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Lob des Gujers

Der Mann kann denken. Und schreiben. Selten, heutzutage.

Wenn heute ein Editorial erscheint, dann wird geistiges Kleingeld unter die Leute gebracht. Raphaela Birrer, Patrik Müller, Reza Rafi, plus die Zwergenschar der Reichsverweser von Kopfblättern der grossen Medienkonzerne («Blick» kann man ja nicht mehr ernst nehmen): meistens im Sinne des Konzerns Gehampeltes. Nicht mal für den Tag geschrieben. Schneller vergessen als gelesen.

Oder erinnert sich jemand an ein einziges dieser Editorials? Eben.

Bei Eric Gujer sieht das etwas anders aus. Beansprucht er am Samstag den Platz oben in der NZZ, dann kommt durchaus etwas Lesenswertes heraus, wird der Leser auf eine andere Flughöhe mitgenommen. Zum einen, weil der Mann geschliffen schreiben kann. Das unterscheidet ihn schon mal von den gestolperten, sich verhaspelnden, unter erkennbarem Zeitdruck geschriebenen Werken seiner Kollegen.

Dazu hat er einen Bildungsrucksack, der wohlgefüllt ist; ein zweiter Unterschied, auch wenn Rafi, der Gerechtigkeit halber sei’s erwähnt, manchmal erstaunliches Wissen aufblitzen lässt.

Und schliesslich bemüht er sich in einer Tageszeitung, den Blick über den Tag hinaus zu erheben. Daraus entstehen dann Editorials wie «Torheit ist in der Politik normal».

Gujer beschäftigt sich mit der durchaus interessanten Frage: «Warum agieren die Inhaber hoher Ämter so oft in einer Weise, die der Vernunft und dem aufgeklärten Eigeninteresse zuwiderläuft?» Zur Beantwortung nimmt er das Buch der amerikanischen Historikerin Barbara Tuchman zu Hilfe: «Die Torheit der Regierenden».

Es ist schon vor vierzig Jahren erschienen, also bevor die meisten Kindersoldaten in den Newsrooms auf der Welt waren. Ihre Schlussfolgerungen: «Als Gründe nennt Tuchman Selbstüberhebung, Unfähigkeit, Dekadenz oder Starrsinn, kurz: das Mängelwesen Mensch. Gegen Torheit ist niemand gefeit. Nur weil wir künstliche Intelligenz besitzen, ist die natürliche Intelligenz nicht gewachsen.»

Dann lässt Gujer eigenes Wissen aufblitzen und salbt seinen Rückgriff in die Geschichte mit leichter Ironie: «John Adams, der zweite Präsident der Vereinigten Staaten, erklärte: «Während alle anderen Wissenschaften vorangeschritten sind, tritt die Regierungskunst auf der Stelle; sie wird heute kaum besser geübt als vor drei- oder viertausend Jahren.» Die Einsicht gilt von Troja bis Trump. Der 47. Präsident der Vereinigten Staaten ist keine Ausnahme, keine Monstrosität in sonst so aufgeklärten Zeiten. Er ist eine historische Konstante. Wem das zu fatalistisch klingt, der mag sich damit trösten, dass die Welt trotzdem nicht zugrunde gegangen ist.»

Dann dekliniert Gujer die Begrifflichkeit durch; Torheit sei keineswegs ein Privileg der Populisten oder von Menschen mit niedrigen Absichten wie Trump. Auch Lichtgestalten wie John F. Kennedy ritten die USA verblendet in den Vietnamkrieg, während ein Schurke wie Richard Nixon ihn beendete. Zudem nützt das Gegenteil, nämlich vernünftige Entscheidungen treffen, auch nicht unbedingt.

Wie Kanzler Schröder erfahren musste, der zwar die Wirtschaft reformierte, zum Dank dafür aber abgewählt wurde.

Gujers Conclusio, um es gewählt zu formulieren, verdient es, vollständig zitiert zu werden:

«Politische Torheit basiert nur selten auf schlichter Dummheit oder Borniertheit. Sie ist die Folge eines Kalküls, das Chancen und Risiken abwägt, auch wenn es am Ende irrig ist. Politik entsteht im Wechselspiel zwischen den Emotionen der Regierenden und denen der Regierten. Da verspricht die Unvernunft nicht selten mehr Ertrag als die Vernunft. Die Herrschenden handeln im Augenblick. Die wenigsten besitzen eine echte Strategie, die auch den übernächsten Spielzug vorhersieht. Der Historiker hat es da einfacher als der Politiker. Er ist der Prophet der Vergangenheit und nicht der Spielball der Gegenwart

Der Historiker als der Prophet der Vergangenheit, alleine dafür verdient Gujer ein anerkennendes Kopfnicken und eine leichte Verbeugung. Mindestens.

Raubtier gegen Sozialarbeiter

Wenn Eric Gujer zum anderen Blick ansetzt, dann scheppert es.

Wie erbärmlich Tamedia ist, lässt sich auch am Gefäss Leitartikel festmachen. Beim Qualitätskonzern an der Werdstrasse darf ein Schmierfink wie Andreas Tobler den Leitartikel missbrauchen, um davor zu warnen, die Politikern Alice Weidel als Mensch zu porträtieren. Unsäglich, müsste mit sofortiger Entlassung oder mindestens Schreibverbot geahndet werden.

Und wenn Chefredaktorin Raphaela Birrer zum Griffel greift, erinnert sich schon während des Lesens niemand mehr daran, was sie eigentlich im Leitartikel sagen will. Hand aufs Herz: was war ihr letzter, und worum ging es da? Eben.

So in einer Mittelliga schwebt Patrik Müller von CH Media. Immer schön fluffig, geschrieben, als hätte er auch noch den Schwiegermuttertraumsohn-Charme von Christian Dorer geerbt. Und Reza Rafi, nun, da herrscht Bandbreite. Von exzellent bis schwachsinnig. Ach, Steffi Buchli? Leitartikel? Es darf gelacht werden.

Ganz anders bei Eric Gujer. Welch Oase der eleganten Schreibe, der komplexen, aber heruntergebrochenen Denke. Man muss nicht mit seiner Meinung oder Analyse einverstanden sein: lehrreich und erhellend ist es alleweil.

Aktuell vergleicht er zwei Weltmächte so: «Trump ist ein Raubtier, und die Europäer sind Sozialarbeiter. Es ist klar, wer da gewinnt». Natürlich ist die Wirtschaft dabei im Zentrum:

«Der Kontinent kommt nicht vom Fleck. Wirtschaftliche Dynamik findet sich in Asien und den USA, während die EU einen bürokratischen Albtraum nach dem anderen gebiert: Nachhaltigkeitsrichtlinie, Lieferkettenrichtlinie oder die Lasche, die den Deckel mit der Plastikflasche verbindet. Nichts ist zu gross, um reguliert zu werden, und nichts zu klein.»

