Die dunklen Seiten des Protestbriefs

Viel Ungereimtes und Unerklärtes hinter der harschen Kritik an Tamacho.

Was wünscht man mehr? Hauptbeitrag in «10 vor 10» am Tag der Frau, allgemeine Betroffenheitsgeräusche in den Medien. Solidarität, auch von Männern, Bewunderung des Mutes, die Fassade glänzt.

Was wünscht man sich weniger? Recherchen zu den Hintergründen und Fragwürdigkeiten der ganzen Aktion. Denn da gibt es einiges, was den von Feminismus betrunkenen Investigativjournalisten entgeht, in ihrem Rausch, sich als harte Kämpfer gegen jede Form von Sexismus und Frauenunterdrückung zu outen.

Wie ist dieses Schreiben eigentlich an die Medien und danach an die Öffentlichkeit gelangt? Adressiert ist es an die Geschäftsleitung von Tamedia, es hat auch nicht die übliche und nötige Ansprechperson für Rückfragen, wie 78 Medienschaffende wohl wissen sollten.

Alle angefragt, keine Antworten gekriegt

Aber es hat diese 78 Unterzeichnenden, immerhin. Als wohl einzige Medium in der Schweiz hat ZACKBUM allen protestierenden Frauen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und gebeten, ein paar naheliegende Fragen zu beantworten.

Ebenfalls die rund 45 in den Tamedia-Impressen ausgewiesenen Frauen, die nicht unterzeichnet haben.

Das Ergebnis ist ernüchternd. Von den 78 Protestierenden sind 9 nicht unter @tamedia.ch zu erreichen. Bei Weiteren 4 antwortet eine Abwesenheitsmeldung, darunter Salome Müller, eine der beiden Urheberinnen. Sie gönnte sich noch einen Auftritt in «10 vor 10», um anschliessend bis am 23. März in die Ferien zu verschwinden. Man muss sich ja auch mal erholen.

Das gilt ähnlich für die Nicht-Unterzeichner, 8 sind nicht erreichbar, obwohl im Impressum aufgeführt, 4 ebenfalls abwesend. Das bedeutet also, dass immerhin 98 Mitarbeiterinnen in den Redaktionen eine journalistische Anfrage erhielten; mit Absender, mit Begründung, durchaus höflich formuliert.

Fast hundert Journalistinnen angefragt, keine sinnvolle Antwort gekriegt

Bis zur grosszügig gesetzten Deadline trafen insgsamt – 7 Reaktionen ein. Eine der angeschriebenen Redaktorinnen wollte noch ein Hühnchen mit mir rupfen, das gefühlt vor 37 Jahren bereits aus dem Leben schied, und daher habe sie keine Lust, mir zu antworten. Die übrigen kämpferisch gestimmten Damen kniffen ebenfalls den, Pardon, das geht nicht, wurden sehr, sehr schmallippig. Eine Anfrage, in der von ihnen geforderten höflichen und anständigen Form, lautet ohne Anrede oder Gruss: «Und wer sind Sie?»

Nachdem ich mit männlicher Engelsgeduld nochmal erklärte, dass ich wie geschrieben ein Journalist bin, im Namen von ZACKBUM unterwegs, und im Rahmen einer Recherche ein paar Fragen hätte. Darauf kam dann: «Zumindest ich für meinen Teil habe kein Interesse Ihre Fragen zu beantworten.» Da kann ich nicht mal einen nötigen Kommakurs anbieten.

Ein deutlicher Hinweis darauf, dass Frauen und Männer wirklich anders ticken, ist in dieser Antwort enthalten, nachdem grundsätzliche Bereitschaft bekundet wird, journalistische Fragen zu beantworten: «Bei etlichen Fragen könnte ich aber nur mutmassen – ich war nicht dabei, als sich die geschilderten Vorfälle ereignet haben.» Kopfkratz; die Fragen lauteten zum Beispiel, ob diese Unterzeichnerin etwas am Text abgeändert habe, wie viele der anonym geschilderten Vorfälle von ihr beigetragen wurden und ob die sehr düster geschilderten Zustände auch ihrem Erleben entsprechen würden.

Aber offenbar war die Dame ziemlich abwesend in jeder Beziehung. Grössere Höflichkeit wurde hier an den Tag gelegt: «Ich bitte Sie um Entschuldigung, aber ich werde nicht auf Ihre Fragen antworten, Es ist nicht der Sinn der Sache, dieses gemeinsame Schreiben nun zu individualisieren.» Plus noch ein «sage nix»

Eine einzige leuchtende Ausnahme

Leuchtende Ausnahme ist Michèle Binswanger, deshalb sei Ihre Stellungnahme vollständig zitiert:

«Sexismus und sexuelle Belästigung gibt es in jeder Branche, auch in der Medienbranche. Wenn solche Vorwürfe auftauchen, ist es richtig und wichtig, ihnen nachzugehen und sie mit journalistischen Mitteln aufzuarbeiten: Nämlich recherchieren, nachfragen, belegen. Auch die Behauptung, es gebe strukturellen Sexismus sollte auf der Basis belastbarer Daten getroffen werden. Was Tamedia und die im offenen Brief aufgelisteten Vorwürfe betrifft, verstehe ich mich als Teil dieses Teams und erachte es nicht als zielführend, diese Interna öffentlich zu diskutieren.»

Was zur einleitenden Frage zurückführt, wer es denn zielführend fand, dieses Schreiben über die Bande an die Medien und die Öffentlichkeit zu spielen. Da taucht wieder ein Name auf, der in eigener Sache und bei solchen Themen eigentlich immer auftaucht. Denn ins Netz gehängt hat diesen Brief – Jolanda Spiess-Hegglin.

 

Die sehr spannenden Hintergründe dazu in der Fortsetzung morgen.

 

 

 

Hilfe, mein Papagei onaniert IV

Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch.

Journalisten interessieren sich eigentlich nur für eins – andere Journalisten. Und sich selbst. Erst dann kommt alles andere. Berichterstattung, die Welt, Reportage, Kommentar, Recherche.

«10 vor 10» am «Tag der Frau» war ein Paradebeispiel dafür. Intro, dann schaut die Moderatorin ernst und gefasst in die Kamera. Die wichtigste Meldung des Tages: ein Brief von 78 Redaktorinnen bei Tamedia sorge «für Betroffenheit». Die Moderatorin schaut sehr betroffen und kündigt an, dass das auch der Schwerpunkt dieser Sendung sei. Dazu gibt’s noch einen Bericht über die Umsetzung des  Verhüllungsverbots und über die Comic-Verfilmung «Wonder Woman».

Diesmal zeigt der Papagei nur in eine Richtung.

Also sozusagen von Kopf bis Fuss auf Frau eingestellt. Aber die Fokus-Meldung ist natürlich der Protest von 78 Tamedianerinnen gegen unerträgliche Zustände in den Redaktionen. Fürchterlich chauvinistische Männersprüche werden zitiert und anklagend eingeblendet. Spätestens zu diesem Zeitpunkt konnte man garantiert in der Schweiz einen erhöhten Wasserverbrauch konstatieren. Pinkelpause für alle Zuschauer (ja, auch Zuschauerinnen), denen dieses Thema so etwas an allen Körperteilen vorbeigeht. Aber dafür sind Journalisten natürlich zu betriebsblind.

Auf der Welt ist nichts Wichtigeres passiert an diesem Tag

Wenn ganze 78 von ihnen ein Protestschreiben verfassen, dann müsste schon Joe Biden gerade im Weissen Haus zusammengebrochen und mit dem Kopf knapp neben dem roten Knopf aufgeschlagen sein, um dieses welterschütternde Ereignis von Platz eins zu verdrängen. Nach diesem Intro dürfen sich die zwei Urheberinnen wichtig in zwei Sessel setzen. Salome Müller und Aleksandra Hiltmann, beide unauffällige Arbeiterinnen in der Machohöhle des «Tages-Anzeigers», beschweren sich über fehlenden Anstand und Respekt (Hiltmann), Müller will nicht glauben, dass die Untervertretung von Frauen in Chefpositionen nur damit erklärbar sei, dass die Männer eben besser als Frauen seien.

Dann, muss sein, kommt der Fachmann zu Wort, natürlich die Fachfrau in diesem Fall. Die Gelegenheit für die Co-Präsidentin des «Branchenverbands «Medienfrauen Schweiz» kundzutun, dass diese Zustände leider nicht nur auf Tamedia beschränkt seien. Das hört sich natürlich sehr gewichtig an. Solange man nicht weiss, dass dieser Verband einfach ein Zusammenschluss von rund 60 Mitgliedern ist, die sich selbst vermarkten möchten: «

Anpreisung in Frauensprache, wo Sie oder du Hans was Heidi ist?

