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Die Stunde der Heuchler

Tropfende Betroffenheit nach Messerattacke.

«Es ist eine scheussliche Tat», empört sich der «Blick». Der «Tages-Anzeiger» berichtet über eine Mahnwache und vermerkt: «Nicht vor Ort war die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch. Sie kündigte in einer Stellungnahme an, sich persönlich beim Opfer zu melden und den jüdischen Gemeinden zusammen mit Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart ihr Mitgefühl auszudrücken

Und die NZZ fordert: «Sich erschüttert zu zeigen, hilft den Jüdinnen und Juden in Zürich wenig. Sie brauchen besseren Schutz und mehr UnterstützungCH Media sekundiert: «Eine Welle des Judenhasses schwappt durch Europa, auch in der Schweiz häufen sich seit der Hamas-Attacke gegen Israel vom 7. Oktober 2023 die Meldungen.»

Sogar Önder Güneş, Präsident der Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS), zeigt sich bestürzt: «Es ist einfach schrecklich, eine solche Tat ist in keinem Falle tolerierbar und wir Muslime verurteilen ihn aufs Schärfste», zitiert ihn «20 Minuten».

Bei dem 15-jährigen Täter soll es sich um einen eingebürgerten Tunesier handeln. Laut Zeugen soll er «Ich bin Schweizer. Ich bin Muslim. Ich bin hier, um Juden zu töten», gerufen haben. Dazu das obligate «Allahu Akbar» und «Tod allen Juden».

Wo und wie sich der Jugendliche radikalisiert hat, wird untersucht. Durchs Internet, durch einen Hassprediger, in einer radikalen Moschee, durch Anschluss an eine Gruppe fanatischer Fundamentalisten in der Schweiz? Vielleicht findet man’s heraus, vielleicht nicht.

Nun ist es so, dass die Schweiz im europäischen Vergleich bislang eher glimpflich davonkam, was fundamentalistischen Terror betrifft, von dem vor allem Frankreich, Spanien und Deutschland betroffen ist, wo Parallelgesellschaften existieren, in die die Staatsmacht weder Einblick, noch darauf Zugriff hat. Auch in der Schweiz gibt es – vielleicht mit der Ausnahme von Kurt Pelda – kaum einen Journalisten, der sich dieses Themas annimmt – und der die nötigen Fähigkeiten dazu hat.

Nun werden gelbe Regenschirme gezückt, mit ernstem Gesicht «never again»-Schildchen getragen, allenthalben wird verurteilt, zeigt man sich erschüttert, und wird gefordert. Mehr Schutz, mehr Unterstützung, mehr Sicherheit, einfach mehr von allem. Also die übliche Betroffenheitsheuchelei, die in erster Linie dem Wohlbefinden dessen nützt, der sie vorträgt.

Dass die Kriegsverbrechen, die Israel als Antwort auf das Hamas-Massaker im Gazastreifen verübt, terroristische Aktionen gegen Juden auslösen, war vorhersehbar. Es ist eigentlich erstaunlich, dass fundamentalistische Wahnsinnige in Kerneuropa noch keinen grösseren Anschlag verübt haben.

Dass auch die Linke immer weniger zwischen Antizionismus und Antisemitismus unterscheiden kann, kommt erschwerend hinzu. Sie hat in erschreckendem Ausmass jeden moralischen Kompass verloren.

Das zeigte sich gerade im Zürcher Kantonsrat. Da sagte der SVP-Politiker Tobias Weidmann: «Antisemitismus 2024 kommt nicht von rechts, sondern von der antikapitalistischen Linken oder aus migrantischen Milieus.» Dann beschreibt der «Tages-Anzeiger» die Folgen: «Die Linke war empört. Erst buhten die Kantonsrätinnen und Kantonsräte nur. Dann wurden sie immer lauter. Schliesslich verliessen sie geschlossen den Saal

Die jüdische Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel kritisierte laut Tagi: «Es sei zwar so, dass der gewalttätige Antisemitismus meistens von Muslimen ausginge. Sie distanzierte sich trotz dieser Aussage aber von der Haltung der SVP-EDU-Fraktion.»

«Der Grüne Fraktionschef Thomas Forrer sagte später: «Opfer von antisemitischen Taten darf man politisch nicht instrumentalisieren.»»

Da ist nun einiges verrutscht. Weidmann hätte natürlich sagen müssen, dass Antisemitismus «auch» von links oder von Muslimen komme. Aber deshalb grölend den Saal verlassen, zeugt nicht nur von schlechter Kinderstube, sondern vom Überspielen eigener Betroffenheit. Dass man Opfer von antisemitischen Taten nicht politisch instrumentalisieren dürfe, dass könnten sich Grüne, SP und Geistesverwandte zunächst mal selbst hinter die Ohren schreiben. Und was trägt diese verbale Wackelpuddinghaltung von Rueff-Frenkel zur Klärung bei?

Einzeltäter, Fanatiker, religiös Verblendeter, das habe nichts mit dem Islam, dem Koran, mit Muslimen zu tun, wird immer wieder gebetsmühlenartig verkündet.

Das ist falsch. Der Islam ist eine mittelalterliche Verliererreligion, der dort, wo er herrscht, wirtschaftliches Elend, Repression und fundamentalistischen Wahnsinn produziert. Dafür muss man sich nur die Zustände im uralten persischen Kulturraum von heute anschauen. Ein Trauerspiel. Das gilt auch für Saudi-Arabien, wo eine besonders giftige Spielart des Islams herrscht und langsam zur Neige gehende Ölvorräte eine zutiefst korrupte und skrupellose Herrscherclique an der Macht halten. Das gilt zunehmend für die Türkei, die leider beweist, dass man auch eine hundertjährige Tradition der Trennung von Kirche und Staat und der Modernisierung, die durch Atatürk energisch eingeleitet wurde, wieder rückgängig machen kann.

Der Islam ist, wie das Christentum, bis seine Macht glücklicherweise durch die Aufklärung gebrochen wurde, keine tolerante Religion. Der Koran erhebt einen alleinigen Machtanspruch über alle Teilnehmer an einer Gesellschaft, seine Anhänger wollen fanatisch die Regeln von Kameltreibern, die viele Hundert Jahre zuvor durch die Wüste zogen, auf die Jetztzeit anwenden. Die Scharia ist das Gegenteil einer modernen, rechtsstaatlichen Ordnung.