Was von Befürwortern eines EU-Beitritts der Schweiz gerne verdrängt wird: «Deutschland befindet sich seit zwei Jahren in der Rezession, Frankreich türmt rekordhohe Schulden auf. Der Niedergang erfolgt schleichend. Es ist wie bei einem Autoreifen, aus dem unmerklich die Luft entweicht. Irgendwann fährt man auf der Felge

Und noch ein weiteres schlagendes Beispiel:

«Auch der Sozialstaat hat die Inklusion auf die Spitze getrieben. Deutschland gibt jährlich 37 Milliarden Euro für Sozialhilfe aus, kann aber inmitten einer Rezession 700 000 Stellen nicht besetzen

Dann wechselt Gujer auf die politische Ebene und stellt ein Versagen der Zentrumsparteien fest: «Die etablierten Parteien hingegen sind paralysiert. Der Brandmauer-Fimmel macht eine Zusammenarbeit mit dem rechten Rand unmöglich, bis die Realität wie in Österreich ein Umdenken erzwingt

Allerdings schreckt er dann doch vor letzten Konsequenzen zurück. Es ist offenkundig, dass der Aufstieg rechter Parteien wie AfD, FPÖ, Fratelli d’Italia oder Rassemblement National nicht an der überlegenen Strahlkraft ihrer Parteiprogramme festzumachen ist. Da steht, wie ZACKBUM schon belegte, mehr oder minder die ähnliche Sosse wie bei allen anderen Parteien.

Nein, es ist deren krachendes Versagen, das den Wähler verzweifelt nach Alternativen Ausschau halten lässt. Die Wurzel des Versagens liegt darin, dass die überwiegende Mehrheit der Wähler inzwischen Anspruchsgruppen sind, die auf die eine oder andere Art am Staatstropf hängen. Aber keine Partei traut sich, zum Beispiel dem Wählerblock Rentner zu sagen, dass die Renten deutlich gekürzt werden müssen, wenn der Raubzug an jungen Beitragszahlern nicht einfach weitergehen soll. Auch in der Schweiz handelt es sich hier jährlich um Milliarden.

Aber wer das sagt – und auch Rechtsparteien trauen sich nicht –, der kann auch gleich die Parteiauflösung beschliessen. Die deutsche FDP mit ihren zaghaften Versuchen ist ein warnendes Beispiel.

Woran sich dann auch Gujer nicht traut: damit kommt die Mehrheitsdemokratie an ihre Grenzen. Denn welche Anspruchsgruppe stimmt schon gegen ihre Interessen. Welche politische Bewegung will es sich mit grossen Wählermassen verderben.

Ist da, laut einem Bonmot Churchills, die Demokratie wirklich die schlechteste aller Herrschaftsformen, abgesehen von allen anderen? Das wäre doch mal einen anderen Blick wert.

Deutliche Fallhöhe

Auch der NZZ-Chefredaktor greift zum Griffel. Da wird’s peinlich.

Aber nicht für Eric Gujer. Während sich seine Kollegin Raphaela Birrer quengelig und widersprüchlich in Kleinklein verliert, zeichnet God Almighty der NZZ mal wieder die ganz grossen Bögen.

Schon die Illustration, eine animierte Erdkugel mit Bildstörung, ist nicht schlecht. Denn Gujer versucht mit seinem »anderen Blick», den ganz grossen Überblick im Durcheinandertal zu behalten, wie das Dürrenmatt nannte:

«Die grosse Weltunordnung: Kriege und Chaos sind die neue Normalität. Worauf müssen wir uns noch einstellen?»

Für das Haus der ordnungspolitischen Zwischenrufe ist der Zustand der Welt ein desolater: «Die Welt ist ein Kartenhaus. … Solche Zäsuren sind die Signatur unserer Epoche: der überstürzte Abzug der Amerikaner aus Kabul, der russische Überfall auf die Ukraine, die sadistische Orgie der Hamas. Über Nacht werden neue, meist blutige Fakten geschaffen.»

Da gab es die Nachkriegszeit von 1945 bis 2022. Kalter Krieg, Zusammenbruch des sozialistischen Lagers, Pax Americana. Vorbei: «Wer bereit ist, maximale Gewalt anzuwenden, wer bereit ist, dafür notfalls auch einen hohen Preis zu zahlen, der kann viel Macht an sich reissen.»

Knallhart analysiert Gujer Russlands Stärke, vielmehr Schwäche: «Sie ist gross genug, um ein wehrloses Nachbarland zu überfallen. Aber sie genügt nicht für einen überlegenen Gegner oder einen weiter entfernten Schauplatz. So erscheinen die Warnungen, Putin werde sich nach der Ukraine dem Baltikum zuwenden, als masslos übertrieben.»

Noch ein hübscher Satz: «Putin ist ein Meister darin, grösser zu erscheinen, als er ist.» Das ist ziemlich bösartig, denn bekanntlich ist Putin auch körperlich nicht gerade grossgewachsen.

Aber auch die USA wirkten inzwischen häufig hilflos. Sie konnten Israel nicht im Zaum halten, sie wagen es nicht, massiv gegen die Mullahs in Teheran vorzugehen. Schlussfolgerung: es gebe heute «keine globale Ordnung» mehr: «Alle Machtverhältnisse sind flüchtig; es herrscht Weltunordnung.»

Soweit kann man Gujer kritiklos folgen. Dann aber setzt er zu einem Loblied auf Israel an. Seine Verbündeten hätten unablässig vor einer Eskalation gewarnt, aber: «Hätten sie sich durchgesetzt, hätte Israel keines seiner Kriegsziele erreicht. Ohne Risikobereitschaft werden keine Konflikte gewonnen. Die Warnung vor einer Eskalation indes verkommt zur Ausrede für westliche Untätigkeit.»

Die ununterbrochene Reihe von Kriegsverbrechen, die Israel begeht (wie andere Akteure im Nahen Osten auch), dass der sogenannte Wertewesten sich nur dann als moralisch überlegen aufspielen dürfte, wenn er es auch wäre – das verliert Gujer doch recht massiv aus dem Blick.

Stattdessen setzt er zum Lob des skrupellos Handelnden an: «Damit sich die Lage verbessert, muss man aktiv etwas dafür tun und auch bereit sein, Risiken einzugehen. Wer nur abwartet, gewinnt nichts.
Die USA haben im Nahen Osten zu lange zugeschaut. Das genügt nicht. Die Europäer wiederum vertrauen darauf, dass der grosse amerikanische Bruder mit Moskau eine Lösung für die Ukraine aushandelt. Das genügt erst recht nicht. Eine stabile Ordnung stellt sich nicht von alleine ein

Nun traut sich aber Gujer nicht, konkreter zu werden, was denn aktiv getan werden müsse. Militärisches Eingreifen in den Nachbarländern ohne Kriegserklärung? Bombardieren von ausgewählten Zielen in Grossstädten ohne Rücksicht auf Kollateralschäden? Ist das nicht ganz furchtbar, wenn es Russland in der Ukraine tut? Ist es dann vertretbar, wenn es Israel im Libanon und in Syrien tut?