Nächste Events nach Frauenkalender? Oder endet 2020 nie?

Natürlich bekommt auch der Oberchefredaktor bei Tamedia Gelegenheit, sich der Frage zu stellen, was denn da falsch laufe. Arthur Rutishauser äussert seine Betroffenheit und verkündet, dass er eine Unterzeichnerin damit beauftragt habe, den Vorwürfen auf den Grund zu gehen. Da er das mit ernster Stimme sagt, lacht sich zumindest hörbar keiner kaputt. Eine Mitunterzeichnerin soll überprüfen, ob das von ihr Unterzeichnete auch stimmt? Grossartig.

Schonungslose Recherche, auch im eigenen Haus.

Natürlich ist sich «10 vor 10» bewusst, dass es selbst auch ein Medienunternehmen ist. Und da könnte es doch vielleicht, unter Umständen sein, dass auch in den TV-Studios blanker Chauvinismus, Sexismus, Frauenunterdrückung Urständ feiert. Wie beleuchtet man das am besten? Richtig, die Moderatorin interviewt ihre höchste Chefin, die TV-Direktorin Natalie Wappler. Die das Thema für dermassen brennend wichtig hält, dass sie dafür doch nicht ihr Homeoffice verlässt.

Ausserdem ist sich Wappler bei einem ganz, ganz sicher: mit kritischen Fragen wird sie hier niemals belästigt. Untergebene interviewt Chefin, so einen Unsinn kann sich auch nur das Schweizer Farbfernsehen leisten.

Nachdem auch Wappler, damit mit Rutishauser völlig einig, ihre «Betroffenheit» zum Ausdruck gebracht hat, beendet «10 vor 10» diese für 99 Prozent der Zuschauer lähmend langweiligen zehn Minuten zum Thema: Journalisten sprechen über sich selbst, interviewen sich selbst und thematisieren sich selbst.

Ex-Press XXVII

Blasen aus dem Medien-Sumpf

Schon alleine, um virenverseuchte Blödkommentare nicht mehr lesen zu müssen, ist ein baldiges Ende der Pandemie sehr willkommen.

Anhaltende gesundheitliche Probleme bei Tamedia

«Bis der Putschversuch und das anschliessende Rückzugsgefecht zum Desaster wurden. Nach den abstrusen Diktaturvorwürfen übt sich die SVP nur noch im spätpubertären Trötzeln.» – «Und wer eine Öffnungsagenda in Stein meisseln will, glaubt auch an Aluhüte, den Storch …» – «Undemokratisch, populistisch, antiliberal, ohne jede politische Linie oder führungslos: In nur einer Woche Corona-Politik im Parlament haben sich die bürgerlichen Parteien disqualifiziert.»

Wenn der «Politik-Chef» Denis von Burg bei Tamedia nicht mal den Drehzahlmesser runterkriegt, befürchten wir für seine Gesundheit das Schlimmste. Oftmals sind solche Ausbrüche Vorboten eines Hirnschlags. Wir empfehlen die Burn-out-Klinik Hohenegg. Oder eine Fastenkur an der Seite von Eric Gujer.

Aber es darf in der «SonntagsZeitung» auch gelacht werden: «Geld bedeutet für mich aktuell vor allem Verantwortung», sagt Jascha Rudolphi, einer der beiden Masken-Millionäre.

Unaufgeklärter Mordversuch am «Tatort»

Weiteren Lachstoff in trüben Zeiten liefert die SoZ mit ihrer Fortsetzung des Rachefeldzugs gegen den Schweizer «Tatort». Nach der immer guten Nummer, einen abgehalfterten Regisseur Gift und Galle speien zu lassen, legt Rico Bandle noch einen drauf.  «Missglückter Tatort: SRF gibt Fehler zu», es habe «heftige Kritik» gegeben, «für viele Zuschauer» sei der vorletzte Sonntag «ein Fernsehabend zum Vergessen» gewesen. Davon, dass der kritische und bei der Schweiz oberkritische «Spiegel» in eine Lobeshymne ausbrach, davon lässt man sich doch nicht die These vermiesen.

Und die letzte Lachträne gilt dieser Meldung: «Polizei löst Frauendemo auf». Kann ich bezeugen, war um die Ecke meines Büros, musste deshalb einen Riesenumweg machen, als ich mich an der Langstrasse mit Stoff versorgen wollte (nein, Scherz, bevor da jemand eine Meldung macht).

Was aber verwundert: Es war eine Demo für den Frauentag. Der ist aber am 8. März. Die Demo war am 6. Nach Frauen und Einparkieren nun auch Frauen und Kalender? Dabei ist es doch eher ungewöhnlich, dass Frauen zu früh kommen (ich geb’s zu, Männer sind Schweine).

 

Und was macht die NZZaS?

Sagen wir so: Eric Gujer wird entweder eine neue Fastenkur antreten, oder seinem Ruf als zu fürchtender Niedermach-Chef nachleben. Denn es steht buchstäblich nix Nennenswertes drin.

Woran man das merkt? Einfach. An folgenden Indizien:

  1. Wenn ein minderjähriges Jubiläum gross abgefeiert wird. 10 Jahre Fukushima in diesem Fall.
  2. Wenn selbst Felix E. Müller, die schreibende Sparmassnahme, nichts zu lachen bietet.
  3. Wenn ein Promi ein Krankheitsgeständnis macht.
  4. Wenn da und dort dem Frauentag gedacht wird und eine Comix-Figur wie Wonder Woman hochgehudelt.
  5. Wenn der Leser einzig an der Meldung hängenbleibt, dass es in Zürich eine Neuauflage der «Speak easy» gibt: illegale Lokale, wo der Koch im Geheimen Gäste bewirtet, die sich konspirativ durch den Hintereingang hereinschleichen.
  6. Wenn kein einziges Wort zur anhaltenden Krise bei der Credit Suisse geschrieben wird.
  7. Wenn eine Autorin ihre Familiengeschichte ausbreiten darf, bei der einer ihrer Vorvorvorfahren doch tatsächlich beinahe und indirekt am Sklavenhandel profitiert haben soll.
  8. Wenn der «Sponsored Content für Philip Morris» interessanter ist als der nicht bezahlte Inhalt.
  9. Wenn sich das völlig runtergewirtschaftete «Magazin» der italienischen Unkultur widmet, dass dort im TV immer noch Frauen als hübsche, aber stumme Statisten auftreten.
  10. Bevor nun Hartmeier fragt, wo das Positive bleibe (ausser, dass er hier sonst nicht vorkommt): ein Stück über ein erfolgreiches Print-Projekt aus der deutschen Provinz namens «Katapult» war interessant. Auch wenn es von der Freelancerin Barbara Höfler aus Deutschland stammt. Was nicht gegen sie, aber gegen das «Magazin» spricht. Ebenso bei der TV-Titelgeschichte. Die Autorin Barbara Bachmann bestreicht als freie Reporterin aus dem Südtirol Italien. Über «Frausein in Italien» hat sie gerade das Buch «Hure oder Heilige» veröffentlicht. Schön wenn man das dann billig einkaufen kann, samt Fotos.

PS Guten Humor beweist das «Magazin» auch beim zweiteinzigen Inserat der Ausgabe:


Auch ein Frauenbild: Kopf? Überflüssig. Lächeln, Beine, Goldheels: unbedingt.

So nebenbei, ich gönne ja jedem seinen Job, aber: dafür braucht’s 9 im Impressum aufgeführte Nasen, davon 3 in führenden Positionen (den Oberführer Luzi Bernet gar nicht mitgezählt, ebenso wenig den Oberoberführer Eric Gujer samt Frau)? Plus Kolumnisten, Gestaltung, AD, Bildredaktoren? Wo doch nur Andrea Bornhauser das angebliche «Trend-Thema Secondhand» beigesteuert hat?

Künstlerisch wertvoll und bescheiden? Bornhauser auf Xing.

Photoshop, schamhaftes Verschweigen der Vergangenheit als Modeeinkäuferin, Lifestyle-Redaktorin bei «Annabelle» und seit drei Jahren beim «Magazin NZZaS». Dafür Verweis auf ihre schnuckelige Foto- und Tippsammlung «familianistas».