Auf der anderen Seite darf Freiheit nicht grenzenlos sein, auch nicht Religionsfreiheit. Freiheit braucht Schranken, sonst führt sie zu Willkür und Faustrecht. Toleranz darf nicht grenzenlos sein, sonst erlaubt sie Intoleranz, Fanatismus und Diktatur.

Man muss nur in die blutrünstige Vergangenheit des Christentums mit Kreuzzügen, Scheiterhaufen, Inquisition und Fortschrittsfeindlichkeit schauen, um die Gegenwart des Islams zu verstehen.

Man muss nur schauen, wie in muslimischen Ländern Toleranz gegenüber anderen Religionen geübt wird.

Die Erkenntnis liegt auf der Hand: das kann nicht toleriert werden. Nicht in der Schweiz. Wer nur mehr Schutz, mehr Massnahmen, mehr Sicherheit fordert, toleriert die nächste Attacke. So einfach ist das.

Der Assange-Skandal

Wo bleibt der anhaltende mediale Aufschrei?

Ab dem 20. Februar findet vor dem britischen High Court die letzte Verhandlung über die Auslieferung von Julian Assange an die USA statt.

Nach jahrelangem Exil in der ecuadorianischen Botschaft in London sitzt Assange seit 2019 in einem englischen Hochsicherheitsknast, seit bald einmal fünf Jahren. Ihm wird von den USA Landesverrat vorgeworfen, weil er unter anderem auf seiner Enthüllungsplattform WikiLeaks Dokumente und Videos publizierte, die Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan und dem Irak belegen.

2010 wurde gegen ihn in Schweden ein Haftbefehl wegen angeblicher Sexualdelikte erlassen. Die entsprechenden Ermittlungen wurden 2017 eingestellt. Nachdem ihm die ecuadorianische Staatsbügerscahft und das Asyl in der Botschaft entzogen worden waren, wurde er von der englischen Polizei verhaftet. Seither sitzt er im Hochsicherheitsgefängnis HMP Belmarsh, weil die USA seine Auslieferung verlangen. Dort drohen ihm bis zu 175 Jahre Gefängnis oder die Todesstrafe.

Es ist eine rechtsstaatliche Ungeheuerlichkeit und ein Schandfleck für alle Medien, dass Berichte über sein Schicksal nur gelegentlich aufpoppen, worauf er wieder in der Dunkelheit seiner Zelle verschwindet. In den USA forderten verschiedene TV-Gesichter, dass man ihn aufknüpfen, erschiessen, mit einer Drohne erledigen solle, denn er sei ein Landesverräter.

Seit nunmehr 14 Jahren befindet sich Assange in einer Ausnahmesituation, die ihn offensichtlich körperlich und psychisch immer mehr belastet, vom Damoklesschwert einer möglichen Auslieferung in die USA ganz zu schweigen. Wie dieser Hort der Rechtsstaatlichkeit in Guantánamo und anderswo mit unliebsamen Gefangenen umgeht, ist hinreichend bekannt.

Es gibt natürlich Unterstützerplattformen, aber angesichts der aufklärerischen Leistung von Assange und der Bedeutung seiner Plattform WikiLeaks bei der Aufdeckung unzähliger schmutziger Handlungen von westlichen Regierungen, ist nun zu hoffen, dass nicht nur das Auslieferungsgesuch der USA abgelehnt wird.

Es ist eine Schande, dass ach so viele Journalisten nicht müde werden, ihre Leser mit ausführlichen Beschreibungen ihres eigenen Innenlebens, ihrer Leiden an sich und der Welt zu belästigen und zu langweilen. Statt ein Zehntel dieser Energie darauf zu verwenden, immer wieder und unermüdlich auf das Schicksal von Assange hinzuweisen, der nur deswegen im Knast schmort, weil er die mächtigste Militärmacht der Welt nachhaltig verärgerte. Indem er ihre hässliche Fratze zeigte.

Aber immerhin, er lebt – noch. Wenn es jemand verdient hat, dass man zu seiner sofortigen Freilassung aufruft, dann er.

 

 

 

 

Freiheit und Demokratie

Unsere wird eigentlich überall verteidigt. Weltweit.

Eine solche Illustration macht eine KI, wenn man sie beauftragt, die Verteidigung der Freiheit episch darzustellen. Ein Traumbild, etwas schwer interpretierbar, wer denn da die Freiheit ist und wogegen sie sich verteidigt.

Daher perfekt getroffen. Denn es ist ja nicht nur so, dass wir frei sind, in Freiheit leben, die Freiheit lieben. Was immer das auch sein mag. Wir lieben auch die Demokratie, ausser Trump wird gewählt, aber das ist ein anderes Thema.

Nun ist die Freiheit nicht einfach gottgegeben, sondern sie muss verteidigt werden. Denn: «Freiheit in Gefahr: Wir sind nur noch 67 Demokratien», wusste die «Schweiz am Wochenende» aus dem Hause CH Media schon Anfang 2023. «Ist die Justizreform eine Gefahr für die israelische Demokratie», fragte «Audiatur» bang, als der Krieg im Gazastreifen noch nicht tobte.

«Lasst uns die Freiheit verteidigen», mahnt Präsident Selenskyj immer wieder und auf allen Kanälen. Wie immer etwas ungelenkig sagt die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock: «Mit dem Finger aufeinander zeigen, bringt der Ukraine weder Frieden noch Freiheit». «Ich bin für viel persönliche Freiheit», sagt Psychiater Frank Urbaniok. Auch SVP-Präsidentschaftskandidat Marcel Dettling weiss: die Schweiz müsse «ihre Freiheit und direkte Demokratie verteidigen». Sogar oder gerade das WEF verteidigt Demokratie und Freiheit. Natürlich auch die US-Waffenlobby NRA. Da will Präsident Putin nicht zurückstehen. Russland kämpfe in der Ukraine für die «Freiheit der gesamten Welt».

Unablässig, das ist klar, muss die Freiheit verteidigt werden. Henrik Müller geht im «Spiegel» sogar noch einen Schritt weiter, ganz in die Ferne: «Unsere Freiheit wird auch in Taiwan verteidigt». Bislang dachten wir, dass es beim Hindukusch aufhört. Bislang waren wir sicher, dass sie in der Ukraine verteidigt wird. Aber auch in Taiwan? Echt jetzt?

