Der Preis der Regierungstreue

Marc Walder, Ringier, «Blick», «Blic» und Putin: alles Ansichtssache.

Das Faszinierende am Journalismus ist, dass die Realität Geschichten liefert, die man sich nicht besser oder verrückter ausdenken könnte. Was wir auf den folgenden Zeilen berichten, könnte ebenso gut aus einem bitterbösen Roman über die Branche stammen, doch es ist die wahre Story des vielleicht mächtigsten Medienmanagers im Land – eine Story über die Glaubwürdigkeitskrise und den Zustand des Journalismus im Jahr 2022.

Sie erinnern sich: Am 31. Dezember veröffentlichte der «Nebelspalter» ein Video, in dem Marc Walder, CEO des international tätigen Ringier-Konzerns («Blick»), verriet, dass er die Ringier-Redaktionen weltweit angewiesen habe, in der Pandemie die Regierung zu unterstützen. Die Reaktionen auf die Enthüllung innerhalb und ausserhalb der Branche waren praktisch überall dieselben: Walders Direktiven wurden als Anschlag auf die journalistische Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit der Medien als kritischer vierter Macht im Staat gehandelt. Verleger Michael Ringier musste sich auf der Frontseite des «Blicks» entschuldigen. Ein weiteres «Mea culpa» sandte Walder an den Bruderkonzern Axel Springer in Berlin, den er wegen seiner massnahmenkritischen Berichterstattung in dem Video scharf attackiert hatte.

Stargast bei Journalistenpreis

Das zweite Kapitel dieser unglaublichen, aber wahren Geschichte sollte am 28. Juni im ewigen Kultlokal Kaufleuten in Zürich über die Bühne gehen. Dort fand die 42. Verleihung des Zürcher Journalistenpreises statt, der wichtigsten Auszeichnung dieser Art in der Schweiz. Und wer war als «Keynote-Speaker» und Stargast angekündigt? Marc Walder. Noch ein halbes Jahr zuvor hatten sich die Medien nach der Walder-Video-Enthüllung des «Nebelspalters» in kritischen Kommentaren überboten. Von «Gift für die Demokratie» sprach der «Tages-Anzeiger» und meinte: «Das untergräbt die Glaubwürdigkeit der Medien». «Medien unter Generalverdacht: Deswegen ist Marc Walders Video so fatal», titelte die «Neue Zürcher Zeitung». Mit seinen Aussagen rücke Walder «den seriösen Journalismus in ein schiefes Licht», so die NZZ.

Wie schief müssen denn die Scheinwerfer eingestellt sein, wenn ausgerechnet bei der Verleihung des prestigeträchtigsten Schweizer Journalistenpreises Marc Walder seinen grossen Auftritt haben sollte? Er, der nach einhelliger Meinung der Medien mit seinen Video-Aussagen der Glaubwürdigkeit des Journalismus einen solchen Schaden zugefügt hat?

Serbische Ehrenmedaille für Marc Walder

Doch es kommt noch dicker. Der dritte Akt ging am Dienstag, dem 28. Juni 2022, in Belgrad über die Bühne. Dort überreichte der serbische Präsident Aleksandar Vučić Marc Walder die «serbische Ehrenmedaille für die Förderung der digitalen Transformation und die Ankurbelung der nationalen Wirtschaft». Wie es der diabolische Drehbuchschreiber dieser Realsatire will, fand die Verleihung in Belgrad am selben Tag statt wie die Feier des Zürcher Journalistenpreises. Walder musste sich deshalb kurzfristig im Kaufleuten abmelden, um vom serbischen Staatspräsidenten mit Pauken, Trompeten und einem Meer von serbischen Flaggen empfangen zu werden.

Ein Schuft, wer vermutet, dass Walders Anweisung auch an seine Redaktion in Serbien, einen Regierungskurs zu fahren, irgendeinen Einfluss auf die Verleihung der «serbischen Ehrenmedaille» an den Ringier-CEO gehabt haben könnte.

Ringier-Blatt verehrt Putin als Helden

Wie problematisch die notorische Nähe von Marc Walder zu den Mächtigen dieser Welt ist, zeigt sich in diesen Tagen exemplarisch am Ringier-Produkt «Blic», dem Pendant des schweizerischen «Blick». Das serbische Boulevard-Blatt fährt im Ukraine-Krieg einen propagandistischen Russland-Kurs und betreibt Heldenverehrung für Wladimir Putin. «Russland wärmt sich in der Ukraine gerade auf», titelte der «Blic» am 9. Juli. Illustriert war der Artikel mit zwei Grossaufnahmen von Putin und einem Bild des Kreml-Sprechers. Am 2. Juli lobte der «Blic» Putin als «entspannten Präsidenten». Und am 30. Juni, zwei Tage nach der Verleihung der Ehrenmedaille an Marc Walder aus der Hand des serbischen Präsidenten, brachte der «Blic» aus dem Hause Ringier mehrere Oben-ohne-Porträts samt Video von Putin, in denen sich der Kreml-Herrscher und Kriegstreiber als gestählten Kämpfer in Macho-Pose inszeniert. Übertitelt war der Artikel mit dem Putin-Zitat: «Wenn sie sich ausziehen würden, wäre das ein ekelhafter Anblick». Eine Anspielung auf die G7-Führer, die Putin kritisiert hatten, wie der «Blic» monierte.