Bevor sich der SoBli diskriminiert fühlt

Nix, einfach auch nix. Nicht mal viele gebrochene Lanzen für den Frauentag. Nicht mal ein Frank A. Meyer ohne garantierten Gähnreflex. Schade, konnte er schon besser.

Sonst sagt auch hier ein Bild mehr als tausend Worte:

Aber die Pflegerin lebt noch (Pferd ist wohl ausgestopft).

Nein, es ist kein Pferde-Corona. Es ist ein Pferde-Herpes.

Packungsbeilage: Für Spitzfindige (also für fast alle unserer Leser). Ich kaufe mir die Sonntagspresse wirklich nicht mehr. Ich schnorre sie nun in meinem Lieblings-Frühstücks-Speak-Easy. Wo das ist? Also bitte, schon mal etwas von Quellenschutz gehört?

 

 

 

«watson» verbrät nun zweisprachig Geld

Jetzt haben auch die Romands das Geschenk. Pardon, nous sommes desolés.

Was ist besser als ein Millionengrab? Zwei, sagt sich offenbar Familie Wanner. Obwohl der begnadete Geld-Verröster Hansi Voigt schon länger entsorgt wurde, versteht niemand wirklich, wieso Wanners an «watson» festhalten wollen.

«Wir wollen im Kern die 20- bis 40-Jährigen abholen, die keine ‹Tagesschau› mehr schauen und keine Zeitung mehr lesen», verrät Watson-CEO Michael Wanner der NZZaS. Abholen ist gut, sieben Jahre lang mussten Lastwagen Geld aus der Privatschatulle der Wanners abholen, um die Millionenlöcher zu stopfen.

Aber 2020 könne man «einen kleinen Gewinn verbuchen», jubelt Wanner. Daran war Voigt gescheitert, der Jahr für Jahr den angekündigten Wechsel in schwarze Zahlen weiter hinausschob. Und was ein «kleiner Gewinn» bedeuten soll, im Verhältnis zu jahrelangen Millionenverlusten?

Die Welt von «watson» und die reale Welt

Aber die Welt von «watson» hatte schon immer eher wenig mit der Realität zu tun. Listicals zu allem und jedem, eine Mischung aus Nonsense und kleinen Realitätseinsprengseln, dazu Werbekampagnen, die kein Mensch versteht:

Was soll uns diese Image-Kampagne eigentlich sagen?

Ein roter Strich auf der Wange ist gezeigte Haltung? Das ist wirklich News ohne Blabla? Dieser Ansatz ist einfach zu intellektuell für mich, ich kapier’s nicht.

Was aber jeder versteht: diesen kleinen Gewinn erzielte Wanner, indem er auf Marketing setzte. Kein banales Einwerben von Inseraten mehr, statt dessen Beratung der Werbekunden bei ihrer «Kommunikationsherausforderung». Auf Deutsch: Redaktoren texten Texte. Über News, über Unsinn, über Listicals oder für Werbekampagnen. Am besten im Doppelpack. Sogenannter redaktioneller Beitrag, gleich daneben die Werbung. Gleich aufgemacht, gleich schmissig getitelt, deutliche Trennung von Content und bezahlter Werbung? Ach, das ist ja so von gestern.

Heute ist «Content Bridge», so zum Beispiel:

Ist doch alles ein Teig, sagt sich «watson».

Sehr verständlich ist hingegen der Ansatz, dass «watson» in die Romandie expandieren will, um seinen Werbekunden auch einen nationalen Auftritt für digitale Kampagnen bieten zu können. Da räumt bislang «20 Minuten» alleine ab.

Wanner wirft 5 Millionen auf – Stiftung Medienvielfalt hilft

Dafür schmeisst Familie Wanner nochmal 5 Millionen Franken auf. Genauer 2,5 Millionen, die andere Hälfte kommt – von der «Stiftung für Medienvielfalt». Die hat sich fest vorgenommen, nach dem Riesenflop «TagesWoche» weitere Möglichkeiten zu finden, das Geld einer reichen Pharma-Erbin unter die Leute zu bringen.

Zu den unterstützungswürdigen Organen gehören natürlich die «Republik», «Journal B», «Saiten» oder auch «bajour». Alles zum Untergang verurteilte Randgruppenorgane, immerhin mit gewissen Ansprüchen. Aber wie um Oeris Namen kommt die Stiftung dazu, Familie Wanner ein 2,5-Millionen-Darlehen zu geben, damit die nun auch nationale Werbekampagnen fahren können? Auf sechs präzise Fragen antwortet die Stiftung «zusammenfassend»: «Dieses Darlehen ist verzinst und mit einer festen Rückzahlverpflichtung verbunden. Es ist somit kein à fonds perdu-Förderbeitrag wie für Medienprojekte von gemeinnützigen Trägerschaften.»

Aha, aber wieso denn ausgerechnet für diese Schande des Journalismus? «Watson hat im Übrigen durchaus einen publizistischen Anspruch und unsere Wahrnehmung der Inhalte ist bei Weitem nicht so negativ wie Ihre Wahrnehmung. Wir möchten das nicht weiter kommentieren, sondern Sie für Fragen dazu wie auch zur finanziellen Situation der Familie Wanner an Watson bzw. an die Familie Wanner direkt verweisen.»

Aha, wir illustrieren kurz den journalistischen Anspruch:

Wahre Lebenshilfe und wahrer publizistischer Anspruch.

Die schnippische Empfehlung, sich an Familie Wanner zu wenden, brockte die Frage ein, wieso die Stiftung denn ausgerechnet einer nicht gerade am Hungertuch nagenden Verlegersippe von Multimillionären unter die Arme greifen will.

Ein Querschnitt aus dem darlehenswürdigen Angebot von «watson».

Bajour mit beachtlicher lokaler Bedeutung

Auch bei «bajour» hat die Stiftung ein ähnlich lockeres Verhältnis zur Realität wie «watson»: «Entgegen Ihrer Behauptung sind wir nie davon ausgegangen und war es nie das Ziel, dass bajour bereits nach drei Jahren selbstfinanzierend sein wird. Bajour hat nach etwas mehr als einem Jahr bereits eine ansehnliche Community und eine beachtliche lokale Bedeutung erlangt.»

In einem Jahr 2505 Zahler, Januar und Februar 2021 fehlen. Beachtliche Bedeutung?

Wie’s in Wirklichkeit aussieht, haben wir bereits umfangreich dargestellt. Wir nehmen zur Kenntnis, dass die Stiftung überzeugt ist, dass «bajour» nach Auslaufen der dreijährigen Unterstützung mit insgesamt 3 Millionen Franken in der Lage sein wird, aus eigenen Kräften eine halbe Million einzunehmen (aktuell rund 100’000), damit die Stiftung mit einer weiteren halben Kiste das aufgeblasene Budget von aktuell über einer Million füttern wird.

Immerhin, die Chance, dass Wanners das Darlehen mit Zinsen und pünktlich zurückzahlen, ist entschieden höher als bei allen anderen Projekten der Stiftung. Wozu Wanners aber überhaupt ein solches Darlehen brauchen, wo man ihnen heutzutage im Negativzinsumfeld auch Geld nachwerfen würde, ist genauso unerfindlich wie die Entscheidungen dieser Stiftung. Ob Beatrice Oeri weiss, welcher Unfug hier getrieben wird?

 

 

 

Neuer Monat, gleicher Depp

CH Media versucht sich in Krisenbewältigung. Dilettantisch, viel zu spät, viel zu wenig. Mit katastrophalen Folgen.

Man sollte meinen, einer der beiden Konzerne, der ungefähr die Hälfte aller Deutschschweizer Tageszeitungen als Kopfblätter herausgibt, sollte in eigener Sache genügend Könner und Kenntnisse auffahren können.

In der Zentralredaktion in Aarau stehen sich weiterhin zu viele Redaktoren auf den Füssen, die jeweiligen Lokalredaktionen der Kopfblätter werden krankgeschrumpft. Es ist eher selten, dass CH Media internationale Schlagzeilen macht oder sich der Aufmerksamkeit von über 100 Botschaftern und Leitern internationaler Organisationen in Genf erfreut.

Die reine Freude ist es allerdings nicht. Am 9. Februar veröffentlichte CH Media einen Artikel über die neue Chefin der Welthandelsorganisation (WTO) mit Sitz in Genf. Durch das Kopfblatt-System erschien der online und im Print, von der «Aargauer Zeitung» bis zum St. Galler «Tagblatt» über die gesamte Deutschschweiz verstreut.