Etwas komplex scheint es allerdings in der Ukraine zu sein. Wenn beide Kriegsparteien für die Freiheit kämpfen, bzw. sie verteidigen, gibt es dann mehr als eine Freiheit? Ist es nicht immer die Freiheit, die schon Eugène Delacroix 1830 so hinreissend malte?

Darf man zwischendurch mal fragen, was Freiheit eigentlich ist? Für ein Individuum ist es wohl die Möglichkeit, unter verschiedenen Optionen eine wählen zu dürfen, ohne Zwang. Ist das dann für eine Gesellschaft auch so? Aber da kann sich sicher nicht jeder ohne Zwang so entscheiden, wie es ihm gerade drum ist.

Absolute Freiheit ist sowieso unmöglich und unerträglich. Sie bedeutet Willkür, Faustrecht, Amoral, den Untergang. Freiheit braucht also immer Grenzen, damit so viel Freiheit wie möglich herrscht. Meinen all die Verteidiger der Freiheit etwa das?

Nein, meinen sie nicht. Sie benützen einfach die Strahlkraft des Wortes, das zu den wohl am postivsten konnotierten in jeder Sprache gehört. Brüderlichkeit, Gleichheit, Freiheit. Gerne gesellt sich auch noch das Wort Solidarität dazu. Das Wort Gerechtigkeit.

Wer Menschen hinter sich scharen will, wer auf Stimmenfang geht, wer die Notwendigkeit unterstreichen will, dass man ihn unterstützt, der spricht immer von Freiheit.

Auch Grossdenker Peer Teuwsen sorgt sich in der NZZaS: «Ist uns die Freiheit eigentlich verleidet?» Schwer zu sagen, Teuwsen ist offensichtlich Französisch verleidet. So zitiert er gelahrt Rousseau: «Der Mensch wird frei geboren, und überall ist er in Banden.» In kriminellen Banden? Nein, Rousseau sagte «fer», also Ketten. Und wieso der Mensch «frei»geboren werde, was das genau bedeuten mag, das liess Rousseau – wie so manches – im Vagen. Dann klagt Teuwsen an, es werde «gereist, als gebe es kein Morgen». Da hätten wir gerne mal eine Einblick in seine eigenen fabulösen Reisespesen genommen.

Offensichtlich gibt es verschiedene Freiheiten. Es gibt die Freiheit von Hunger. Das ist gut. Es gibt die Freiheit von Bildung, das ist schlecht. Dann gibt es offenbar noch «unsere» Freiheit. Und die wird eben in Taiwan verteidigt. Gegen wen? Natürlich gegen die Unfreiheit, also gegen China. Wieso aber hat sich «unsere» Freiheit bis nach Taiwan verlaufen? Ist sie in der Ukraine ausgebüchst? Fehlt sie nun in Israel?

Wer vor allem in einem Massenmedium das Wort «Freiheit» gebraucht, will damit rustikal auf Leserfang gehen. Wer «Freiheit» und «verteidigen» in einem Atemzug erwähnt, sollte sofort überlesen werden. Denn es ist ein Scharlatan, der auf die Strahlkraft dieses Worts vertraut, um seine eigene Botschaft besser zu transportieren.

Von solchen Rattenfängern sollte man sich frei machen.

 

Wumms: Jan Diesteldorf

Dummschwätzer breiten sich in Tamedia weiter aus.

Jan Diesteldorf ist ein weiterer unerwünschter Ausländer beim Tagi. Brüssel-Korrespondet, dann im Frankfurter Büro der «Süddeutschen Zeitung». Das qualifiziert ihn zu einem «Essay» in der SZ: «Wer zögert, verliert». Im Tagi wird das zur «Analyse» hochgezwirbelt: «Drei Wege, um Putin in die Knie zu zwingen». Dem schlottern sie jetzt schon …

Denn Diesteldorf haut zunächst allen Befürwortern von Sanktionen eins in die Fresse, denn er weiss als Einziger, wie man den Kremlherrscher fertigmacht: «Sanktionen konnten Russlands Kriegswirtschaft nicht ausbremsen, im Gegenteil. Jetzt muss Europa alles tun, um den Kreml da zu treffen, wo es schmerzt: beim Geld.» Ein typischer Schwurbler, den erkennt man an der Blubber-Formulierung «jetzt muss Europa alles tun». Wer ist Europa, warum muss es jetzt, weil Diesteldorf den Befehl gibt? Immerhin, nach einem solchen Flachsinn ist der mündige Leser gewarnt und stellt die weitere Lektüre ein.

Ausser, ZACKBUM muss seiner Berichterstatterpflicht nachgehen, was schon eine Bürde ist, die wir aber mit Fassung tragen. Zunächst, gelernt ist gelernt, der szenische Einstieg: «… die Raketen fliegen, sie treffen Kiew, sie treffen Charkiw, ihre Wucht tötet Menschen, lässt Häuser brennen und einstürzen, sie unterbrechen die Versorgung mit Strom und Gas».

Was haben wir? Einen «zuversichtlichen Lügner» auf der einen Seite, schlimmer noch: «Putins Siegesgewissheit ist kein hohles Geschwätz. Sie ist gut begründet.» Auf der anderen Seite schwindende Ambitionen der EU, ihm die Stirn zu bieten, dazu noch das Quertreiben des «Populisten und Russlandfreunds Orban». Das Panoptikum des Schreckens wäre nicht vollständig, fehlte dies, nämlich «dass sich mit Donald Trump wieder jemand warmläuft, der mit Putin nicht nur die Siegesgewissheit gemein hat». Was sonst noch? Die Frisur? Den Wunsch, Kriege zu führen? Was für ein hohles Geschwätz.

Hohl, aber mit Pathos vorgetragen: «Dabei hat sich an der moralischen Verpflichtung für Europa und den Westen und jeden einzelnen Bürger, der in jener Freiheit lebt, die die Ukrainer stellvertretend verteidigen, nichts geändert.» Genau, wir Freiheitsliebenden wollen sie bis zum letzten Ukrainer verteidigen, unerschrocken und mit der Waffe in der Hand. Beziehungsweise auf der Tastatur im wohlgeheizten Büro.

Dann überrascht Diesteldorf mit aus den Überschwemmungen in Deutschland gezogenen Erkenntnissen: «Ein Damm ist eben nur dicht, wenn man ihn zu Ende baut.» Unfertige Dämme sind untauglich, das sollte man den Niedersachsen endlich mal sagen.