Veganer Boulevard in der Schweiz

Bedenkt man, dass Serbien vor nicht allzu langer Zeit selbst einen brutalen Angriffskrieg gegen Nachbarstaaten auf dem Balkan geführt hat, bekommt die aktuelle Berichterstattung des Ringier-Blatts «Blic» zusätzlich einen üblen Beigeschmack. Während der «Blick» in der Schweiz die Regenbogen-Fahne der politischen Korrektheit hochhält und eine Art veganen Boulevard macht, jubelt das serbische Schwesterblatt «Kriegsheld» Wladimir Putin zu. Irgendwie ist das konsequent: regierungstreu ist schliesslich beides. Der Preis, den Ringier dafür bezahlt, ist der fortgesetzte Verlust der journalistischen Glaubwürdigkeit.

Mitarbeit: Mihajlo Mrakic

*Dieser Artikel erschien zuerst auf nebelspalter.ch. Mit freundlicher Erlaubnis des Autors.

Der Tiefflieger

Unser Bundesrat fliegt. Nur: wohin?

Ausserhalb der Schweiz wäre das ein Dauerbrenner für die sommerliche Saure-Gurken-Zeit. Ein Regierungsmitglied, dessen Partei eine traditionelle Flugshow verbieten will, gurkt im Privatflieger ins Ausland, kapriolt durch den Himmel und wird schliesslich von einem französischen Kampfjet zur Landung gezwungen.

Offenbar ist «Top Gun Alain» («Inside Paradeplatz») in ein militärisches Sperrgebiet eingedrungen. Der fliegende Bundesrat ist zunächst einmal ein flunkernder Bundesrat:

«Gegenüber der Nachrichtenagentur SDA gab der Innenminister an, er werde seine Ferien zusammen «mit der Familie in der Schweiz verbringen»

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Selbst die staatstragende NZZ greift zu frivolen Formulierungen:

«Ob der Bundesrat irgendwo Schnecken essen oder eine Freundin besuchen wollte, weiss man nicht.»

Immerhin erspart ihm die Autorin den Scherz mit Froschschenkeln oder Austern.

Einen sinnlosen Recherchier-Ausflug unternimmt Tamedia: «Bersets Cessna mit dem Kennzeichen HB-TDR steht auch Tage nach seiner Rückkehr prominent vor dem Hauptgebäude.» Dagegen trägt CH Media Finanzielles zur Untersuchung des Desasters bei: «Kostenpunkt: 489 Franken pro Stunde plus 63 Franken fürs Benzin.» Da scheint Berset aber sehr günstig getankt zu haben.

Aber vielleicht kommt doch noch eine gesalzene Rechnung auf ihn zu: «Einsatz der Luftpolizei – «Für Alain Berset kann es richtig teuer werden»», will «20Minuten» wissen.

nau.ch spannt den Spekulationsmuskel kräftig an:

Tamedia weidet sich hingegen an den gequälten Windungen der SP: «Keine inhaltlichen Kommentare gibt es bei der SP. Liv Mahrer, Co-Präsidentin der SP Stadt Zürich, die Flugshows am Züri-Fäscht verbieten will, sagt: «Der Bundesrat hat natürlich eine Vorbildfunktion. Das gilt für öffentliche Auftritte.» Sie möchte aber «nicht kommentieren, was SP-Bundesräte in ihrer Freizeit machen».

Samira Marti, die Inlandflüge verbieten wollte, ist nicht erreichbar. Cédric Wermuth, der Europaflüge verbieten wollte, weilt in den Ferien und verweist an Co-Präsidentin Mattea Meyer. Diese teilt per SMS mit: «Die SP verzichtet auf eine Stellungnahme.»»

Da und dort kommt man zu abschliessenden Forderungen: «Kurz: Es ist Zeit für einen Jobwechsel.» (Tamedia) «Fliegt Berset, der Vielflieger, nun aus dem Bundesrat? Anmerkungen zu einer tödlichen Bagatelle», macht Markus Somm vor kleinem Publikum im «Nebelspalter».

Inzwischen findet die NZZ wieder zur gewohnten zurückhaltenden Ausgewogenheit: «Rücktrittsforderungen an Alain Berset sind übertrieben. Der Bundesrat offenbart allerdings ein merkwürdiges Verständnis von «privaten Angelegenheiten». Irgendwo hört auch die Privatsphäre eines Regierungsmitglieds auf, und da begänne die öffentliche Verantwortung.»

Wohin und zu wem gurkte unser fliegender Bundesrat durch den französischen Himmel? Wieso behauptete er, mit seiner Familie Ferien in der Schweiz zu machen, während er mutterseelenallein im Flieger durchs Ausland düst? Das wären doch interessante Fragen, die ganze Sache ein gefundenes Fressen für den Boulevard. Aber offenbar durch die Hitze erschöpft fällt dem «Blick» nichts Langweiligeres ein, als «Krisenkommunikationsspezialisten» zu befragen, was die denn von Bersets Kommunikation, bzw. Schweigen hielten. Nicht viel, machen die Werbung in eigener Sache.

Über 500 Treffer verzeichnet das Medienarchiv SMD bislang zum Thema. Aber langsam verröchelt es und wird wohl bald einem Hitzschlag erliegen. Wenn nicht endlich mal ein Recherchierjournalist aufwacht und Neues zu Tage fördert. Prädestiniert dafür wäre Peter Hossli, der angeblich sowieso noch auf einem nicht-veröffentlichten Enthüllungsstück zum Thema Berset sitzt. Mit dem Rückenwind des Propellers einer Cessna wäre das doch nun die Gelegenheit …

Weiber!

