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Die Nachtreter

Die Medien überschlagen sich im CS-Bashing. Post festum.

Im Nachhinein besserwissen, das ist die einfachste Übung der Welt. Man braucht nur eine gewisse Schamlosigkeit und die Hoffnung auf das Kurzzeitgedächtnis der Leser.

Ausgerechnet eine Isabell Strassheim zählt im «Tages-Anzeiger» die «Haupt­verantwortlichen im Drama der Credit Suisse» auf. Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, da sorgte Strassheim für eine der dicksten Enten, die jemals durch den Tagi watschelte.

«Bund wollte keine eigene Impfproduktion», behauptete sie kühn. Mitsamt Karikatur auf der Frontseite, bissigem Kommentar und seitenfüllend. Kurz darauf musste der Tagi zähneknirschend eine «Korrektur» abdrucken; «neue Recherchen» hätten ein etwas anderes Bild ergeben. Die Berichterstattung über diesen Megaflop übernahmen dann andere, Strassheim pausierte ein Weilchen.

Nun ist die angebliche Pharma-Spezialistin als Bankendrescherin wiederauferstanden. Das Gefühl von Peinlichkeit oder Scham ist ihr offenbar völlig fremd.

Das geht allerdings nicht nur ihr so. Legion die Artikel, die einen neuen CEO, einen neuen VR-Präsidenten bei der CS enthusiastisch begrüssten. Unvergesslich die schleimige Lobeshymne im «SonntagsBlick» auf den Gewaltstypen aus Portugal. Als unschöne Gerüchte aufkamen, dass es zwischen dem damaligen Traumpaar CEO Thomas Gottstein und VR-Präsident Ontario Horta-Osório zu Friktionen gekommen sei, eilte der SoBli herbei, um den beiden in einem Doppelinterview Gelegenheit zu geben, Sauglattismus zu versprühen:

«Frage: Sie sind ein sehr guter Tennis-Spieler, Herr Gottstein ein begnadeter Golfer …
Horta-Osório: Moment! Ich bin okay. Aber Thomas spielt besser Golf als ich Tennis.
Gottstein: Da bin ich mir nicht so sicher.
Horta-Osório: Du hast am letzten Sonntag beim Golfen unentschieden gespielt, ich habe meine Tennispartie verloren. Das ist Beweis genug. (lacht)»

Nur das zum Artikel gestellte Foto von Plisch und Plum sprach allerdings Bände. So fanden die Gazetten immer wieder lobende Worte für neue und alte Versager auf der Kommandobrücke der CS. Lediglich Arthur Rutishauser, das muss man ihm lassen, wich kaum von seiner kritischen Linie ab.

Aber bei Tamedia zahlt sich Kompetenz schon lange nicht mehr aus. Damit steht man dem wenig kompetenten Big Boss Pietro Supino in der Sonne. Also musste Rutishauser ins Glied zurücktreten, als Bauernopfer, weil die Geschäftsleitung von Tx Group die Affäre Roshani kommunikativ völlig in den Sand gesetzt hatte. Aber das wäre die Geschichte eines anderen Versagens.

Auch Ringier weicht inzwischen von seinem Schmusekurs gegenüber der Knutschkugel Alain Berset ab und setzt deutliche Fragezeichen hinter die misslungene Rettungsoperation des Bundesrats. Zu offenkundig wurde, dass weder Berset noch die frischgebackene Finanzministerin Karin Keller-Sutter die geringste Ahnung vom Inhalt dessen hatten, was sie ungelenk bei der Sonntagspressekonferenz vom Blatt lasen.

Nur die NZZ bleibt sich und ihrem Wackelkurs gegenüber der ehemaligen FDP-Bankenburg CS treu. Zu jung sind noch die engen Verzahnungen, die es zwischen der Falkenstrasse und dem Paradeplatz gab, wo Mehrfachversager Mehrfach-VR-Mandate innehatten und die CS die Hausbank der alten Tante war. Nun schimpft sie zwar fleissig mit im Chor, weist aber immer noch andere scharf zu recht: «Boni zurückfordern oder ganz verbieten – das ist Polittheater

Denn wenn nichts mehr hilft, dann hilft das Evozieren des Allheilmittels: «In einer Marktwirtschaft braucht es andere Instrumente, um Manager zur Rechenschaft zu ziehen.» Was die NZZ geflissentlich übersieht: eine Bank, die «too big to fail» ist, hat nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Absurde Gehälter und hemmungsloses Greifen in Bonustöpfe für das Produzieren von Milliardenverluste, das hat ebenfalls nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Sondern mit Politikversagen, genauer mit dem Versagen der FDP-Politik.

Es ist verblüffend, wie sich die Schlagzeilen während der Finanzkrise eins im Jahr 2008 und heute gleichen. Sie gleichen sich auch deswegen, weil weder die Medien noch die Politik – und erst recht nicht die Banker – das Geringste aus dem damaligen Systemversagen gelernt hätten.

Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass ja auch die Medienkonzerne irgendwo ihren Finanzhaushalt regulieren müssen. Und das tun sie nicht bei der Alternativen Bank oder dem Sparhafen. Sondern bei einer der Grossbanken in der Schweiz. Dort werden die Konzerne auch für Kredite vorstellig, nehmen gerne Sponsoring von Anlässen entgegen – das alles bremst dann doch etwas das Verlangen, kritisch über die eigene Hausbank zu berichten.

Dann nicht nur im Sport fragt man sich bang, was dieses Schlucken der vorletzten international tätigen Grossbank durch die allerletzte für das Sponsoring bedeuten wird. Steht nun einfach UBS drauf, wo früher Credit Suisse stand? Und wo beide Kohle liegen liessen, wir da nun ein Teil eingespart?

Bedeutende Fragen, die natürlich unbeantwortet bleiben. Deshalb lässt man gerne die zweite Garnitur ans Gerät. Wenn dabei auch noch das Geschlecht stimmt, umso besser. Wobei wahrscheinlich so die journalistische Vorhölle aussieht: eine Raphaela Birrer beauftragt eine Isabell Strassheim, ein paar strenge Worte über die CS zu verlieren. Man ist fast versucht zu sagen: also das hat die Bank nicht verdient, etwas mehr Respekt vor einer Leiche.

 

 

Pietro «George» Supino

Jahresbilanz verhagelt, aber es geht voran.

Der Big Boss der Tx Group und der Statthalter des Coninx-Clans hat ein zunehmendes Problem mit der Realität. Die neuste Sparmassnahme bei Tamedia, die Ernennung der mediokren Raphaela Birrer als Nachfolgerin des Bauernopfers Arthur Rutishauser, verkaufte Pietro Supino noch vor Kurzem so: «Im letzten Jahr hat die Redaktion wichtige Grundlagen für die Weiterentwicklung ihres Angebots erarbeitet, die nun schrittweise eingeführt werden.»

Weiterentwicklung des Angebots? Diese «Weiterentwicklung» besteht im Wesentlichen darin, dass die Bezahlmedien der Tx Group bis Ende 2023 satte 70 Millionen einsparen sollen. Davon seien bereits 65 Prozent – wohl im Rahmen der «Weiterentwicklung des Angebots» – realisiert, fehlen als nur noch rund 25 Milliönchen. Der CFO von Tx verweist stolz darauf, dass bei Tamedia bereits 80 Vollzeitstellen im Jahr 2022 eingespart wurden.

Der sogenannte «Sustainability Officer» Ursula Nötzli weist zudem darauf hin, dass die «Kostensituation» ein wichtiges Thema bleibe. Unter Nachhaltigkeit versteht man im Hause offenbar nachhaltig sparen. Oder auf Deutsch: raushauen, feuern, runterholzen, verkleinern, verzwergen.

Aber trotz allem Sparen bis es quietscht, rauschte der Betriebsgewinn (auf Stufe EBIT) um über 90 Prozent in den Keller. Gesamtresultat: Verlust von 4,6 Millionen, im Vergleich zu einem Vorjahresgewinn von 833 Millionen.

