Balken im Auge
Tamedia hämt gegen Köppels «Weltwoche». Ziemlich betriebsblind.
Andreas Tobler und Sandro Benini haben sich zusammengetan, um eine Breitseite gegen die «Weltwoche» abzufeuern:
Tobler hat eine lange Tradition als Köppel-Missversteher und -hasser. Er äusserte sich schon verständnisvoll zu einem angeblich künstlerischen Mordaufruf gegen den Chefredaktor, als es ein Brachial-Polemiker schick fand, «Roger Köppel tötet. Tötet Köppel Roger» zum Besten zu geben. Das Strassenmagazin «Surprise», das diese Schweinerei veröffentlichte, entschuldigte sich immerhin dafür. Tobler nicht.
Nun wollen Benini und Tobler den lautstarken Abgang des deutschen Publizisten Henryk M. Broder nützen, um eine Massenflucht aus der «Weltwoche» herbeizuschreiben.
Wie häufig, wenn Recherchierkünstler bei Tamedia (oder bei der «Republik») «recherchieren», wird’s allerdings schnell sehr dünn. Auch Claudia Schumacher habe «zwei Wochen nach Kriegsausbruch» bei der WeWo aufgehört. Ihre ausgeleierte Beziehungskolumne schreibt die begabte Selbstvermarkterin nun – bei Tamedia weiter.
Nun kann sie diesen Wechsel in wenigen Tagen gedeichselt haben. Oder aber, sie wollte schon länger eine grössere Plattform für ihre Plattitüden. Selbst sagt sie nichts, müssen die Autoren bedauernd festhalten. Aber man darf doch insinuieren …
Dann hätten wir den Kriegsreporter Kurt Pelda. Der habe im Juni zu CH Media «gewechselt», schreibe aber «weiterhin als freier Mitarbeiter» für die WeWo. Doch seine Artikel zeigten, dass er «Köppels Putin-freundlichen Kurs nicht mitträgt». Schon persoenlich.com versuchte, aus diesem Wechsel einen Tritt gegen Köppel herbeizuschreiben. ZACKBUM macht dann das, was diese beiden Recherchiergenies offensichtlich unterliessen: wir fragten bei Pelda nach. Und der gab Entwarnung. Aber wieso soll man sich durch unnötiges Recherchieren eine schöne Verleumdung kaputtmachen lassen.
Was kriegt Tobler, einer der übelsten Konzernjournalisten bei Tamedia, sonst noch gebacken? Zusammen mit Benini hat er eine Kollektion von tatsächlich fragwürdigen Köppel-Äusserungen zum Thema Putin und Russland zusammengestellt. Das wäre durchaus Anlass zu Kritik, aber der Tamedia-Thesenjournalismus will ja einen Massenexodus bei der WeWo herbeischreiben.
Leider wird man ausser bei Broder nicht fündig. Obwohl die beiden Schreibhelden inquisitorisch bei weiteren Kolumnisten der WeWo nachgefragt haben. Zuvorderst beim Genossen Peter Bodenmann. Aber im Gegensatz zu den beiden Tamedia-Inquisitoren sieht der es locker: «Wenn man im Zentralorgan der rechts vorherrschenden Dummheiten wöchentlich Widerspruch anmelden kann, muss man dies tun. Wo denn sonst?» Auch Peter Rothenbühler lobt die WeWo als «eine Insel», auf der immer noch möglich sei, was bei Ringier aus Gründen der «Diversity» untersagt sei. Kolumnist Zimi unterstreicht: «In der «Weltwoche» darf jeder schreiben, was er will.» Dem schliesst sich auch Jean-Martin Büttner an, der bei Tamedia aufs Übelste gekübelt wurde.
Den beiden Lohnschreibern im Dienste ihres Arbeitgebers kann man nur ein Jesus-Zitat vorhalten: «Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht?» Damit ist gemeint: In der WeWo muss man nicht mit dem Chefredaktor und Verleger übereinstimmen, um dort publizieren zu dürfen. In der WeWo darf man ihn sogar im eigenen Blatt scharf kritisieren. Das schätzen viele Autoren, die dort publizieren.
Bei Tamedia wäre es ein Ding der Unmöglichkeit, eine von der offiziellen Linie abweichende Meinung zu Russland, der Ukraine, Corona, der EU oder vielen anderen Themen zu publizieren. Weder Tobler noch Benini noch sonst jemand käme auch nur im Traum auf die Idee, einen kritischen Kommentar zu Supino, Rutishauser oder die Familie Coninx und ihre Bildersammlung zu schreiben.
In eigener Sache sind sie Eunuchen, aber statt zu loben, dass in der WeWo ein Kolumnist sogar auf zwei Seiten mit diesem und jenem abrechnen darf, um am Schluss seinen Abgang zu verkünden, regen sich die zwei Heuchler fürchterlich über die Ansichten des dortigen Chefredaktors auf. Das ist erlaubt, aber Köppel hätte sogar diesem Duo Infernal sicherlich die Möglichkeit zu einer Kritik in den Spalten der WeWo gegeben – hätten die beiden nur gefragt.
Stattdessen machen sie sich öffentlich lächerlich, indem sie den Abgang eines einzigen Kolumnisten zu einem Massenexodus hochschreiben wollen. Im gleichen Sinn und Geist wie die «Republik» mit ihrem Schwachsinn über die «Info-Krieger» ohne jeden Beleg. Es ist geradezu widersinnig: indem sie der WeWo ans Schienenbein treten wollen, erweisen sie der Reputation und Glaubwürdigkeit von Tamedia einen Bärendienst. Trost kann nur darin liegen, dass das Renommee dieser Blätter bereits dermassen angeknackst ist, dass es auf einen weiteren Anschlag auch nicht mehr ankommt.
Konzern- oder Schmierenjournalismus nennt man das, üble Haltungs- und Gesinnungsschreibe, eine Schandtat, für die sich jeder anständige Redaktor eigentlich schämen müsste. Ausser, er arbeitet für Tamedia und ist in dieser Hinsicht völlig schmerzfrei.