Eine Literaturkritikerin kritisiert. Autorinnen! Furchtbar.

In der NZZaS sezierte die Redaktionsleiterin der Beilage «Bücher am Sonntag» das Kalkül hinter den Werken dreier Bestseller-Autorinnen. Dabei behandelt Martina Läubli die Methoden der Selbstvermarktung. Kritisch deskriptiv, aber keinesfalls bösartig.

Das kommt aber bei einer der drei Vorgeführten ganz, ganz schlecht an. Während Christine Brand und Seraina Kobler eher professionell es so sehen, dass «any news is good news» gilt, verwandelt sich die Beziehung-Spezialistin Claudia Schumacher in eine beleidigte Leberwurst. Aber wie:

Das Fremdwort Misogynie ist normalerweise für Männer reserviert (extreme Abneigung von Männern gegenüber Frauen), aber im weiblichen Furor wird es nun auch auf eine Geschlechtsgenossin angewendet. Denn die wagte zu erwähnen, wie sich Schumacher auf ihrer Webseite präsentiert:

Viel Bein, viel Aufmerksamkeit? (Screenshot claudiaschumacher.com).

Pardon, wir liefern noch den Oberkörper nach:

Frau trägt Männerhemd.

Da kann einem die Erwähnung solcher Selbstvermarktung glatt die Champagnerlaune über den Aufstieg in den Bestsellerlisten verderben:

Friede, Freude, Freundschaft und Bestseller:

Aber nun kommt doch diese Läubli, ist dummerweise kein Mann, und schreibt solche Sachen:

«Am gleichen Tag schreibt Seraina Kobler: «Von 0 auf Platz  9. Ich weiss nicht, was sagen.» Am 14.  Juni kommentiert Claudia Schumacher den Bestseller-Platz ihres Romans mit «CRAZY!». «Ich hüpf dann mal eine Runde im Zimmer rum.»»

Das ginge ja vielleicht noch, aber:

«Indessen feiern die Autorinnen ihren Erfolg nicht nur mit Champagner, sondern auch mit strahlenden Instagram-Bildern, von sich selbst, von sich selbst mit Buch, vom Cover ihres Buchs, von Bücherstapeln. Denn sie wissen: Ohne Aufmerksamkeit geht nichts. Im Kampf um dieses knappe Gut bringen sie ihre Person ins Spiel, posten Selfies, teilen die Posts der Kolleginnen, lächeln mit tiefroten Lippen (Schumacher), zeigen Bein (Schumacher, Kobler), die Föhnfrisur (Kobler) oder stimmungsvolle Fotos von Schreiborten in der Zürcher Altstadt und am Strand von Sansibar, wo Christine Brand als schreibende Nomadin zeitweise lebt. Beim Betrachten denkt man: Autorin zu sein, was für ein Lifestyle! Frau ist an schönen Orten, sieht gut aus, und am Ende kommt ein Bestseller heraus.»

Ist eine Beschreibung dessen, was die Damen tun. Aber so nicht, wütet Schumacher:

«Verbrennt die Hure, weibliche Features, Hass, Shaming», Schumacher dekliniert locker das Vokabular durch, mit dem sich Frau normalerweise gegen angeblich frauenhassende Männer wehrt. Sie werde auf ihr Äusseres reduziert, statt dass über Inhalte gesprochen werde. Dass Läubli nebenbei eine exzellente Kritik am Inhalt des Buchs von Schumacher abliefert, ist ihr offenbar vor lauter Äusserlichkeiten entgangen.

Immerhin, ein Kommentator bringt es dann auf den Punkt:

Nachdem Schumacher blitzartig von der WeWo zu Tamedia gewechselt hat, präsentiert sie sich übrigens so:

Um der Gefahr zu entgehen, als misogyner Mann denunziert zu werden, enthält sich ZACKBUM jedes Kommentars.

Ausser vielleicht: eine Autorin präsentiert sich mit ausgewählten Fotos – gerne auch als Ganzkörper — auf ihrer Webseite und kriegt sich nicht ein, wie ihr Buch die Bestsellerlisten erklimmt. Das wird von einer Fachfrau zum Anlass genommen, über die kalkulierte Selbstvermarktung von Schumacher und anderen nachzudenken.

Läubli wird auch noch vorgeworfen, dass sie doch schon vor einem Jahr solche Formen des Eigenmarketings kritisiert habe, unverschämt. Damals nahm sie ein solches Facebook-Foto zum Anlass für gelinde Kritik:

Lustige Huhn-oder-Ei-Frage: Ist das Foto der Autorin mit Manuskript auf nackten Oberschenkeln und roten Fussnägeln das Ei oder das Huhn? Darf es Anlass zu Kritik sein oder reduziert ein Naserümpfen die Autorin auf Äusserlichkeiten wie Schenkel und Fussnägel, die sie allerdings selbst zur Schau stellt?

Bei der Reaktion von Schumacher fällt einem spontan das Wort stutenbissig ein, aber das würden wir niemals hier anwenden. Auf keinen Fall. Ausgeschlossen. Eine beruhigende Erkenntnis nehmen wir mit: auch Frauen können misogyn sein. Oder zumindest so beschimpft werden, wenn einer Kritisierten die Kritik nicht passt und sie inhaltlich nicht dagegenhalten kann.