Was den Coninx-Clan gar nicht freuen wird: die Dividende wird von Fr. 3.20 auf 0.30 runtergesäbelt. Muss nun die Bestellung der neuen Yacht warten, muss Supino statt im Luxusanwesen im Zelt schlafen? Keine Panik, es gibt dafür eine «Sonderausschüttung» von Fr. 4.20 aus der Zusammenlegung der Handelsplattformen mit Ringier.

Nun bräuchte es schon einen George Orwell, um diesen Doublespeak, dieses Doublethink, diesen Newspeak zu würdigen. Indem gespart wird, wird das Angebot weiterentwickelt. Es muss gespart werden, weil der Gewinn eingebrochen ist, aber es gibt einen Milliardensondergewinn. Die Mantelredaktion, ein Euphemismus für die Zentralredaktion in Zürich, die für alle Kopfblätter die Einheitssauce herstellt, soll statt Tamedia nun «Tages-Anzeiger» heissen, was den Stellenwert der «Basler Zeitung» oder der «Berner Zeitung» oder des «Bund» – der niemals mit der «Berner Zeitung zusammengelegt werden sollte – sicherlich deutlich verstärkt.

Dafür soll die Lokalredaktion Zürich des Zürcher «Tages-Anzeiger» aus diesem neuen Konstrukt herausgelöst werden. Super, so organisiert man richtig um.

Gleiche Sauce in neuem Namen, das ist Orwell. Wir sparen zum Ausbauen. Orwell. Wir verdienen uns dumm und dämlich, jammern aber. Orwell.

Wenn man statt Orwell mal Klartext sprechen will: Supino war zuvorderst daran beteiligt, dass die Subventions-Milliarde an der Urne gekippt wurde. Supino hat alle Handelsplattformen und den Stellenanzeiger vom Tagi weggenommen und zu eigenen Profitcentern gemacht. Gleichzeitig verlangt er von den Bezahlmedien, die gleiche Rendite wie alle anderen Einheiten abzuwerfen. Weil «20 Minuten» so profitabel ist, wird es zum eigenen Profitcenter gemacht und von den übrigen Printprodukten separiert geführt. Wenn es um die Entlassung eines Lokalredaktors, um einen Protestbrief oder um die Affäre Roshani geht: ungeschickter, unbeholfener und inkompetenter als Supino kann man kaum kommunizieren.

Und nun sprudelnde Dividenden und Sondergewinne in Milliardenhöhe auf der einen Seite, pickelharte Sparziele mit ganz «präzisen Vorgaben» auf der anderen Seite. Eine schon zum Skelett runtergesäbelte Rumpfmannschaft mit 80 Stellen weniger soll noch weitere Millionen einsparen. Das sorgt ungemein für Stimmung unter den Redaktoren, die die bisherigen Sparübungen überlebt haben und sich bang fragen, ob es diesmal den Nebenmann (oder eher weniger die Nebenfrau) oder sie selbst erwischt.

Genauso für Stimmung sorgt, dass das Wort Teuerungsausgleich keinem der Bonusbezüger aus der Chefetage über die Lippen kam. Offenbar will Supino den gleichen Orwell nochmal durchgeben, der doch schon bei de Abstimmung über die Subventionsmilliarde für Furore gesorgt hat. Sondergewinne und Sonderdividenden vermelden, aber aus dem normalen Geschäftsgang einen Verlust – und deswegen ernsthafte weitere Sparmassnahmen ankündigen. Das motiviert die verbliebenen Rumpfredaktoren zusätzlich ungemein.

Abgesehen davon, dass spätestens seit dem Auftauchen von Kerstin Hasse in der Chefredaktion und der Nominierung von Raphaela Birrer als Nachfolgerin des Bauernopfers Rutishauser alle männlichen Mitarbeiter wissen, dass Beförderungen nach Geschlecht, nicht nach Kompetenz erfolgen.

Und dem Konsumenten, dem Leser, soll all das – geschrumpfter Inhalt, geschrumpfter Umfang, geschrumpftes Niveau – als Ausbau serviert werden. In jedem Unternehmen, wo nicht die Clanzugehörigkeit vor allem schützt, wären schon längst personelle Konsequenzen gezogen worden. Denn eine Sparmassnahme ganz oben würde Wunder wirken. Nach dem abrupten Abgang von Marco Boselli wäre auch bei Andreas Schaffner und vor allem bei Mathias Müller (mit dem Zusatz von Blumencron) grosses Sparpotenzial. Plus beim Kopf des Fisches

Faktencheck Roshani

ZACKBUM tut das, was andere schon längst hätten tun müssen.

Anonyme Quellen erfinden oder abmelken, das ist einfach. Einfach widerlich. Zielführend ist hingegen, im Licht der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse die Anklageschrift von Anuschka Roshani einem objektiven Faktencheck zu unterziehen.

Nach fünf einfachen Kriterien:

  1. Was ist reine Rhetorik und Demagogie?
  2. Welche Anschuldigung stimmt?
  3. Welche stimmt nicht?
  4. Welche beruht auf Hörensagen?
  5. Welche kann nicht beurteilt werden?

Als Arbeitsinstrumente liegen die Recherchen des «Schweizer Journalist» vor und der Inhalt des ausführlichen Untersuchungsberichts, der von Roger Schawinski veröffentlicht wurde. Plus die Aussagen, die Finn Canonica in seinem bislang ersten öffentlichen Auftritt in Schawinskis «Doppelpunkt» machte. Plus zwei Methoden, die im modernen Elendsjournalismus kaum mehr einer beherrscht: die Anwendung von gesundem Menschenverstand und Logik. Das wird nun etwas länglich, aber das ist der Genauigkeit geschuldet.

Untersucht wird die Darstellung von Anuschka Roshani, die am 3. 2. 2023 im «Spiegel» unter dem Titel erschien: «Er zeichnete mir Hakenkreuze an den Rand meiner Manuskripte».

1. Einleitend beschreibt Roshani, wie sie einen Hollywood-Spielfilm über zwei Reporterinnen gesehen habe, deren Recherchen zu Harvey Weinstein die Bewegung #metoo ausgelöst hätten. Dann schreibt R.: «Ich sah mir «She said» an, nachdem ich selbst Opfer eines Machtmissbrauchs geworden war.» Diese Einleitung erfüllt einwandfrei Kriterium 1, reine Rhetorik oder Demagogie. Sie vergleicht ihre Erlebnisse mit Vorwürfen, die gegen den verurteilten Straftäter Harvey Weinstein erhoben wurden.

2. «Als Finn Canonica 2007 «Magazin»-Chefredakteur wurde, begann er ein Regime des Mobbings. Ich war nicht die Einzige.» Laut Canonica bot er R. in diesem Jahr die Stelle als seine Stellvertreterin an, die R. ablehnte, weil sie damals schwanger war, während er ihr angeboten habe, dass sie die Stelle nach ihrem Schwangerschaftsurlaub antreten könne. Es ist nicht erfindlich, wieso er sie stattdessen gemobbt haben sollte. Eindeutig Fall 3: stimmt nicht.

3. «Eine Kollegin entliess er ohne Vorwarnung.» Fall 5, kann nicht beurteilt werden. Als ihr der «Tages-Anzeiger» eine Reporterstelle anbot, «soll Canonica gesagt haben», das untergrabe seine Autorität, die Betroffene bekam die Stelle nicht. Fall 4: Hörensagen.

4. «Canonicas erklärtes Führungsprinzip: Er teilte die Redaktion in einen «inner circle» und einen «outer circle».» Der innere Zirkel habe Privilegien genossen, «musste aber auch, egal ob er oder sie es wollte, Details aus Canonicas Sexleben erfahren.» Fall 4, Hörensagen.

5. «Er mutmaßte über die sexuelle Orientierung oder Neigung von Mitarbeitern. Äusserte sich verächtlich über jeden, der nicht im Raum war. Bezeichnete unliebsame Themen als «schwul». Benutzte in Sitzungen fast touretteartig das Wort «ficken».» Die ersten beiden Behauptungen beruhen auf Hörensagen. Die Behauptung, Canonica habe ständig das Wort «ficken» benutzt, ist durch den Untersuchungsbericht widerlegt worden. Also Fall 3, stimmt nicht.

