenclique. Der Unterschied zur russischen besteht nur darin, dass sie Putin domestiziert hat und dominiert. Während sich Selenskyj zwar einigen seiner ehemaligen Förderer und Geldgeber entledigt hat, aber weiterhin über ein Regime herrscht, das im Korruptionswettbewerb ebenfalls mit Russland mithalten kann.

Aber all das sind Probleme der Ukrainer und der Russen. Unsere Problem ist: das Wort von der Lügenpresse trifft nur deswegen nicht ins Schwarze, weil in westlichen Medien nicht nur gelogen wird. Es ist schlichtweg auch reine Unfähigkeit, Hilflosigkeit, Uninformiertheit, mangelnde Kenntnis historischer Zusammenhänge, Gesinnungsjournalismus, mit anderen Worten ein allgemein erbärmliches Niveau der Journaille zu beklagen.

Wenn man den Lackmustest machen könnte, was wäre wohl das Resultat? Eine einfache Frage: wie viele der Ukraine-Berichterstatter kennen die Namen Stepan Bandera oder Kolomojskyj? Kleiner Tipp: es sind sicherlich weniger als 50 Prozent. Fügen wir noch die Frage hinzu: wie viele der ukrainischen Juden fielen im Zweiten Weltkrieg dem Holocaust zum Opfer, und welche Rolle spielten dabei grosse Teile der ukrainischen Bevölkerung, dürften wir mit den richtigen Antworten in den einstelligen Bereich der Berichterstatter kommen.

Das ist unser Problem, und es ist ein gravierendes. Aber Problembewusstsein? Ach was. Viel wichtiger ist doch: war der Sommer nun in der Schweiz zu heiss oder zu kalt? Zu trocken oder zu feucht? Und wie wird das Wetter am kommenden Wochenende? Kann man sich auf die Zahlen von SRF Meteo nun verlassen oder nicht? Das sind doch die weltbewegenden Themen. So ein blöder Krieg, eigentlich weit weg, unter Beteiligung einer Atommacht, na und? Ach, und die Schweizer Neutralität? Irgendwie schon, aber dann doch nicht wirklich. Oder so.

Stäuble: und tschüss

Wir erweitern die Liste der Un-Personen. Um Mario Stäuble.

Wie die Herrin, so’s Gescherr. Reimt sich zwar nicht so, aber das, was Raphaela Birrer von sich gibt, tut’s auch nicht. Auf ihren Spuren wandelt Mario Stäuble, der abmontierte Co-Chefredaktor des «Tages-Anzeiger».

Er tut das, was alle hilflosen und einfallslosen Journalisten tun, die zu faul zum Recherchieren sind. Er kommentiert. Und wie: «Selenski legt die Heuchelei in der Schweizer Ukraine-Politik frei». Unglaublich, und wie schafft er das? Nun, sowohl der Präsident des Nationalrats wie die Präsidentin des Ständerats hätten Selenskyj vor und nach seiner Rede ihrer Solidarität versichert. Aber hinzugefügt: im Rahmen der Neutralität.

Da kommt Stäuble ins Vibrieren: «Solidarisch, aber neutral. Präsident Selenski ist in jenem Moment auf den Monitoren im Nationalratssaal noch nicht eingeblendet. Ob sich wohl Falten auf seiner Stirn gebildet haben? Wie sollen diese beiden Adjektive zueinander passen

Leider weiss Stäuble nichts Genaues über die Faltenbildung bei Selenskyj. Aber er weiss: «In den beiden kurzen Reden offenbarte sich die ganze Heuchelei der Schweizer Ukraine-Politik. Selenski hielt der Schweiz den Spiegel vor – allein durch seine virtuelle Präsenz.»

Der Mann spricht Dunkles und Unverständliches. Wieso soll der Hinweis auf die Schweizer Neutralität Heuchelei offenbaren? Wieso soll Selenskyj der Schweiz den Spiegel vorgehalten haben? Gaga.

Aber nun kommt Stäuble erst richtig in Fahrt: «Eine Partei, der die Souveränität des eigenen Landes heilig ist, verweigert dem höchsten Vertreter eines angegriffenen souveränen Rechtsstaats das Ohr.» Damit ist wohl die SVP gemeint, die nicht damit einverstanden war, dass zum ersten Mal in der modernen Geschichte der Schweiz ein Präsident, der in einen Krieg verwickelt ist, direkt zum Parlament sprechen darf.

Deren Absenz ist nicht etwa der anständige Ausdruck eines Protests, nein: «das ist feige». Welch ein Irrwisch; was soll denn daran feige sein?

Aber Stäuble hat noch nicht fertig. In einem wilden Gedankensprung wechselt er zu den «Hackerangriffen, welche diese Woche auf zahlreiche Schweizer Websites eingeprasselt sind». Nächster Schritt in die Absurd-Logik: «SVP-Vertreter argumentierten: Die Schweiz müsse sich eben auf die neutrale Vermittlerrolle beschränken, dann stelle man auch kein Angriffsziel dar.»

Aha, aber: «Dabei ist das Gegenteil der Fall. Die – vergleichsweise harmlosen – Cyberangriffe sind ein Beispiel dafür, wie sich Risiken heute manifestieren

Wir versuchen zu entwirren. Für Russland ist die Schweiz, nicht zuletzt, weil sie die Sanktionen ungeprüft übernimmt, nicht mehr neutral. Aber das nur nebenbei. Denn Stäuble hat immer noch nicht fertig. Nun kommt der Abschuss des Air-Malaysia-Flugs vom Juli 2014 dran. Was der mit der Schweiz und der Neutralität zu tun hat? Nun, in dem Flugzeug seien 192 Niederländer gesessen. Daher: «Heute gehören die Niederlande zu den offensivsten Staaten, was die Unterstützung der Ukraine betrifft.»

Allerdings sind die Niederlande, wenn wir uns nicht täuschen, nicht neutral und Mitglied in der NATO. Im Gegensatz zur Schweiz. Die hingegen sei «wenn es zu schärferen Angriffen auf die Schweizer Infrastruktur käme», auf «internationale Unterstützung angewiesen». Aha. «Und auf befreundete Staaten, die nicht schulterzuckend erwidern: Wir sind solidarisch. Aber leider auch neutral

Allerdings gibt es, wenn wir uns nicht täuschen, in Europa nur noch den Vatikan, Liechtenstein und Österreich, die sich für neutral erklären. Oder meint Stäuble etwa Andorra, die Mongolei, Turkmenistan oder Costa Rica? Ohne deren Hilfe wäre die Schweiz allerdings verloren.

Es ist Sonntag, das Wetter ist zu schön, um sich weiterhin mit einem solchen Ausbund von Unlogik, Unfähigkeit und blinder Angriffigkeit herumzuschlagen. Wir nehmen auch Stäuble auf die Liste der personae non gratae von ZACKBUM. Kein Wort mehr über ihn.

 

 

Mensch Meyer!

Schon wieder einer, der die Realität hinter sich gelassen hat.

Ob bei der Pflege des Embonpoint etwas in den falschen Hals geriet? Saures Aufstossen? Völlegefühl? Sodbrennen? Man muss sich Sorgen machen:

«Nationalrat Cédric Wermuth, Präsident der Sozialdemokraten, bezeichnet den Vorgang als «moralische Bankrotterklärung» der SVP. Wie so oft geht das Geschoss des Genossen ins Leere: Einen Bankrott kann nur erklären, wer über Besitz verfügt, im vorliegenden Fall über politische Moral.»