Oder könnte man sich nicht darauf einigen, dass reine Machtpolitik immer amoralisch ist, schmutzig und skrupellos? So wie sie der Nobelpreisträger und Kriegsverbrecher Henry Kissinger mit offenem Zynismus betrieb. Das wäre dann den «anderen Blick» zu Ende gedacht. Was Dürrenmatt konnte, wovor Gujer zurückschreckt.

Wumms: Eric Gujer

Der Chefredaktor der NZZ verprügelt mal wieder elegant seine Kollegen.

Er fängt sanftpfotig an: «Mit dem Timbre der Empörung berichteten amerikanische wie europäische Medien, Trump habe Pete Hegseth als Verteidigungsminister ausgewählt. Der Fernsehmoderator sei in Verteidigungsfragen völlig unerfahren, heisst es. Sachkenntnis ist tatsächlich von Vorteil.»

Dann legt er einen Zahn zu: «In Deutschland wurde ein Kinderbuchautor Wirtschaftsminister. Robert Habecks Politik legt den Schluss nahe, dass Kinderbuchautoren nicht Wirtschaftsminister sein sollten.» Ist halt immer gut, wenn man ZACKBUM liest …

Bei Trumps Ministervorschlägen werde mangelnde Fachkompetenz bemängelt; auch dazu hat Gujer ein Gegenbeispiel: «Der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach ist Arzt und obendrein Gesundheitsökonom. Betrachtet man aber sein Wirken von der Corona-Hysterie bis zum Scherbenhaufen einer Spitalreform, wäre wohl besser ein Laie Minister geworden.»

Noch schlimmer: «Hätte Olaf Scholz seine Minister frei auswählen können, wären Habeck und Christian Lindner nie Minister geworden.» Man kann hinzufügen: würde Deutschland den Bundeskanzler direkt wählen, wäre Scholz es nie geworden.

Dann wird Eric Gujer weitsichtig und weise: «Irrtümer und Torheiten gehören nun einmal zur Politik. Die Wähler können froh sein, wenn einige wichtige Dinge richtig entschieden werden. So täte es der Schweiz gut, wenn auch hier Elon Musk die wuchernde Bundesverwaltung verschlanken würde.»

Wenn seine Philippika einen Schwachpunkt hat: an Beispiele von völlig unfähigen Schweizer Magistraten vom Bundesrat abwärts traut sich Gujer nicht ran.

Gegen Voreingenommenheit bei den Medien bezüglich Trump sei nichts einzuwenden, tadelt Gujer, «solange die Feindseligkeit nicht in Ignoranz umschlägt. Eine ihrer Waffen ist – um ein Wort Martin Walsers abzuwandeln – die Faschismus-Keule. Dass Trump kaum einen zweiten Holocaust organisieren dürfte, entkräftet die These nicht. Man muss keine Konzentrationslager errichten, um Faschist zu sein. Der Faschismus hat sich in den hundert Jahren seiner Existenz weiterentwickelt

Putin sei Faschist, nimmt Gujer dann den Holzhammer hervor, um Trump davon abzuheben:

«Zwischen den beiden Politikern bestehen fundamentale Unterschiede. Diese zu verwischen, zeugt von Perfidie oder von Dummheit. Leichtfertig wird mit den Etiketten Faschismus und autoritäre Herrschaft operiert. In ihrer Beliebigkeit verlieren die Begriffe jeden Sinn, und die Opfer realer Gewaltherrschaft werden verhöhnt.»

ZACKBUM freut sich, dass auch Gujer unser Argument von der Verhöhnung der wahren Opfer aufnimmt. Dann schliesst er sich auch noch unserer Kritik am Links-Professor Jakob Tanner an. Der zähle zu den ««faschistischen Taktiken», wenn das «Angebot öffentlicher Güter sowie Sozialleistungen» reduziert werden. Daran gemessen ist Gerhard Schröder Faschist, denn der frühere deutsche Kanzler kürzte die Sozialhilfe beträchtlich».

Schlussfolgerung: «Die Rhetorik des Weltuntergangs und der maximalen, also faschistischen Katastrophe zeigt nur, wie weit sich die professionellen Politikbeobachter und die Wähler entfremdet haben.»

Noch ein richtiger Satz: «Ob die amerikanische Demokratie in eine Krise gerät, wird die Zukunft zeigen. Die Krise des Journalismus jedoch ist evident

Ein weiterer Schwachpunkt Europas: «Seit der ersten Amtszeit des blonden Beelzebub versprechen die Regierungen in Europa, in die eigene Sicherheit zu investieren. Passiert ist seither nicht genug», mokiert sich Gujer.

Dann biegt er mit Pauken und Trompeten in die Zielgerade ein: «Die Europäer kompensieren die Scham über die eigene Unzulänglichkeit durch die Beschimpfung ihrer Nemesis. Die Wut auf Trump ist letztlich die Wut auf sich selbst. Die Kritik am alten und neuen Präsidenten verrät mehr über die Kritiker als über den Kritisierten.»

Er ist zu vornehm hinzuzufügen, dass viele Reaktionen von Medienschaffenden nur noch mit psychotherapeutischem Besteck seziert werden können.

Ursache und Wirkung?

Farbanschlag auf die NZZ: Da soll noch einer sagen, Journalismus wirke nicht.

Die städtisch subventionierte Kräh-Plattform «tsüri.ch» hatte ihren Journalismus noch weiter tiefergelegt und acht Beispiele erfunden, «die den Rechtsrutsch der NZZ beweisen».  Eine Duftmarke daraus: «Der Einsatz der NZZ gegen jene, die sich für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft einsetzen, zeigt sich auch in diversen Artikeln.»

«tsüri» war sich auch nicht zu blöd, die «correktiv»-Fake-Story von einem angeblichen Geheimtreffen rechter Kreise aufzuwärmen, bei dem in Potsdam über die zukünftige Massendeportation von Ausländern und Passdeutschen geredet worden sei. Dass «correctiv» (und die Verbreiter dieser Fake News) inzwischen gerichtlich dazu gezwungen wurden, das zurückzunehmen, was soll’s.

Der Chefredaktor Eric Gujer «falle immer wieder mit rechten Positionen und Unterstützung für rechtsextreme Personen auf». Noch einen drauf legte «tsüri» mit einem Interview mit dem Oberheuchler Daniel Binswanger, dem Co-Chefredaktor der «Republik». Die schreibende Schmachtlocke gab dabei Sottisen wie diese zum Besten: «Dies wiederum wirft die Frage auf, was all diese Leute, die nicht davon begeistert sein dürften, dass ihr Chefredaktor den Höcke an die Macht schreiben will, bereit sind mitzutragen.»