6. «Erzählte Intimitäten, etwa, dass zwei Redakteure ihre Kinder nur durch künstliche Befruchtung bekommen hätten.» Fall 4, Hörensagen.

7. «Wer wie ich in den äusseren Kreis aussortiert war, wurde von ihm wochenlang übergangen.» Es ist kaum glaubhaft, dass Canonica R. als einzige Redakteurin der Mannschaft vor den Sparmassnahmen behalten hätte, um sie dann zu übergehen. Da zudem ihr Arbeitsausstoss sehr überschaubar war, ist es nicht glaubhaft, dass sie «nicht mal eine Information erhalten» habe, «wenn ich sie dringend brauchte.» Es wäre ein Leichtes gewesen, das mit einem konkreten Beispiel zu untermauern. Fall 3, stimmt nicht.

8. «Im Wesentlichen entwürdigte er mich mittels verbaler Herabsetzungen. So unterstellte er mir an einer Konferenz, ich hätte mir journalistische Leistungen mit Sex erschlichen: Ich sei mit dem Pfarrer der Zürcher Fraumünster-Kirche im Bett gewesen … In einer SMS sprach mich Canonica als «Pfarrermätresse» an.» Richtig ist, dass diese SMS existiert, Fall 2, stimmt. Canonica erklärt diesen Ausdruck als Frotzelei, da der Pfarrer R. gelegentlich zu einem Kaffee eingeladen habe. Es ist nicht glaubhaft, dass er ihr ernsthaft eine sexuelle Beziehung zu einem Pfarrer unterstellt haben sollte oder zudem insinuiert, dass sie sich so journalistische Leistungen erschlichen habe. Fall 3, stimmt nicht.

9. «Hinter meinem Rücken nannte er mich vor einer Kollegin «die Ungefickte».» Wie aus dem Untersuchungsbericht hervorgeht, will Michele Roten als Einzige gehört haben, dass Canonica R. die «Untervögelte» nannte. Nach einem Kontakt mit R., die in der Untersuchung von «Ungefickte» gesprochen hatte, änderte Roten ihre Version darauf. Daher eindeutig Fall 3, stimmt nicht.

10. «Sagte coram publico zu mir, mein Mann habe «einen kleinen Schwanz».» Bei den Befragungen durch die untersuchende Anwaltskanzlei wurde niemand gefunden, der diese Behauptung bestätigt. Fall 3, stimmt nicht.

11. «In den jährlichen Mitarbeitergesprächen bat ich Canonica wiederholt, sachlich mit mir umzugehen. Das änderte nichts; immer wieder drohte er mir mit Kündigung.» Dafür gibt es keinerlei Unterlagen oder Belege; weder Canonica noch andere können diese Behauptung bestätigen. Im Zweifelsfall 5, kann nicht beurteilt werden.

12. «Einmal schrieb er mir nach der Veröffentlichung eines von mir verantworteten Sonderhefts: «Obwohl du eine Frau bist, hast du brilliert.» Laut Canonica war das eine Frotzelei, wie sie zwischen den beiden nach jahrelanger Zusammenarbeit üblich war. Es erscheint kaum glaubhaft, dass er sie damit herabwürdigen oder beleidigen wollte. Fall 3, stimmt nicht.

13. Sei ein deutsches Wort in ihren Texten aufgetaucht, «zeichnete er mir Hakenkreuze an den Rand meiner ManuskripteFall 2, das stimmt. Allerdings: Canonica bezeichnet das heute als Joke gemeinte Dummheit, die er bereue. Die einleitende Kritik «Doch er verhöhnte mich nicht nur als Frau, sondern auch meine Herkunft», ist in diesem Zusammenhang überzogen, Fall 3, stimmt nicht.

14. «Vielleicht wollte er sich aufwerten, indem er mich abwertete. ich kann mir sein Vergnügen nicht erklären, muss und will es nichtFall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

15. «Rund 14 Jahre lang versuchte ich Canonica, der heute 57 ist, zu entkommen.» Sowohl Canonica wie R. waren 2001 als Redakteure zum «Magazin» gekommen, 2007 wurde er zum Chefredaktor ernannt und bot ihr die Stelle als seine Stellvertreterin an. Wieso sie dann 14 Jahre lang Fluchtgedanken hatte (und die nie in die Tat umsetzte), ist nicht schlüssig. Fall 3, stimmt nicht.

16. «Geriet ich an meine Grenzen, nahm ich ein Sabbatical.» Was R. nicht sagt: sie bekam als einzige «Magazin»-Redakteurin von Canonica ein bezahltes, halbjähriges Sabbatical, was eine massive Bevorzugung gegenüber ihren Kollegen bedeutete. Fall 3, stimmt nicht.

17. «Irgendwann sagte mir ein Kollege, Canonica mobbe mich seit JahrenFall 4, behauptetes Hörensagen. Weder dieser Kollege noch seine Aussage erscheinen im detaillierten Untersuchungsbericht.

18. «Wann immer ich mich zur Wehr setzte, gab er mir zu verstehen, dass ich niemanden im Verlag fände, der mir Gehör schenken würde. Er sitze bombenfest im Sattel und genieße sogar das große Wohlwollen des Verlegers Pietro Supino.» Als CH Media diese Behauptung als Aussage einer «anonymen Quelle» wiederholte, zwang Supino den Konkurrenzverlag, diese Behauptung zurückzunehmen und sich dafür zu entschuldigen. Fall 3, stimmt nicht.

19. «Ich formulierte meine Situation seit 2010 mehrfach gegenüber verschiedenen Stellen im Haus.» Laut Untersuchungsbericht habe R. zunächst schriftlich behauptet, sie habe sich ab 2007 bei HR gemeldet. Mündlich korrigierte sie das dann auf 2012. Als HR keinerlei Belege für diese Meldungen fand, sagte R., dass sie sich nur mündlich beschwert habe. Als man sie mit diesen Widersprüchen konfrontieren wollte, verweigerte sie jegliche weitere Zusammenarbeit mit den Untersuchenden. Fall 3, stimmt nicht.

20. «Mindestens eine Kollegin und ein Kollege erklärten der Personalabteilung damals (2014, Red.), dass sie wegen Canonica kündigten.» Fall 4, Hörensagen mit anonymen Quellen.

21. «2014 berichtete ein Branchenblatt über das «unerträgliche Klima der Angst» unter Canonica.» Das beruhte auf anonymen Quellen; der damalige Kolumnist Daniel Binswanger oder auch Daniel Ryser widersprachen dem ausdrücklich und Ryser bezeichnete es noch zwei Jahre später als Ausdruck von Neid. Fall 3 und 4, stimmt nicht, beruht auf Hörensagen.

22. Obwohl sich – wiederum laut einem «Branchenmagazin» – 2017 die Stimmung gebessert habe, «ging das Mobbing mir gegenüber weiter: ohne Anlass nutzte Canonica auch den neuen Redaktionsalltag für meine Diskreditierung.» Fall 1, reine Rhetorik oder Demagogie.

23. Er habe «gerne schlüpfrige Bemerkungen gemacht, wie beim Weihnachtsessen 2019» (also nicht im Redaktionsalltag), als er zu ihrem LSD-Selbstversuch «grinsend» bemerkt haben soll, «dass LSD sicher geil mache». Einem Reporter sagte er – ich war in Hörweite –, dieser dürfe mir nichts glauben, ich würde generell «Bullshit» von mir geben.» Wenn das die Beispiele für Mobbing und Diskreditierung sein sollen: Fall 3, stimmt nicht.

24. «Das neue Redaktionsteam tat, als wäre nichts.» Das wäre ein Fall 4, reines Hörensagen. Wenn es nicht die Aussagen von acht vom «Schweizer Journalist» befragten «Magazin»-Mitarbeitern gäbe, die unisono all diese Behauptungen dementieren. Es habe keine sexualisierte Sprache gegeben, kein Mobbing, keine Übergriffigkeiten, das Redaktionsklima sei sehr gut gewesen, es sei sogar nie ganz klar gewesen, ob Canonica der Chef sei oder R. Die beiden hätten zudem einen speziellen Umgangston gehabt, den man sich aus der langjährigen Zusammenarbeit erkläre. Also Fall 3, stimmt nicht.