Der launige Titel störte im ganzen Produktionsprozess keinen:

Das rauschte durch alle Kontrollinstanzen.

Einige Leser allerdings schon; auch normalerweise nicht vom Genderwahn befallene Konsumenten fragten sich, ob «Grossmutter» wirklich die passende Qualifikation für die erste schwarze Frau an der Spitze der WTO sei. Vor allem, weil die eine beeindruckende Ausbildung – unter anderem am MIT – und eine langjährige Karriere als Ministerin hinter sich hatte.

Eigentlich ist die Verantwortlichkeit klar geregelt

Hierarchisch sieht die Verantwortlichkeit dafür ganz einfach aus. Es gibt den Autor Jan Dirk Herbermann, den hier zuständigen Ausland-Chef Samuel Schumacher, darüber den Oberchefredaktor Patrik Müller und schliesslich den «publizistischen Leiter» Pascal Hollenstein.

Dazu muss man wissen, dass das gesamte Auslandressort im Wanner-Imperium aus haargenau zwei Redaktoren besteht. Was natürlich für einen Häuptling und einen Indianer reicht. Der Autor schickte seinen Artikel aus Genf nach Aarau. Wie es sich heutzutage gehört mit Titel. Der lautete: «Zum ersten Mal gelangt eine Afrikanerin an die Spitze der WTO». Denn Herbermann ist seit einigen Jahren für diverse Abnehmer Berichterstatter über internationale Organisationen in Genf und weiss, was er schreibt.

Das erschien den Blattmachern offensichtlich etwas zu schlapp; wahrscheinlich hatten sie zuvor zu viel «watson» angeglotzt. Also machten sie aus der Afrikanerin eine «Grossmutter». Da die gleiche Sauce überall erscheint, kann man davon ausgehen, dass der Blattmacher, der Ressortleiter, der Chefredaktor (bzw. wenn ferienabwesend sein Stellvertreter) und wohl auch der «publizistische Leiter» Inhalt und Titel zur Kenntnis nimmt.

In diesem Fall offensichtlich auch abnickt. Kleines Sahnehäubchen nebenbei: «Wir informierten den Autor des Artikels nicht über die neue Schlagzeile.» Der arme Herbermann dürfte sich kräftig geärgert haben, dass er bis zu diesem Eingeständnis 18 Tage nach Publikation kräftig für diese Schweinerei geprügelt wurde. Nun können Fehler überall und immer passieren, vor allem im Tagesjournalismus gibt es keine Perfektion.

Fehler passieren, aber wie geht man damit um?

Dann wird aber wichtig, wie man mit Fehlern umgeht. Als sich unter den Lesern ein kleiner Shitstorm zusammenbraute, quetschte Hollenstein gegenüber der Branchenplattform persoenlich.com ein «es tut uns Leid» raus und beschwichtigte, dass man den Titel online inzwischen korrigiert habe, sei keine Absicht gewesen.

Damit meinte CH Media offenbar, die Sache erledigt zu haben. Man liess den Leserbriefschreiber etwas fäusteln und rang sich zudem am 11. Februar ein «Unglücklicher Titel beim Porträt über WTO-Chefin» ab. Der sei «ungeschickt» gewählt worden, wofür «wir uns entschuldigen möchten». Gezeichnet war die knappe Mitteilung von «sas», also dem Auslandchef Samuel Schumacher. Aber weiterhin wurde nicht klargestellt, dass der Autor den Titel nicht zu verantworten hatte.

Fall erledigt, meinte man offenbar, Hollenstein und Müller duellierten sich über Für und Wider beim Burka-Verbot, man kommentierte, forderte, erteilte Betragensnoten und rückte dies und das zurecht, business as usual.

Wenn nochmals der Blitz einschlägt

Dann schlug aber nochmal der Blitz ein; angeführt von der österreichischen Uno-Botschafterin und letztjährigen Präsidentin des Uno-Menschenrechtsrats beschwerten sich 124 Botschafter und Leiter internationaler Organisationen über die «abwertende und herabsetzende» Beschreibung. Natürlich wurde dieses Schreiben auf Twitter veröffentlicht und dafür gesorgt, dass es die SDA in die Runde warf.

Neue Runde Arschtreten bei CH Media, wieder traf es den Auslandchef, der am 26. Februar, also über zwei Wochen nach Erscheinen des Artikels, mit einem «Communiqué»  erneut zu Kreuze kriechen musste. Auf Englisch, um das Internationale zu betonen. Nach den ersten verkniffenen, knappen und ungenügenden Erklärungen musste er nun richtig in die Harfe greifen:

Neuer Versuch, offensichtlich hatte der Autor kräftig interveniert.

Der Titel sei «unangemessen und ungeeignet» gewesen, «wir entschuldigen uns». Zudem wird klargestellt, dass der Autor einen anderen Titel vorgeschlagen hatte und nicht über diesen Ausrutscher informiert wurde.

Zu wenig, zu spät, nur scheibchenweise

Konsequent dem nachgelebt, was man in einer Krise auf keinen Fall machen sollte:

zu wenig, zu langsam, zu spät reagieren. Rumeiern. Die Verantwortung nach unten durchreichen.

Möglichst die Sache kleinhalten, reagieren statt agieren, nur unter Druck scheibchenweise einräumen, eingestehen, sich entschuldigen.

Aber der Fisch stinkt vom Kopf. So etwas – was denn sonst – müsste von einem publizistischen Leiter geregelt werden. Dafür steht er schliesslich direkt unter dem Verleger und oberhalb der Chefredaktion im Impressum. Insbesondere, wenn man wie Hollenstein so gerne Betragensnoten vom hohen moralischen Ross verteilt, mit dem Zeigefinger fuchtelnd – natürlich bei anderen – kritisiert, zensiert, falsch und richtig, gut und böse sauber unterscheidet. Schon alleine deswegen, weil ein publizistischer Leiter Vorbild sein sollte. Den anderen zeigen, wie man das macht. Vorbild ist Hollenstein allerdings. Aber dafür, wie man’s ganz sicher nicht machen sollte.

Der «Republik»-Reinfall

Anonyme Verleumdungen versus seriöse Aufarbeitung. Globegarden liefert ein Musterbeispiel.

Ältere Leser erinnern sich: Im Rahmen seiner Notfall-Bettelaktion veröffentlichte die «Republik» kurz vor Weihnachten 2019 unter dem Titel eines Thrillers von Grisham – «Die Firma» – einen aufrüttelnden Skandalbericht über unerträgliche Zustände beim grössten Schweizer Kita-Betreiber. Betreuung, Essen, Einhaltung von Vorschriften, Aufsicht, Qualifikation der Mitarbeiter, Löhne, alles läge im Argen.

Allerdings: Wie bei der «Republik» üblich, stützte sie sich dabei mit einer einzigen Ausnahme auf anonyme Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern. Über deren Motivation erfuhr man nichts; auf einen Augenschein verzichtete die «Republik», ebenso auf das Einholen von Meinungen aktueller Mitarbeiter.

Betteln, mit Entleibung drohen, seinen Existenzzweck durch das Verbellen unglaublicher Zustände beim Kita-Betreiber Globegarden beweisen. Tolles Timing, das sorgt immer für Aufmerksamkeit, Schlagzeilen. Behörden kündigen verschreckt Untersuchungen an, Politiker fordern dies und das, sind entrüstet. Schliesslich geht es hier um unsere Kleinsten, die – wohl aus reiner Geldgier – verantwortungslos Gefahren ausgesetzt, mies gefüttert und von viel zu wenig und überfordertem Personal mehr schlecht als recht betreut werden.

Dichtung, Erfindung, unbeweisbare Behauptungen

Ziemlich genau ein Jahr danach haben wir bereits in einer vierteiligen Recherche zwischen Dichtung, Erfindung, unbeweisbarer Behauptung und realen Fakten unterschieden. Resultat: Auch hier und nicht zum ersten Mal hat die «Republik» auf anonymen Behauptungen ehemaliger Mitarbeiter («anonymisierter», wie sie zu sagen beliebt) basierende, gravierende Anschuldigungen erhoben. Müsste man denen Glauben schenken, wären alle Eltern gut beraten, ihre Kleinkinder sofort aus den Klauen des grössten Kita-Betreibers der Schweiz zu retten.