Was hier «tsüri» und Schwätzer Binswanger gesät haben, trug offensichtlich Früchte. So kam es am Samstagabend zu einem Farbanschlag auf das NZZ-Gebäude an der Falkenstrasse. Offensichtlich hatten sich Vermummte des Schwarzen Blocks so ungeschickt angestellt, dass die Stadtpolizei gegen 22 Uhr das Entstehen eines kleinen Demonstrationszugs bemerkte. Während die Teilnehmer (laut Polizei aus der linksautonomen Szene) damit begannen, das Gebäude der NZZ zu besprayen, setzten die Ordnungskräfte Gummischrot und Reizstoff ein und verhaftete zehn Teilnehmer.

Offensichtlich hat die Kampagne von «tsüri» und der «Republik» gegen die alte Tante Wirkung gezeigt. Denn selbst Linksautonome kommen ja nicht aus heiterem Himmel auf die Idee, mal kurz gegen die NZZ vorzugehen. Die haben offensichtlich das Geseier von «tsüri» und Binswanger ernst genommen und nicht gemerkt, dass da zwei Fake-News-Schleudern am Werk sind.

Aber wenn der NZZ unterstellt wird, sie drifte immer weiter nach ganz rechts ab und unterstütze die deutsche AfD, wolle gar deren Reizfigur Höcke «an die Macht schreiben», dann sehen Linksautonome rot. Oder wie das Vielschwätzer Fabian Molina formulieren würde, nachdem er an einer Demo gegen «Faschismus» in Zürich teilnahm, bei der es zu Sachbeschädigungen kam (von denen er sich natürlich distanzierte): «Zürich stabil Nazifrei» (Original-Orthografie).

Ob sich nun Mitarbeiter von «tsüri» und «Republik» freiwillig melden, um die Schmierereien zu entfernen?

Der Oberheuchler

Widerwärtig und übelkeitserregend. Ein Gipfeltreffen zweier Sumpfblasen.

Schwer steigerbar ist, wenn Simon Jacoby den «Publizisten» Daniel Binswanger interviewt. Das ist sozusagen eine Win-win-Situation, bei der nur der Leser verliert. Ein Gipfeltreffen der Geschmacklosigkeiten. Ein Kampagnenreiter trifft auf einen Opportunisten.

Denn der Chefredaktor von «tsüri», staatlich subventioniert, spricht mit dem Co-Chefredaktor der «Republik», von Millionärserben ausgehalten. Damit bekommt die schreibende Schmachtlocke endlich mal etwas Einschaltquote, und Jacoby kann sich sicher sein, dass sich hier zwei in den Armen liegen.

Schon das Titelzitat erregt Brechreiz: «Ich finde die moralische Hysterie der NZZ unglaublich ermüdend», salbadert Binswanger matt. ZACKBUM findet hingegen die mehrfache moralische Bankrotterklärung Binswangers unglaublich abstossend und bemühend.

Als «Magazin»-Redaktor und Freund des Chefredaktors erlebte Binswanger die haltlosen Anschuldigungen einer frustrierten und gefeuerten Ex-Mitarbeiterin mit. Anuschka Roshani bezichtigte Finn Canonica im «Spiegel», sie jahrelang übel verbal niedergemacht zu haben, auch vor versammelter Redaktion. Für Binswanger, schon längst zur «Republik» gewechselt, wäre es ein Leichtes gewesen, als Zeuge richtigzustellen. Aber stattdessen schwieg er verkniffen und feige.

Als Co-Chefredaktor der «Republik» hat er den Skandal zu verantworten, dass ein Starreporter übler sexueller Übergriffigkeiten beschuldigt wurde – und ohne Anhörung gefeuert. Dieser Verstoss gegen banalste Regeln des Arbeitsrechts kostete die «Republik» eine hübsche Abfindung. Aber man hat’s ja, dank Millionären im Hintergrund. Auch hier schwieg Binswanger verkniffen und feige; ausser, dass er natürlich davon nichts gewusst habe. Die übliche Ausrede eines Versagers.

Disqualifizierter für moralische Werturteile geht eigentlich nicht. Was geht da unter der Schmachtlocke vor, wenn er sich dennoch zu solchen Urteilen aufrafft, ohne rot zu werden und sich in Grund und Boden zu schämen?

Stattdessen sondert er selbstverliebte Sottisen ab, die Strategie der NZZ sei «der Versuch, sich eine Pappnase der Äquidistanz aufzusetzen.» Ist das ein schepperndes Wortgebimmel. Aber auch Bösartiges hat Binswanger drauf: «Dies wiederum wirft die Frage auf, was all diese Leute, die nicht davon begeistert sein dürften, dass ihr Chefredaktor den Höcke an die Macht schreiben will, bereit sind mitzutragen.» Eric Gujer wolle Höcke an die Macht schreiben, nur weil der NZZ-Chefredaktor darauf hinweist, dass die deutsche Demokratie auch einen Wahlsieger als Ministerpräsidenten aushalten würde? Absurd und abstossend als Unterstellung.

Für sein Äusseres kann niemand etwas. Wer sich aber so wie Binswanger inszeniert, hat etwas zu verbergen. Nach hinten gefönte Schmachtlocke, Jacket, darunter ein Hoodie, darunter ein weisses Hemd, darunter ein T-Shirt, der legere Alternativ-Look. Aber mitten im gebräunten Gesicht zusammengekniffene Augen und ein zum Strich verkniffener Mund – daraus spricht eine unverhüllte Bösartigkeit, wahrscheinlich genährt durch jahrelangen Misserfolg. Leider können wir das Foto nicht zeigen, sonst wird uns noch eine Copyright-Verletzung an die Backe geklatscht.

Wenn es darum geht, was jemand für einen sicheren Job auszuhalten bereit ist, spricht Binswanger wohl für sich selbst: «Und was man sich alles einzureden vermag an Ausflüchten und Rechtfertigungen.» Spätestens nach dem Déjà-vu des Sexismus-Skandals der «Republik» hätte Binswanger die Konsequenzen ziehen müssen. Aber wohin hätte er ziehen können?

Die NZZ hat, im Gegensatz zur «Republik», publizistisch Erfolg. Das macht Binswanger grün vor Neid: «Die ideologischen Widersprüche der NZZ sind inzwischen dermassen grotesk geworden, dass sie allen Mitgliedern der Redaktion bewusst sein müssen.» Wie wäre es mit der richtigen Übertragung: Die publizistischen Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit der «Republik» sind inzwischen dermassen grotesk geworden, dass sie …?