25. «Zum Internationalen Frauentag im März 2021 beklagten 78 Mitarbeiterinnen … ein männerdominiertes frauendiskriminierendes Betriebsklima.» Diese Schreiben existiert, was R. nicht erwähnt: kein einziger der darin erhobenen anonymisierten Vorwürfe wurde bis heute verifiziert, was wie bei ihren Behauptungen auch kaum möglich ist, weil alles ohne Zeitangabe erfolgt. Was sie auch nicht erwähnt: wieso hat sie damals nicht die Gelegenheit ergriffen, auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen? Was sie nicht erwähnt: stammte ein einziges der in diesem Schreiben angeführten Beispiele von ihr? Fall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

26. «Nicht mal Canonicas Affäre mit einer Untergebenen und den damit verbundenen Machtmissbrauch fand das Unternehmen als Vorwurf erheblich genug: erst bevorzugte Canonica seine Geliebte, ohne daraus ein Hehl zu machen, ging mit ihr auf Dienstreisen, dann, nach dem Ende des Verhältnisses, verbot er uns, mit ihr zu kommunizieren.» Der Untersuchungsbericht hat zweifelsfrei nachgewiesen, dass es sich hier um eine aus der Luft gegriffene Behauptung eines rachsüchtigen ehemaligen Mitarbeiters handelte, deren Wahrheitsgehalt schon bei oberflächlicher Untersuchung sich als nicht belastbar erwies. Fall 3 und 4; stimmt nicht und Hörensagen.

27. Eine Zuständige aus der Personalabteilung habe R. gebeten «Belege für Canonicas Fehlverhalten rauszusuchen; außerdem bat sie mich, Kollegen, auch ehemalige, dazu zu bewegen, ebenfalls Meldung über die Hotline zu machen. Abends sammelte ich Beweismaterial, ohne je zu erfahren, was damit geschah.» Laut Untersuchungsbericht verfügt HR über keinerlei Belege, dass R. solche Beweise gesucht und eingereicht habe. Der ehemalige Oberchefredaktor Arthur Rutishauser als direkter Vorgesetzter von Canonica sagt, dass ihm seit dem Beginn seiner Amtszeit keine einzige Beschwerde über den Chefredaktor zu Ohren gekommen sei. Fall 3, stimmt nicht.

28. «Längst wissen auch der Verwaltungsrat und der Verleger Pietro Supino von den Vorfällen.» Was R. nicht schreibt: Über ihren Mann, den Verleger Peter Haag, liess sie ihre Beschwerden, deren erste Untersuchung nichts ergeben hatte, durch ein Mitglied des VR dort zum Thema machen. Fall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

29. «Bis Frühjahr 2022 machte ich gute Miene zum bösen Spiel.» Was R. nicht schreibt: Im Jahr 2020 hatte sie sich in einer Blindbewerbung um die Stelle von Canonica beim VR beworben. Darin hatte sie sich als bessere Chefredakteurin angepriesen, die das «Magazin» viel besser leiten könne. Diese Bewerbung wurde nicht berücksichtigt. Fall 1 und 3, reine Rhetorik und Demagogie, stimmt nicht.

30. «So wie sich Canonica anstrengte, mich kleinzukriegen, versucht Tamedia, mich in die Knie zu zwingen. Deren Anwältin behauptet, dass ich alles nur inszeniert hätte, um Canonicas Chefposten zu bekommen. Was mich an die Berichterstattung über den Weinstein-Skandal erinnert …» R. wollte Canonicas Chefposten bekommen. Nach ersten Befragungen und als man sie bat, auf Widersprüchlichkeiten in ihren Aussagen einzugehen, verweigerte R. die weitere Mitarbeit an der Untersuchung, die aufgrund ihrer in den VR getragenen Anschuldigungen durchgeführt wurde. Sie meldete sich krank, ohne dafür ein Arztzeugnis vorzulegen. Klarer Fall 3, stimmt nicht, und der Vergleich mit Weinstein ist Fall 1, Rhetorik und Demagogie.

31. «Aus der Redaktion hieß es, er habe eine hohe Abfindung bekommen.» Das schreibt R. über den Abgang von Canonica. Fall 4, Hörensagen.

32. «Ende September hat mir Tamedia ohne Angaben von Gründen gekündigt. Ich habe gegen Tamedia Klage eingereicht wegen Verletzung der Fürsorgepflicht aufgrund sexistischer Diskriminierung und Mobbings. Und dem Gericht Zeugen für einzelne Fehlverhalten genannt.» Tamedia äussert sich nicht zu dieser Kündigung. Daher Fall 5, kann nicht beurteilt werden. Allerdings würde es interessieren, wen R. als Zeugen benannt hat.

33. Abschliessend zitiert R. eine Filmszene des Streifens über Weinstein: «Keine Frau sollte jemals Missbrauch oder Mobbing akzeptieren, Dann fügt sie hinzu: «Ich will meine Stimme zurück.» Das will ich auch.» Fall 1, reine Rhetorik und Demagogie.

Es ist davon auszugehen, dass R. das für sie vernichtende Resultat der Untersuchung ihrer Vorwürfe durch die angesehene Kanzlei Rudin und Cantieni nicht kannte. In ihr werden fast alle ihre Vorwürfe entkräftet oder als nicht belegbar zurückgewiesen. Das gilt zudem für die Behauptungen des 2015 im Unguten gegangenen «Magazin»-Redaktors Mathias Ninck, der die Lügengeschichte in Umlauf brachte, dass Canonica bei Einstellungsgesprächen mit weiblichen Mitarbeitern anzüglich eine Frauenbrust aus Plastik gestreichelt habe, die auf seinem Schreibtisch gelegen sei.

Kassensturz

Wir haben (fast) alle Behauptungen von Roshani in ihrem Artikel einer faktischen Prüfung unterzogen. Das Resultat sieht bei den 33 untersuchten Behauptungen so aus (einzelne Passagen können mehreren dieser Kriterien entsprechen, bspw. 3 und 4):

  1. Was ist reine Rhetorik und Demagogie? 8 Fälle
  2. Welche Anschuldigung stimmt? 2 Fälle
  3. Welche stimmt nicht? 24 Fälle
  4. Welche beruht auf Hörensagen? 9 Fälle
  5. Welche kann nicht beurteilt werden? 3 Fälle

Das Ergebnis spricht für sich. Dass sich noch niemand die Mühe gemacht hat, den Text von Roshani einem simplen Faktencheck zu unterziehen, ist ein Armutszeugnis.

Es bleibt die (geringe) Hoffnung, dass alle Journalisten, von Salome Müller abwärts, die mit angeblichen «anonymen Quellen» gearbeitet haben, die Unschuldsvermutung in die Tonne traten und eine wahre Hexenjagd auf einen unbescholtenen Menschen veranstalteten, entsprechend sanktioniert werden.

Dass sie vom «Spiegel» abwärts auf eine offensichtlich rachsüchtige Journalistin hereinfielen, deren Motive glasklar auf der Hand liegen (vergebliche Bewerbung als Chefredaktorin, erfolgloses Mobbing gegen ihren Vorgesetzten mit fast ausschliesslich nicht belegbaren Vorwürfen, Verweigerung der Mitarbeit am Untersuchungsbericht, als erste Widersprüche auftauchen, Resultat Kündigung), das ist ein weiteres Armutszeugnis.

Es ist nicht zu hoch gegriffen, dass sich hier für den «Spiegel» – und für die hinterherhechelnde Medienmeute – ein zweiter Fall Relotius mit weiblichem Vorzeichen entwickelt.

Hier schreibt der Chef

Ob Supino um Erlaubnis fragte?

«Ausgehend vom «Tages-Anzeiger» hat Tamedia darum in den letzten 15 Jahren massiv in den Ausbau des Portefeuilles und in die journalistische Wertschöpfung investiert.»

Es ist Ausdruck des Elends im Journalismus, dass der Big Boss, der «Verleger des «Tages-Anzeigers» und Präsident von Tamedia» unwidersprochen solchen Stuss auf fast einer ganzen Seite veröffentlichen darf.