Nur: muss man nicht. Es ist nichts gegen die Verwendung von Whistleblowern oder von Zeugenaussagen einzuwenden, bei denen der Absender – aus welchen Gründen auch immer – nicht mit seinem Namen dahinterstehen will. Da aber sowohl dem Journalisten wie dem Leser weder dessen Motive – noch der Wahrheitsgehalt der Behauptungen – erschliessbar sind, ist dabei höchste Vorsicht geboten.

Insbesondere, wenn möglicherweise nicht freiwillig gegangene Ex-Mitarbeiter Szenen und Ereignisse schildern, bei denen nur sie angeblich Zeuge waren und die nicht verifizierbar sind, weil jegliche weiteren Angaben fehlen. Eine Behauptung wie «ein Kind fiel vom Wickeltisch, die Eltern wurden nicht informiert, das lag an der Überforderung des Betreuers durch viel zu wenig Fachkräfte» – wie kann die untersucht werden, auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft?

Externes Audit, staatliche Kontrollen, Gerichtsurteil

Nichtsdestotrotz hat Globegarden ein externes Audit durch die Kanzlei Niederer Kraft Frey (NKF) durchführen lassen. Resultat: kein einziger der Vorwürfe konnte erhärtet werden. Wer nun sagt: kein Wunder, wer zahlt, befiehlt, täuscht sich. Eine Kanzlei wie NKF hat durchaus einen Ruf zu verlieren, was beim Nachweis eines Gefälligkeitsgutachtens passieren würde.

Zudem wurde durch die Aufsichtsbehörde der Stadt Zürich von Februar bis Juni 2020 eine Schwerpunktprüfung aller 26 Globegarden-Kitas in der Stadt durchgeführt. Resultat: null Belege für die Vorwürfe. Auch für ihre kühne Behauptung «Neue Recherchen deuten darauf hin, dass die grösste Kita-Kette der Schweiz die Aufsicht mit manipulierten Dokumenten täuscht», bleibt die «Republik» bis heute jeden Beweis schuldig. Auf unsere Nachfrage, ob das Magazin – wie auch schon beim damaligen Interview mit dem Sozialvorstand angekündigt, entsprechende Belege vorgelegt habe, gab es ein knappes: «Laufende Recherchen, Redaktionsgeheimnis.» Es darf gelacht werden.

Keinesfalls als Kampagne darf gesehen werden, dass die «Republik» dann nochmal zwei Scheite nachlegte: «Die grösste Schweizer Kita-Betreiberin setzt prekäre Arbeits­bedingungen durch und täuscht die Aufsicht.» Belege, Beweise, Indizien, dadurch ausgelöste Verfahren? Null, nichts, nada. Man darf doch wohl noch behaupten, dass irgendwas auf irgendwas «hindeutet». Muss ja nicht so sein. Es darf nochmal gelacht werden.

Ein in jedes Detail gehender Faktencheck durch Globegarden

Im Februar 2021 hat Globegarden nun nochmals die wesentlichen, insgesamt 20 Vorwürfe, die die «Republik» erhoben hatte, einem Faktencheck unterzogen. Er ist auf der Webseite von Globegarden einsehbar.

Mit akribischer Genauigkeit widerlegt Globegarden von «Arbeitsbedingungen», «Unfälle beim Wickeln», «Ernährung», «Täuschung der Behörden» bis zu «Mangelndes Fachpersonal» die Vorwürfe, die die «Republik» erhoben hatte.

Nun ist es leider so, dass die «Republik» ihre damalige Bettelaktion mit Erfolg abschliessen konnte; nicht zuletzt wegen des Aufsehens, das dieser angebliche Skandal erregte. Es ist leider auch so, dass Globegarden auf straf- und zivilrechtliche Schritte verzichtete. Es ist letztlich so, dass sich kaum mehr jemand an die damalige Verleumdung erinnert, also nimmt auch kaum jemand die detaillierte Widerlegung aller anonymen Denunziationen zur Kenntnis.

Aber es gäbe ja noch so etwas wie Anstand, Medienethik und andere hochwohllöbliche Prinzipien, denen sich die «Republik» verschrieben hat. Aber das ist reines Maulheldentum. Jedes Mal, wenn ein mit anonymen Behauptungen aufgepumpter Skandal zu dem Nichts zusammenschrumpft, der er von vornherein war, wehrt sich die «Republik» mit Händen und Füssen gegen eine Richtigstellung und muss sogar gerichtlich dazu gezwungen werden.

Banaler Anstand wäre es, sich wenigstens für offensichtliche Fehler zu entschuldigen.

Stattdessen gibt es höchstens ein Herumeiern, Haarspaltereien, Rechthabereien. Statt das überfällige Eingeständnis: auch der Globegarden-Skandal ist in Wirklichkeit ein «Republik»-Reinfall. Lausig recherchiert, zurechtgebogen, basierend auf mehr als dubiosen Behauptungen sich feige hinter Anonymität versteckender Denunzianten.

Was sagt die «Republik» im Licht des Faktenchecks?

Natürlich hatte die «Republik» hier Gelegenheit zur Stellungnahme. Überraschungsfrei fällt sie völlig verstockt aus. Wird es nun endlich eine Richtigstellung geben? «Nein.» Warum nicht?

«Es liegen keine Fehler vor, die wir nicht bereits am Ende des Textes richtiggestellt haben.

Sie erinnern sich: Wir hatten in einer früheren Version geschrieben, dass der Vater von Christina Mair und Caroline Staehelin bei der Credit Suisse gearbeitet habe. Diese Information hat sich im Nachhinein als falsch heraus­gestellt. Er ist nicht Banker, sondern Arzt.» Das ist alles? Es darf zum dritten Mal, aber lassen wir das.

Zweifelt die «Republik» wenigstens etwas an dieser Methode, auf anonymen Anschuldigungen aufbauend eine Kampagne zu fahren? «Wir haben weder einen Skandal aufgeblasen, noch fahren wir Kampagnen. Wir haben in drei Artikeln wiedergegeben, was uns knapp drei Dutzend frühere und aktuelle Angestellte erzählt haben.» Interessante Zahl, dass auch «aktuelle Angestellte» dabei waren, wäre neu.

Haare spalten statt Realität zur Kenntnis nehmen

Wie haarspalterisch sich die «Republik» gegen Tatsachen wehrt, zeigte sie auch fast genau ein Jahr nach ihrer Kampagne. Andere Medien hatten darüber berichtet, dass das Zürcher Verwaltungsgericht ein Urteil zugunsten Globegarden fällte. In der ursprünglichen Darstellung der «Republik» hörte sich das so an:

«Nicht immer hatte Globegarden im Rechtsstreit mit Gemeinden Erfolg. Vor allem dann nicht, wenn die Sozialbehörde feststellt, dass die Firma den Betreuungs­schlüssel nicht einhält und Personal beschäftigt, das nicht die nötige Ausbildung hat. So wie im Fall Thalwil. Dort marschiert Globegarden mit mehreren Anwälten auf und zieht Verfügungen der Gemeinde vor das Horgener Bezirksgericht.

Die Globegarden-Krippe ist gleich bei mehreren Kontrollen der Krippen­aufsicht hängen geblieben.»

Klarer Eindruck beim Leser: Aha, Anzahl Betreuer nicht eingehalten, unqualifiziertes Personal beschäftigt, aber dann in gleich mehreren Kontrollen ertappt worden. Statt Einsicht zu zeigen, «marschiert» die Kita mit «mehreren Anwälten auf». Typisch.

Darstellung und Wirklichkeit – getrennt durch Abgründe

Aber leider war das nur ein polemisch aufgepumpter Zwischenstand: Die meisten Verfügungen der Gemeinde wurden vom Verwaltungsgericht im November letzten Jahres aufgehoben. Nicht zuletzt, weil das Sozialamt sich auf eine unqualifizierte und tatsachenwidrige Behauptungen enthaltende «Kontrolle» gestützt hatte. Zudem wurden der Gemeindekasse die Gerichtskosten und eine Entschädigung von 8000 Franken an Globegarden aufgebrummt.

Blöd gelaufen, aber was macht die «Republik» draus? «Foulspiel im journalistischen Wettbewerb». Und zieht den «Wettbewerbern» eins über:

«Die Recherche der Republik war weder «falsch», noch widerlegte das Verwaltungs­gericht die Ergebnisse unserer Arbeit.

Der Streit zwischen Thalwil und Globegarden war ein Detail in der Recherche.»

Nun, es war wenigstens ein «Detail», das nachgeprüft werden konnte. Und immerhin vom Obergericht als unhaltbare, falsche und parteiische Vorwürfe gegen Globegarden disqualifiziert wurde.