In seinem Furor verliert Binswanger dann jedes Mass und jede Mitte:

«In diesem sumpfigen Teich am rechten Rand hat die NZZ ihre Wachstumsnische. Grundpfeiler des Liberalismus wie Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Gewaltenteilung, Schutz der Medienvielfalt müssen dann halt etwas zurücktreten. Eine extrem unerfreuliche Entwicklung

Auch ZACKBUM hat, bei aller Berichterstatterpflicht, seine Grenzen der Qual. An dieser Stelle, obwohl das Interview noch ellenlang weitersumpft, haben wir aus hygienischen Gründen aufgegeben und heiss sowie kalt geduscht. Solches Dreckelen beschmutzt auch den Leser, dem kann man sich gar nicht entziehen.

Sowohl «tsüri» wie die «Republik» wollen im linken Gesinnungssumpf fischen gehen. Möglicherweise ist dieses Interview im Rahmen einer «tsüri»-Hetzkampagne gegen die NZZ, die hiermit einen neuen absoluten Nullpunkt erreicht, ein Anzeichen dafür, dass sich die beiden Organe der angeblich korrekten Denkungsart ein Zusammengehen überlegen.

Von «tsüri» etwas Reichweite dank Gratisnutzung plus Staatsknete, von der «Republik» die finanzielle Potenz von Millionären und die Leidensfähigkeit der Abonnenten. Gemeinsam im Kampf gegen logisches Denken, Moral und Anstand. Könnte eine Weile funktionieren und den Exitus der «Republik» ein weiteres Mal hinauszögern.

Für Frustrierte

Es fehlt noch die NZZaS selbst. Auch da musste ZACKBUM durch.

Es ist immer ein Kopfzerbrecher. Was macht man mit Redaktionsschluss Samstagabend, wenn am Dienstag die Präsidentschaftswahlen in den USA stattfinden?

Vor acht Jahren hätte man noch fröhlich den Wahlsieg von Hillary Clinton prognostiziert. Aber diesmal ist man aus Erfahrung vorsichtig geworden und und will nicht einfach auf Kamala Harris setzen. Also was tun? Grübel. Also Trump ist sicher der grössere Aufreger als Harris. Somit ist er gesetzt.

Fehlt nur noch die Titelstory. Nach hirnerweichendem Brainstorming kam die NZZaS auf diese grossartige Idee:

Blöd nur: beides weiss man nicht. Das wird dann auf den Seiten 2 bis 5 ausgebreitet. Um die leichte Inhaltsleere zu überspielen, wird mit Riesenfotos gearbeitet. Allerdings hatte es dennoch Platz für ein weiteres der gefürchteten Editorials von Beat Balzli. Also wenn schon mal ein Chefredaktor öffentlich darum gebeten hat, ihn endlich von seiner Aufgabe zu entbinden, dann er.

Kann man es besser machen, wenn man die Leser schon im ersten Satz abschrecken will, als so? «Was würden Psychologen als Erstes über Bundesräte sagen? Dass sie am Ende auch nur Menschen sind.» Eine Hammererkenntnis, ein Hammereinstieg, der Hammer.

Hat Balzli noch weitere Weisheiten auf Lager? Aber immer: «Schweigen gehört zur Staatsräson wie Rivella zum Skifahren.» Rivella dankt, aber was soll das? Nun, der SVP-Bundesrat Albert Rösti hat doch erkennen lassen, dass er eher für Trump sei. Pfuibäh, sagt Balzli: «Unabhängig von der Frage, ob man als Demokrat dem Feldherrn der Capitol-Stürmer öffentlich huldigen sollte, muss sich ein Bundesrat Kommentare zu ausländischen Wahlen verklemmen.» Nimm das, du Schwätzer. Aber wie wäre es, wenn sich Balzli wenigstens weitere Editorials verklemmen würde?

Nun kommen wir zu einem ordnungspolitischen Zwischenruf zuhanden des AD der NZZaS. Wir haben es schon bemängelt, wir tun’s nochmal:

Das ist doch einfach grauenhaft. Oben links klebt verschämt in Grossbuchstaben die NZZ am Sonntag. Rechts ebenfalls in Grossbuchstaben und viel grösser die Rubrik. Daneben dann die Seitenzahl, nochmals in einer anderen Grösse. Drunter zwei verschiedene Titelschriften und eine Gaga-Illustration. Also wenn man mit dem Layout ausdrücken will: Leser, leck mich, dann so.

Aber immerhin, man reizt die NZZ nicht ungestraft:

Nachdem das Selbstverteidigungsministerium sich wie ein Wald voll Affen über die Berichterstattung über das opulente Beratungshonorar einer Pensionärin aufregte, die NZZ übel beschimpfte, bleibt nun die NZZaS am Ball und stochert weiter in die verborgene Welt der üppigen Beraterverträge der Landesregierung hinein.

Dann nochmal eine Spitzenleistung des Geeiers. Denn Gordana Mijuk möchte auch noch etwas zu Trump sagen, weiss aber, dass sie spätestens am Dienstag von der Aktualität eingeholt wird. Also dann so:

Wer war’s, dąs ist immer eine gute Frage, wenn die Rückkehr des Gottseibeiuns lediglich «real scheint». Und übrigens, wie die Zusammenlegung von zuvor getrennten Bünden grafisch gelöst wurde, grauenhaft.

Herausragend, eben Sonnen- und Schattenseiten – dann wieder der Bericht von Mirko Plüss über die Erfassung von Gesichtsdaten. Nicht nur von staatlichen Stellen; jeder kann mittels der Gratis-Software Pimeyes selbst geschossene Fotos im Internet verifizieren und nachschauen, wenn er da zufällig geknipst hat. Beunruhigend.

Die Kultur hat einen Aufmacher, der an Originalität und Brisanz kaum zu überbieten ist:

Bundesrat Parmelin fotografiert den Blumenstrauss im Bundesratszimmer. Wahnsinn. Seit sieben Jahren. Unglaublich. 300 Blumenbilder habe er gesammelt, Cool. Erzählte er der «Schweizer Illustrierte». Eigentlich genug Stoff für eine Kurzmeldung. Aber wie pumpt man das auf eine Seite auf? Na, indem Linus Schöpfer Locken auf der Glatze dreht. Ferdinand Hodler, van Gogh, Renoir, holländische Blumenmaler, Oscar Wilde, Fischli/Weiss, Georgia O’Keeffe, und dann ist endlich, endlich die Seite gefüllt. Bleibt nur die Frage: Wieso die Anspielung im Titel auf die «Fleurs du Mal»?

Bei aller Geistreichelei kommt Baudelaire doch gar nicht vor.

Aber dann auch hier die gute Nachricht: es ist vorbei.