In Wirklichkeit löste eine Millionen-Sparrunde die nächste ab, wurde zusammengelegt, geschrumpft und geknausert, bis es quietschte. Damit auch die Medien im Tx Konzern den allgemein vorgeschriebenen Return on Investment ablieferten, damit sich die Verlegerfamilie auch mal eine Sonderdividende leisten konnte.

Damit – und auch dank des ungeschickten Wirkens von Pietro Supino – schafften es die Schweizer Medien, bei der Abstimmung über die Subventions-Milliarde eine krachende Niederlage einzufahren.

Wer dieses inhaltsleere Geschwafel liest, bekommt eine Vorstellung davon, wie perspektivlos, geradezu desinteressiert der Vertreter des Coninx-Clans den Absturz der einstmals bedeutenden Marke «Tages-Anzeiger» verfolgt.

«Im letzten Jahr hat die Redaktion wichtige Grundlagen für die Weiterentwicklung ihres Angebots erarbeitet, die nun schrittweise eingeführt werden.» Das ist nun am Leser, Konsumenten und Zahler spurlos vorbeigegangen.

Aber nicht nur im Grossen und Ganzen spielt Supino Nullnummer. Auch im Mikromanagement versagt er. Wie der Roshani-Skandal von Tamedia behandelt wird, ist ein Musterbeispiel für: so sollte man es nicht machen.

Bislang hat Tamedia auf die brutalen Anschuldigungen der ehemaligen Mitarbeiterin gegen ihren ehemaligen Chef und gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber mit einer einzigen, dürren Stellungnahme reagiert. Während die Anschuldigungen von Roshani bei genauerer Betrachtung und Untersuchung zusammenbröckeln, kleine Medien wie der «Schweizer Journalist» die Recherchierarbeit leisten, die Tamedia in eigener Sache hätte betreiben sollen, während Radio 1 dem Angeschossenen Gelegenheit gibt, auf die Vorwürfe zu reagieren, während Roger Schawinski den Inhalt des von Tamedia in Auftrag gegebenen Untersuchungsberichts veröffentlicht – und während ZACKBUM als eines der ganz wenigen Medien objektiv und ausgewogen berichtet –, herrscht bei Tamedia Schweigen. Tiefes Schweigen.

Sämtliche «Magazin»-Mitarbeiter, sonst immer mit Werturteilen über jeden und über alles schnell zur Hand, haben ein Schweigegelübde wie in einem Kloster abgelegt.

Kein Redaktor traut sich ein eigenes Wort, niemand wagt Kritik am Big Boss, der lediglich in eigener Sache aktiv wurde und bei der Konkurrenz CH Media mit rechtlichen Drohungen eine Entschuldigung ihm gegenüber herausquetschte. Aber Fürsorgepflicht gegenüber dem medial hingerichteten ehemaligen Chefredaktor Finn Canonica? Eine Reaktion auf die unselige Verwendung angeblicher «anonymer Quellen», die Pech und Schwefel auf ihn herabregnen liessen, es sei alles noch viel schlimmer gewesen?

Rechtliche Schritte gegen den «Spiegel» oder gegen «Die Zeit», die im Indikativ blosse Behauptungen kolportierte und auch angeblich mit ungenannten Zeugen gesprochen haben will? Ach was, das interessiert Supino viel weniger als seine eigene Ehre.

Genauso arschkalt wird der langjährige Oberchefredaktor Arthur Rutishauser abserviert und unter Verdankung geleisteter Dienste auf den Posten des Chefredaktors der «SonntagsZeitung» zurückgeschoben. Dafür wird die mediokre Quotenfrau Raphaela Birrer über den grünen Klee gelobt: «Mit Raphaela Birrer übernimmt eine ausgezeichnete Führungskraft der nächsten Generation die Leitung der neu aufgestellten Redaktion des «Tages-Anzeigers».» Ausgezeichnete Führungskraft? Wenn sie so führt, wie sie Kommentare schreibt, dann Gnade Gott der Redaktion.

Angeblich gibt es doch bei Tamedia eine strikte Trennung zwischen Verlag und Redaktion. Muss man sich das nun so vorstellen, dass Supino höflich bei Birrer anklopfte, ob er ausnahmsweise mal im «Tages-Anzeiger» das Wort ergreifen und viel zu lange nicht mehr loslassen dürfe?

Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Schlimmer Verdacht

Wer sind die «anonymen Quellen» im Fall Roshani?

Die Anzeichen verdichten sich: es gab wohl nur eine einzige «Quelle».

Vom «Spiegel» und der «Zeit» abwärts berufen sich alle Organe, die über die schweren Vorwürfe von Anuschka Roshani gegen ihren ehemaligen Chefredaktor und ihren ehemaligen Arbeitgeber berichten, auf «anonyme Quellen». Auf «ehemalige» oder «aktuelle» Mitarbeiter beim «Magazin» von Tamedia. Die hätten die Vorwürfe bestätigt, sogar teilweise noch ausgeweitet.

CH Media verstieg sich sogar zum unhaltbaren Vorwurf, basierend auf dem Zitat einer «anonymen Quelle», dass der Big Boss von Tamedia Finn Canonica nahe gestanden sei und seine «schützende Hand» über ihn gehalten habe. Zudem schmückte CH Media die Story der Plastikbrust aus, die Canonica bei Stellenbewerbungen von Frauen anzüglich massiert habe. Für die Behauptung über Pietro Supino musste sich CH Media inzwischen öffentlich entschuldigen, die Plastikbrust-Story ist durch den Untersuchungsbericht glasklar und zweifellos widerlegt und bei CH Media kommentarlos gelöscht worden.

«Wie Medien im Fall Canonica mit Übertreibungen und Lügen ihre Glaubwürdigkeit verspielen», kritisiert die NZZ völlig zu recht. Allerdings übersieht sie dabei geflissentlich, dass sie selbst das auch getan hat. Und holzt im gleichen Artikel gegen Roger Schawinski, der mit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts eine «Reinwaschung» von Canonica versuche, was absurd ist. Dem wiederum spricht die NZZ die «charakterliche Eignung» für eine Chefposition ab, ein happiger und völlig unbelegter Vorwurf.

Dass der Artikel der NZZ nebenbei ein paar peinliche faktische Fehler enthält, sei nur am Rande erwähnt, ebenso, dass die beiden Autoren zwar kräftig austeilen, aber in Deckung gehen, wenn sie auf einige Fragen von ZACKBUM antworten sollten. Was das wohl über ihre charakterliche Eignung aussagt?

Wenn nun der Journalismus die verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen wollte, was müsste er tun?

So wie CH Media zunächst seine zahlreichen Fehlleistungen eingestehen – ohne dazu mit rechtlichen Mitteln gezwungen zu werden. Die «Zeit» müsste ihre Autorin Salome Müller öffentlich massregeln, die – neben dem Zitieren anonymer Quellen – blosse Behauptungen im Indikativ als Wahrheiten darstellte.

Die «Zeit» und eigentlich alle Medien, die über den Fall Roshani berichtet haben, müssten offenlegen, mit welchen «Quellen» sie eigentlich gesprochen haben wollen. Welche angeblichen «Dokumente» sie haben wollen.

Insbesondere um den «Spiegel» zieht sich die Schlinge zu. Nicht nur, dass er einer offensichtlich rachsüchtigen, in ihrer Karriere gescheiterten und entlassenen Mitarbeiterin eine «Carte Blanche» für ungeheuerliche Anschuldigungen gab und die sogar in die Nähe der Taten eines Harvey Weinstein rückte. Er behauptet in einem Redaktionsschwanz, dass er genügend Dokumente und Zeugenaussagen gesammelt habe, die die Behauptungen von Roshani stützen würden.