Aber was nützt dieses Beispiel im Kampf gegen Putin? Was hat Diesteldorf zu bieten? «Ölpreisdeckel verschärfen, komplettes Gasembargo, Sekundärsanktionen». Gähn. Irgendwie fällt es ihm selber auf, dass seine drei Wege, «Putin in die Knie zu zwingen», höchstens funktionierten, wenn Putin beim Schlapplachen umfällt. Daher winselt der Autor zum Schluss: «Wohl wahr, das alles hat kaum Aussicht auf Erfolg.»

Schlimm, ist das denn alles? Fast: «kurz bevor sich der Krieg zum zweiten Mal jährt, sollte man es den Ukrainern gleichtun und die Hoffnung nicht aufgeben.» Genau, die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch darauf, dass bei Tamedia endlich mal wieder so etwas wie eine Qualitätskontrolle Einzug hält. Bevor der Leser auf die Knie fällt und um Gnade und Verschonung von solch gebackener Luft winselt.

Hort von Freiheit und Demokratie

Seit der Ukraine scharen sich die Medien wieder hinter den USA.

Der Endkampf zwischen Gut und Böse ist mal wieder ausgerufen. Zum mittelalterlichen Vergleich fehlt nur noch die Endzeit und das drohende Jüngste Gericht.

Das Böse ist klar definiert: Russland. Da braucht es das Gute, so oberhalb der Ukraine. Das können dann nur die USA sein, logo.

Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die USA unermüdlich daran, Frieden, Freiheit und Demokratie in die Welt zu bringen. Wenn nötig, allerdings auch mit Gewalt:

 

Es darf gelacht werden: Satire, hilf!

Die Welt als Wahnvorstellung. Schwarz auf Weiss ist vorbei. Heute gilt Brilletragen.

Man muss in Szenarien denken. Das ist mindestens so wichtig wie Resilienz zeigen. Oder eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft beklagen. Oder sich über Diskriminierung, Ausgrenzung und männerbeherrschte Sprache beschweren.

Aber vor allem sind Szenarien wichtig. Da gibt es zurzeit eigentlich nur eines, in mehreren Varianten.

Aufgehetzt durch abgefeimte Demagogen, die unsere Meinungsfreiheit missbrauchen, formiert sich eine gewaltbereite Gruppe von Staatsfeinden und Regierungsgegnern. Sie sind undemokratisch, unpatriotisch, unschweizerisch.

Perfiderweise benützen aber ihre Einpeitscher Urschweizer Symbole. Dazu gehört die Schweizerfahne, das Edelweiss – und die Treichel. Als sogenannte «Freiheitstrychler» verkleidete Krawallanten marschieren bei wahren Saubannerzügen vorneweg und peitschen die Massen auf. Neuerdings, als müsste das Unschweizerische noch betont werden, sind auch Dudelsackbläser dabei. Als ob der Dudelsack irgend etwas mit der Eidgenossenschaft zu tun hätte.

Dazu erschallen Rufe nach «Freiheit», als ob nicht alle diese Heuchler wüssten, dass das Wort Freiheit in der Geschichte schwer missbraucht wurde und vor ihm nur gewarnt werden kann. Die Jahrhundertverbrecher Adolf Hitler und Josef Stalin verwendeten es nämlich auch, und wo das hinführte, weiss man ja.

Denn diese Rufer wollen gar keine Freiheit, im Gegenteil sie wollen etwas Totalitäres. Sie akzeptieren nur ihre eigene Meinung und halten alle anderen für bescheuert, für Covidioten, für folgsame Lämmer, für Schafe, die nichts dagegen haben, sich scheren, bzw. impfen zu lassen.

Es ist in Wirklichkeit noch viel schlimmer

Aber eigentlich ist’s noch schlimmer. Treicheln, Rufe nach Freiheit, dann wird aber auch noch der Name «Ueli» skandiert. Sollte dieser Ueli der neue Führer sein, wird bald einmal «heil Ueli» gerufen werden? Oder «Moll Maurer»? Wird dieser Ueli den ersten Schweizer Reichsparteitag einberufen? Stimmen die Gerüchte, dass ein Grashalm das Symbol dieser Bewegung sein soll?

Ist gar zu befürchten, dass im totalitären System der Ueli-Anhänger bald einmal die ersten Umerziehungslager, Gulags, in der Schweiz eingerichtet werden?

Wie könnte es dazu kommen? Die ersten Versuche wurden ja schon gemacht. Verwunderlich, dass niemandem von den Kommentatoren, die weit in die Geschichte und die grossen Verbrechen zurückgriffen, die Parallelen zum Bürgerbräu-Putsch auffiel. 1923, also vor fast hundert Jahren, marschierten da auch aufgeputschte Bürger zur Münchner Feldherrenhalle; ihr Ziel war der Sturz der deutschen Reichsregierung und die Errichtung einer Diktatur à la Mussolini.

Das scheiterte zwar, aber es sollte doch als Menetekel dienen. Denn war es nicht so, dass auch in Bern aufgeputschte Massen zum Bundeshaus zogen? War es nicht so, dass der «Sturm aufs Bundeshaus» nur in höchster Not verhindert werden konnte? War es nicht so, dass bereits einige Schrauben der Absperrgitter gelockert waren, die ersten Umstürzler bereits damit begannen, am Zaun zu rütteln oder ihn gar mit Fusstritten zu malträtieren? Wäre nicht rechtzeitig ein Wasserwerfer aufgetankt und Tränengas bereitgestellt worden, wo hätte das geendet? Wie im US-Kapitol?

Es ist noch schlimmer als 1918

Immer wieder wird da und dort in den seichten Untiefen des Internets zu Widerstand, gar zu Kampf, zur Entscheidungsschlacht aufgerufen. Da muss man sich schon fragen: Wieso wurde noch nicht der Notstand erklärt? Was ist mit einer Generalmobilmachung? Erinnert sich niemand mehr an den Generalstreik von 1918 in der Schweiz?

Dabei ist es diesmal womöglich noch schlimmer. Denn ein Feind sitzt sogar im Bundesrat selbst. In unserer Landesregierung. Und was machen seine Kollegen? Diese Frage muss man in aller Deutlichkeit stellen. Gut, der Gesundheitsminister ist mit anderen Dingen ausgelastet. Covid, Kultur, Kulturförderung, vierhändig Klavierspielen, da bleibt nicht viel Zeit für anderes.