Drei Facetten eines Gesamteindrucks. Das Magazin «Z», das «NZZaS Magazin» und schliesslich das Hauptblatt NZZaS. Wenn man ein Fazit ziehen will: Himmel, hilf. So kann das wirklich nicht ungestraft weitergehen. Hier ist einiges aus dem Leim gegangen, dürfen sich Schreibkräfte in einer Art austoben, dass es eine Unart ist.

Dabei gibt es doch ab und an Glanzpunkte. Aber sie flackern unsicher in Düsternis, im Wirken einer Redaktion, die ausser Rand und Band geraten ist. Ist es einmal so weit gekommen, kann nur ein neuer Chef wieder für Ordnung sorgen.

Oder aber, die Lieblingsthese von ZACKBUM; God Almighty Eric Gujer lässt das Blatt absichtlich verkommen, damit er es umso leichter selbst übernehmen kann und völlig in seinen Machtbereich eingliedern. Mit dem Schlachtruf: da musste durchgegriffen werden.

Nur: wie lange zögert er noch?

Holzhacker-Journalismus

«Tsüri» zeigt: schreiben darf jeder. Können kann’s nicht jeder.

Das Online-Organ «Tsüri» legt sich mit der alten Tante aus der Falkenstrasse an. Am Gerät sind Nina SchneiderPraktikantin Redaktion») und Simon JacobyChefredaktor»).

Das Organ strotzt vor Meinung, seltener vor Kenntnissen: «Was Sanija Ameti erlebt, ist durchtränkt von Rassismus und Sexismus». So soll die Gesinnungsbubble bei Laune gehalten werden. Ausflüge in die Realität sind weniger gefragt. Lieber schreibt man Artikel, deren These feststeht, bevor der erste Buchstabe getöckelt wird.

Auch hier kommt zuerst das Ergebnis, anschliessend versucht der Artikel, ihm nachzurennen: «Unter dem Chefredaktor Eric Gujer arbeitet sich die NZZ regelmässig an Linken und Woken ab, während sie auf der politisch rechten Seite selbst vor rechtsextremen Begriffen nicht zurückschreckt.»

Das erste Beispiel für diese schreckliche Entwicklung liefert die Statistik. Die Häufigkeit der Verwendung des Wortes «woke». Denn: «Woke-Sein, eigentlich eine ehrenvolle Sache, doch der Begriff wird längst von rechtskonservativen Kreisen als Schimpf- und Schmähwort genutzt.» Der Beweis:

Qed, würde «Tsüri» wohl gerne sagen, wenn es Latein könnte. Die NZZ verwendet den Begriff sogar noch häufiger als die «Weltwoche». Merkwürdig nur, dass der Tagi vor der WoZ auf Platz drei folgt. Gibt es da etwas auch schon einen Hang zu rechtsextremer Begrifflichkeit?

Aber zurück zur NZZ, dort ist es ganz schlimm: «Der Einsatz der NZZ gegen jene, die sich für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft einsetzen, zeigt sich auch in diversen Artikeln.» Ein Einsatz gegen Einsetzer; vielleicht sollte man sich weniger um eine diskriminierungsfreie Gesellschaft, dafür mehr um die Beherrschung der deutschen Sprache kümmern.

Zur Beweissicherung greift «Tsüri» auch weit in die Vergangenheit zurück, so zum Beispiel zu einem Artikel vom Februar 2018, in dem sich die NZZ über die gendergerechte Kommunikation an Schweizer Hochschulen echauffierte, oder in den Worten von «Tsüri»: «In ihrem Artikel macht sich die Autorin lustig über die progressive Sprache, die nicht nur die männliche Form nutzt – sie sei unnötig und unschön.»

Dass die Autorin auch kritisiert, dass diskriminierend und notenrelevant gefordert wird, Sprachvergewaltigung mit Gendern zu betreiben, ein lästiges Detail, das besser unerwähnt bleibt.

So gehen schon mal vier Beispiele zum Thema «woke» dahin.

Nun aber, Punkt fünf im Strafregister, geht’s richtig zur Sache: «Pro-Rechts» ist nun der Oberbegriff, Chefredaktor Gujer höchstpersönlich «falle immer wieder mit rechten Positionen und Unterstützung für rechtsextreme Personen auf».

Seine offene Sympathie äussere sich im Titel «Ministerpräsident Höcke, na und? Die deutsche Demokratie hält auch einen zwielichtigen Wahlsieger aus». Ist das aber ein raffinierter Schlingel. Da akzeptiert Gujer doch glatt, dass die AfD in Thüringen die Wahlen gewonnen hat. Wer das tut, ist schon mal im strengen Verdacht des Rechtsextremismus. Dann behauptet er, die deutsche Demokratie vertrage es, wenn der Wahlsieger, wie es Brauch ist, auch Ministerpräsident wird. Und zur Verschleierung schreibt Gujer noch, dass der zwielichtig sei.

Oder mit anderen Worten: was für ein Bullshit von «Tsüri».

Aber das ist nicht alles. Es gibt ja auch den Begriff «Remigration». Der ist pfuibäh, weil: «Die Debatte wurde entfacht, nachdem Correctiv in Deutschland das «Geheimtreffen» von Rechten und Rechtsextremen aufgedeckt hat. An diesem Treffen wurde eine Strategie zur Abschiebung von Migrant:innen entwickelt.»

In Wirklichkeit musste «Correctiv» gerichtlich gezwungen einräumen, dass das weder ein «Geheimtreffen» war, noch, dass dort Strategien zur Remigration diskutiert wurden. Aber lass dir doch Deine Gesinnungsblase nicht durch blöde Fakten kaputtmachen.

Zwei gehen noch. Da geht es um die «Post-Faschistin» Giorgia Meloni, die – wie inzwischen auch immer mehr Politiker in der EU und der Schweiz fordern – das Migrationsproblem mit Auffanglagern ausserhalb der EU lösen wolle. So wie das die dann offenbar auch rechtsradikale EU bereits seit geraumer Zeit in der Türkei tut. Aber auch das ist so ein blöder Fakt, der den Ballon platzen lassen würde. Also lässt ihn «Tsüri» einfach aus. Und das Sahnehäubchen:

«Die liberale Harris wird verspottet, die post-faschistische Giorgia Meloni wird bewundert.»

Dann wird noch vorwurfsvoll hinzugefügt: «Die NZZ-Medienstelle wollte sich trotz zweifacher Anfrage nicht zu diesen Themen äussern.» Da hat «Tsüri» aber Schwein gehabt, denn bei dieser Ansammlung von Verbalinjurien und haltlosen Behauptungen hätte die NZZ auch böse werden können und den Anwalt bemühen.