Genialisch, gleichzeitig der SP und der SVP eins über die Rübe geben. Aber Frank A. Meyer ist in seiner Kolumne im «Sonntagsblick» noch nicht auf Betriebstemperatur. Im nächsten Absatz herrscht bereits Überdruck im Kessel:

«Prominente Repräsentanten dieser Partei, die seit drei Jahrzehnten als Befehlsempfängerin ihres Besitzers funktioniert, kennen nach rechts aussen keine Grenzen – keine braune Linie. Ihr peinlichster Schreihals sendete kürzlich sogar Propaganda-Selfies vom Roten Platz in Moskau, um dem Kriminellen im Kreml mit seinen Huldigungen möglichst nahe zu sein – dem Führer.»

Worum geht es eigentlich, wie Meyer didaktisch fragen würde. Um den «ukrainischen Churchill Wolodimir Selenski», der in der Mittagspause per Videoschalte im Nationalrat sprechen darf. Winston Churchill kann sich nicht mehr dagegen wehren, mit einem autokratischen, korrupten Führer eines korrupten Regimes verglichen zu werden, das sich gegen den Überfall eines anderen korrupten Regimes wehrt.

Nun hebt Meyer in geradezu lyrisch-hymnische Ebenen ab: «…Botschaft einer Nation in höchster Not, die Botschaft eines Widerstands ohne Wankelmut … Kampf um die Freiheit … Eine Botschaft des ukrainischen Volkes an das Schweizer Volk!»

Aber was macht die SVP? Unerhört: «Nein, die SVP erklärt weder ihren demokratischen noch ihren moralischen Bankrott, denn weder Demokratie noch Moral zählen zu den Kulturgütern ihrer Politik. Wer sie wählt, kann spätestens nach dem nächsten Mittwoch nicht mehr behaupten, er hätte es nicht gewusst.»

Hätte was nicht gewusst? Dass Frank A. Meyer nicht mehr alle Latten am Zaun hat? Zum masslosen Verbalberserker wird, weil ihn kaum einer, der nicht muss, noch ernst nimmt? Da ZACKBUM ein gewisses Niveau nicht verlassen möchte, stellen wir auch die Berichterstattung über die Unke aus Berlin ein.

Eine wahre Geschichte, zensiert von der Medienblase

Wie Selenskyj daran gehindert wurde, Frieden im Donbass zu schaffen.

Von Felix Abt

Bis vor kurzem verwendete das ukrainische Asow-Bataillon noch Nazi-Symbole, wie auf diesem Bild zu sehen, die es aber fallen ließ, nachdem es von «russischer Propaganda und Desinformation» erwähnt worden war, wie Asow sich beschwerte. Die vom Westen unterstützte Militärorganisation hat seitdem zwar ihr Erscheinungsbild geändert, nicht aber ihre russophobe und rassistische Nazi-Ideologie.
[Photo by Heltsumani / CC BY-SA 4.0]

Es gibt zwei Wolodymyr Selenskyjs: Den einen, den wir seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 kennen und der seither in den westlichen Medien täglich als Held mit blütenweisser Weste gefeiert wird – und den anderen, der vor dieser massiven Eskalation des 2014 begonnenen Krieges weniger bekannt war. Immerhin haben die deutschsprachigen Leitmedien schon den «früheren» Selenskyj, als er noch nicht der glorreiche Statthalter des amerikanischen Imperiums war, unter Hinweis auf die «Panama-» beziehungsweise «Pandora Papers» als hochgradig korrupt bezeichnet.

Was dieselbe Medienblase jedoch nicht erwähnt, ist, dass Selenskyj mit einer großen Mehrheit der Wählerstimmen ins Amt gewählt wurde, und zwar mit massiver finanzieller Unterstützung des damals reichsten ukrainischen Oligarchen (der riesige Summen gestohlen hatte und gegen den die Vereinigten Staaten deshalb ein Einreiseverbot verhängt hatten) und mit dem Versprechen, dem Donbass Frieden zu bringen. Es mag Sie überraschen – aber er hat es tatsächlich versucht.

Selenskyjs ursprüngliche Friedensmission

Wahrscheinlich hatte sein Vorhaben auch damit zu tun, dass er, der Präsident jüdischen Glaubens und russischer Muttersprache, selbst der Minderheit angehörte. Fliessend ukrainisch lernte er erst spät, als es für ihn politisch unumgänglich wurde.

Schon lange bevor er Präsident wurde, hatte er sich als Komiker gegen die Diskriminierung der russischsprachigen Minderheit eingesetzt. So erklärte er beispielsweise 2014 in einem Fernsehauftritt: «Im Osten und auf der Krim wollen die Menschen Russisch sprechen. Lasst sie in Ruhe, lasst sie einfach in Ruhe. Geben Sie ihnen das Recht, Russisch zu sprechen. Die Sprache sollte unser Land niemals spalten…. Wir haben die gleiche Hautfarbe, das gleiche Blut, unabhängig von der Sprache.» Als er das höchste Amt im Lande übernahm, machte er sich daran, sein Wahlversprechen umzusetzen.

Angesichts der sehr starken ultranationalistischen Kräfte und der «Faschisten, die das Land überrannt haben» (so die „Jerusalem Post”), die sich seiner Friedensmission entgegenstellten, war dies jedoch eine Herkulesaufgabe. Der Einfluss dieser Kreise war (und ist) so gross, dass von den Schulkindern bis zu den Senioren alle Westukrainer bearbeitet wurden, die ukrainischen Bürger russischer Abstammung zu hassen und zu glauben, dass es gut ist, sie abzuschlachten. Sogar in den Schulen wurden die Schüler von ihren Lehrern angestachelt, Parolen wie diese gegen russischsprachige Ukrainer zu verwenden: «Hängt die Moskowiter», «Steckt die Russen auf den Scheiterhaufen», «Trinkt das Blut der russischen Babys!»

Friedliche Koexistenz statt Endsieg

Eine friedliche Koexistenz zwischen West- und Ostukraine hätte Selenskyj nur erreichen können, wenn er mit den Vertretern des mehrheitlich russischsprachigen Donbass und mit Russland hätte so verhandeln dürfen, wie er es ursprünglich wollte. Und weil die Extremisten, die den Grossteil der Kämpfe in der Ostukraine führen, Selenskyj bedrohten und erklärten, sie würden nur einen «Endsieg» über den Donbass akzeptieren, war er auf die Unterstützung seiner Anhänger in Washington angewiesen. Diese wollten aber nicht, dass er mit Russland verhandelte – und stärkten damit die Position der Extremisten. Die westukrainischen Ultranationalisten und Banderisten sagten Selenskyj sogar, er würde sein eigenes Todesurteil unterschreiben, wenn er mit Putin spräche, so dass das einzige Ergebnis am Ende Krieg war. Und den haben wir jetzt in der Ukraine, ohne dass ein Ende in Sicht ist.

Zusätzlich zu der Bedrohung seines Lebens sah sich Selensky an mehreren Fronten direkten Hindernissen für sein Friedensmandat gegenüber.