Dem widerspricht nun ein sorgfältig recherchierter Artikel im «Schweizer Journalist», der mit insgesamt acht aktuellen Mitarbeitern des «Magazin» gesprochen haben will. Die wollen zwar auch anonym bleiben, sagen aber unisono, dass sie niemals vom «Spiegel» kontaktiert wurden. Und der Autor merkt an, dass es theoretisch möglich sei, dass er ausgerechnet nur Mitarbeiter kontaktierte, die nicht vom «Spiegel» befragt wurden. Das sei aber sehr unwahrscheinlich …

Nun hat die Lügengeschichte der Frauenbrust allerdings einen inzwischen enttarnten Urheber. Es ist Mathias Ninck, der 2014 auch im Unfrieden vom «Magazin» schied. Und wohl nicht damit rechnete, dass seine Einlassungen, die im Untersuchungsbericht wiedergegeben werden, jemals das Licht der Öffentlichkeit erblicken würden.

Angesichts der Tatsache, dass fast alle Vorwürfe gegen Canonica inzwischen als widerlegt, zumindest unglaubwürdig oder aufgebauscht gelten müssen, erhebt sich gebieterisch die Frage:

Wer waren denn nun all die vielen anonymen Quellen, die angeblich verschiedenen Medien gegenüber die Vorwürfe gegen Canonica nicht nur bestätigten, sondern auch noch ergänzten?

Den neutralen Beobachter beschleicht hier ein schlimmer Verdacht: Könnte es nicht sein, dass es nur eine einzige Quelle gab? Eine rachsüchtige Quelle, die Roshani in ihrer Frustration als nützliche Idiotin missbrauchte, um Jahre später den still abgetretenen Canonica aus dem Hinterhalt noch ganz zu erledigen? Und dabei den Glückstreffer landete, dass sich der «Spiegel» dafür hergab.

Es gibt ein weiteres, eher peinliches Indiz dafür. Wenn Roshani, wie sie behauptet, den zweiten und ausführlichen Untersuchungsbericht nicht zu sehen bekam, dann wusste sie bei der Veröffentlichung ihres «Spiegel»-Artikels nicht, dass diverse von ihr erhobene Vorwürfe ausführlich widerlegt worden waren. Dann wusste sie nicht, wie Canonica gegenüber Schawinski aussagt, dass die Verlagsleitung ihm damals mitgeteilt habe, dass die Vorwürfe gegen ihn nur aus einer einzigen Quelle stammten, das so nicht gehe und sie zudem allesamt widerlegt worden seien. Künstlerpech. Sie verweigerte ja damals die weitere Mitarbeit, als man sie mit Widersprüchen in ihren Behauptungen konfrontieren wollte. Ob das auch der Grund für ihr aktuelles, tiefes Schweigen ist?

Sollte sich der Verdacht verdichten, dass es in Wirklichkeit eine einzige Quelle gab, und es gibt genügend Anzeichen dafür, dann dürfen die Entlassungen von Canonica und Roshani nicht die einzigen bleiben. Denn immerhin haben all diese Schmierenartikel eine Autorenzeile …

 

Tick, tack, tick, tack

Was ist das? Das ist die Skandal-Uhr.

Nicht nur wegen den asozialen Medien gibt es im Aufmerksamkeit-Management zwei klar unterschiedliche Zustände. Geradezu binäre: voll Strom, kein Strom.

Die «Magazin»-Affäre ist ein perfektes Beispiel dafür. Sie löste die Affäre um die Buchveröffentlichung über eine lange zurückliegende Zuger Landammann-Feier ab, bei der sich zwei Politiker mithilfe von Flüssigem sehr nahe kamen.

Dann kam ein Donnerschlag im «Spiegel», Anuschka Roshani als Opfer, Finn Canonica als Bösewicht, die «Magazin»-Redaktion als Versammlung feiger Heuchler. Dann mischte sich Tamedia ein, auch Canonica holte zum Gegenschlag aus, Feministen und Kampffeministen krakeelten rein und setzten unbewiesene Behauptungen in die Welt, gerne auch im Indikativ, so beispielsweise Salome Müller.

Der Kommentator wusste es wie meist besser und opinierte, räsonierte, widersprach, schimpfte, verteilte Betragensnoten, verurteilte und war höchlichst erregt und aufgeregt. Dann amteten Anwälte, allzu forsche Behauptungen aufgrund anonymer Quellen mussten gelöscht werden. CH Media musste sich sogar zu einer zerknirschten «Entschuldigung» verstehen.

Dann griff noch der Big Boss von Tamedia persönlich ein; mit anderen Worten: Pietro Supino fuhr die Affäre gegen die Wand. Mal schauen, ob der Satz so stehenbleiben darf; das geneigte Publikum ist gebeten, einen Screenshot anzufertigen.

Natürlich umschwirrten schnell Gerüchte aus anonymen, trüben Quellen die Affäre wie Schmeissfliegen. Es sei alles noch viel schlimmer gewesen. Canonica sei ein ganz Schlimmer. Es sei alles furchtbar aufgeplustert, Roshani sei eine ganz Hinterlistige. Es gebe dann im Fall noch weitere Fälle im Hause Tamedia.

Und dann, und jetzt? Erschöpfte Pause. Man hört nichts. Ausser dem leisen Ticken der Skandal-Uhr. Aber das nächste Wochenende kommt bestimmt. Sollte es da kein neues Erdbeben oder keine neue Schlacht in der Ukraine geben, nun, die Chancen stehen gut, dass dann das Gelärme weitergeht.

Wumms: Arthur Rutishauser

Zugegeben, manchmal ist’s ein Scheissjob.

Die Medienkonzentration in der Schweiz, bei der Weniger und Sparmassnahmen als Mehr und Synergie verkauft wird, hat den Posten des Oberchefredaktors geschaffen.

Denn in den ganzen Kopfblättern, die lediglich noch Regionalberichterstattung betreiben, sitzen nur noch Pro-Forma-Chefredaktoren am Fenster und tun wichtig.

Bei Ringier hat Christian Dorer das letzte Wort über die gesamte «Blick»-Gruppe (also wenn man Marc Walder ausser Acht lässt, aber das wäre ein anderes Thema). Bei CH Media ist’s Patrik Müller (also wenn man den Wanner-Clan ausser Acht lässt, aber das wäre ein anderes Thema). Die NZZ ist sowieso ein anderes Thema, aber da ist Eric Gujer schon ziemlich nahe am God almighty.

Und schliesslich gibt es Arthur Rutishauser, Oberchefredaktor bei Tamedia und Immer-noch-Chefredaktor der «SonntagsZeitung». Der muss nun schauen, wie er aus dem «Magazin»-Schlamassel unbeschadet rauskommt.

Ein Kommunikationsgenie war er noch nie, also tut er mal das, was er kann. Er schreibt über Wirtschaft und Finanzen. Das hört sich dann so an: «Ein Management, das hilflos versucht, Zuversicht zu verbreiten, und sich ansonsten einigelt. Ungläubige Journalistinnen, Analysten und Anleger.»

Schreibt er in einem SoZ-Editorial über die Credit Suisse. Könnte er aber genauso über Tamedia, bzw. die Tx Group schreiben. Schliesslich hat jetzt auch noch der Aktionärsvertreter Ethos angekündigt, möglicherweise dem Big Boss Pietro Supino die Decharge verweigern zu wollen. Peinlich.

Denn auch für die Führungsriege bei Tx gilt: «die Ratlosigkeit ist mit Händen greifbar». Zuerst schweigen, dann dementieren, dann lamentieren, dann abwiegeln und den Fall für ordentlich erledigt erklären. Ansonsten habe man natürlich nichts gewusst, bzw. erst spät.

Das soll alles sein, was ein Medienhaus an Krisenkommunikation hinkriegt? Da ist Feuer im Dach, Und wo es raucht, erhebt sich immer die Frage: wer war das? Dabei ist aber nicht der Brandstifter oder der versagende Feuerwehrmann (Pardon, der Feuerwehrmensch) gemeint. Sondern: wer eignet sich als Sündenbock?

Der Dachstock brennt bereits so lichterloh, dass eigentlich nur vier Personen in Frage kommen. Die beiden Mitglieder der Geschäftsleitung, der Big Boss himself oder Arthur. Man könnte sich nun vom deutschen Neuzuzug trennen, der für den ebenfalls abgängigen Boselli an Bord geholt wurde. Der kann nämlich nicht viel, hat keine grosse Ahnung von der Schweiz und ist bislang mit nichts aufgefallen. Also der Klassiker: er würde eine Lücke hinterlassen, die ihn vollständig ersetzt.