Aber was ist mit der Verteidigungsministerin? War es wirklich eine gute Idee, dieses Amt einer Frau anzuvertrauen? Fehlt es ihr vielleicht an der nötigen Härte, um Zündler und Zeusler Ueli in die Schranken zu weisen, in den Senkel zu stellen, ihn zu warnen, dass er den Frieden im Land gefährde?

Eine Krise in der Krise

So ist es immer, wenn sowieso schon Krise herrscht. Eine unvorhersehbare Krise sogar. Denn wissen wir, wie es mit der Pandemie weitergeht? Kommt die vierte Welle, wie die einen behaupten, oder sind wir über den Berg, wie andere sagen? Sind die Intensivstationen an ihrer Leistungsgrenze oder nicht? Bricht das Gesundheitssystem demnächst zusammen, werden sich Leichen vor den Spitaleingängen stapeln, wird es zu herzerreissenden Szenen in Spitälern kommen, wo überforderte Ärzte Triage machen müssen, also entscheiden, wer leben darf und wer sterben muss?

Kann man noch guten Gewissens sich nicht freiwillig impfen lassen?

Alle diese Fragen wälzen doch die Medien ständig vor sich hin und her. Warnen unablässig, vergleichen, kritisieren, beschuldigen, beklagen ein gewaltbereites Klima, einen Zerfall der öffentlichen Debattenkultur. Und das alles und ausschliesslich wegen Treichlern, Hetzern, Freiheit-Rufern und eben dem Ueli.

Wann nur, wann wird endlich gefordert, dass mit aller Härte, mit allen Mitteln, ohne falsche Rücksichten durchgegriffen wird? Remedur geschaffen, aufgeräumt, in den Senkel gestellt. Das ist doch überfällig.

 

Ein Chefredaktor sieht rot

Oder braun-rot. Gieri Cavelty, gebeutelter Chef des SoBli (Lachappelle) rempelt Bundesrat Maurer an. Gibt’s diesmal die rote Karte?

Die Höchststrafe hat Cavelty eigentlich schon kassiert. Am Sonntag beschwerte sich der SoBli lautstark über angeblich unanständiges Verhalten des damaligen VR-Präsidenten von Raiffeisen.

Am Montag durfte er – mitsamt der feixenden Öffentlichkeit – im «Blick» eine Entschuldigung des Ringier-Verlags dafür lesen mit der Ankündigung, dass dieser Artikel restlos aus allen Archiven gespült sei und man so etwas nie mehr tun wolle.

Zur allgemeinen Verwunderung blieb Cavelty auf seinem Sessel sitzen. Aber vielleicht reicht es diesmal für einen Abflug. Denn er will sich mit der Generallinie seines Hauses gut stellen und gleichzeitig kräftig nachtreten: «Die Bewegung der Impfgegner zeigt totalitäre Züge», behauptet er in seinem aktuellen Editorial.

Dafür nimmt er den ganz groben Hammer hervor. Denn die «radikalen Impfgegner» missbrauchten einen Begriff, dem wie keinem anderen in «den letzten 200 Jahren derart viel Gewalt widerfahren» sei: der Begriff «Freiheit». In den Beispielen greift er weit in die Geschichte zurück und ganz tief nach unten. So habe die NSDAP 1935 den «Parteitag der Freiheit» gefeiert. Dabei seien hier die Nürnberger Rassegesetze verkündet und die deutschen Juden ihrer bürgerlichen Freiheiten beraubt worden.

Fast noch schlimmer: «Der sowjetische Diktator Josef Stalin beschwor in seinen Reden die «Freiheit der Arbeiter und Bauern»», donnert Cavelty.

Bei den Nazis war allerdings die «Befreiung» von den Bestimmungen des Versailler Vertrags gemeint, und dass der sowjetische Diktator auch nur einmal von deren Freiheit gesprochen haben soll, dafür gibt es keinen Beleg.

Reichsparteitag der Impfgegner?

Offensichtlich beschlich dann Cavelty selbst leiser Zweifel, ob das statthaft sei: «Aber ist es nicht mehr als übertrieben, die paar Tausend radikalen Impfgegner in einem Atemzug mit den finstersten Gestalten der Geschichte zu nennen?»

Nun, die Jahrhundertverbrecher sollen nur illustrieren, dass jemand, der das Wort Freiheit verwende, «noch lange nicht ihr Fürsprecher» sei. Dafür hätte es wohl nicht den demagogischen Zusammenhang mit Hitler-Faschismus und Stalin-Diktatur gebraucht, aber item. Er sei halt erlaubt: «Doch gerade im Hinblick auf ihr Handeln darf sich man bei den radikalen Impfgegnern nichts vormachen. Die Bewegung zeigt erschreckend aggressive und totalitäre Tendenzen.» Solchen Ansprüchen der deutschen Syntax beugt sich Cavelty allerdings nicht.

Gab’s denn schon einen Reichsparteitag der Impfgegner, machen sie Anstalten, Millionen von Menschen zu liquidieren, wie das Stalin tat? Noch nicht, aber das kann vielleicht noch werden, denn: «In den Vorzimmern mancher Bundesräte stapeln sich Drohbriefe, praktisch täglich erhalten sie einschüchternde Anrufe und E-Mails.»

Es gibt auch in der Schweiz immer einen Bodensatz von Verwirrten und Amoks, die ihren Frust ablassen, indem sie anonyme Beschimpfungen oder Drohungen ausstossen. Widerwärtig, aber nichts Neues. Mindestens so widerwärtig ist es, das alleine den Kritikern der Massnahmen zur Pandemiebekämpfung in die Schuhe zu schieben.

Natürlich gibt es auch unter ihnen Verwirrte und Verblendete. Aber die Gewerkschaften und die SP haben es sich zu recht verbeten, dass man ihnen die Taten des Schwarzen Blocks in die Schuhe geschoben hätte, der jeweils nach den 1.-Mai-Demos Saubannerzüge durch Zürich mit beeindruckendem Sachschaden durchführte.

Hemmungslose Anbiederung der SVP

Aber damit bereitet Cavelty nur seinen eigentlichen Schlag vor:

«Hinzu kommt, dass sich die grösste Partei des Landes der Bewegung hemmungslos anbiedert.»

Wie äussert sich diese Hemmungslosigkeit? Bundesrat Maurer schlüpfte doch tatsächlich in ein T-Shirt der «Freiheitstrychler», «einer jener Organisationen, die bei den Demonstrationen der radikalen Impfgegner den Ton angeben», weiss Cavelty. Diese Bezeichnung würden sich wohl 99 Prozent aller Teilnehmer an solchen Manifestationen verbitten, aber auch damit ist Cavelty nur unterwegs zu seinem vermeintlichen Blattschuss.