Als Selenskyj im Oktober 2019 in den Donbass reiste, um in den von russischsprachigen Rebellen gehaltenen Gebieten Wahlkampf zu machen, wurde er von wütenden Mitgliedern des neonazistischen Asow-Bataillons konfrontiert, die unter dem Slogan «Nein zur Kapitulation» demonstrierten. In einem auf Video aufgezeichneten Streitgespräch stritt Selenskyj mit einem Mitglied des Asow-Bataillons über die Forderung des Präsidenten nach einem Truppenabzug. «Ich bin der Präsident dieses Landes. Ich bin 41 Jahre alt. Ich bin kein Verlierer. Ich bin zu Ihnen gekommen und habe Ihnen gesagt: Ziehen Sie die Waffen ab», flehte Selenskyj.

Leid im Donbass von Selenskyj anerkannt. Im Westen sollte niemand davon wissen.

 Journalisten werden in europäischen Ländern eingeschüchtert und durch Verleumdung, Arbeitsplatzverlust und sogar durch die Androhung von Gefängnisstrafen daran gehindert, über den ukrainischen Terror im Donbass zu berichten.

Dass die Pressefreiheit in der Ukraine unterdrückt wird, stört die politischen und medialen Eliten im Westen nicht. Umso mehr fühlen sie sich von der Handvoll meist freier Journalisten gestört, die es wagen, die Lage im Donbass zu schildern, wo die mehrheitlich russische Bevölkerung seit 2014 unter ukrainischem Beschuss steht.

Nachdem der deutsche Journalist Patrik Raab es gewagt hatte, aus dem Donbass zu berichten, warfen ihm deutsche Universitäten und Medien vor, er habe «mit seiner blossen Anwesenheit Putins Angriffskrieg legitimiert». Infolgedessen verlor er seinen Job als Dozent an einer Universität.

Die französische Journalistin und Filmemacherin Anne-Laure Bonnel hatte zwei Dokumentarfilme gedreht, die die Situation der russischstämmigen Bevölkerung in den von Kiew angegriffenen Regionen zeigen. Infolgedessen verlor sie ihre Arbeit in Europa. Hier können Sie sehen, wie sie bei ihrer Arbeit im Donbass von ihren voreingenommenen Auftraggebern in Frankreich genervt wurde.

Alina Lipp zog 2021 – ein Jahr vor dem Einmarsch Russlands – in die Ukraine und aus reiner Neugierde nach Donezk, um dort einige Zeit zu verbringen und selbst zu erfahren, was im Donbass tatsächlich passiert. Die deutsche «Freelancerin» war zu diesem Zeitpunkt noch wenig bekannt. Obwohl Berlin lautstark erklärt, die Demokratie und damit die Meinungsfreiheit in der Ukraine zu schützen (nota bene: mit schweren Waffen, darunter auch wieder Panzer, die gegen Russland rollen!), wollte Deutschland sie dafür mit drei Jahren Gefängnis bestrafen. Lipp sah, wie ihr Bankkonto eingefroren und ohne weitere Erklärung um 1.600 Euro erleichtert wurde. Die deutschen Behörden sagten auch, dass sie sich nicht vor Gericht verteidigen darf, da dies die Ermittlungen behindern könnte.

Alina Lipps neuester Dokumentarfilm über ihren Aufenthalt im Donbass ist hier unzensiert und in voller Länge verfügbar. Sehen Sie ihn sich einfach an und bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil!

Denjenigen, denen Gräueltaten wie die Kreuzigung russischsprachiger Ukrainer durch ukrainische Nationalisten nicht den Magen umdreht, empfehle ich dieses Video.

 Und entdecken Sie noch mehr über die Geschichte des Krieges und seine Hintergründe in der Ukraine in diesem aufschlussreichen Dokumentarfilm von Paul Moreira, einem renommierten französischen Filmemacher, der etliche investigative Dokumentationen in Konfliktgebieten gedreht hat. Sind Sie bereit, Ihr Wissen und Ihre Überzeugungen zu hinterfragen?

Trotz seiner persönlichen Vorsprache vor Ort stieß Selenskyj auf noch weiteren Widerstand: Dieselben rechtsextremen Kräfte errichteten einen bewaffneten Kontrollpunkt, um einen Abzug des ukrainischen Militärs zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Tausende von rechtsradikalen und nationalistischen Demonstranten, die von der liberalen Intelligenzija bejubelt wurden und Fackeln trugen, marschierten ebenfalls in Kiew auf. Katharine Quinn-Judge von der International Crisis Group erklärte, dass Selenskyjs Ex-Pressesprecherin Julija Mendel das Leid im Donbass anerkannte, weil «Selenskyj im Wahlkampf versprochen hatte, die Bewohner der von Russland unterstützten Enklaven als vollwertige Ukrainer zu behandeln» – ein Fehltritt für die von den USA begünstigten rechtsextremen Nationalisten, die kein solches Interesse an gleichen Rechten für alle Ukrainer haben.

Rechtsextreme und USA verhinderten Abkommen

Obwohl Selenskyj den Minsker Vereinbarungen zur Lösung der Minderheitenfrage zögerlich gegenüberstand, setzte er die Gespräche über deren Umsetzung fort. Die Rechtsextremen brachten ihre gewalttätige Opposition bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck – so auch im August 2021, als bei bewaffneten Protesten vor dem Präsidialamt mindestens acht Polizisten verletzt wurden. Die rechtsextremen Drohungen gegen Selenskyj haben zweifellos ein Friedensabkommen vereitelt, das die russische Invasion hätte verhindern können. Nur zwei Wochen vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine stellte die «New York Times» fest, dass Selenskyj «extreme politische Risiken eingehen würde, um ein Friedensabkommen mit Russland auch nur in Erwägung zu ziehen», weil seine Regierung von rechtsextremen Gruppen «erschüttert und möglicherweise gestürzt» werden könnte, wenn er «einem Friedensabkommen zustimmt, das ihrer Meinung nach Moskau zu viel gibt».

Juri Hudymenko, Führer der rechtsextremen Demokratischen Ax-Partei, drohte Selenskyj sogar mit einem Staatsstreich: «Wenn irgendjemand von der ukrainischen Regierung versucht, ein solches Dokument zu unterzeichnen, werden eine Million Menschen auf die Strasse gehen, und diese Regierung wird aufhören, eine Regierung zu sein.» Ein Beispiel dafür, dass die Rechtsextremisten es mit ihrer Feindseligkeit gegenüber russischsprachigen Ukrainern ernst meinen, ist die jüngste Ankündigung eines ukrainischen Soldaten im Osten des Landes, alle russischstämmigen Ostukrainer im Donbass zu ermorden, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet.

Es ging ums politische und physische Überleben

Selenskyj hat die Botschaft eindeutig verstanden. Anstatt das Friedensprogramm, für das er gewählt wurde, weiterzuverfolgen, hat er stattdessen Bündnisse mit der ukrainischen extremen Rechten geschmiedet, die sich dem Programm gewaltsam widersetzt. Erst Ende Januar 2022, mitten in den letzten Gesprächen zur Rettung des Minsker Abkommens, erklärte der von Selenskyj ernannte ukrainische Sicherheitschef Oleksiy Danilov stattdessen, dass «die Erfüllung des Minsker Abkommens die Zerstörung des Landes bedeutet».