Serie Sommerloch: Zahlen der «Republik»

So ein Newsletter, der ist lustig. Wenn er von Dampfplauderern geschwurbelt wird.

Die Anrede ist neuerdings auf Denglisch, also teils deutsch, teils englisch: «Sehr geehrte Frau Verlegerin, Sehr geehrter Herr Verleger and everybody beyond».

Darunter gibt es zunächst einen grossen Schluck reine, bösartige Demagogie: «Am Ende warten die Echsenmenschen. Das sagt Ihnen nichts? Es geht da um die Theorie, dass Ausser­irdische auf der Erde schon lange die Macht übernommen haben. Dass in der Haut von Politikerinnen, Bankern, Industrie­magnaten in Wirklichkeit böse Echsen stecken, die die Menschheit unterjochen wollen

Daran würden viele Menschen glauben. Schuld daran seien auch «Menschen wie diejenigen Schweizer Medien­macher und Influencer, die in der Schweiz am rechten Rand seit Jahren ein Medien­biotop aufbauen, in dem Fakten keine Rolle mehr spielen. Im Zweiteiler «Die Infokrieger»» habe die «Republik» diese «Profis» vorgestellt. Über dieses Stück aus dem Klo der journalistischen Verrichtung haben wir schon gerichtet.

Nun geht’s aber um anderes. Um Niederlagen: «Wir lancierten einen Ukraine-Newsletter.» Damit wollte man an den Erfolg des Corona-NL anknüpfen. Aber: «Das hat überhaupt nicht funktioniert.» Nur «527 Neuanmeldungen». Woran das wohl liegt?

Zweiter Versuch: «In den Tagen nach dem russischen Einmarsch boten wir Ihnen auch an, die «Republik» für 8 Wochen an Freunde, Familie, Bekannte zu verschenken.» 3000 «Verleger» hätten davon Gebrauch gemacht und im Rahmen dieser Aktion rund 10’000 Einladungen ausgesprochen. «Republik», gratis, empfiehlt eine Vertrauensperson, das muss doch krachen. Allerdings: «Nur etwas über die Hälfte der Eingeladenen hat die Einladung auch angenommen – insgesamt 5199 dieser Zugänge wurden eingelöst.» Hoppla. Die andere Hälfte sagte also: nicht mal gratis lese ich das. Und von den Gratis-Benutzern wandelten «immerhin 342 Personen» in ein Monats- oder gar Jahresabo um. Weniger als 10 Prozent …

Das hindert die «Republik» aber nicht daran, ganze 8 «Neuzugänge» zu begrüssen. Denn wenn’s harzig läuft, ist das doch lange kein Grund, die Payroll nicht weiter aufzublasen.

Das ist auch – aus Sicht der «Republik» – dringend nötig, denn: «Wir denken jedenfalls nicht im Traum daran, den «Infokriegern» das Feld zu überlassen.» Denn dass auch die «Republik» Fake News, Demagogie, Skandalisierungen und Verschwörungstheorien kann, hat sie zur Genüge unter Beweis gestellt. Aber kein NL ohne eine knallige Schlusspointe. Oder so: «Und übrigens: Bei Echsen wächst das Schuppen­kleid nicht mit. Früher oder später müssen sie sich also alle häuten.»

ZACKBUM denkt seither vergeblich darüber nach, was uns die «Republik» damit sagen will. Natürlich während wir uns häuten …

Hitzegewitter

Wie das Klima, so die Medien.

Sommerloch oder Sommerhitze? Oder beides? ZACKBUM ist sich nicht sicher, wenn wir solche Nachrichten im «Blick» sehen:

Und das, nachdem der Bundesrat schon fröhlich gebechert hatte. Müssen wir hier mit dem Schlimmsten rechnen? Wird Bersets Sprecher seinen Posten behalten? Wir halten den Atem an und nehmen selber einen tiefen Schluck.

Dann haben wir den hier:

Da sitzt ein älterer Herr mit einem deutlich prononcierten, nun ja, Embonpoint bequem in seinem Lehnsessel vor sorgfältig hindrapierter Bibliothek, und fordert kriegslüstern «Waffen, Waffen, Waffen». Das brauche die Ukraine offenbar zuvorderst und in erster Linie. Ob der wohlbeleibte Herr Publizist wohl selbst Hand anlegen wird? Oder lässt Frank A. Meyer es bei Befehlen aus dem Sessel zu Berlin bewenden?

Auch Tamedia hat Unerhörtes zu vermelden:

Wollen wir uns das bildlich vorstellen? Oder lieber nicht.

Selbst die NZZ scheint etwas unter der Sommerhitze, dem Starkregen oder sogar Hagel zu leiden:

An diesem Titel stimmt nun genau – nichts. Es ist kein Urteil, spektakulär schon gar nicht, es waren keine sensationslüsterne, sondern höchstens persönlichkeitsverletzende Artikel. Gewinn herausgeben muss «Blick» ebenfalls nicht. Denn das Gericht hat lediglich entschieden, dass Ringier Zahlen zu liefern habe, mit denen sich dann allenfalls ein möglicher Gewinn berechnen liesse. Wobei die Auffassungen der Streitparteien naturgemäss sehr weit auseinanderliegen. Das Lager JSH geht von Hunderttausenden an Gewinn aus, Ringier rechnet eine knapp fünfstellige Zahl aus. Genaueres wird man in ein paar Jahren wissen. Aber eine saubere Leistung der NZZ.