Fehler passieren immer und überall. Bei Globegarden genauso wie bei einer seriösen Recherche. Dann gibt es auch noch Interpretationsspielräume. Aber die akribische Widerlegung aller Vorwürfe, das ist schon eine Klatsche, die sogar beim Zuschauen weh tut. In der Gesinnungsblase von verantwortungslosen Journalisten und ausschliesslich ihre Vorurteile bestätigt sehen wollenden «Verlegern» hat jedoch Realität und Wirklichkeit nichts verloren.

Ebenso wenig wie eine freiwillige Richtigstellung aus Anstand.

 

 

Blick-TV kupfert beim Kassensturz ab

Die Serie «Undercover» auf Blick-TV tut so, wie wenn sie den Investigativ-Journalismus neu erfinden würde.

Aus zwei Medientexten von SRF und von Blick (finde die Unterschiede):

2014: In der Serie «Kassensturz undercover» schleusen sich Reporter in Firmen und Organisationen ein, um deren Machenschaften zu zeigen.

2021: Die Schweiz erhält ein neues TV-Rechercheformat, das in begründeten Fällen die versteckte Kamera zu Dokumentationszwecken einsetzt. «Blick TV: Undercover» deckt seit 15. Februar 2021 Missstände auf.

Blick-TV-Chef Jonas Projer (40) arbeitete von 2002 mit Unterbrüchen bis 2019 für SRF. Er hat einiges mitbekommen im Leutschenbach. Also auch, welche Sendungen ziehen. Dass er nun sein Paradepferd, das auch im Papierblick breit beworben wird,  von SRF abkupfern musste, spricht nicht für die Innovationskraft seines Teams.

In einem Blickartikel reiht Blick TV sein neues Rechercheformat in die Tradition von Günter Wallraff ein. Tatsächlich ist Wallraff in Sachen Investigativ-Journalismus das Mass aller Dinge. Für Journalisten besonders interessant:  1977 arbeitete Wallraff dreieinhalb Monate lang bei Bild. Im Bestseller «Der Aufmacher. Der Mann, der bei Bild Hans Esser war» schreibt er über seine Redaktions-Erfahrungen und weist der Bild-Zeitung journalistischen Bschiss und unsaubere Recherchemethoden nach. Ein Jahr später rief Wallraff den Hilfsfonds «Wenn Bild lügt, kämpft dagegen» ins Leben. Damit wollte er Betroffenen helfen, die in die Mühlen der Bild-Berichterstattung gerieten.

Etwas, was auch Betroffene 2016 rund um den Vierfach-Mord in Rupperswil bitter nötig hatten. Stark kritisiert wurde die Arbeitsweise von Blick und Schweizer Illustrierte. Das Kleinkunst-Trio Heinz de Specht beschrieb die aufwühlende Zeit in «Nur din Job».

«… dann bist du kein A******** und auch keine dumme Sau, dann bist du kein Riesentrottel und auch keine Trottelfrau, dann bist du nicht pietätlos, bist nicht mal besonders grob, nein, dann bist du Blick-Reporter und machst nur deinen Job»

Im Clip wurden mehrere Ringier-Mitarbeiter im Bild und mit Vornamen gezeigt. Christian Weiss, Mitglied des Trios aus Zürich und St.Gallen, betonte damals gegenüber Roger Schawinski, es gehe im Song nicht nur um den Fall Rupperswil, sondern allgemein um die rücksichtslose Art von Berichterstattung. Er kenne aber Leute aus dem Umfeld der Opfer von Rupperswil, die mit diesen Methoden konfrontiert gewesen seien. «Es kann ja nicht sein, dass man dagegen nichts tun kann.» Darum sei das Lied entstanden.

So kommt der eigene Vergleich von «Blick TV: Undercover» mit Günter Wallraff reichlich zynisch rüber.

SRF kämpft bis vor den Europäischen Gerichtshof für versteckte Investigativ-Kamera

Noch spezieller wirkt die Blick-TV-Serie, wenn man sich den Gang des Kassensturzes vor den Europäischen Gerichtshof in Erinnerung ruft. SRF hat punkto Investigativ-Recherche mit versteckter Kamera nämlich einen wichtigen Präzedenzfall geschaffen und den Weg geebnet für Gefässe wie eben «Blick-TV: Undercover».

Das kam so:  2015 war ein wichtiges Jahr in Sachen Investigativ-Filmen. Wolfgang Wettstein, der damalige Redaktionsleiter von «Kassensturz» und «Espresso» schrieb dazu: «Nach sieben Jahren hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden: Medien sollen verdeckte Aufnahmen machen dürfen. Damit korrigierte es einen Entscheid des Bundesgerichts, welches zwei «Kassensturz»-Mitarbeiter verurteilte. Konkret ging es um einen Bericht aus dem Jahr 2003, in dem die Journalisten mit solchen Aufnahmen nachweisen konnten, dass Vorsorgeberater ihre Kunden über den Tisch ziehen.» Es sei enorm wichtiger Entscheid, auf den man lange gewartet habe. «Das ist ganz klar eine Stärkung des Konsumentenschutzes, aber auch aller recherchierenden Journalisten in ganz Europa», so Wettstein.

Untersucht wurden Lügereien rund um Versicherungs-Berater. «Kassensturz» 2003 hatte starke Hinweise, dass Versicherungsagenten ihren Kunden oft falsche Produkte andrehen und ging dieser Sache nach. Ohne versteckte Kamera wären SRF in Beweisnot gekommen und es hätte Aussage gegen Aussage gestanden.

Ebenfalls in die Schlagzeilen geriet SRF in einem anderen Fall. Der Kassensturz deckte 2006 auf, wie bedenkenlos Ärzte bereit sind, selbst einer Jugendlichen (konkret der damaligen Miss Argovia mit makellosem Körper) Fett abzusaugen und die Brüste zu vergrössern. Einer der Ärzte, der mittlerweile verstorbene Peter Meyer-Fürst, hatte «Kassensturz» daraufhin angezeigt, weil SRF die versteckte Kamera einsetzte.

An solche Rechercheleistungen ist Blick-TV bisher nicht herangekommen. Aber immerhin muss Ringier keinen langwierigen Prozess mehr befürchten – SRF sei gedankt.

 

 

Ex-Press XXV

Blüten aus dem Mediensumpf.

Sonntag, Früher Primeur-Tag (weil man am Samstag nur schwer eine superprovisorische Verfügung kriegte), inzwischen Gähn-Tag.

 

Ist Pensionär Müller in der NZZaS zu Selbstkritik fähig?

Felix E. Müller, die schreibende Sparmassnahme bei der Medienkritik der NZZaS, macht in Selbsterkenntnis. «Macht doch weniger Interviews», fordert er nassforsch. Sei doch nur eine Sparmassnahme, schnell gemacht, schnell Seite gefüllt. Vor allem Führungsfiguren würden doch sowieso nur «gedankliches Styropor» absondern, reine «Worthülsen».

Hoch das Glas: Müller als angemieteter Fachreferent auf grosser Fahrt.

Man ist sich sicher: das ist die Einleitung zu einer Selbstkritik. Denn ist Müller nicht selbst Autor des schnarchlangweiligen Buchs «Gespräche mit Alain Berset»? 106 Seiten gedankliches Styropor in Fragen und Antworten, für happige 29 Franken. Ein Weihnachtsgeschenk für den Bundesrat, als ihn noch alle richtig lieb hatten.

Während früher für Müller galt: nichts ist älter als seine Schlagzeile von gestern, hat er sich weiterentwickelt: nichts ist älter als sein Buch von gestern. Nur in einem ist er sich treu geblieben: Selbsterkenntnis, Selbstkritik, selbst wenn sie bei diesem Thema mit beiden Armen winkt? I wo, ach was, Müller doch nicht. Das wäre doch keine Medienkritik, sondern Kritik an einem gedanklich inkontinenten Rentner.

Wir sehen auch das Positive

Aber, wir sehen auch Positives, angesichts des bevorstehenden Prozesses in Frankreich, bei dem es darum geht, ob die 4,5-Milliarden-Euro-Busse gegen die UBS auch von der zweiten Instanz aufrecht erhalten wird, macht die NZZaS endlich mal ein lobendes Porträt von Markus Diethelm.

Und der Haifisch, der hat Zähne: Markus Diethelm.