Bei der letzten Runde der Minsker Gespräche im Februar, nur zwei Wochen vor der russischen Invasion, war ein «Haupthindernis», wie die «Washington Post» berichtete, «Kiews Widerstand gegen Verhandlungen mit den prorussischen Separatisten». Nur durch diesen opportunistischen Schulterschluss mit den Extremisten, die ihm nach dem Leben trachteten, konnte Selenskyj sein politisches und physisches Überleben sichern. Er hatte keine andere Wahl. Ihn alleine dafür verantwortlich zu machen, wäre ungerecht. Washington ist in erster Linie dafür verantwortlich, ihn hängen zu lassen, und zwar aufgrund seiner vorrangigen strategischen Ziele – kompromisslose Schwächung Russlands und in dessen Gefolge auch Europas. Wer mehr darüber erfahren möchte, sollten sich das Video von Jimmy Dore zum Thema anschauen.

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Das Profil des Autors Felix Abt finden Sie hier.

Selenskyj Superstar

Die NZZ bewundert seine Reden. Ohne Tiefgang.

Vor allem englische Medien sind des Lobes voll über die Redekünste des ukrainischen Präsidenten: «Why Zelensky’s Speech To Congress Was A Masterclass In Crisis Communication», schwärmt das «Forbes»-Magazin. Auch die englische BBC ist voller Bewunderung: «How President Zelensky uses speeches to get what he needs

Die NZZ echot: «Weltgeschichte mit Selenski. Die Reden von dem ukrainischen Präsidenten folgen immer dem gleichen Muster.» Nämlich ein historischer Verweis, angepasst an den jeweiligen Adressaten. Ein Churchill-Zitat bei England, das Reagan-Zitat «Tear down this wall» bei seiner Ansprache im Deutschen Bundestag.

Inzwischen sei die Nummer aber durch, meint die NZZ, neuerdings appelliere Selenskyj an die gemeinsam durchgestandene Kriegszeit, was die «dringende, beinahe drohende Aufforderung» enthalte: «Helft uns weiterhin. Oder wollt ihr alles aufs Spiel setzen, was wir gemeinsam erreicht haben

Das ist alles ziemlich durchdacht und clever. Damit gewinnt Selenskyj locker den Propaganda-Zweikampf mit dem russischen Präsidenten Putin, der sich mühsam durch eine ellenlange Rede zur Nation stolpert und in gelenkten Interviews auch nicht gerade ein rhetorisches Feuerwerk zündet.

Woher hat denn das der ukrainische Präsident? Sicher, er war in seinem vorherigen Leben Schauspieler, bevor ihm ein reicher ukrainischer Oligarch mit gröberen Justiz-Problemen die Präsidentschaft kaufte. Aber zu solch ausgefinkelten Reden ist er natürlich nicht selbst in der Lage. Seine lokale PR-Mannschaft auch nicht. Da müssen schon Profis ans Werk. Profis von Hill & Knowlton.

Seit die PR-Bude mit der sogenannten «Brutkastenlüge» Furore machte, ist sie in der Pole Position, wenn es um die Vergabe von Aufträgen geht, eine Politik oder Position weltweit meisterlich zu verkaufen. Also ist es ein cleverer Schachzug, denn die «Brutkastenlüge» brachte der Agentur nicht nur positive Resonanz, dass viele «ehemalige» Mitarbeiter von H&K im Team des ukrainischen Präsidenten dafür sorgen, dass der die richtigen Worte findet, wenn er westliche Regierungen um noch mehr Hilfe und Unterstützung bittet.

Dass er die richtigen Worte findet, wenn die Bevölkerung westlicher Länder ihn zum Kriegshelden emporstilisiert. Seltene Fehlgriffe, wie beispielsweise in einer Modestrecke in der «Vogue» aufzutreten, können diesem Image keinen Abbruch tun. Genauso wenig sein Millionenvermögen und seine Villa in Italien.

Man muss halt den Mainstream auf seiner Seite haben. Dann ist es völlig egal, ob irgendwelche kritischen Stimmen an der Hochglanzfassade kratzen wollen. Denn niemand in den Massenmedien hinterfragt, wieso Selenskyj perfekt das Register der medialen Show beherrscht. Kleidung, Bart, muskulöse Oberarme, sozusagen eine moderne olivgrüne Ausgabe von Che Guevara, nur mit der festen Absicht, gewinnen zu wollen.

So massiert und manipuliert man die öffentliche Meinung. Welch jämmerliches Bild gibt dagegen Putin ab, der steif, mit perfekt gebundener Krawatte hinter einem viel zu grossen Schreibtisch neben viel zu vielen Telefonen sitzt. Oder sich als Naturbursche und Rabauke mit nacktem Oberkörper auf Pferd zeigt. Das ist halt der Unterschied, ob man Profis beschäftigt; Spin Doctors, die allem den richtigen Dreh geben können – oder nicht.

Die Kamikaze-Krakeeler

Widersprich nie deinen Lesern. Alte Journalistenregel. Pfeif drauf.

Von Strack-Zimmermann aufwärts und abwärts gibt es Flachdenker, die meinen, Massenimmigration führe zu einer multikulturellen Durchmischung und Bereicherung der Gesellschaft.

Es gibt auch Flachdenker, die meinen, eine militärische Auseinandersetzung mit einer Atommacht könne man auf dem Schlachtfeld gewinnen. Die wollen als strahlende Sieger in den atomaren Holocaust marschieren.

Unterwegs dahin plappern sie ein Sammelsurium von Narrativen nach, die von geschickten US-PR-Buden in die Welt gesetzt wurden.

Kurze Packungsbeilage: natürlich ist der Überfall Russlands auf die Ukraine völkerrechtswidrig, geschieht unter Bruch eigener Versprechen und macht Russland zu einer Atommacht, der man längere Zeit nicht vertrauen kann, selbst wenn sie heilige Eide schwört.

Warum genau soll Russland eine militärische Niederlage in der Ukraine erleiden?

– weil hier der freie Westen gegen eine slawische Diktatur kämpfe

– weil Putin nach der Ukraine den übrigen Ostblock aufrollen wolle, gebietet man ihm dort nicht Einhalt

– weil es darum gehe, die ukrainische Demokratie, Souveränität und den heldenhaften Wehrwillen zu unterstützen

– weil Russland als Verlierer für die angerichteten Schäden aufkommen müsse. Ersatzweise können auch beschlagnahmte russische Vermögen dafür eingesetzt werden

– weil ein solcher Bruch aller Regeln des friedlichen Zusammenseins nicht geduldet werden könne

– weil die ganze Welt diese Invasion verurteile und Russland mit Sanktionen bestrafe

– weil Putin und seine Kamarilla vor ein internationales Kriegsgericht gehörten

– weil Präsident Selenskjy und seine Getreuen die Werte des freien Westens und die Demokratie verteidigten

– weil Putin zweifellos böse, irr, verbrecherisch, wahnsinnig, machtgierig, hinterhältig und keinem vernünftigen Argument zugänglich sei

– weil er und ganz Russland bestraft werden müssten

– weil Russland die Fähigkeit genommen werden müsse, das nochmal zu probieren

Einige dieser Argumente sind dermassen bescheuert, dass sich eine Widerlegung kaum lohnt. Es genügt, den wahren Satz des wohl einflussreichsten Intellektuellen der Welt wieder und wieder zu wiederholen. Noam Chomsky sagt:

Kriege werden nur auf zwei Arten beendet. Durch eine vollständige Niederlage einer der beiden Kriegsparteien – oder durch Verhandlungen.

Eine vollständige Niederlage Russlands ist ausgeschlossen, eine vollständige Niederlage der Ukraine ist denkbar, aber nicht sehr wahrscheinlich.