Etwas dunkel bleibt der Sinn dieser Meldung aus dem St. Galler «Tagblatt»:

Wieso könnte das ein Scherz sein? Wieso ist es kein Scherz? Aber natürlich ist ein «falscher» Fussgängerstreifen illegal. Insbesondere, wenn er von Unbekannten angebracht wird.

Zum Schluss noch eine gute Nachricht und Entwarnung in Sachen Zappel-Leu:

CH Media konnte keinerlei Gezappel bei ihr feststellen. Allerdings traut man ihr dort einen Durchbruch zu. Muss aber vermelden, dass sie keinen erzielen konnte. Was mal wieder bedeutet, dass die EU die Koahäsionsmilliarde gerne kassiert, aber nicht mal Kleingeld herausgibt.

Wumms: Marc Walder

Der Ringier-CEO wandelt sich zum Weltenlenker.

Marc Walder sieht sich immer mehr als Staatsmann. An der Seite von Bundesrat Alain Berset, der sich als Dressman und Interviewer für eine Ringier-Zeitschrift missbrauchen lässt.

Zwei Glatzen- und Amtsträger unter sich.

Als nicht so heimlicher Helfer auf internationalem Parkett, der eine ganz gewichtige Rolle bei Gerhard Schröders Besuch in Moskau gespielt haben will. Walder in geheimer Mission, beteiligt am Versuch, das Gemetzel in der Ukraine zu beenden. Wunderbare Story, leider endete alles in Lächerlichkeit.

Aber ein Walder gibt nicht so schnell auf. Ein Walder muss Prioritäten setzen. So war er als Gastredner bei der Verleihung des Zürcher Journalistenpreises vorgesehen. Vielleicht hätte er dort erklären können, wie er es beinahe im Alleingang schaffte, die ersehnte Steuermilliarde für die Verlegerclans zu versenken.

Aber stattdessen musste der VR-Delegierte von Somedia Andrea Masüger bei der Begrüssung im Zürcher Kaufleuten verkünden, dass der Ringier-Mitbesitzer seinen Auftritt kurzfristig habe platzen lassen. Ein «osteuropäischer Staatspräsident» habe Walder dringend sprechen, konsultieren wollen.

Bedeutungsschwangeres Ausatmen im Publikum. Wer mag das wohl gewesen sein? Vielleicht brauchte Viktor Orbán Rat? Oder wollte sich Wolodymyr Selenskyj für einen Tennismatch verabreden? Oder aber – bei Rasputin – könnte es sein, dass der Gottseibeiuns aus dem Kreml Lust auf einen gemeinsamen Ausritt verspürte? Gibt es nun neben der von Scholz und der von Cassis organisierten Friedenskonferenz noch eine dritte?

Welche Rolle spielt dabei Schröder? Wird Frank A. Meyer die Sonne seiner Anwesenheit leuchten lassen? Da wehte der Mantel der Geschichte einen Moment lang durchs Zürcher Kaufleuten, und solche eifrig debattierten Fragen liessen die Preisträger etwas in den Hintergrund treten.

Für Möchtegerns ist das allerdings als Begründung einer kurzfristigen Absage nicht zu empfehlen. Sorry, da ist Präsident Biden auf der anderen Linie, muss Schluss machen – lieber nicht. Wollte gerade dem Chauffeur sagen, dass er dem Aston Martin Guzzi geben soll, aber da klingelte doch von der Leyen durch – ja nicht. Hätte so gerne meine Rede gehalten, aber wenn Macron mal in Fahrt kommt, kann man ihn ganz schlecht bremsen – bitte nicht.

Das gilt auch für die Erwähnung von «osteuropäischen Staatspräsidenten». Denn in Wirklichkeit war es so, dass Walder es vorzog, sich in Belgrad vom serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić eine «Ehrenmedaille» anheften zu lassen. «Ich möchte Herrn Walder meinen Dank für seinen unermüdlichen Einsatz und seinen ansteckenden Enthusiasmus bei der Förderung Serbiens als Geschäfts- und Investitionsstandort aussprechen», lobhudelte der Präsident.

Dass sich Walder lieber von einem lupenreinen Demokraten dekorieren lassen als am Zürcher Journalistenpreis sprechen wollte, ist das eine. Dass diese Kollision nicht erst ganz kurzfristig erkennbar war, das andere. Was meint denn Masüger? Auf Anfrage von ZACKBUM antwortet er: «Herr Walder hat seine definitive Absage vor ca. 10 Tagen gemacht. Es war auch nicht mehr möglich, in so kurzer Zeit eine Ersatzperson zu gewinnen. Für einen solchen Anlass, der Monate im Voraus geplant wird, ist das durchaus im letzten Moment.»

Also «letzter Moment» laut Masüger heisst dann: vor zehn Tagen kriegte ich eine Mitteilung. Sonderlich, sehr sonderlich.

Neues vom Gendern

Er, sie oder doch lieber «em»: Völlig verrückt ist das neue Normal. Oder: «Drittes Geschlecht, mein gutes Recht

Von Stefan Millius*

Kennen Sie das Pronomen «em»? Oder «xier»? Kaum. Der Duden auch nicht. Aber das soll der neue Standard werden. Neben einem halben Dutzend weiterer Pronomen. Nicht etwa freiwillig. Wer sich der Neuerfindung der Sprache verweigert, kriegt es mit den heiligen Twitter-Kriegern zu tun.