Das ist der Chief Legal Councel der Grossbank, das dienstälteste Mitglied der Geschäftsleitung. Der mit Abstand cleverste Kopf in der Führungsetage einer Bank. Er machte das Unmöglich möglich und fabrizierte im Steuerstreit einen Vergleich, bei dem die UBS mit 780 Millionen Dollar Busse sehr glimpflich davonkam. Die CS, da sind halt andere Pfeifen am Gerät, kam mit 2,6 Milliarden an die Kasse. Ein Meisterstück. Als Opferanode musste die UBS Kundendaten ausliefern, was der Bundesrat per Notrecht bewilligte. Damit war das Bankgeheimnis Geschichte, aber die UBS gerettet.

«Willst Du es mit dem Geier aufnehmen, musst du das Spiel des Geiers spielen», soll seine Maxime sein, laut NZZaS. Interessant, so überlebt man offensichtlich bei der UBS am längsten. Nächste Bewährungsprobe: die 4,5 Milliarden müssen weg. Da er höchstpersönlich die UBS vertritt: nichts ist unmöglich.

 

Wenn der Papagei onaniert

Dieser Titel hat wirklich Potenzial, in die heilige Halle der ewig besten aufgenommen zu werden: «Hilfe, mein Papagei onaniert!» Erschwerend komme noch hinzu, dass die Vögel dabei mit 110 Phon ihr Wohlbefinden ausdrücken.

Ist das die Nuss danach? Befriedigter Papagei.

Ohne falsche Scham klärt hier die «SonntagsZeitung» über «Geile Vögel und ihre Sextoys» auf. Die Autorin zitiert sogar Fachleute auf diesem Gebiet: «Vor allem im Frühling würden Papageien und Sittiche viel onanieren. «Da sind sie alle ein bisschen verrückt»», weiss die Leiterin der Auffangstation für Papageien und Sittiche (APS) in Matzingen TG.

Aber nicht nur Vögel vögeln mit sich selbst, es gibt auch «horny Hörnchen», Schildkröten (wie die das wohl tun?), Pferde, Delphine und natürlich viele Affenarten, weiss ein britischer Wissenschaftler, der «die erste Datenbank über masturbierende Vögel» bewirtschaftet.

Ich hätte allerdings eine alternative Verwendung für diesen Titel: Könnte man den nicht über viele Werke der arbeitsplatzsichernden Mainstream-Journalisten schreiben? Vielleicht eröffnen wir hier eine neue Rubrik.

Kandidat für eine neue Rubrik

Als erster Kandidat bietet sich Denis von Burg an, der Politchef der SoZ. Mit Füssen getretene «politische Redlichkeit», «realpolitisch irr», kommt der Haltung der «Corona-Leugner nahe», «skandalös», gar «faktisch ein Putschversuch». Natürlich wird hier mal wieder «an den Grundfesten der Demokratie gerüttelt». Himmels willen, müssen unsere wehrhaften Mannen das Sturmgewehr aus dem Schrank nehmen und in Bern die Demokratie retten? Gegen wen nur, wer wagt solch finsteres Tun?

Weiss immer, wie es ist: Denis von Burg.

Oh, «bürgerliche Parlamentarier», die sich, – vade retro, Satana, schleich dich, Satan – hinter dem Ex-SVP-Präsidenten Albert Rösti scharen, wollen, nomen est omen, dass Gaststätten schon früher wieder öffnen können. Oh, sichern, Munition rausnehmen, Gewehr wieder in den Schrank. Ohne sich in den eigenen Fuss zu schiessen, das erledigt schon von Burg vom Titel abwärts: «Die Bürgerlichen verhalten sich wie in einer Bananenrepublik».

Allerdings gräbt auch die SoZ einen kleinen Streit aus, der durchaus höheren Unterhaltungswert hat. Denn Ex-Task-Force- und Immer-noch-Präsident des Schweizer Nationalfonds tritt dem bekannten Epidemiologen Marcel Tanner öffentlich kräftig in den Hintern.

Wenn zwei Wissenschafter öffentlich catchen

Mit einfachen Mitteln. Matthias Egger stellte ein Bild von Tanner auf Twitter, mit einer Aussage von ihm vom letzten Mai. «Es werde keine zweite Welle geben» hatte Tanner damals prophezeit. Maliziös ergänzt das Egger mit einem Auszug aus wissenschaftlichen Standesregeln: «Vermeiden Sie ungerechtfertigte Gewissheit.» Wunderbar, nur sollte diese Regel für alle Wissenschaftler gelten, die kakophonisch in die Pandemie hineinkrähen.

 

Ende mit kurzem Schrecken

Ach ja, dann soll es noch den «SonntagsBlick» geben. Bevor der zu quengeln beginnt: Das Interview mit dem inzwischen 80-jährigen Tom Jones ist unterhaltsam, aber vor allem wegen Jones. Das Porträt der Corona-Kreische Emma Hodcroft, die etwas unter Aufmerksamkeitsmangel leidet, ist hingegen schnarchlangweilig und überflüssig.

Topseriöse Wissenschaftlerin: Emma Hodcroft.

Und unser neuer Lieblingskolumnist Frank A. Meyer? Schimpft etwas lahm – im Vergleich zum Ausbruch beim Thema Burka – gegen den Ausverkauf der Heimat und Aufenthaltsbewilligungen für ganz Reiche. Aber die Schlusspointe reisst’s dann fast wieder raus:

«In der Schweiz ist Korruption gratis.»

 

CH+ oder CH++

Noch ein Aperçu aus dem «berühmt durch Corona»-Sumpf. Marcel Salathé, inzwischen anderweitig versorgt und der Durchstarter dank Covid19, hat aus anhaltender grosser Sorge mit 15 weiteren «Personen aus Wirtschaft und Wissenschaft» die «gemeinnützige Organisation CH++» gegründet. Dabei ist all diesen Koryphäen wohl entgangen, dass es bereits die im Handelsregister eingetragene GmbH CH+ gibt. Die zufälligerweise dem Autor gehört. Guter Start; Abmahnung wegen Verwechslungsgefahr ist unterwegs, die Chance, dass CH++ bald ins Minus rutscht, ist gross.

Stöhlker im tiefen Tal vor hohen Bergen

Der Mann wird dieses Jahr 80. Leider hat auch er den Moment verpasst, wo’s dann mal gut ist.

Das erste Mal hörte ich den Namen Stöhlker, als Elisabeth Kopp ins Kreuzfeuer der Medien geraten war. Man konnte nicht mehr mit der bald einmal Alt-Bundesrätin direkt kommunizieren, sondern wurde an einen Klaus J. Stöhlker verwiesen. «Beratung, Öffentlichkeitsarbeit», das war 1988 in der Schweiz was Neues.

Bis heute pflegt Stöhlker sein deutsches Schweizerdeutsch, das jeden Eidgenossen die Wände hochtreibt. Um Sympathiepunkte ging es ihm nie, typisch deutsche Arroganz und Besserwisserei verbarg er nie. Genauso wenig, dass er zu eigentlich allem sofort eine Meinung hat, die natürlich die einzig richtige ist.

Sein Geschäftsprinzip, mal erfolgreicher, mal weniger, war immer: man muss mich nicht mögen. Aber wenn man mich braucht, liefere ich. Lange Zeit war er auf seinen Gebieten konkurrenzlos, bis immer neue Heerscharen von um ihre Zukunft fürchtenden Journalisten auch die Einkommensquelle «kommunikative Beratung jeder Art» entdeckten.

Mit der Zeit wurde es voller beim Angebot von Beratungen

Die Konsulenten und Co. über ihm, Katastrophen-Sacha Wigdorovits unter ihm, die Angebote wucherten, aber Stöhlker hielt sich über Wasser. Bis er dann 2003 seinen Söhnen Fidel und Raoul die Geschäftsleitung übergab, um sich der Rolle des «grumpy old man» zu widmen. Als grantiger, griesgrämiger Kommentator der Weltläufe und der Schweiz. Sozusagen Waldorf und Statler in einer Person, aus der Loge ins Publikum motzend. Aber nur selten so witzig wie die Zwei.

Was ihn auch auszeichnet, ist die Pflege seines Images als unguided missile. Da ohne eigene Haltung, entschied er sich oftmals spontan für eine Position. Unvergesslich, wie das Markus Gilli bei einem Talk recht ins Schwitzen brachte. Er hatte Stöhlker als Verteidiger des Finanzplatzes Schweiz eingeladen, mich als Bankenkritiker. Aber schon mit seinem ersten Votum schlug sich Stöhlker auf meine Seite und gab mir völlig recht.