Nun gibt es Schlaumeier, die sagen: ja, sicher, irgendwann muss es Verhandlungen geben. Aber vorher muss Russland so geschwächt werden, so herbe Verluste hinnehmen, dass auch seine Verhandlungsposition geschwächt ist.

Diese Sandkastengeneräle wünschen also aus ihrer wohlig beheizten Klause heraus, dass es noch möglichst viele weitere Tote in der Ukraine gibt, noch mehr Infrastruktur zerstört wird, noch mehr Leid und Gram über die Bevölkerung hereinbrechen. Das ist schlichtweg widerwärtig.

Da nicht die ganze Welt, sondern nur eine einstellige Zahl von Staaten (wenn man die EU als ein Staatsgebilde nimmt) Sanktionen gegen Russland verhängt haben, ist es auch illusorisch anzunehmen, dass die Atommacht mit angeschlossener Rohstoffindustrie wirtschaftlich in die Knie gezwungen werden kann. Im Gegenteil, in erster Linie leiden unter den Sanktionen schwächere europäische Staaten.

Völlig pervers werden sie, wenn sie beispielsweise die Produktion von Düngemitteln betreffen. Darunter leidet dann nicht Russland (oder die Düngemittelfabrtikanten), sondern die Dritte Welt, von allem afrikanische Staaten, die sich den Import von dringend benötigten Düngemitteln nicht mehr leisten können. In Afrika ist von einer heraufziehenden schweren Hungersnot die Rede, was aber im Westen keinen interessiert. Oder in Umkehr von Ursache und Wirkung wird das auch Russland in die Schuhe geschoben.

Vielleicht sollten sich diese Kriegsgurgeln eine einfache Frage stellen: ist die Unterstützung eines zutiefst korrupten Oligarchenregimes eines Staates, der erst seit etwas mehr als 30 Jahren taumelnde Schritte in die Selbständigkeit unternimmt, das Risiko eines Atomkriegs wert?

Ist ein Präsident, der ein begabter Schauspieler ist, unter martialischem Olivgrün seine Muskeln spielen lässt, sich mitsamt Gattin sogar in der «Vogue» wie von Leni Riefenstahl inszeniert ablichten lässt, ist ein Präsident, der sich seine Präsidentschaft von einem Oligarchen kaufen liess, der damit ein eigenes Milliardenproblem löste, ist ein Präsident, der selbst Multimillionär ist und prominent in den letzten geleakten Papieren über Offshore-Konstrukte vorkam, ist ein Präsident, der masslose Korruption duldet, bis er nicht umhin kann, fürs Schaufenster durchzugreifen, ist ein Präsident, der die Opposition und potenzielle politische Konkurrenten übel unterdrückt, ist ein Präsident, der eine Pressezensur betreibt, die der russischen in nichts nachsteht, ist ein solcher Präsident wirklich die Lichtgestalt, für die wir alle in den Tod gehen wollten?

Früher gab es den blöden Spruch «Lieber tot als rot.» Dabei wäre «lieber rot als tot» viel intelligenter, hoffnungsfroher, subversiver, lebensbejahender gewesen.

Daher hat ZACKBUM eine klare, eindeutige Meinung, insofern die überhaupt eine Rolle spielt, was die Unterstützung der Ukraine mit noch mehr Waffen und mit noch gewaltigeren Waffen betrifft.

Sie lautet nein. Nein, und nochmals NEIN.

Wir sind da nicht ganz alleine. Das Manifest für den Frieden ist innert kürzester Zeit bereits von knapp einer halbe Million Menschen unterschrieben worden.

Journalismus lebt an den Rändern

«Infosperber» gegen Tamedia: 1 : 0.

Es wird immer auffälliger: Kleinmedien und Einzelkämpfer machen knochenharten Journalismus und trocknen immer wieder die grossen Elefanten im Schweizer Medienzirkus ab. Oder sollte man Dinosaurier sagen?

Gemeint ist damit das Trio Tamedia, CH Media und die «Blick»-Gruppe. Alleine der Einzelkämpfer Lukas Hässig hat mit seinem Finanzblog «Inside Paradeplatz» mehr Primeurs aufgedeckt als die versammelten Wirtschaftsjournis der grossen Konzerne. Die sind so neidisch auf ihn, dass sich ihre Solidarität mit ihm, wo ihn nun die Krisen-CS schwer in den Hintern beissen will, in überschaubaren Grenzen hält.

Zu diesen Medien gehört auch der nicht ganz so kleine «Infosperber». Gegründet und geführt von Urs P. Gasche, hat er immer wieder Trouvaillen und Recherchierstücke, die man bei den grossen Medien schmerzlich vermisst. Vielleicht müsste man hier auch die NZZ dazuzählen, aber die spielt einfach in einer anderen Liga.

Ein konkretes Beispiel gefällig? Bitte sehr. Anfang Februar lobhuldete einer der letzten überlebenden Tagi-Korrespondenten Dominique Eigenmann die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie sei die «mächtigste Gegenspielerin» des deutschen Bundeskanzlers Scholz. Sie kritisiere «Scholz› Zögerlichkeit schärfer als jede Opposition». Dazu sei sie «schlagfertig, streitbar und kompetent».

Man könnte besser sagen, sie ist eine wahre Kriegsgurgel, die Deutschland «in eine militärische Auseinandersetzung hineinrede». Das sagt der«bekennende Pazifist Rolf Münzenich»; nein, das «ätzt» er, wie Eigenmann im schlechtesten «Spiegel»-Stil abwertet.

Nun werde versucht, rümpft Eigenmann die Nase, «sie als Lobbyistin der Rüstungsindustrie zu diffamieren», der «Blick» will aber wissen: «Beweise dafür gibt es allerdings nicht.» Nun, wenn der Tagi und der «Blick» ihre journalistischen Muskeln anspannen, dann sollte man nicht zu viel Gewicht auflegen.

Zunächst ist Strack-Zimmermann, immerhin Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestags, schnell mit Fehlurteilen zur Hand. Verantwortungslos witterte sie nach dem Einschlag einer Rakete auf polnischem Staatsgebiet:

«Nicht nur haben russische Raketen offenbar Polen und NATO-Gebiet getroffen, sondern auch zu Toten geführt. Das ist das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch «verhandeln» wollen. Der Kreml und seine Insassen müssen sich umgehend erklären.»

Umgehend erklären hätte sich allerdings diese verantwortungslose Brandstifterin müssen. Denn sie wollte hier offenbar einen Verteidigungsfall herbeizeuseln, die NATO in eine militärische Auseinandersetzung mit Russland treiben. Indem sie einer Propaganda-Lüge des ukrainischen Präsidenten Selenskyj aufsass. Denn in Wirklichkeit handelte es sich zwar um eine Rakete aus russischer Produktion, die aber von der Ukraine als Abwehrmassnahme abgeschossen worden war.

Nachdem das zweifellos geklärt worden war, hielt aber Selenskyj selbst gegen die Meinung seines eigenen Verteidigungsministers an dieser Lüge fest. Und Strack-Zimmermann blieb auch unbelehrbar: «Ich bereue diesen Tweet nicht

Also ist sie verantwortungslos, kriegstreiberisch und inkompetent, dazu unbelehrbar. Aber ist sie auch mit der Rüstungsindustrie verbandelt? Oder ist das nur Diffamierung, bzw. sind das beweislose Anschwärzungen?