Manchmal muss man anderen den Vortritt gewähren, um deutlich zu machen, um was es geht. Daher geht das Wort an René_ Rain Hornstein. Die Schreibweise mit dem ungewohnten Unterstrich ist übrigens kein Vertipper. Hier, bitte:

«Mein Pronomen ist em oder kein Pronomen. Bitte nutzen Sie für Substantive, Artikel und Adjektive die _ oder -Form. Ein Beispielsatz: René_ Rain Hornstein ist ein * e freundliche * r * Referent * in, em geht auf die von Veranstaltungsteilnehmer * innen geäusserten Wünsche ein.»

René_ Rain Hornstein war – einfach mal auf der Grundlage seiner äusseren Erscheinung, – das, was man früher als Mann identifizierte. Inzwischen hat er die Haare schön, pardon, lang, ein paar weitere weibliche Attribute kamen dazu, und nun darf man weder «er» noch «sie» sagen, man muss sagen: «Em hat die Haare schön.» Genau. Nicht: «Er hat die Haare schön». Oder: «Sie hat die Haare schön.» Em. Em. Em.

Nicht schwierig, oder?

Wenn jemand Mühe hat mit «em», warum auch immer, gibt es Alternativen. Weitere Pronomen, die akzeptabel sind für einen Mann, der irgendwann beschlossen hat, etwas anderes zu sein, aber eben keine Frau, sind diese: hen, per, nin oder xier. Sagt jedenfalls René_, und er muss es ja wissen.

«Xier hat die Haare schön.» – «Hen hat die Haare schön.» – Nicht schwierig, oder? Gut, unsere Kinder haben heute schon Mühe, die deutsche Sprache zu lernen, aber die paar zusätzlichen Pronomen, die kein Lehrbuch der Welt kennt, wird man sich doch auch noch reinhauen können.

Und was genau hat der Unterstrich nach «René» zu bedeuten? Der stellt klar, dass der eigentlich männlich besetzte Vorname nicht so zu verstehen ist, sondern eben geschlechtsneutral. Das bedauernswerte Wesen kann ja nichts dafür, dass seine, pardon, em Eltern em einst einen männlich geprägten Vornamen gegeben hat. Das schreit nach einer Korrektur.

Und «Rain»? Ich nehme schwer an, dass René, pardon, René_, einst zum zweiten Vornamen Rainer hiess und sich inzwischen durch die Auslassung der Endung nun auch hier des Geschlechts entledigt hat. Rain ist ja auch furchtbar poetisch.

René_ Rain Hornstein ist inzwischen eine Berühmtheit in Deutschland. Er hat kürzlich die Deutsche Bahn in die Knie gezwungen. Die hat bisher von ihren Fahrgästen bei einer Onlinebuchung die Angabe «Herr» oder «Frau» verlangt. Was René_ natürlich nicht akzeptiert hat. «Em» oder «xier» oder «hen» hat sich vor Gericht gewehrt. Nun muss die Deutsche Bahn für Leute wie ihn eine weitere Auswahlmöglichkeit schaffen, die das Geschlecht offen lässt. Zudem hat «em» Schmerzensgeld erhalten. Weil er so gelitten hat, als er ein Ticket gebucht hat.

Auch vor Gericht hat em gelitten. René_ hat zwar Recht erhalten, aber das Gericht adressierte em während der ganzen Verhandlung nicht richtig. Nicht als «em», sondern als «er». Was natürlich körperliche Schmerzen verursacht hat. Wie kann ein Richter sich bitte sehr nicht auf ein frei erfundenes Pronomen einlassen? Was läuft da falsch?

Wer aus welchen Gründen auch immer René_ Rain Hornstein kontaktieren will, muss sich Mühe geben, um ihn nicht sofort zu Tränen des Beleidigtseins zu rühren. Hier ist die Bedienungsanleitung für die richtige Ansprache zu finden. Bitte aufmerksam lesen und befolgen.

Wer das alles nun leicht verrückt findet, sei daran erinnert: Hornsteins Forderung wurde von einem deutschen Gericht akzeptiert. Ein riesiger Staatsbetrieb wie die Deutsche Bahn muss nun seine Software umkrempeln, weil em einst mit einem Schnäbi zur Welt kam und nun findet, em wolle die Haare schön und lang haben. Unterstützung findet em reichlich bei Twitter. Em wird gratuliert für den Mut, der einen grossen gesellschaftlichen Durchbruch für Minderheiten bedeutet. Em ist ein Held.

Was natürlich heisst, dass Leute, die sträflicherweise einfach völlig normal sind und sich eigentlich gerne auch ganz normal mit anderen unterhalten würden, nun «em» und «xier» verwenden sollten.

Wir haben jedenfalls unsere Schuldigkeit getan und Ihnen das mitgeteilt. Der Rest ist nicht mehr unsere Verantwortung.

Aber sicher ist auch: Die Spielwiese ist nun offen. Wenn Sie gerne statt als «er» oder «sie» mit «hutzelputzel» oder «schnörk» als Pronomen angesprochen werden wollen: Das ist Ihr gutes Recht – fordern Sie es ein!

*Millius ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz», wo der Artikel zuerst erschien. Mit freundlicher Genehmigung …

 

Kriminaltango

Das Sommerloch gähnt bereits vernehmlich.