Denn Maurer hielt auch noch eine Rede, die Cavelty so zusammenfasst: Die Menschen müssten sich «wehren gegen den Mainstream und gegen die Moral», sagte Maurer.

Er verbreitete bei dieser Gelegenheit gleich noch den Unsinn, die Covid-Impfung mache Frauen unfruchtbar.

Mit derlei Darbietungen bestätigt dieser Meister der Doppelzüngigkeit die radikalen Impfgegner in ihrer Haltung und er befeuert sie in ihrem Tun.»

Damit nähert sich Cavelty dem Schluss, dem Höhepunkt und der Climax seines Kommentars. Der verdient es, vollumfänglich zitiert zu werden:

«Unser Rechtsstaat gibt jedermann die Freiheit, Unfug zu erzählen und insbesondere dem Wort Freiheit noch mehr Gewalt anzutun. Ebenso aber gehört es in einem funktionierenden Rechtsstaat zur Aufgabe der Medien, den totalitären Charakter einer Bewegung zu benennen – sowie die Gefahren, die davon ausgehen. Nicht weniger deutlich müssen die Medien darauf hinweisen, dass Politiker wie Ueli Maurer unmittelbar die Verantwortung dafür tragen, wenn das Misstrauen gegenüber unseren Institutionen stärker wird.»

Das nennt man allerdings einen klassischen Schuss ins eigene Knie und in den Fuss zugleich. Cavelty will Bundesrat Maurer unterstellen, der trage die Verantwortung für zunehmendes Misstrauen in Institutionen. Währenddessen es die Aufgabe der Medien sei, aufrecht vor Gefahren zu warnen.

Schön gegeben, nur leider falsch …

Dieses schöne Selbstbildnis hat leider nur zwei Fehler. Denn von dieser Rede, blöd gelaufen für Cavelty, gibt es eine Aufzeichnung. Aus der geht eindeutig hervor, wie jedermann nachprüfen kann, dass Maurer einen solchen Unsinn NICHT gesagt oder verbreitet hat (ab Minute 11.25).

Alleine das ist schon hochnotpeinlich. Aufgrund von Drohungen von ein paar Verwirrten auf den totalitären Charakter «einer Bewegung» zu verweisen und sie mit Hitler oder Stalin zu vergleichen, ist geradezu widerwärtig. Einem Bundesrat etwas in den Mund zu legen, das er nicht gesagt hat, ist für einen Chefredaktor unverzeihlich. In einem ähnlichen Fall musste schon der damalige Chef der «SonntagsZeitung» den Hut nehmen, obwohl er selbst gar kein Falschzitat verwendet hatte. Aber einer seiner Redaktoren.

Schliesslich muss man Cavelty darauf hinweisen, dass solche demagogischen Falschbehauptungen das Misstrauen in die Medien ganz deutlich steigern. Um eine weitere Erosion des sowieso schon angeschlagenen Images zu vermeiden, kann es nur eine Konsequenz geben.

Untauglicher Verteidigungsversuch des Mediensprechers

Cavelty lies den «Mediensprecher der Blick-Gruppe» an seiner Statt antworten. Maurer berichte «von einer Zusammenkunft mit fünf jungen Frauen, die ihm von ihrer Angst erzählen, aufgrund der Impfung «keine Kinder bekommen» zu können. Er widerspricht diesen Bedenken nicht und stellt nichts klar, sondern verweist vielmehr darauf, dass es sich um «gescheite, gut ausgebildete Frauen» handelt.» Wie steht es um den Respekt vor dem Konjunktiv eins? Statt seinen Respekt für alle, die sich impfen lassen, und für alle, die das nicht tun, auszudrücken, hätte der Bundesrat widersprechen sollen?

«So unterstreicht er die vermeintliche Glaubwürdigkeit ihrer Aussage und verbreitet so das von Impfskeptikern in die Welt gesetzte Gerücht, dass eine Impfung Frauen unfruchtbar mache.» Zum Mitschreiben: Maurer referierte eine Begegnung und betonte das Bildungsniveau der Frauen. Er verbreitet damit weder ein Gerücht, noch unterstreicht er die Glaubwürdigkeit einer Aussage. Er referiert als Anekdote diese Begegnung. Wie viele Ringier-Journis braucht es, um diesen Unterschied zu verstehen?

Wie kann nur ein zurechnungsfähiger Fachmann einen solchen Unsinn erzählen: «Es gibt bisher wenige Daten bei jungen Frauen, weil die meisten Frauen nicht so schwer erkranken. Die Studie aus Wuhan zeigt jedoch, dass bei den Frauen mit ganz schweren Infektionsverläufen eine spätere Einschränkung der ovariellen Reserve vorliegt.» Wer verbreitet denn da solche Gerüchte? Hoppla, das tut die von SRF interviewte Abteilungsleiterin für Jugendgynäkologie des Unispitals Zürich. Eine Fachärztin! Am Unispital! Unterstreicht mit dem Wort «Studie» noch die vermeintliche Glaubwürdigkeit dieser Aussage! Ein Fall für Cavelty!

«Zu einer Richtigstellung sehen wir keinen Anlass», fügt his master’s voice noch hinzu. Immerhin: damit bringt er das ganze Elend der «Blick»-Gruppe auf den Punkt.

Gedanken zur Freiwilligkeit

Man tut etwas aus freiem, eigenen Willen. Ohne Druck, Beeinflussung oder unter Drohungen. So wie impfen zum Beispiel.

Politik und Medien sind sich einig: die Impfung gegen Covid-19 ist freiwillig. Es gibt keinen Impfzwang in der Schweiz, jeder kann sich entscheiden, ob er an Sinn und Zweck dieser Impfung glaubt oder aus Angst vor Nebenwirkungen oder aus welchen Motiven auch immer darauf verzichtet.

Kurzauftritt der Corona-Kreischen: Das sei keine Frage der persönlichen Freiheit, weil der Nicht-Geimpfte andere Menschen gefährde, indem er sie anstecken könnte.

Es gab in der DDR, der verblichenen Deutschen Demokratischen Republik, die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei. Die Mitgliedschaft bei den «Jungen Pionieren» war völlig freiwillig. Als in der Schule zum ersten Mal gefragt wurde, wer gerne Mitglied werden möchte, meldete sich vielleicht ein Drittel der Klasse.