Urs P. Gasche erledigt im «Infosperber» die Recherchierarbeit, für die Tagi und «Blick» zu faul, zu blöd oder beides waren. Dafür musste Gasche nicht einmal sonderlich tief graben, denn die Verbindungen liegen auf der Hand und wurden schon einige Male ausführlich beschrieben.

Die Politikerin ist Präsidiumsmitglied in der «Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik» (DWT). Sie ist Vizepräsidentin der «Deutschen Atlantischen Gesellschaft» (DAG), die sich trotz des allgemeinen Namens zum Ziel gesetzt hat, «das Verständnis für die Ziele des Atlantischen Bündnisses zu vertiefen und über die Politik der NATO zu informieren». Zudem ist sie Präsidiumsmitglied beim «Förderkreis Deutsches Heer» (FKH), neben der DWT die wichtigste Lobby-Gruppe der deutschen Rüstungsindustrie.

All das hätte man mit einem Blick auf die Webseiten von «Lobbypedia», «Abgeordnetenwatch» oder «Transparency International» herausfinden können.

Es ist verdienstvoll von Gasche, dass er auf diese offenkundigen Zusammenhänge hinweist. Es ist beelendend, dass die beiden Grosskonzerne nicht mal mehr zu oberflächlichen Recherchen in der Lage sind, die ihr Narrativ stören würden.

Es ist ja Eigenmann und dem «Blick» unbenommen, Strack-Zimmermann toll zu finden und ihre verantwortungslose Kriegsrhetorik zu bejubeln. Aber zu behaupten, es sei diffamierend, angeblich nicht existente Verbindungen zur deutschen Rüstungsindustrie zu erwähnen, das ist billiger Schmierenjournalismus. Dafür noch Geld zu verlangen, das ist unverschämt.

Bei solchen Leistungen zu behaupten, diese Medien seien Bestandteil der Vierten Gewalt und unbedingt mit Staatssubventionen zu unterstützen, weil sie eine dermassen wichtige Rolle in der Demokratie spielten, das ist pure Heuchelei. Das ist ein Narrativ, das der Stimmbürger diesen Blättern schon länger nicht mehr abnimmt. Besonders, wenn es von Pietro Supino, dem Big Boss von Tamedia gesungen wird, der nicht mal seinen eigenen Laden im Griff hat.

So steht’s im Gesetz

Wenn vermeintliche Moral wichtiger als Gesetzestreue wird …

… ist eine Gesellschaft in Gefahr, den Bereich des zivilisierten Zusammenlebens zu verlassen. Wenn Gesetze nicht mehr gelten oder umgebogen werden können, ist der Rechtsstaat in Gefahr.

Der Rechtsstaat ist unser einziger Schutzwall gegen Barbarei, Willkür und Faustrecht. Wohin es führen kann, wenn der Rechtsstaat nicht existiert oder dysfunktional wird, kann man bei allzu vielen Ländern der Welt beobachten. Nicht zuletzt in Russland oder der Ukraine. Beides zutiefst korrupte Regimes, wo fundamentale Prinzipien des Rechtsstaats nicht funktionieren.

Nun hat das eine Unrechtsregime das andere überfallen. Da das unter Bruch aller internationalen Verträge erfolgte, in denen Russland die territoriale Integrität der Ukraine zusicherte, ist das Putin-Regime noch mehr ein Paria als das Selenskyj-Regime. Ganz abgesehen davon, dass sich der Krieg in der Ukraine längst zu einem internationalen Konflikt ausgeweitet hat; ein typischer Stellvertreterkrieg wie weiland Korea oder Vietnam. Nur waren dort die USA der Invasor, der unzählige Kriegsverbrechen (Agent Orange, Flächenbombardierungen, Massaker) beging.

In all solchen Auseinandersetzungen der Grossen, der Atommächte, hat ein Kleinstaat wie die Schweiz aus reinem Selbsterhaltungsprinzip die Aufgabe, sich strikt an seine Gesetze zu halten – und sie gegen Angriffe von aussen (und innen!) zu verteidigen.

Nun wird seit einiger Zeit vor allem von der EU, aber auch von diversen politischen Parteien in der Schweiz, das «Bundesgesetz über das Kriegsmaterial» in Frage gestellt. Deutschland hat fast identische Bestimmungen, foutiert sich aber darum und liefert inzwischen sogar schwere Waffen wie Kampfpanzer an eine Kriegspartei. Seine Aussenministerin behauptet sogar, die EU befinde sich «im Krieg mit Russland».

Unglaubliche Zustände. Nassforsch fordert vor allem Deutschland von der Schweiz, dass die gefälligst auch auf ihre Gesetze scheissen solle. Verpeilte Kommentatoren behaupten, wer nicht Waffen an die Ukraine liefere, unterstütze Putin. Prinzipienlose Kommentatoren fordern, dass auch die Schweiz sofort und massiv Waffen an die Ukraine liefern soll. Zumindest der Weiterleitung von bereits exportiertem Kriegsmaterial an die Ukraine nicht im Wege stehen soll.

Nun heisst es im entsprechenden und gültigen Gesetz glasklar in Artikel 18:

«In der Regel kann eine Ausfuhrbewilligung nur erteilt werden, wenn es sich um die Lieferung an eine ausländische Regierung oder an eine für diese tätige Unternehmung handelt, und wenn eine Erklärung dieser Regierung vorliegt, dass das Material nicht wieder ausgeführt wird (Nichtwiederausfuhr-Erklärung).»

Glasklar, der nächste Absatz regelt noch präzise definierte, kleine Ausnahmen.

Artikel 22a definiert die «Bewilligungskriterien für Auslandgeschäfte»:

«Auslandsgeschäfte nach Artikel 22 und Abschlüsse von Verträgen nach Artikel 20 werden nicht bewilligt, wenn:
a. das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist;
b. das Bestimmungsland Menschenrechte schwerwiegend und systematisch verletzt;
c. im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird; oder
d. im Bestimmungsland ein hohes Risiko besteht, dass das auszuführende Kriegsmaterial an einen unerwünschten Endempfänger weitergegeben wird.»

Auch hier gibt es nur eine klar definierte Ausnahme:

«Abweichend von Absatz 2 kann eine Bewilligung für Auslandsgeschäfte für Einsätze zugunsten des Friedens erteilt werden, die auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder einer supranationalen Organisation, deren Ziel die Friedensförderung ist, durchgeführt werden.»

Für jeden Laien ist verständlich: es ist ausgeschlossen, Kriegsmaterial an die Ukraine zu liefern. Es ist ausgeschlossen, den Wiederexport von an andere Länder geliefertes Schweizer Kriegsmaterial an die Ukraine zu bewilligen.

Das ist das Gesetz.

Gesetze kann man ändern. Entsprechende Bestrebungen sind im Gange, das ist völlig legitim. Aber bis dieser Prozess mit einer allfälligen Veränderung dieser Gesetze abgeschlossen ist, gelten sie.

Wer daran herumkrittelt, rabulistisch nach Schlupflöchern sucht, moralinsauer übergesetzliche Notwendigkeiten fabuliert, wer gar peinlich berührt davon ist, wenn das Ausland die Schweiz dafür kritisiert, sich an ihre Gesetze zu halten, ist ein gefährlicher Brandstifter im Rechtsstaat.