Auf der anderen Seite, neu an Bord, sähe schon blöd aus, wenn der nun die Verantwortung für teils Jahre zurückliegende mögliche Verfehlungen übernehmen müsste. Das andere GL-Mitglied: denkbar, aber nicht direkt zuständig für das Tamedia-Schlamassel. Der Big Boss? Niemals, ausgeschlossen, unmöglich. Der und Verantwortung übernehmen? So weit kommt’s noch.

Also bleibt, nach dem Prinzip Ene, mene, muh, nun ja, tut uns ja Leid: da bleibt eigentlich nur Rutishauser. Denn jemand aus dem Overhead, aus der Administration, Human Resources oder so, das dürfte nicht mehr reichen.

Wir drücken Arthur die Daumen, denn verdient hätte er es nicht. Wir wollen ihn aber ausdrücklich nicht loben, wenn das von ZACKBUM käme, wäre das fatal.

Die Schlinge zieht sich zu

Affären folgen immer der gleichen Logik.

So geht Affäre. Vorher war da nix. Dann macht es wumms, und plötzlich ist sie da, die Affäre. Gerne wird ihr dann das Wort -gate hintendran gehängt, aber nur von bemerkenswert fantasielosen Journalisten.

Bis vorletzten Freitag waren die Zustände bei der Edelgutmenschen-Postille «Das Magazin» nur Insidern bekannt. Es wurden auch nur hinter vorgehaltener Hand Begründungen herumgeboten, wieso der Chefredaktor Finn Canonica im Sommer letzten Jahres plötzlich eine «neue Herausforderung» annehmen wollte und mit Jubelarien verabschiedet wurde.

Dass dann im September Anuschka Roshani gekündigt wurde, genau wie zuvor Canonica, wurde überhaupt nicht bekannt. Vier Seiten im «Spiegel» änderten das schlagartig. Dem staunenden deutschen Leser wurde ein abgründiges Bild der Zustände beim Schweizer Magazin des «Tages-Anzeiger» gemalt. Gar nicht putzig, diese Schweizer.

Am Anfang einer Affäre steht immer eine Anschuldigung. Einblick in einen Abgrund. Täter und Opfer. Versagen aller Orten. Besonders saftig ist die Affäre, wenn es um Sexualität geht, um verbale Übergriffe, um einen Vorgesetzten im Machtrausch. Um ein männliches Schwein, das zudem von seinen (männlichen) Vorgesetzten geschützt und gestützt wird.

Das ist sozusagen der Aufschlag. Nach einer mehr oder minder langen Schrecksekunde kommt dann der Return. Vorhersehbar. An den Anschuldigungen sei (fast) nichts dran, alles kalter Kaffee, aber leider, leider, der Persönlichkeitsschutz ermögliche es dem Arbeitgeber nicht, Genaueres zu sagen.

Anschliessend gerät das Spiel meistens völlig ausser Kontrolle. Der eigentlich Angegriffene geht auf Tauchstation. Sein Ex-Arbeitgeber beginnt zu eiern. Ein Tag nach dem Persönlichkeitsschutz ist’s damit schon vorbei, es wird genüsslich aus einem Untersuchungsbericht zitiert. Ohne die beiden davon Betroffenen um Einverständnis zu fragen (Persönlichkeitsschutz, scheiss drauf), werden sie genüsslich abgewatscht. Der eine habe sich einer «fäkalisierten» Sprache mit «unangemessenen» sexuellen Anspielungen bedient. Die andere habe Vorwürfe erhoben, die sich (fast) alle «nicht erhärten» liessen.

Schnell bleibt das Publikum nicht mehr stumm. Es wird gejohlt, kommentiert, hineingekräht. Also nicht vom breiten Publikum, dem sind solche Selbstbespiegelungen von Medien eigentlich ziemlich egal. Aber die Konkurrenz betreibt nun Erregungsbewirtschaftung, gräbt dieses und jenes aus. Anonyme Heckenschützen («war alles noch viel schlimmer») kommen aus den Löchern.

Statt mit einem Ball geht’s dann mit Geballer weiter. Der Angeklagte meldet sich zu Wort («alles gelogen», bereut aber einiges, was er heute natürlich nicht mehr so formulieren würde). Jede Menge Feministinnen haben es schon immer gewusst und beklagen lautstark diese frauenverachtende, männerbeherrschte Missstimmung bei Tamedia. Wobei nicht alle richtig Gas geben: die «feministische Aktivistin» Franziska Schutzbach arbeitet mit Schalldämpfer. Denn ihr Partner ist lange Jahre Redaktor beim «Magazin», er hat nie etwas über die angeblich frauenverachtenden, mobbenden Zustände verlauten lassen …

Besonders peinlich ist – wie meist bei Affären, wenn Medienhäuser involviert sind – die offizielle Reaktion von Tamedia. Big Boss Pietro Supino will, Überraschung, erst vor Kurzem von dem Schlamassel erfahren haben, der im Übrigen völlig korrekt abgeräumt worden sei. Was jetzt stattfinde, sei sozusagen ein Drecksspiel der Konkurrenz.

Damit begibt er sich allerdings selbst in Teufels Küche, denn es gibt doch gelinde Zweifel daran, ob er erst 2021 (was ja auch ein Weilchen zurückliegt) von den Vorwürfen erfahren habe. Denn anscheinend gab es 2014 schon eine erste Protestwelle gegen den dann letztes Jahr gefeuerten Chefredaktor.

Noch schlimmer: es wird gemunkelt, dass es noch weitere Problemchefs gebe. Einen weiblichen, der aber nicht mehr im Amt sei. Und einen männlichen. Es darf geraten werden.

Zwischenbilanz: die meisten Beteiligten haben sich bereits ins Elend geredet oder geschrieben. Die Konkurrenz trieft vor Häme, die ansonsten sofort mit strengen Urteilen, Kritiken und entrüstet in den Himmel gestreckten Zeigefinger zur Stelle befindlichen Journalisten aus dem betroffenen Hause haben kollektiv ein Schweigegelübde abgelegt. Wer will sich auch daran die Finger verbrennen.

Stimmen die Vorwürfe, haben sich alle Mitwisser, vor allem auf der Tagimagi-Redaktion, als charakterschwache Heuchler entpuppt. Stimmen die Vorwürfe, hat die gesamte Führungscrew, der Oberchefredaktor, die GL und der Big Boss, versagt.

Stimmen sie nicht, hat das Krisenmanagement versagt. Inzwischen dürfte sich die interne Diskussion in erster Linie darum drehen, ob es einen Sündenbock braucht, und wenn ja, wer den spielen muss. Denn die Schlinge zieht sich zu.

 

Wumms: Pietro Supino

Wie man das Management eines Skandals vergeigt.

Die Sympathiewerte von Pietro Supino bei Tamedia, einem Bestandteil der Tx Group, sind überschaubar. Sehr überschaubar. Denn im Wesentlichen verlangt der Big Boss von Tamedia, dass auch die Gazetten die gleiche Rendite wie alles andere in seinem Haus erwirtschaften.

Dass die Ankündigung der Ausschüttung einer Sonderdividende und des Zusammenlegens der Online-Plattformen mit Ringier nicht wirklich dabei half, den Stimmbürger zu überzeugen, angeblich notleidenden Medien-Clans eine Milliarde reinzuschieben? Was soll’s.

Lippenbekenntnisse zur staatstragenden Bedeutung der Medien, während die Redaktionen zu Tode gespart werden? Was soll’s. Gute Stimmung verbreiten, wo nach der Sparrunde vor der Sparrunde ist? Nicht so sein Ding.

Was zum  Canonica-Schlamassel sagen? Auch nicht so sein Ding. Angeblich soll er bei einer eilends einberufenen Mitarbeiterversammlung am Mittwoch gesagt haben, dass das eine ganz dreckige Sache sei, und dass man das Problem längst gelöst und aufgeräumt habe.

