Campax sammelt Zewo-frei

Fragwürdiges um den Sammelverein.

«Unser Verein führt Kampagnen zu selbst gewählten Themen und unterstützt Menschen und Organisationen dabei, unser Land zu einem besseren Ort zu machen.» Das ist die edle Selbstbeschreibung von Campax.

Weniger edel sind Unterschriftensammlungen wie die, dass den sogenannten «Freiheitstrychlern» ihr Konto bei der Postfinance weggenommen werden soll. Die Organisation hatte sich den Zorn von Campax zugezogen, weil sie seit Monaten den alten Schlachtruf «Horus» bei ihren Veranstaltungen erschallen lässt.

«Kein Postfinance-Konto für Rechtsextreme», hetzte daraufhin Campax; ohne grosse Geschichtskenntnisse behauptete der Campax-Mitarbeiter Urs Arnold: «Nazi-Fratzen hinter der Folklore-Fassade: Die Freiheitstrychler haben bei der “Friedensdemonstration“ letzten Samstag auf dem Bundesplatz ihr wahres Gesicht gezeigt.»

ZACKBUM musste sich dann belehren lassen, dass es sich bei dieser Aktion gegen Schweizer Grundrechte (natürlich dürfen die «Freiheitstrychler» völlig legal wie jeder und alles in der Schweiz ein PC-Konto führen) nicht etwa um den Amoklauf eines Mitarbeiters handelte, sondern: «Dies ist ein Aufruf von Campax

Nun sammeln die «Freiheitstrychler» tatsächlich auch Spenden über ihr Postfinance-Konto. Auch das dürfen sie, sicher zum Ingrimm von Campax.

Allerdings macht das die Kampagnen-Organisation auch immer wieder. Nun ist es allerdings so, dass seriöse Spendensammler sich als Non-Profitorganisationen das Gütesiegel von Zewo erteilen lassen: «Gemeinnützige NPO sind auf das Vertrauen von Spenderinnen und Spendern angewiesen. Das Gütesiegel der Zewo bescheinigt, dass Ihre NPO dieses Vertrauen verdient und unterstützt sie beim Spenden sammeln.»

Die Zewo ist eine anerkannte Stiftung, die seit 1934 existiert, «bis heute ist ihr Gütesiegel ein einzigartiger Qualitätsausweis für gemeinnützige NPO, die in der Schweiz Spenden sammeln. Das Signet dient Spenderinnen und Spendern als Orientierungshilfe».

Die «Freiheitstrychler» weisen auf ihrer Spendenseite kein Zewo-Zertifikat aus. Campax allerdings auch nicht. Wie kann das denn sein? Dafür hat der Geschäftsführer eine originelle Erklärung:

«Agiles Handeln (und damit zusammenhängend auch Fundraising) gehört zum Kern der Tätigkeit von Campax. Aus diesem Grund können wir unsere Aktiviäten nicht so steuern, dass es mit den Sammelfenstern der Zewo vereinbar wäre.»

Nicht vereinbar mit den Kriterien der Zewo? Man muss zugeben, dass bislang noch keine seriöse spendensammelnde Organisation auf eine solche Ausrede kam. Das Zewo-Gütesiegel bekommt, wer sich prüfen lässt und 21 Standards erfüllt, darunter «integres und ethisches Handeln». Ob das der Stolperstein war? Mit «Sammelfenstern» meint Campax wohl den Standard: «Grosse Organisationen koordinieren und regulieren ihre Sammlungen im Sammlungskalender der Zewo.» Damit soll einfach vermieden werden, dass es zu einer Anballung von Spendenaufrufen kommt, was ja sehr vernünftig ist.

Wäre eigentlich ein Fall für die Denunziationsplattform «saegswiesisch.ch», deren «Partner» unter anderen auch Campax war. Nur leider: die Webseite existiert nicht mehr. Da kann man nur hoffen, dass dafür keine Spenden gesammelt wurden …

Was lange gärt …

Auch Tamedia verklagt den «Spiegel».

Ein «Gastbeitrag» von Anuschka Roshani hat weitere rechtliche Folgen. Die gefeuerte «Magazin»-Mitarbeiterin hatte in einem Racheartikel schwere Vorwürfe gegen Tamedia und ihren ehemaligen Chefredaktor Finn Canonica erhoben.