Darunter sind Politiker, Einzelmasken, die nach Aufmerksamkeit gieren, aber auch Rechtsgelehrte, die zu zeigen versuchen, dass man mit genügend Hinschmalz jedes Gesetz so umbiegen könnte, dass das Gegenteil seiner klaren Aussage gelten würde.

Und natürlich gibt es ein sich ständig vergrösserndes Heer von Schreibtischgenerälen, von schreibenden Kriegsgurgeln, von unerschrockenen Kämpfern am Sandkasten, die gerne Schweizer Waffen in der Ukraine sähen, die dafür sind, dass auch die neutrale Schweiz dafür sorgt, dass noch mehr gelitten, zerstört, getötet wird. Natürlich für eine gute Sache, was jedem Getöteten sicherlich ein gutes Gefühl mit ins Jenseits verschafft.

Die Empörung über das Unrecht, das Russland als Unrechtsstaat verursacht, darf nicht dazu führen, dass auch die Schweiz den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlässt. Ein besonders abschreckendes Beispiel liefert gerade der Rechtsprofessor Mark Pieth, der sogar behauptet, dass die von reichen Russen in der Schweiz beschlagnahmten Werte gesetzeskonform enteignet, also gestohlen und an die Ukraine ausgehändigt werden könnten.

Das alles sind Anschläge auf den Schweizer Rechtsstaat. Hoffentlich bleibt er unberührt von diesem Wahnsinn. Falls nicht, ist das keine gute Nachricht für die Ukraine. Aber eine ganz schlechte für jeden Schweizer Staatsbürger.

Die Zauberlehrlinge

Wenn Dummheit schreibt, schweigt die Vernunft.

Bildungsferne ist etwas Schädliches. Nur ist sich der Bildungsferne dessen nicht bewusst. Sonst würden sich ach so viele Schreiberlinge an dieses Gedicht von Goethe erinnern:

«O du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
steh doch wieder still!»

«Schwere Waffen müssen her», wer sich an geltende Waffenexportgesetze halten will, fängt sich das «Kopfschütteln» anderer Staaten ein. Bejubelt wird, dass unter Bruch klarer und geltender Gesetze die Ukraine nun auch mit Kampfpanzern ausgerüstet wird.

Ganze Jubelchöre erschallen mit Lobpreisungen des grossen Freiheitskämpfers Selenskyj. Die Welt hängt an seinen Lippen, diesen Eindruck versuchen wenigstens die europäischen Massenmedien zu erwecken. Es ist auch perfekt inszeniert, was der Schauspieler abliefert, der vom komischen ins ernste Fach gewechselt hat. Inzwischen mit martialischem Bart, olivgrüne Leibchen spannen über dem muskulösen Oberkörper, jede Rede ist perfekt durchkomponiert.

Es wird eine ganze Reihe von Langfingern in Spitzenpositionen der Regierung ausgewechselt? Wird vermeldet, aber ohne den Hintergrund, dass die Ukraine das korrupteste Land Europas war und ist. Kein Wort darüber, dass auch Selenskyj Besitzer hübscher Immobilien im Ausland ist und sein verschlungenes Finanzimperium sogar in einem der vielen «Leaks» und «Papers» als besonders abstossendes Beispiel erwähnt wurde. Kein Wort darüber, dass er genauso korrupt ist wie viele andere, kein Wort darüber, dass ihm von einem reichen Oligarchen die Präsidentschaft gekauft wurde, der damit ein eigenes Problem elegant löste.

Kein Wort darüber, dass die Auftritte von Selenskyj perfekt inszeniert und gescriptet sind. Kein Wort über Andrij Jermak, ehemaliger Filmproduzent. Kein Wort über Mychajlo Podoljak. Oder über Olexij Arestowitsch. Kein Wort über die US-PR-Bude Hill & Knowlton. Das sind die Spin Doctors, die zur Legitimation des ersten Golfkriegs die Mär erfanden, dass entmenschte Soldaten von Saddam Hussein bei der Invasion Kuwaits Säuglinge aus Brutkästen gerissen und auf den Boden geworfen hätten.

Hill & Knowlton präsentierte eine Krankenschwester als tränenreiche Zeugin. Dass die in Wirklichkeit die Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA war und noch nie im Leben etwas mit Säuglingen zu tun gehabt hatte, was soll’s.

Die gleiche Agentur überwacht heutzutage die Auftritte des ukrainischen Präsidentendarstellers. Die dazu führten, dass die westlichen Staaten ihren anfänglichen Widerstand gegen die Lieferung immer schwererer Waffen aufgaben.

Während aber noch die Zauberlehrlinge in den Redaktionen diesen angeblich überfälligen Entscheid bejubeln, «schwere Waffen müssen her», Europa «schüttelt den Kopf», weil sich die Schweizer Regierung an ihre Gesetze hält, sind Selenskyj und sein Mann fürs Grobe, der ehemalige ukrainische Botschafter in Deutschland, bereits einig: das kann’s ja wohl nicht gewesen sein.

Panzer ist ja gut, aber viel mehr davon, bitte. Panzer ist gut, aber wo bleibt die schwere Artillerie? Wo bleiben die Kampfjets? Die U-Boote? Mittelstreckenraketen? Wo bleiben zudem Bodentruppen, vielleicht taktische Atombomben?

Dass das Regime von Selenskyj kein Mass kennt, mag noch verständlich sein. Schliesslich wurde die Ukraine unter Bruch aller Verträge und Zusicherungen überfallen. Aber dass die meisten Medien in der Schweiz wie Papageien seine Forderungen nachplappern, das ist beelendend.

Keiner dieser Sandkastenstrategen, dieser Videogame-Generäle stellt sich die einfache, naheliegende und banale Frage: welche Strategie soll eigentlich hinter der Eskalation der Waffenlieferungen stehen? Soll die Ukraine tatsächlich «siegen», wie das die Schande für grüne Prinzipien, die deutsche Aussenministerin Baerbock, lauthals fordert?

Was wäre dann ein Sieg der Ukraine? Die völlige Vertreibung russischer Truppen, inklusive von der Krim? Kann man solche absurden Kriegsziele, sozusagen einen modernen Endsieg, wirklich ernsthaft ins Auge fassen? Wohin soll die Eskalation in der Ukraine führen? Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass Russland mit konventionellen Waffen besiegt werden kann? Glaubt jemand ernsthaft, dass ein Autokrat wie Putin  – wie jeder Potentat, der sich gegen die Wand geklatscht fühlt – nicht an den Einsatz von Atomwaffen vor dem Eingeständnis einer totalen Niederlage denken würde?

Ist es wirklich so, dass von der deutschen Aussenministerin abwärts bis zu all den kleinen Schreibtsichgenerälen in der Schweizer Etappe, die so gerne andere in den Tod schicken möchten, dass all die wirklich glauben, in der Ukraine spiele sich der Endkampf zwischen Gut und Böse ab? Zwischen westlichen Werten und russischen Unwerten? Zwischen der Zivilisation und der Barbarei?

Und wenn das so wäre, gibt es all diesen Kriegsgurgeln auf dem Kreuzzug gegen das Böse nicht zu denken, dass lediglich etwas mehr als 30 Länder Sanktionen gegen Russland verhängt haben? Von insgesamt 195? Also halten 165 Länder Russland nicht für die Inkarnation des Bösen, das gnadenlos bestraft werden muss? Darunter so bedeutende Wirtschaftsmächte wie China oder Indien.