Einen Monat später waren alle Junge Pioniere, ausser mir. Freiwillig natürlich, aber mein Vater legte sein Veto dagegen ein, es sei schliesslich freiwillig, oder nicht?

Alles freiwillig, oder?

Wer im umliegenden Ausland eine öffentliche Einrichtung, ein Museum, Theater, ein Restaurant besuchen will, muss ein Corona-Zertifikat vorweisen. Die Schlagbäume an den Grenzen gehen wieder runter; immer mehr Länder fordern für die Einreise ein Corona-Zertifikat.

Ungeimpften Schweizer Rückreisenden aus plötzlich dazu ernannten Hochrisikogebieten kann es blühen, in Quarantäne gesetzt zu werden. Es ist absehbar, dass die Schweiz, immer gerne in solchen Umzügen dabei, auch hierzulande die Teilnahme am öffentlichen Leben von dem Impfzertifikat abhängig machen wird.

Inzwischen wird einerseits diskutiert, welche Impfung wie weit gegen die normalen Mutationen des Virus schützt, andererseits, wie sinnvoll eine dritte Impfung sein könnte, euphemistisch Booster-Impfung genannt.

In der Wissenschaft mehren sich die Stimmen, die einerseits Lockerungen der Einschränkungen fordern, andererseits behaupten, dass mit einer vollständigen Durchimpfung der Bevölkerung die Pandemie innert kürzester Zeit besiegt werden könnte.

Pandemie ist das eine, Freiheit das Wichtigere

Im Gegensatz zu vielen Politikern und fast allen Journalisten ist ZACKBUM nicht wissenschaftlich qualifiziert, um hierzu eine fundierte Meinung abgeben zu können. Aber auch im Gegensatz zu den meisten Medienschaffenden hat ZACKBUM eine erhöhte Sensibilität, was in jahrhundertlangen und blutigen Kämpfen errungene Freiheitsrechte betrifft.

Freiheit stirbt scheibchenweise. Das erste Scheibchen: es kann keine freie Debatte mehr stattfinden. Die Schmähkritik vor allem bei Tamedia gegen die jüngste Ausgabe des «Club», wo gewagt wurde, auch Coronaskeptikern die Möglichkeit zur Darlegung ihrer Argumente zu geben, ist ein sehr bedenkliches Anzeichen dafür.

Freiheit stirbt konkret. Klaglos hingenommene Einschränkungen aller wichtigen Freiheitsrechte – Gewerbefreiheit, Reisefreiheit, Bewegungsfreiheit, Besuchsfreiheit – sind konkrete Sterbesignale.

Freiheit braucht Debatte wie die Luft zum Atmen. Es mag sein, dass Impfen tatsächlich der Königsweg aus der Pandemie ist. Es mag sein, dass Impfverweigerer mit sanfter Gewalt zur Einsicht ins Richtige geführt werden sollten. Es mag sein, dass deren eigene Freiheit dort aufhört, wo sie andere damit gefährden würden.

Was aber nicht sein darf: dass über all diese Fragen keine offene, breite, öffentliche Debatte stattfinden kann. Schon eine solche Feststellung trifft auf den erbitterten Widerstand aller Corona-Kreischen, die auf viele zur Verfügung stehende Kanäle verweisen, auf denen alles gesagt, geschrieben, gefilmt werden könne. Allerdings nicht bei ihnen, das gehe dann natürlich nicht, im Fall.

Wer in der Frage der richtigen Bekämpfung der Pandemie auf der richtigen, wer auf der falschen Seite steht, kann ZACKBUM nicht beurteilen. Dass aber alle Debattenverweigerer in den Mainstream-Medien zu den Feinden der Freiheit gehören, daran kann kein Zweifel bestehen. Daher ist zu hoffen, dass sie mitsamt diesen scheiternden Geschäftsmodellen von der Bildfläche verschwinden werden.

Was verstehen wir unter Meinungsfreiheit?

Dass jeder seine freie Meinung äussern darf, sofern sie von uns akzeptiert wird?

Einer der am meisten missbrauchten Begriffe in der Geschichte der Menschheit ist Freiheit. Er ist am stärksten positiv aufgeladen, ein universeller Wunsch, eine machtvolle Forderung.

Der freie Westen gegen den unfreien Osten. Freiheitliche Demokratie gegen Parteidiktatur. Freie Presse gegen staatlich gelenkte und kontrollierte Medien. Meinungsfreiheit, das Recht, alles sagen zu dürfen, ohne Repressalien befürchten zu müssen.

Natürlich ist Freiheit nicht grenzenlos, dann wäre sie Willkür, rücksichtslos gegenüber der Freiheit der anderen. Also gibt es Regeln, Verbote, was verständlich und richtig ist. Das schützt den Begriff Freiheit auch vor Missbrauch. Im Namen der Religionsfreiheit Sonderrechte einfordern? Geht nicht. Im Namen der Freiheit zu Gewalt und Umsturz auffordern? Geht, ist aber in der Schweiz verboten.

Entwickelt sich aus Meinungsfreiheit auch Pluralismus?

Gerne baden wir uns im Voltaire zugeschriebenen Spruch, dass ein Teilnehmer an einer Korrespondenz zwar eine völlig andere und nach Voltaires Ansicht falsche Meinung vertrete, der alte Aufklärer aber sein Leben dafür einsetzen würde, damit der andere sie frei äussern darf.

Dahinter steht seit dem leuchtenden Zeitalter, wie die Aufklärung so schön auf Spanisch heisst, die Überzeugung, dass die Debatte, das Aufeinanderprallen divergierender Ansichten, das Ausdiskutieren, als stärkster Motor für Erkenntnis und Fortschritt dient. Wo es Denkverbote und Sprechverbote gibt, sind wir wieder im kirchlichen Mittelalter. Schlimmer noch: das behindert Erkenntnis und Fortschritt.

Wie sagte Karl Marx so richtig: Die Idee wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift. Nicht umsonst arbeitete er immer auch als Journalist, wollte Multiplikatoren für seine Ideen. Er musste immer wieder mit Zensoren kämpfen, ins Exil gehen, neue Organe suchen. Da haben wir’s heute doch entschieden einfacher.