Aber das Blatt hat richtig entschieden: das ist so blöd, dass eine Reaktion unter seiner Würde ist. Wieso allerdings «Tsüri» diesen strengen Gesinnungsjournalismus betreibt, wo dieser Platz doch bereits von der «Republik» besetzt ist? Oder soll das, wie «Inside Paradeplatz» schon vermutete, ein Bewerbungsschreiben für eine Fusion der beiden serbelnden Organe sein? Kostenfreie Schmiere trifft auf kostenpflichtige. Eigentlich eine gute Idee.

Unter Beobachtung

Die NZZaS setzt ihr Geeier fort. Aber es gibt auch gute Nachrichten.

Zuerst natürlich die schlechten. Wer mit «Der neue Clash der Geschlechter» aufmacht und dazu eine Illustration verbricht, die an Unklarheit nichts zu wünschen übrig lässt, könnte auch gleich schreiben: lies mich nicht.

Der Gag, einen Anriss auf der Front mit einer Illustration zu versehen, hat sich langsam abgenutzt. Und die aktuelle passt wir die Faust aufs Auge:

Hier geht es um Modewörter wie «angefasst» oder «ganz bei dir». Die nerven zwar tatsächlich, aber sie fäusteln nicht. Auf Seite zwei begrüsst einen Beat Balzli mit einem weiteren unverständlichen Editorial. Eigentlich kann der Mann doch schreiben, wieso tut er es dann nicht?

Hingegen ist die traurige Geschichte der Uno-Mission im Südlibanon ein netter Zusammenschrieb, der die ganze Ohnmacht der Vereinten Nationen illustriert und nachzeichnet.

Ob das hier allerdings wirklich eine Seite wert ist?

Kinder imitieren auf allen Vieren Tiere, in Köln ist die Maus von der «Sendung mit der Maus» geklaut worden, beides muss natürlich vermeldet werden. Oder auch nicht. Bei dieser Gelegenheit: Wer diesen Kopf der Seiten designt hat, müsste dem Leser Schmerzensgeld zahlen. Unaufgeräumt, unstrukturiert, Platzverschwendung. Aber wer sich solche Illustrationen leistet, wie sie das ganze Blatt verunstalten, der hatte sowieso einen schweren Geschmacksunfall.

Langsam steigt die Hektik bei der Berichterstattung über die US-Wahlen. Der «jetzt kommt Kamala Harris und räumt ab»-Effekt ist schwer abgetaucht; kluge Korrespondenten wagen keine Prognosen mehr und halten sich lieber an Bewährtes, wie Besuche in den Swing-States:

Immerhin ist’s keine gezeichnete Illustration, aber auch dieser Seitenschmuck ist reine Platzverschwendung. Mitsamt dem Weissraum unter dem Rubrikentitel (wieso immer wieder Kapitälchen in sind?) wird hier eine halbe Seite zum Fenster rausgeschmissen:

Und diese Art von Titeltypo; Weiss auf hellem bis weissem Hintergrund, ruft eigentlich auch spätestens im Lead: lies mich nicht.

Dann eine Seite Porträt Anna Rosenwasser. Für ein FDP-Organ eine mutige Sache, zudem recht wohlwollend. Nur: wenn eine Neu-Parlamentarierin abgefeiert wurde, dann die.  Wieso sich nun auch noch die NZZaS hinten in den Umzug einreiht, schleierhaft.

Die NZZaS muss sparen, aber ob die Verwurstung von zwei Gefässen in einem Bund so gelungen vermittelt wird?

Dann die lang erwartete Titelstory. Immerhin, Nicole Althaus beschäftigt sich für einmal nicht mit dem Thema Erotik im Alter. Wäre aber vielleicht besser gewesen. Denn auch nach Lektüre der Doppelseite versteht man nicht wirklich, wieso die Gleichstellung von Männlein und Weiblein gescheitert sein soll, wenn es angeblich bei den Jugendlichen einen «ideologischen Graben, der breiter ist als bei ihren Grosseltern» gäbe.

Aber wir sind beruhigt, in ihrer Kolumne begibt sich Althaus dann wieder auf vertrautes Gebiet:

Allerdings gibt ZACKBUM zu, schon beim Titel ausgestiegen zu sein – nix verstan.

Grossartig ist hingegen – wie meist – das Historische Bild:

Die Story dazu ist einfach spitze. Die Dame wurde von Arbeitern in London angestellt, sie pünktlich zu wecken, damit sie nicht den Schichtbeginn verpassten, was zu grossem Ärger führen könnte. Also benützte sie dieses Blasrohr, um getrocknete Erbsen an die Fenster der Aufzuweckenden zu pusten – während die anderen weiterschlafen konnten.

Diese Tätigkeit fand erst ihr Ende, als sich auch das Proletariat einen Wecker leisten konnte.

Und dann wieder dieser merkwürdige Doppelrubrikentitel, wobei «Invest» niemals einen eigenen Bund hatte:

Komischer Obertitel, schreckliches Symbobild, fürchterliche Illustration. Aber immerhin, die Schrift ist diesmal Schwarz auf Weiss, das tröstet ein wenig.

Auch auf die Gefahr hin, uns zu wiederholen:

Guter Text über den Noch-Milliardär Martin Haefner. Aber grauenhafte Platzverschwendung mit Weissraum und eine nicht minder grauenhafte Illustration. «Geld & Geist», ein Gespenst hat einen Geldsack in den Händen, das Ganze vor grün-pinkem Hintergrundverlauf. Schon wieder: lies mich nicht, lass es.

Und aller schlechten Dinge sind drei:

Hier frönt zudem die so seriöse NZZaS einem Brauch, der im Boulevard gerne gepflegt wird. Ein Knaller-Titel als Lockstoff, der dann aber sofort im Lead zurückgenommen wird: «Doch Fachleute sind skeptisch». Offenbar möchte auch die NZZaS mal Leserverarsche betreiben.

Ach, offenbar will die Kultur die Politik nachmachen und sich hinten im Umzug einreihen. Über das neue Buch vom Grinsonkel Thomas Gottschalk haben sich nun schon alle die Mäuler zerrissen. Nur noch nicht Denise Bucher, also gönnt man ihr das Pläsierchen. Auf Kosten des Lesers.

Das gilt auch für das Interview von Martina Läubli mit dem Schriftsteller Antonio Scurati. Es lässt die schmerzlich grosse Lücke, die der Tod von Umberto Eco hinterlassen hat, bedrückend aufklaffen. Eco hätte nie Flachheiten gesagt wie «Italien hat seine faschistische Vergangenheit nie wirklich aufgearbeitet». Oder er hätte sie zumindest eleganter formuliert …

Dann zerreisst eine deutlich angepisste Bucher den Film «Lee» in der Luft. In Kate Winslets Herzensprojekt spielt sie die amerikanische Kriegsfotografin Lee Miller, deren Bad in Hitlers Badewanne zu einer ikonischen Fotografie geworden ist und deren Bilder vom Zweiten Weltkrieg den Vergleich mit männlichen Fotografen nicht zu scheuen brauchen. «Hauptsache, tough», wird holprig getitelt, Winslet bringe einem den Menschen Lee nicht näher, gegiftet.