Die USA haben 2045 einzelne Sanktionen gegen Russland verhängt. Der Musterknabe Schweiz folgt auf dem zweiten Platz mit 1379. Dann Grossbritannien mit 1167, die EU mit 1155, Australien mit 894 und Japan mit 692. Mit entsprechenden wirtschaftlichen Eigenschäden, vor allem in Europa.

Wo soll das alles hinführen? Wer Krieg führt, hat normalerweise Ziele und eine Strategie. Die Ziele der ukrainischen Regierung sind klar formuliert: Zurückeroberung aller durch russische Truppen okkupierten Landesteile. Die russischen Kriegsziele hingegen sind nicht so klar. Wirklich die Beseitigung eines angeblich faschistischen Regimes in Kiew? Sicherung der Krim? Landverbindung zu Russland? Donbass? Man weiss es nicht.

Was sind die Ziele der westlichen Alliierten der Ukraine? Die gleichen wie die der dortigen Regierung? Eine Demütigung Russlands? Ein militärisches Ausbluten auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung? Gar ein Umsturz oder Systemwechsel in Russland? Für wie gefährlich wird die Möglichkeit eines atomaren Schlagabtauschs eingeschätzt? Man weiss es nicht.

Man weiss nur: Munition, schwere Waffen, Artillerie, Flugabwehrgeschütze, Kampfpanzer, Flugzeuge, U-Boote – taktische Atomwaffen, Atomkrieg. Muss nicht sein. Kann aber.

Schräge Vergleiche

Pazifismus und internationale Brigaden.

Oberhalb des anschwellenden Bocksgesangs, der jeden Zweifel an der binären Weltsicht «Putin böse, Selenskyj gut» niederbrüllen will, selbst wenn er von einer linken Grünen kommt, macht man sich in der NZZ Gedanken über linken Pazifismus oder Vergleiche zwischen den Internationalen Brigaden in Spanien und ausländischen Kombattanten in der Ukraine.

Exemplarisch für das Wendehalsmanöver in der Frage des Pazifismus stehen die Grünen im Speziellen und die Linke im Allgemeinen. Bis vor Kurzem wurde von einigen Exponenten sogar die Abschaffung der NATO gefordert, als der grösste Kriegstreiber und die grösste Gefahr für den Weltfrieden. Es ist auch noch nicht so lange her, dass die GSoA, die «Gesellschaft für eine Schweiz ohne Armee», einen Achtungserfolg mit der Initiative zur Abschaffung der heiligen Kuh in der Schweiz einfuhr.

Der Einmarsch Russlands in der Ukraine ist der Lackmustest für alle unreflektierten Maulhelden, die wie weiland Nicole einfach «Ein bisschen Frieden» wollen. «Stoppt Putin», «Bekämpft den Hunger in der Welt», «Rettet das Klima», «Nie wieder Krieg», das sind Slogans von einer strahlenden Dummheit. Wer wäre nicht dafür. Aber weil nicht allzu viele diesen Forderungen nachleben, vor allem nicht die, die sie skandieren, bleiben sie schal und hohl.

Es gibt eine illustrative Anekdote. Als der chinesische Steuermann Mao darüber informiert wurde, dass Martin Luther King, der grosse amerikanische gewaltfreie Kämpfer für die Gleichberechtigung der Schwarzen, ermordet worden war, sagte er: «So lernt man aus dem Leben.» Gewaltfreier Widerstand gegen Gewalt ist ein Ding der Unmöglichkeit.

Pazifismus ist ein schöner Schein, eine Haltung, die sich Zeitgenossen leisten können, die auf einer der wenigen Inseln der Welt leben, wo nicht Willkür, Faustrecht und Rechtlosigkeit herrschen.

Im Ukrainekrieg kämpfen auch ausländische Unterstützer auf der Seite der ukrainischen Regierung. Für viele Kommentatoren liegt der Vergleich mit den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg nahe. Sie zeigen damit einmal mehr eine gravierende Unkenntnis der Geschichte. Die wird bekanntlich nicht nur immer wieder umgeschrieben. Sondern auch immer wieder für untaugliche Vergleiche missbraucht.

Genauso wie die Denunziation von Forderungen nach einer Verhandlungslösung in der Ukraine durch den Vergleich mit der Appeasment-Politik gegenüber Hitler reine Demagogie ist, entehrt der Vergleich mit den Kämpfern auf Seiten der Spanischen Republik den damaligen Heldenmut.

Auch Schweizer schlossen sich mit der Waffe in der Hand dem Kampf zur Verteidigung der gewählten spanischen Regierung gegen den Faschisten und späteren Diktator Franco an. Sofern sie diesen Einsatz überlebten, wurden sie in der Schweiz später verurteilt und geächtet. Wenn heutige Linke wie der Zeusler Fabian Molina den damaligen Schlachtruf «no pasarán» – sie werden nicht durchkommen – als Spruch gegen angebliche faschistische Attacken in Zürich missbraucht, sollte er dafür geächtet werden.

Mit «no pasarán» zeigten die ersten Interbrigadisten bei der Verteidigung der Hauptstadt Madrid gegen die anbrandenden faschistischen Horden Francos einen internationalistischen Heldenmut; sie waren die ersten bewaffneten Kämpfer gegen die braune Brut in Europa, denn Franco wurde sowohl von Hitler wie von Mussolini unterstützt. Auf der Seite der Spanischen Republik stand einzig, und auch sie nur zögerlich, die Sowjetunion.

Wer sich den internationalen Brigaden anschloss, stand links, war meistens Kommunist oder zumindest Sympathisant mit der UdSSR. Oder er war ein fragloser Gegner des Militärputschs von Franco. Die Entscheidung von insgesamt rund 35’000 Kämpfern, die Solidarität von Schriftstellern wie Ernest Hemingway, Arthur Koestler, Ilja Ehrenburg oder George Orwell, das war ein Heldenepos, das keinesfalls mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine zu vergleichen ist.

Zweifellos hat Russland die Ukraine überfallen und damit alle bindenden Vereinbarungen über die Unantastbarkeit der territorialen Integrität der Ukraine, die Russland unterzeichnete, zur Makulatur werden lassen. Damit hat Putin, neben vielem anderen, die Glaubwürdigkeit seines Regimes ruiniert. Denn wer verlässt sich noch auf einen Vertragspartner, der gezeigt hat, dass ihm die Einhaltung von internationalen Verträgen egal ist, wenn er meint, dass sie seinen Interessen im Wege stünden.

Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten, das ist nicht nur im Geschäftsleben, sondern insbesondere bei internationalen Verträgen Pflicht. Wer sich nicht daran hält, wird zum Paria, welche Gründe er auch immer für sein Verhalten anführen mag.

Dieses verächtliche Vorgehen des russischen Regimes macht aber die korrupte Regierung um die Oligarchen-Marionette Selenskyj nicht mit der Regierung der Spanischen Republik in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts vergleichbar. Manuel Azaña war ein Staatsmann von ganz anderem Format und intellektuellem Zuschnitt als der begabte Schauspieler Selenskyj.

Nur der allgemeinen Sittenverwilderung und historischen Unkenntnis ist es zuzuschreiben, dass solche untauglichen Vergleiche überhaupt gezogen werden. Aber wer in der saturierten und durch Faschismus absolut ungefährdeten Schweiz «no pasarán» grölt, macht sich ebenso lächerlich wie Publizisten, die internationale Kombattanten in der Ukraine mit den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg vergleichen.