Gleich doppelt. Unsere Medien sind bekanntlich frei, Zensur wird nicht geübt (ausser bei strafbaren Aussagen), und jeder hat das Recht, seinen eigenen Blog aufzusetzen, wenn er seine Meinung sagen will.

Wer legt die Grenzen der Meinungsfreiheit fest?

So war das, so ist das nicht mehr. Nehmen wir ein aktuelles Beispiel. Die sozialen Plattformen, nachdem sie sich jahrelang an ihm gesundgestossen hatten (Werbeeinnahmen bei dieser Anzahl Follower), entdeckten plötzlich, zwei Wochen vor seinem Amtsende, ihr gesellschaftliches Gewissen und ihre Verantwortung. Und sperrten Noch-US-Präsident Donald Trump seine Accounts.

Der hatte wie kaum ein Politiker vor ihm die klassischen Medien umfahren und vor allem mit Twitter einen direkten Kanal zu seinen Wählern und Anhängern eröffnet. Nun wurde ihm der Stecker gezogen:

Es wird düster ums Blond-Orangefarbene.

Begleitet natürlich von Wutausbrüchen seiner Anhänger und ihm, begleitet von Jubelschreien all seiner Gegner. Jubeln die zu Recht? Zunächst ist es mal wieder eine abgründige Heuchelei, mit dem Verweis auf gewisse Sonderrechte von Politikern jahrelang – und nicht nur bei Trump – übelster Demagogie, Lügen, Fake News, haltlosen Behauptungen eine Plattform zu bieten.  Um dann plötzlich, wo eine Ende der Einkommensquelle sowieso kurz bevorsteht, Verstösse gegen Benimmregeln des Hauses zu entdecken.

Die sozialen Plattformen haften nicht für ihre Inhalte

Ist es jetzt eine bessere Welt, seit Trump nicht mehr twittern darf? Warum darf er nicht mehr, aber Ayatolle, Fundamentalisten, Irre und Wahnsinnige dürfen weiterhin? Während sich alle sozialen Plattformen, von Facebook abwärts, mit Händen und Füssen dagegen wehren, wie alle anderen im Internet für von ihnen multiplizierte Botschaften haftbar gemacht zu werden.

Jedes Organ, jede Plattform haftet auch für Kommentare oder publizierte Äusserungen von aussen mit. Die sozialen Medien nicht. Hat sich nun Trump eines Gesetzesverstosses schuldig gemacht? Hat er zu Gewalt aufgerufen? Hat er die Erstürmung des Capitols gewünscht, befürwortet? Nicht dass ich wüsste.

Auch hier kommt ein zunehmend beunruhigendes Phänomen zum Vorschein. Die Rechtsordnung, an die wir alle uns zu halten haben, wird durch private Polizei per Hausrecht durch deren Willkür ersetzt.

Rauswurf ohne Möglichkeit zur Gegenwehr

Nicht, wer gegen ein Gesetz verstösst, nein, wer gegen die AGB, die Regeln von Facebook, Twitter & Co. verstösst, wird gesperrt. Ohne weiterführende Begründung. Ohne Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Wer von Google und Apple rausgeschmissen wird, kann seine App gleich begraben. So geschieht es einer App, die anscheinend von Rechten und Trumpanhängern fleissig benützt wird. Sie kann nicht mehr heruntergeladen werden.

Warum? Weil auch Google plötzlich seine Verantwortung entdeckt hat. Die erstreckt sich allerdings nicht auf China, dort erfüllt Google willfährig alle Anweisungen des Regimes, um nicht aus dem Riesenmarkt gekübelt zu werden.

Trump ist sicherlich ein Extrembeispiel, wie man ungeniert lügen, schönreden, sich selbst loben, alle anderen als mehr oder minder grosse Versager heruntermachen kann. Dennoch ist eine willkürliche Sperre, beschlossen von unbekannten Dunkelkammern, sehr beunruhigend.

Freie Meinungsäusserung für Corona-Skeptiker?

Nehmen wir noch ein anderes, aktuelles Beispiel. Bekommen Kritiker der Corona-Politik tatsächlich auch Platz und Gehör in unseren freiheitlichen Medien, die sich als Service public auch um angemessene Pluralität der Meinung bemühen wollen?

Bekommen sie nicht in erster Linie auf den Mensch zielende Etiketten angeklebt, ohne dass man auf ihre Argumente überhaupt eingeht? Bekommen nicht in erster Linie alarmistische Wissenschaftler Platz und Gehör, umso düsterer warnend, desto besser. Haben die Medien nicht zuerst, der Vergleich mit Nordkorea ist natürlich übertrieben, drängt sich aber auf, einen Jubelchor zu allen Massnahmen der Regierenden angestimmt? Beamte und Bundesräte zu Helden aufgepumpt?

Wird nicht bis heute am idiotischen Junktim festgehalten, dass Gesundheit als staatliche Aufgabe über alles andere zu stellen sei? Ohne Rücksicht auf Kosten, ohne Rücksicht auf die Effizienz der Massnahmen?

Immer wieder die gleichen Meinungsträger

Melden sich nicht immer wieder die gleichen Rechthaber, Laien, aber meinungsstarke Dummschwätzer zu Wort, die inzwischen wieder im Chor noch strengere Massnahmen fordern? Sozusagen als Selbstgeisselung, nachdem im Sommer Larifari zugelassen wurde. Aber jetzt fordern selbst Sonntagsblätter drakonische Massnahmen, darunter unbedingt das Beibehalten des völligen Lockdowns am Sonntag. Was ihre Verkäufe einbrechen lässt, obwohl niemand sagen kann, ob das wirklich etwas bringt.

Also findet noch ein nur weiträumig durch Gesetze begrenzter, freier Meinungsaustausch statt, eine Debatte, eine Auseinandersetzung? Würden sich die drei Häupter der fast monopolartig den Tageszeitungsmarkt beherrschenden Medienkonzerne – Arthur Rutishauser bei Tamedia, Patrik Müller bei CH Media und Christian Dorer bei Ringier – auch mit ihrem Leben dafür einsetzen, dass andere Meinungen in ihren Blättern zu Wort kommen?

Nicht im Traum, nicht im entferntesten. Lieber der x-te Kommentar, der Trump nochmal in den Hintern tritt. Lieber der x-te Kommentar, der Corona-Leugnern und Impfgegnern die Leviten liest. Das ist allerdings nicht mal mehr eine Karikatur einer freien Debatte. Sondern ihr tägliches Begräbnis.