Leider konnten die Zuschauer das lange Gesicht von Gilli nicht sehen, der dann – als gewiefter Talkmaster – halt selber die Rolle des tapferen Verteidigers der Gierbanker übernehmen musste. In Stereo beharkt von Stöhlker und mir.

Soft-Rassimus gegen einen eloquenten Deutschen

Es gibt allerdings ein Thema, bei dem entgleist Stöhlker schnell. Als vor einigen Jahren Roger Schawinski in seiner Talkshow die naheliegende Frage stellte, ob die Wahl der Vornamen seiner beiden Söhne vielleicht etwas mit den Gebrüdern Castro zu tun haben könnte, wurde Stöhlker unwirsch. Denn darauf wird er zwar häufiger angesprochen, verweigert aber jede Erklärung. Als ihn Schawinski daran erinnerte, dass Stöhlker wegen «unlauterer Geschäftsmethoden» aus dem Schweizer PR-Verband ausgeschlossen wurde, feuerte Stöhlker zurück, dass das eine Art von Soft-Rassismus sei, gegen einen eloquenteren Deutschen. Und überhaupt, Schawinski diskreditiere doch wegen seiner Herkunft laufend Moslem und Araber.

Als Schawinski dies klar dementierte und nachhakte, worauf sich Stöhlker beziehe, meinte der wichtigtuerisch, er habe dazu viele Belege in seinem Dossier über Schawinski. Sozusagen ein Klein-Cincera, ältere Semester erinnern sich noch. Schawi, verständlicherweise hartnäckig, hakte nach und verlangte diese Unterlagen. Stöhlker teilte ihm schliesslich lapidar mit, es gebe gar keine solchen Dossiers. Dazu Schawinski: «Ich empfand sein Verhalten als schändlich. Das war’s für mich. Ich wollte mit diesem Typen nie mehr etwas zu tun haben.» Vergangen, aber die Beschreibung ist nötig, um es mit Stöhlkers heutiger Darstellung zu vergleichen.

Deutsche und Juden, bis heute ein schwieriges Verhältnis

Man könnte den Mantel des Vergessens, die Gnade der späten Geburt über einen Ausraster Stöhlkers legen. Wenn er nicht kürzlich sich ohne Anlass oder Not des Themas Juden wieder angenommen hätte. In einer – gelinde gesagt – absonderlichen Art. So schreibt er auf «Inside Paradeplatz»: «Einer der bekanntesten Juden in Zürich ist Roger Schawinski, der Radio- und TV-Pionier. Seine freche und manchmal beleidigende Interviewtechnik machte ihn zur Kultfigur. Er holte mich für mehr als ein Jahrzehnt in die beste Talksendung der Schweiz, den «SonnTalk» von TeleZüri. Wir lieferten uns Schlachten.»

Schon hier ist alles drin, was den Text – und damit Stöhlker – unter Verdacht stellt. Denn Schawinski ist nicht «einer der bekanntesten Juden», sondern einer der bekanntesten Medienunternehmer, Publizisten, Talkmaster. Gleichzeitig kann’s Stöhlker nicht lassen, sich in Eigenlob zu baden. Grundfalsch, wie so oft bei Stöhlker, ist auch seine Behauptung von «mehr als ein Jahrzehnt» Sonntalk. Schawinski war nur sieben Jahre, von 1994 bis 2001, Besitzer und Chef von Telezüri. Stöhlker sass nur während eines Bruchteils dieser Zeit in einer regelmässigen Runde mit Schawinski und Peter Rothenbühler.

Nun muss man wissen, dass das Verhältnis von Deutschen zu Juden bis heute ein ganz anderes ist als das von Schweizern. Dass Schawinski jüdischen Glaubens ist, hat er nie ins Schaufenster gestellt oder im Sinn der Nazikeule verwendet. Also zum Austeilen von Beschimpfungen wie «das ist brauner Antisemitismus» oder «ich darf das so sagen, ich bin Jude». Erst in seiner Autobiographie geht er auf dieses Thema ein.

Stöhlkers Meinungsstück ist überschrieben mit «Kein Platz mehr für Juden im Saastal». Dessen Einwohner hätten «erneut ein Zeichen gesetzt, dass jüdische Touristen in der Schweiz nicht unbedingt willkommen sind».

Das könnte man noch als Kritik an dieser Haltung verstehen. Aber Stöhlker streut noch weitere Beispiele in den Text, als letztes eins aus Crans-Montana: «Der Besitzer der dortigen Bergbahnen, einiger Hotels und vieler Wohnungen, ist ein tschechischer Hedge Fund-Manager jüdischen Glaubens, der laufend im Konflikt mit den Behörden steht.»

«Die aus New York eingeflogenen Sänger waren Weltklasse»

Von diesem reichen und konfliktiven, ausländischen Juden wechselt Stöhlker dann nach Zürich. Dort lobt er zuerst deren «brillanten Köpfe in der Wissenschaft, als Unternehmer oder Künstler». Als Rückversicherung erwähnt er noch: «Immer wieder besuchte ich mit meiner Frau Kulturanlässe konservativer Juden in Zürich. Die jiddischen Lieder sind grossartig. Die aus New York eingeflogenen Sänger waren Weltklasse.» Ein gerne verwendetes Argument: Ich mag schwarzen Blues, wie kann ich da Rassist sein?

Auch hier entgleist ihm das Lob, «die aus New York eingeflogenen Sänger», man hat’s ja, als Jude. Dann die «Golan-Höhen» im Zürcher Enge-Quartier, der staunende Gast in jüdischen Protzvillen: «Jeder einzelne Raum ist von einer Pracht, die auch am reichen Zürichberg immer weniger anzutreffen ist.»

Sie sind halt auch ewige Wanderjuden: «Sie kommen aus aller Welt in unsere Berggebiete und erwarten, dass man auf sie eingeht. Niemand sollte erwarten, dass sie auf uns eingehen. Sie, die Frauen vor allem, tragen gerne Vollkörper-Badeanzüge im Pool. Sie essen nur koscher. Das gefällt nicht allen unseren Hoteliers und Wirten. Solche, die sich nicht gerne umstellen.»

Respekt und Toleranz, dann geht das schon mit den Nachbarn

Am Schluss dann ein Aufruf zu «Respekt und Toleranz», der in Zürich wie im Wallis erschalle und ein optimistischer Blick in die Zukunft: «Dann gehören die Konflikte zwischen der Grüezi- und der Koscher-Kultur bald der Vergangenheit an.»

Aber nur, wenn Stöhlker, wie viele Deutsche, die noch vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs geboren wurden, zu diesem Thema die Schnauze hält. Nicht weiter grund- und sinnlos so ziemlich alle Klischees bedient, die das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden bis heute schwierig machen. Obwohl Stöhlker sich als Schweizer versteht und so auch die ewige Einleitungsfrage von Schawinski «wer sind Sie?» beantwortete, ist er beim Thema Juden ein in der Wolle gefärbter Deutscher. Mit welcher Farbe, das kann jeder Leser selbst entscheiden.

Packungsbeilage: René Zeyer publiziert gelegentlich auf «Inside Paradeplatz» zu wirtschaftlichen Themen.

Radio SRF mit schleichendem Abbau

Still und heimlich wurde die Reportagesendung Doppelpunkt beerdigt.

Der Programm-Abbau geht weiter bei SRF. Nun hat es die beliebte Reportagesendung Doppelpunkt getroffen. Einmal wöchentlich brachte SRF eine informative Magazin-Sendung, thematisch querbeet von der Gotthardbahn nach der Eröffnung des Basistunnels über den berühmten Postraub in Zürich bis zu Selbstbewusst trotz Dicksein. Die Eigenwerbung: Der «Doppelpunkt» bearbeitet gesellschaftlich, politisch, wirtschaftlich und kulturell relevante Themen aus dem Inland, die ein breites Publikum interessieren.

Nun ist Schluss damit. Auf der SRF-Website steht beschwichtigend dazu: «Das heisst jedoch nicht, dass Sie auf Hintergrundgeschichten aus dem Gesellschaftsbereich von Radio SRF verzichten müssen. Diese gibt es jede Woche bei «Input»: www.srf.ch/input».

Alle reden vom Podcast-Trend. Das Hören von Podcasts ist immer mehr Allgemeingut. Darum ist dieser Leistungsabbau von SRF doppelt irritierend. Der Doppelpunkt wurde übrigens während Jahrzehnten ausgestrahlt, hatte aber natürlich nichts zu tun mit dem legendären Doppelpunkt-Talk von Roger Schawinski.