Désordre, mon amour
Kolumnistinnen sind verwirrlich.
«Autorin» Simone Meier ist die Allzweckwaffe aus dem Hause CH Media. Sie füllt eine wöchentliche Kolumne «Glamour, mon amour» ab. Inhalt? Öhm, schwer zu sagen.
Dann betätigt sie sich als Resteverwerterin. Nachdem alle über den Absturz von Johnny Depp geschrieben haben, tut sie es auch, wobei ihr kein Kalauer zu abgegriffen ist: «Geht Johnny jetzt als Depp?» Was will sie uns damit sagen? Öhm.
Auch das Schicksal von Britney Spears ist Meier ein Anliegen. Britney wer? Ach so, ja, da war doch mal was, und was gibt es denn Neues? Öhm.
Was ist «Cancel Culture» und warum nicht?
Aber zur Höchstform läuft Meier auf, wenn es darum geht, der «Cancel Culture» kräftig Contra zu geben. Dafür braucht sie auf «watson», dem Millionengrab aus dem Hause Wanner, über 7000 Buchstaben. Aber es geht ja um alles. Denn «Cancel Culture bedroht Ihre Potenz, Ihren Job und überhaupt alles», weiss Meier.
Wer ist denn «Ihr»? Immerhin die Höflichkeitsform und gross geschrieben. Ach so, das ist einfach ein grammatikalischer Fehler, mehr nicht. Aber anscheinend meint Meier, soweit man ihr folgen kann, Leute wie Lisa Eckardt, J.K. Rowling oder Harvey Weinstein. Und – schräg aber auch – den Mohrenkopf. Was der hier zu suchen hat, das versteht nicht mal Robert Dubler, der diesen «Schaumkuss» unverdrossen herstellt. Und ihn Mohrenkopf nennt, um der «Cancel Culture» entgegenzuwirken?
Nun ja, offenbar will Meier in dieser «Analyse» zunächst eine Reihe von Personen aufzählen, die sich als Opfer der Annulierungsunkultur, von Zensur und Auftrittsverboten sähen. Darunter die Satirikerin Lisa Eckardt, die sich «als Antisemitin (miss)verstehen lässt». In Wirklichkeit liegt das Problem ganz woanders: Die Einzige, die so ziemlich alles (miss)versteht, ist Meier selbst. Unterwegs im wilden Kannitverstan.
Opfer sind keine Opfer, na und?
Denn keine dieser Figuren hat sich jemals darüber beschwert, Opfer einer «Cancel Culture» zu sein. Macht aber nix, denn damit will Meier den Leser nur schon ganz am Anfang so verwirren, dass er willenlos weiter durch ihren Text taumelt.
Jetzt muss sich der Leser bitte anschnallen und festhalten. Denn Meier setzt zu einem ganz wilden Ritt an. Nach dieser (miss)verständlichen Einleitung prangert sie «die Rechte» in den USA, aber auch «mitten in Europa» an. Sobald sie da irgendwie nicht weiterkommt, begibt sich Meier in die Geschichte zurück. Fichen in der Schweiz, die Karrieren gecancelt hätten, die McCarthy-Ära in den USA zu Zeiten der Kommunistenhysterie. Unvermeidlich muss nun natürlich der Führer sein hässliches Haupt erheben. Aber à la Meier:
«Unter Hitler wurden Juden, Menschen mit einer Behinderung, Fahrende, Kommunisten und Homosexuelle gecancelt. Und so weiter.» Wie bitte? Den industriell betriebenen Massenmord in Konzentrationslagern nennt man heutzutage «gecancelt»? Dafür verdiente Meier kräftig eins hinter die Ohren, aber das wäre ja Gewalt gegen Frauen, und intelligenter machen würde es sie auch nicht.
Unglaublich geschmacklos
Nach dieser geschmacklosen Entgleisung lässt uns Meier noch an ihrem platten Verständnis ganz grosser Bögen teilhaben: «Doch der Lauf der Geschichte schubst die Gesellschaften nun einmal ganz langsam, aber unaufhaltsam in Richtung von Gleichberechtigung und Teilhabe, von Diversität und Inklusion. Fortschritt ist unumkehrbar.»
Nun, gerade Meier lässt doch daran zweifeln, sie belegt eher: Rückschritt ist machbar, Frau Nachbar. So wie vorher Hitler für die Klimax kruder Behauptungen herhalten musste, ruft Meier nun noch die «Publizistin» Franziska Schutzbach als Zeugin auf.
Eine Anti-Demokratin als Zeugin
Man erinnert sich vielleicht: Diese militante Vorkämpferin für Zensur und Abschaffung demokratischer Spielregeln erregte Aufmerksamkeit, als sie behauptete, es könne nicht gelingen, rechtsnationale Kräfte in Europa, insbesondere die SVP in der Schweiz, «auf formal-demokratischem Weg zurückzudrängen». Sondern wenn ein Rechter, notabene ein gewählter Parlamentarier, den Mund aufmache, sollten andere Parlamentarier den Saal verlassen, Taxi- und Flugunternehmen «sollten keine Rechtsnationalen mehr transportieren».
Sozusagen die moderne Variante von «kauft nicht bei Juden». Als das Kritik auslöste, ruderte Schutzbach zurück, das sei doch nur ironisch gemeint gewesen. Aber was will uns Meier eigentlich sagen? Vielleicht geht sie völlig zu Recht davon aus, dass die Fans von Katzenbildern, lustigen Rangordnungen und ausgewählten Slapstick-Videos, die «watson» anzieht, gar nicht in der Lage sind, einen so langen Riemen überhaupt bis zu Ende zu lesen.
Pech mit dem Schreibpersonal
Da entgeht ihnen aber eine Hammererkenntnis, die Meier aus all dem Durcheinander zieht, das sie selbst angerichtet hat: «Wir befinden uns im Fluss feinnerviger Prozesse und Anpassungen.»
Ach was. Wenn ich in diesen Fluss auch eine feinnervige Anpassung schütten darf: CH Media hat schon ein Pech mit dem Schreibpersonal. Der publizistische Leiter ist ein Heuchler und beschimpft seine Brötchengeber, die Abonnenten. Und die Allzweck-Kolumnistin des Hauses hühnert und stolpert durch ihre Kolumnen, bis dem letzten Leser ganz schwindlig geworden ist.
Sparpotenzial vorhanden
Da wären endlich einmal sinnvolle Sparmassnahmen möglich. Schon alleine eine Einstellung von «watson», bei dem Jahr um Jahr der Zeitpunkt weiter in die Zukunft verschoben wird, dass die Online-Plattform jemals schwarze Zahlen schreiben könnte, würde den weiteren Abfluss von Millionen verstopfen. Schliesslich hat «watson» bereits 99 der «100 wichtigsten Fragen der Menschheit» beantwortet. Nach dieser Gewaltleistung hat es sich Ruhe verdient. Die könnte auch Meier dazu verwenden, mal Ordnung in das Durcheinander in ihrem Kopf zu bekommen.
Anmerkung: In einer früheren Version hiess es, «watson» sei aus dem Hause CH Media. Wir haben den Fehler korrigiert.