Und tschüss.

Man muss sich weiterhin Sorgen machen. Balzlis Editorials sind völlig von der Rolle. Das letzte Redesign kann in teuren Kursen als Beispiel für «so sollte man es nicht machen» verwendet werden. Viele Texte üben sich in Beliebigkeit, was einzelne Trouvaillen nicht rausreissen.

Aber wirklich Brainfood für den Sonntagmorgen liefert die NZZaS weiterhin nicht. Langsam bewundert ZACKBUM die Engelsgeduld von Eric Gujer und fragt sich, ob God Almighty Ladehemmung beim Blitzschleudern hat.

 

 

Es kann nur einen geben

Eric Gujer und Frank A. Meyer kolumnieren zum Nahen Osten.

Eine Koinzidenz, eine Peinlichkeit. Da haben wir den unermüdlichen Kolumnisten Frank A. Meyer, nicht mehr Hausgespenst bei Ringier, nur noch Gespenst seiner selbst.

Er steht vor dem Brandenburger Tor und betrachtet, der Tor, die Welt durch seine dunkel verschattete Brille. Durch die sieht er einfache Verhältnisse:

«Zwei Welten und zwei Zeiten prallen aufeinander: die westliche Freiheits- und Fortschrittszivilisation auf die muslimische Religions- und Rückschrittsideologie, der aufgeklärte Westen auf die unaufgeklärte Doktrin der Gläubigen Mohammeds und Allahs.»

Dass es in Israel mindestens so unaufgeklärte Doktrinen von orthodoxen Juden gibt, die sogar an der Regierung beteiligt sind, dass fanatische israelische Siedler ihre illegale Landnahme mit Mord und Totschlag verteidigen, dass die westliche Freiheit- und Fortschrittszivilisation zu widerlichen Kriegsverbrechen fähig ist, das passt nicht in sein Schwarzweiss-Raster der Welt.

Von Berlin aus mag man das mit getrübtem Blick vielleicht so sehen, von nahe betrachtet ist das eine Beleidigung der Schweiz: «So steht Israel seit gut 75 Jahren für alles, wofür, beispielsweise, die Schweiz steht: Freiheit, offene Gesellschaft, wirtschaftlichen Erfolg – und Wehrhaftigkeit.» Schon alleine der Unterschied, dass die Schweiz noch nie einen Regierungschef hatte, den nur die Immunität des Amtes vor dem Knast bewahrt, ist Unterschied genug. Von der Annexion fremder Länder ganz zu schweigen.

Schliesslich das klare Bekenntnis eines Salonkolumnisten, ein wohlfeiles Bekenntnis, das nichts kostet: «Es ist an der Zeit, dass für die Begriffe Israel und Juden einfach nur ein einziges Wort steht: Wir.» Seit Charlie Hebdo und «nous sommes Charlie» abgehalftert wie nur was.

Aber von den Tiefebenen des «SonntagsBlick» zum Luziden der NZZ und ihres Vordenkers Eric Gujer. Auch der macht sich so seine Gedanken zum Nahen Osten. Man mag mit ihnen einverstanden sein oder auch nicht, elegante Schärfe, Weit- und Tiefenblick ist ihnen nicht abzusprechen. «Die Zeit der Mässigung ist vorbei», titelt Gujer, und er belegt das mit einer historischen Reminiszenz: «Nach dem Libanonkrieg im Jahr 2006 formulierte der Hizbullah-Führer Hassan Nasrallah diese Sichtweise prägnant. Er sagte in einem Interview, hätte er gewusst, was die Entführung zweier israelischer Soldaten auslösen würde, hätte er nie seine Zustimmung gegeben.»

Ironie der Geschichte, nennt man das wohl. Und wie äussert sich das Fehlen der Mässigung:

«Die Invasion am 7. Oktober und der sadistische Blutrausch enthemmter Palästinenser änderten alles. Die Hamas liess den Geist aus der Flasche, der ab 2006 gebändigt schien. Jetzt gilt wieder Auge um Auge, Zahn um Zahn oder, etwas weniger alttestamentarisch ausgedrückt: Die fatale Neigung ist zurückgekehrt, Probleme ein für alle Mal lösen zu wollen.»

Auch hier beweist Gujer, im Gegensatz zu vielen Instant-Konfliktordnern, historische Kenntnisse: «Auch die Israeli hofften mit dem Einmarsch in Libanon 1982, den Unruheherd an ihrer Nordgrenze mit Stumpf und Stiel zu vertilgen. Die fürchterlichen Massaker in den Beiruter Palästinenserlagern Sabra und Shatila waren die Folge. «Ein für alle Mal» ist das todsichere Rezept für ein Desaster im Nahen Osten.»

Einer erinnert sich an Sabra und Shatila, schon dafür gebührt Gujer Lob. Die Dimension des Desasters ist den westlichen Verbündeten Israels offensichtlich nicht klar: «Einer Fehleinschätzung unterliegen auch die USA und die Europäer. Sie rufen zur Zurückhaltung auf und appellieren an den gesunden Menschenverstand, so als würden in diesem Grosskonflikt nicht längst andere, atavistische Kräfte walten

Viel Hoffnung für die Zukunft vermag Gujer nicht zu geben: «Das Feuer, das jetzt wütet, muss ausbrennen. Das System der relativen Mässigung ist kollabiert. Eine neue Ordnung für den Nahen Osten muss erst entstehen, und das geschieht in dieser Region meist mit Waffengewalt

Für den Nahen Osten sei der Moment der Wahrheit gekommen, orakelt Gujer. Entweder versucht der Iran, seinen Anspruch auf «die absolute Hegemonie vom Persischen Golf bis zum Mittelmeer» zu erheben. Hätte Teheran damit Erfolg, stünden alle anderen im Nahe Osten als Verlierer da, inklusive USA und EU, was sie nicht zulassen könnten. «Muss aber Iran einen Rückzieher machen, steht es in den Augen seiner Verbündeten geschwächt da.»

Zu gelinde formuliert, als Verlierer. Neckisch dann, dass Gujer mit einem abgewandelten Zitat von Karl Marx endet, der das über Revolutionen sagte: «Im Nahen Osten tanzen die Machtverhältnisse

Während Meyer ärgerlich, im besten Fall mitleidserregend ist, liefert Gujer Food for Thought, Gedankennahrung, die erbaut, befremden mag, aber befruchtet. Er zeigt, was für Vorteile darin liegen, wenn man Geschichte nicht nur rezipiert hat wie Meyer, sondern auch gedanklich verarbeitet. Für Meyer gilt hingegen «si tacuisses», hätte er besser geschwiegen, dann wäre ihm diese Verzwergung erspart geblieben.