Ein Todesfall. Nicht restlos aufgeklärt. Ein Mörder sitzt im Gefängnis, aber wurde er angestiftet? Auf der Front ist’s glasklar. Denn auch die NZZaS pfeift inzwischen auf die Unschuldsvermutung. Trommelwirbel, schneidende Geigen, blutrote Illustrationen:

Der arme Dürrenmatt.

Denn wir bewegen uns hier auf einem angeblich hochstehenden literarischen Niveau. Die als «erfolgreichste Krimiautorin der Schweiz» geltende Christine Brand kehrte «für diese Reportage zu ihren Wurzeln als Journalistin zurück». Zudem arbeitete sie früher im Ressort «Hintergrund» der NZZaS.

Im Eigenmarketing ist die Dame grossartig:

Im Nacherzählen einer eher banalen Story weniger. Eigentlich sollte der Lektor blutrot anlaufen, wenn eine Kriminalgeschichte so beginnt:

«Noch denkt niemand etwas Schlimmes

Dann stolpert Brand durch ein Potpourri, aus dem man (auch frau) etwas Anständiges hätte machen können, obwohl – oder gerade weil – es «alle Klischees bedient». Alte, wohlhabende Ärztin stirbt in ihrer Villa an der Zürcher Goldküste. Wird erst zwei Tage später gefunden, zu spät obduziert. Natürlicher Tod oder nicht?

Der Verdacht fällt schnell auf ihre Tochter. Drogenabhängig, in Gefahr, das Erbe zu verlieren. Deren Freund, Bauarbeiter, Rotlichtmilieu, Drogenkarriere, wird verurteilt. Und schweigt eisern bis heute. Die Tochter kann sich an nichts mehr erinnern. Kein Wunder, sie soll bis zu «120 Pillen Ritalin» genommen haben – täglich. Dabei sollte eine Höchstdosis von 8 Tabletten nicht überschritten werden. Heisst’s. Also müsste die Tochter eigentlich schwer hirngeschädigt oder tot sein. Aber was soll’s.

Medizinische und andere Ungereimtheiten sind Brand ziemlich egal. Neues hat sie auch nicht zu bieten, das Urteil des Obergerichts aufgrund von Berufungen gegen das erstinstanzliche Verdikt wird erst am 4. Juli erwartet. Also bleibt nichts anderes als der vage Schluss:

«Wollte Beatrice K. (die Tochter, Red.) den Tod ihrer Mutter oder war sie ahnungslos? Entweder wird Beatrice K. für Jahre ins Gefängnis gehen oder eine freie, reiche Frau sein. Doch die Wahrheit, warum Veronika T. sterben musste, wird wohl verborgen bleiben.»

Nun, da ein verurteilter Mörder im Knast sitzt, scheint diese Wahrheit eher offenkundig zu sein. Da in seinem Besitz Wertgegenstände der Toten gefunden wurden, könnte der gewiefte Krimiautor, wenn er mal in überschwengliche Kombinierlaune gerät, eine gewagte These zum Warum aufstellen. Stichwort Habgier, Stichwort Sicherung des Erbes  …

Trommelwirbel, Fade out, ein Aktendeckel schliesst sich gewichtig. Vorhang zu, alle Fragen offen. Das Hazy Osterwald Sextett stimmt den «Kriminaltango» an. Das Publikum flüchtet.

Oh Mohr, du Mohr, du

Beim Tagi gibt’s keine Kontrollen mehr.

Das Abkratzen von Inschriften gehört zum guten Brauch der Sieger. Namen, die vorher in hohen Ehren standen, sind plötzlich in Ungnade gefallen. Weg mit ihnen.

Eine besonders absurde Variante findet gerade in Zürich statt. Das Wort des Anstosses ist «Mohr». Es gab schon ein Riesengebrüll, als sich ein Zuckerbäcker weigerte, das seit Jahrzehnten in seinem Betrieb hergestellte Naschwerk umzubenennen. Denn das hiess und heisst «Mohrenkopf». Furchtbar.

Weniger resistent erweisen sich uralte Inschriften an Zürcher Häusern. Da die Stadt keine wichtigeren Probleme hat, wurde beschlossen, diese schändlichen Begriffe abzukratzen. Nein, nicht ganz, die zivilisierte Nummer ist heutzutage, sie abzudecken. Damit keine empfindliche, vermutlich schwarze Seele Schaden nimmt.

Ein Mohr, der tanzt? Geht gar nicht.

Aber auch hier ist der Mohr resistent, vielleicht gar resilient. Denn gegen dieses Abdecken, was eine Baubewilligung braucht (aber keinen IQ-Test voraussetzt), seien Rekurse eingereicht worden, behauptete Stadtpräsidentin Corine Mauch. Aber das stimme gar nicht, musste sich nun das Stadtpräsidium korrigieren.

Der Tagi schreibt dazu: «Am letzten Mittwoch debattierte der Zürcher Gemeinderat über die von der Stadt geplante Abdeckung von zwei Häusernamen im Niederdorf, die das rassistische Wort «Mohr» enthalten».

Autor Beat Metzler räumt in seiner Selbstdarstellung freimütig ein: «Metzler begann seine journalistische Tätigkeit als ahnungsloser freier Mitarbeiter bei verschiedenen Zürcher Lokalzeitungen.» So weit, so ehrlich. Dann fährt er aber fort: durch die Arbeit im «Hintergrund» des Tagi habe sich «die Ahnungslosigkeit ein wenig gelegt».