Der habe sie übel gemobbt und verbal belästigt, der Verlag habe sie dagegen nicht geschützt. Der «Spiegel» stellte sich hinter diese Behauptungen, er verfüge über Dokumente und weitere Quellen, die sie bestätigen würden.

Eine nähere Untersuchung der Vorwürfe ergab aber, dass sie grösstenteils nicht der Wahrheit entsprechen und nicht erhärtet werden konnten. Offensichtlich spielte beim Entstehen des Artikels eine Rolle, dass sich Roshani für den damals noch besetzten Posten des Chefredaktors beworben hatte – und abgeschmettert wurde.

Fast zeitgleich veröffentlichte die «Zeit» einen Artikel der einschlägig bekannten Salome Müller, der die Vorwürfe spiegelte, ebenfalls von angeblichen anonymen Quellen fantasierte und aus Unterlagen zitierte, die offensichtlich Roshani zur Verfügung gestellt hatte. Mehrfach dazu befragt, antwortet die «Zeit» lediglich: «Aber wie ich Ihnen bereits mitgeteilt habe, haben wir unseren ausführlichen Antworten vom 10.2. derzeit nichts hinzuzufügen. Sollten sich für uns neue Erkenntnisse ergeben, werden wir darüber selbstverständlich berichten.»

Neue Erkenntnisse wie die, dass beispielsweise von Roshani geschilderte Vorfälle an einem Weihnachtsessen gar nicht stattfinden konnten, weil dieses Weihnachtsessen coronabedingt ausfiel – was sie offenbar vergessen hatte –, scheinen der «Zeit» nicht berichtenswert.

Nachdem sich fast alle Schweizer Medien lächerlich und unglaubwürdig machten, indem sie die Anwürfe von Roshani ungeprüft übernahmen oder sogar noch ausschmückten, herrscht nun Ruhe im Blätterwald.

Canonica hat bereits Mitte März Klage eingereicht, nun zieht Tamedia einen Monat später nach. Offensichtlich dachte man lange darüber nach, ob man damit die Kollaboration mit dem «Spiegel» gefährden könnte. Aber schliesslich siegte der Ärger darüber, dass der «Spiegel» noch einen draufsetzte und deutliche Parallelen zum Fall Weinstein zog – als handle es sich hier auch um kriminelle Vergehen eines mehrfach verurteilten Sexualstraftäters.

Die Urheberin dieses gelungenen Rufmords schweigt seither eisern. Keine Stellungnahme, keine Rechtfertigung, keine Erklärung, keine Antwort auf die Frage, wieso sich die meisten ihrer Vorwürfe bei näherer Betrachtung als haltlos erwiesen.

Was bleibt: auf juristischem Weg ist hier kaum noch etwas zu retten. Der «Spiegel» wird die Klagen sicherlich die ganze juristische Leiter hinauf appellieren, und wenn dann in Jahren rechtskräftige Urteile vorliegen, interessiert das keinen mehr.

Roshani, Müller, die abkupfernden und ausschmückenden Medien, von denen kein einziges seiner eigentlich Aufgabe nachgegangen ist – nachrecherchieren, Fakten checken –, ein schmieriges Trauerspiel sondergleichen. Besonders peinlich ist das eiserne Schweigen der Gutmenschen vom «Magazin»; rückgratlose Gesellen ohne Zivilcourage, aber mit moralisch erhobenem Zeigefinger bei anderen.

Als gäbe es noch den mittelalterlichen Pranger, die Verurteilung auf Zuruf, worauf sich die Meute am Opfer gütlich tun kann – Widerwärtigeres ist in diesem Jahr in der Schweiz noch nicht passiert.

Von Riesen und Zwergen

Die UBS ist gross, der Rest der Schweiz klein.

Es ist immer wieder erfrischend, die Realität in aller Brutalität vorgeführt zu bekommen. Vor allem, wenn es um reine Machtfragen geht.

Die Schweiz ist zweifellos eine Demokratie, sogar eine direkte, die dem Stimmbürger reichlich Gelegenheit gibt, über ihn betreffende Belange mitzureden. Die Wahlen ins Parlament finden pannenfrei und korrekt statt, die Anzahl der Skandale von Politikern ist – sogar im mitteleuropäischen Vergleich – sehr überschaubar.