Richtig aktiv wurde Supino nur, als CH Media aufgrund anonymer Behauptungen schrieb, er habe seine schützende Hand über Canonica gehalten. Da wurde gleich der Anwalt in Marsch gesetzt, CH Media musste zu Kreuze kriechen, sich entschuldigen und richtigstellen, dass das nicht so gewesen sei.

Das überzeugte die anwesenden Journalisten von Tamedia nicht wirklich. 18 Monate über der Beurteilung von Vorwürfen vergehen lassen, die laut Reglement in 14 Tagen eine Antwort bekommen sollten? Je nun, hat wirklich etwas lange gedauert. Supino selbst wisse sowieso erst seit 2021 von diesem Fall. Wäre auch schon lange genug.

Nun kommt noch dies hinzu. In der neusten Ausgabe der «NZZamSonntag» schreibt Zoe Baches, die für ihre sorgfältigen Recherchen bekannt ist: «In einer E-Mail an die Personalchefin des «Magazins» vom 23. Januar 2015, die dieser Zeitung vorliegt, führt einer der Redaktoren die Vorwürfe gegen Canonica detailliert auf, erwähnt werden hier auch Sexismus, Mobbing und die Hakenkreuze. Laut einer E-Mail kam es zudem zu Gesprächen zum Thema mit der Personalchefin. Ein Redaktor bestätigt dieser Zeitung, sich zum Thema persönlich mit einem damaligen Konzernleitungsmitglied besprochen zu haben.»

Preisfrage: Wenn das so war, 2014 und 2015, dann hat Supino von all dem nichts mitbekommen? Echt?

Zur Frage, ob Roshani den Untersuchungsbericht der Kanzlei Rudin Cantieni zu Gesicht bekommen hat, gibt es zwei sich diametral widersprechende Aussagen. Sie sagt nein, die Tamedia-GL sagt ja. Supino sagt, erst seit 2021 von den Problemen beim «Magazin» gewusst, also von den Vorfällen von 2015 nichts gewusst zu haben. Obwohl damals zudem ein Untersuchungsbericht von Nobel & Hug angefertigt wurde, es drunter und drüber ging beim «Magazin» und eine Reihe von Mitarbeitern kündigte? Obwohl Canonica den Verdacht äusserte, sein E-Mail-Account sei von einem «Magazin»-Redaktor gehackt worden?

Solche unglaublichen Vorgänge drangen nicht bis zum Big Boss des Konzerns vor? Hatte Wichtigeres zu tun? Auf der Coninx-Yacht herumschippern? Sich eine neue Bleibe suchen? Geld zählen?

Und der Rest ist …

Peinlich. Peinliches Schweigen bei Tamedia.

Die «SonntagsZeitung» soll angeblich helfen, den Montag bis Samstag zu verstehen. Letzte Woche war von Montag bis Samstag zumindest in medialen Kreisen ein einziges Thema interessant: der neuste Tamedia-Skandal.

Zu dem ist nämlich ein möglicher Canonica-Skandal oder ein möglicher Roshani-Skandal oder ein möglicher «Magazin»-Skandal geworden. Die aktuelle Chefredaktion des «Magazin»? Sie schweigt. Die Redaktoren, die ja nicht erst seit gestern an Bord sind? Sie schweigen. Ehemalige Mitarbeiter wie die schreibende Schmachtlocke Daniel Binswanger, früher mal eng mit Canonica? Schweigt.

Anonyme Heckenschützen, die allenthalben zitiert werden, dass alles noch viel schlimmer sei oder schon längst intern bekannt? Sie schweigen nicht, aber wie glaubwürdig sind Behauptungen von Journalisten, die sich nicht einmal trauen, mit ihrem Namen dazu zu stehen?

Also hat sich ZACKBUM auf Spurensuche begeben, ob es denn in der SoZ oder im «Magazin» wenigstens Andeutungen über diesen Skandal gibt.

Schon im Editorial von Arthur Rutishauser meinten wir, fündig geworden zu sein: «Ein Management, das hilflos versucht, Zuversicht zu verbreiten und sich ansonsten einigelt.» Könnte das eine Kritik an der unterirdische Performance von Pietro Supino sein? Mutig, könnte man meinen: «Genauso wie 2001 beim Swissair-Grounding ist es es auch heute wieder bei Tamedia.» Oh, Pardon, unser Fehler, «bei der Credit Suisse», schreibt Arthur.

«Wohin unsere Steuergelder gehen», ist eine Analyse auf Seite 4 überschrieben. Na, nicht zu Tamedia, aber das ist leider auch kein Beitrag zur Aufarbeitung des hausinternen Skandals. ««Gesundheit» wünschen oder ignorieren?» Ist das wenigstens ein Artikel über den Zustand von Finn Canonica? Leider nicht, es geht um viel Wichtigeres: «Was erwidert man auf ein «Hatschi»?» Das ist in Zeiten der politischen Korrektheit wahrlich nicht so einfach.

Aber hier vielleicht? «Sie nehmen die Hodenschrumpfung in Kauf». Ein bislang unbekannter Spruch des Ex-Chefredaktors? Schon wieder nein, es geht um Anabolika. Leserbriefseite? Nix. Harald-Schmidt-Interview: Sternstunde, aber auch nix über Canonica oder Roshani oder Supino. Aus die Maus.

Also nahm sich ZACKBUM «Das Magazin» vor; mit 32 Seiten immerhin schnell zu überblättern. Die Titelgeschichte ist aus dem «New Yorker» übersetzt. Soweit nichts Neues; Eigenleistung nur, wenn es gar nicht anders geht. Und es geht immer anders.

Auf Seite zwei ein längeres Editorial des nachgerückten Chefredaktors Bruno Ziauddin. Die Chance, endlich. Aber nein, Plattitüden, Seichtheiten und Lob eines «ambivalenten Verhältnisses zu Butter». Also alles in Butter.

Aber vielleicht die Kolumnisten, sonst immer schnell zur Hand, Schlimmes, Kaputtes, Fragwürdiges, Fehlerhaftes überall auf der Welt und auch in anderen Gazetten zu kritisieren. ZACKBUM setzte grosse Hoffnungen auf Philipp Loser. «Der Inhalt zählt nicht», ist seine Kolumne überschrieben. Ein Hinweis auf die Oberflächlichkeiten des Canonica-Ära? Leider nein, Loser verbreitert sich über Wahlen, mit Dumpfsätzen wie: «Diese Komponente  der inhaltliche Wahrnehmung ist ein Teil der Wahlentscheidung.» Wie man einen solchen Satz schreiben kann, ohne selber dabei wegzuschnarchen?

Aber vielleicht Katja Früh, sie dilettiert über «Liebe und Toleranz». Endlich eine Aufarbeitung des Verhältnisses zwischen Canonica und Roshani? Nein, verflixt, sie hat endlich auch noch den Briefwechsel Bachmann-Frisch gelesen. Nach allen anderen. Aber dann Kaltërina Latifi, «Wie viel Widerspruch halten Sie aus?» Ach was, Anlass zu banaler Nabelschau: «seit 2016 lehre ich zeitweise an einer Londoner Universität». Leider nennt sie den Namen nicht, damit man diese Bildungsstätte meiden kann.

Dass Christian Seiler als Fresspapst nichts zum Thema schreibt, okay. Ein Bericht über die Kreml-Propaganda? Wenn man auch wenige Seiten füllen muss, die bei 14 Seiten voller «New Yorker» noch übrigbleiben …

Max Küng vielleicht? Lachhaft. Als Frage an Hans Ulrich Obrist? Lachhaft. Und schon ist’s aus, das «Magazin». 10 Tage Tamedia-Skandal, 10 Tage das «Magazin» und seine Mannschaft im Feuer. Aufarbeitung, Reaktion, journalistische Analyse, Einordnung? Investigativ-Desk, all die überbezahlten und unterbeschäftigten Journis bei Tamedia, die sich endlich mal von der Betrachtung des eigenen Bauchnabels lösen könnten? I wo, nur kein Stress. Interessiert den Leser doch nicht.

Unfassbar.