Das täuscht. Denn das Wort «Mohr» war nicht rassistisch, als diese Inschriften angebracht wurden. Es ist’s auch heute nicht. Ein Blick in jedes beliebige etymologische Nachschlagewerk belehrt:

Mohr bezeichnete zunächst einen «Bewohner Mauretaniens (Marokkos), Äthiopiens», dann auch einen Menschen mit dunkler Hautfarbe, und ist eine Entlehnung aus lateinisch Maurus, «Bewohner der nordafrikanischen Provinz Mauretanien, Maure, Nordwestafrikaner».

Die Mohren oder Mauren waren in Spanien bis zur Reconquista leuchtende Vorbilder an Zivilisation, Toleranz und Aufklärung. Wer auf Spanisch «moros y cristianos» verspeist, ist keinesfalls ein Kannibale, sondern futtert (schwarze) Bohnen mit (weissem) Reis.

Irrtum eins all dieser Sprachreiniger ist, dass man durch das Ausmerzen angeblich rassistischer Begriffe Rassismus bekämpfe. Irrtum zwei ist, historische Begriffe aus dem Zusammenhang zu reissen. In früheren Zeiten waren die Bezeichnungen Weib oder Dirne für ehrbare Damen reserviert. Wer also aus einem zeitgenössischen Stück das Wort Weib entfernen oder ersetzen will, ist schlichtweg ein Dummkopf.

Gleich ihm ist ein Dummkopf, wer alte Hausinschriften verbergen will. Irrtum drei besteht darin, dass nicht das Wort selbst, sondern sein Gebrauch rassistisch sein kann. Man kann Mohr als respektvolle Bezeichnung verwenden, Schwarzer hingegen als abwertende Bezeichnung. Ein Weisser kann jemand sein, der über seine Hautfarbe beschrieben wird. Oder aber, der Begriff wird für einen arroganten postkolonialen Europäer gebraucht, der sich durch seine Herkunft dunkelhäutigen Menschen überlegen fühlt.

Dennoch bleibt ein Weisser ein Weisser. Ein Schwarzer bleibt schwarz, ein Afroamerikaner bleibt’s ebenso. Wer an die Hautfarbe rassistische Vorurteile knüpft, dem ist es völlig egal, wie die bezeichnet wird. Aber Ahnungslose wie Metzler fallen immer wieder auf Narrative rein und fühlen sich auf der richtigen Seite der Sprachpolizei. Ohne zu merken, wie bar jedes Wissens das ist. Man könnte sich darüber schwarzärgern, wenn das in einer politisch korrekten, blutleeren Sprache erlaubt wäre.

«Hier läuft was falsch»

Woran merkt man, dass ein Thema erledigt ist?

Der intelligente ZACKBUM-Leser ahnt es: dann, wenn Philipp Loser noch seinen Senf dazugibt. Oder vielleicht eher seine Mayonnaise, denn seine Schreibe hat so etwas bräsig Fettes, Überflüssiges auch.

Der grosse Frauenheld, Pardon, Frauenversteher, Pardon, Kämpfer für die Gleichberechtigung, beklagt: «Gleichstellung? Jetzt grad nid!» Schwer zu sagen, welche Schweizer Dialekt hier durch besondere Frauenfeindlichkeit auffällt. Schon der erste Satz erschliesst sich in seinem Sinn dem Leser nicht wirklich: «Wir leben in einer aufgeklärten Gesellschaft, es ist das Jahr 2022, doch wenn Roger Köppel nach der Debatte über das neue Sexualstrafrecht im Ständerat twittert «Jede grosse Liebe beginnt mit einem Nein der Frau», dann sorgt die im Grunde unfassbare Aussage für nicht mehr als ein paar ironische Kommentare.»

Also wieso das Leben in einer aufgeklärten Gesellschaft im Gegensatz zu einer angeblich unfassbaren Aussage stehen soll, und wieso Loser all die fassungslosen und giftigen Kommentare übersieht, die Köppel provozierte, dazu auch die Cover-Story der neusten WeWo, das ist im Grunde unfassbar, zumindest unbegreiflich.

Wer sich bis zum Ende der Kolumne durchquält, erahnt, wieso Loser diesen rumpeligen Anfang gewählt hat; er wollte eine Klammer um sein Geschreibsel konstruieren: «Wir leben in einer aufgeklärten und modernen Gesellschaft, das Jahr ist 2022, aber im Bundeshaus machen sie eine Politik wie früher. Hier läuft etwas falsch.»

Also läuft nicht etwa nur Köppel, sondern das ganze Parlament falsch. Wobei eine «Politik wie früher» per Definition falsch ist, während wir alle aber in einer aufgeklärten und modernen Gesellschaft leben. Trotz des Parlaments. Trotz Köppel.

Aber sind wir so modern und aufgeklärt, dass wir auch Loser vertragen? Das, meine Damen und Herren, liebe Mitbürger draussen im Lande und drinnen in der Stube, das ist doch die Frage. Wollen wir es wirklich hinnehmen, dass solche Flachzangen wie der Konzernjournalist Loser dem «Magazin» noch die letzten Reste von Reputation klauen? Wer will denn für einen solchen unverständlichen Stuss auch noch etwas zahlen?