Hier braucht auch keine Regierung Millionenausgaben für Visagisten und Fotografen, hier fliesst nicht einmal Geld, wenn Regierende gerne positive Berichterstattung möchten. Das Ausnützen von Eitelkeiten reicht dafür.

Der Bau einer Turnhalle, einer Umfahrungsstrasse, der Steuerfuss, Tempo 30, gendergerechte Sprache, über (fast) alles kann abgestimmt und mitbestimmt werden. Das ist schön.

Manchmal geht es aber um die grossen Dinge, um reine Machtfragen. Wer hat das Sagen, das letzte Wort, wenn es um wirklich bedeutende Entscheidungen geht? Das Stimmvolk, seine Vertretung das Parlament, der Bundesrat, Behörden und Ämter und Institutionen wie die Nationalbank oder die Finanzmarktaufsicht FINMA?

Spätestens seit dem 19. März ist (wieder einmal) klar: wenn es hart auf hart kommt, haben all diese Gremien nichts zu sagen. Sind Statisten in einem Spiel, das von anderen gespielt wird. Es hatte etwas rührend Klägliches, wie ein sachfremder Bundespräsident mit ernster Miene vom Blatt las, was man ihm aufgeschrieben hatte. Es hatte etwas berührend Ärmliches, als eine fachunkundige Finanzministerin vom Blatt las, was sie nicht im Ansatz verstand.

Am Tisch sassen noch ein überforderter Präsident der Nationalbank, der seit der fatalen Einführung der Untergrenze zum Euro eine Schneise der Zerstörung hinterlässt. Und irgend jemand von der FINMA, an die sich sowieso niemand mehr erinnert. Dazu Plisch und Plum von der Credit Suisse, die keinerlei Schuldbewusstsein zeigen wollten dafür, dass sie die traditionelle, grosse den Namen der Schweiz im Titel führende Bank gegen die Wand gefahren hatten.

Und dann sass da noch ein kantiger Ire, der sich das Gequatsche simultanübersetzen liess, obwohl es ihn eigentlich nicht sonderlich interessierte. Denn Colm Kelleher wusste: der Einzige, der hier das Sagen hat, bin ich.

Der VR-Präsident der UBS wusste schon lange, dass die Credit Suisse in ernsthaften Schwierigkeiten steckt. Er wusste schon lange, dass die sinnvollste Abhilfe eine zeitweise Verstaatlichung, die Stützung mit unbegrenzter Liquidität durch die SNB, eine Auswechslung des unfähigen Managements und der anschliessende Börsengang wäre.

Das wäre sinnvoll, zum Vorteil der CS, des Schweizer Staates, des Steuerzahlers, des Finanzplatzes. Aber nicht zum Vorteil der UBS. Und Kelleher geht es einzig um den Vorteil der UBS. Daran ist auch nichts auszusetzen, das ist seine Aufgabe, dafür wird er bezahlt.

Wie es ihm dann allerdings gelang, die Bundeszwerge, die überforderte Regierung, die nichtsnutzige FINMA über den Tisch zu ziehen, das ist schon bedenklich. Wie er mit steinerner Miene am Tisch sass und zuhörte, wie die Marionetten brav ihre Texte aufsagten, es ist bewundernswert, wie er seine Gesichtszüge im Griff hatte und nicht gelegentlich ein breites Lächeln aufsetzte.

250 Milliarden Liquidität, im Notfall sicher noch mehr, 9 Milliarden Risikoübernahme, ein lächerlicher Kaufpreis von 3 Milliarden, keine Arbeitsplatzgarantie, keine Standortgarantie, keine Garnichts, Kelleher hätte sich am Anfang der Verhandlungen sicher nicht träumen, lassen, dass er mit allen seinen unverschämten Forderungen glatt durchkommt.

Und die Vierte Gewalt, die Medien? Von ein, zwei Ausnahmen abgesehen ein begleitendes Trauerspiel. Inkompetentes Gequatsche von überforderten Journalisten, die bei einer Bilanz nicht mal wissen, wo links und rechts ist.

Und als Sahnehäubchen eine Sondersession des Parlaments wie in Nordkorea. Mit dem einzigen Unterschied, dass dort immer einstimmig der Regierung zugestimmt wird. Das Schweizer Parlament wagte es dagegen, wofür es von den Medien streng gerügt wurde, seine Zustimmung zu verweigern. Nur: spielt überhaupt keine Rolle. Ist völlig egal. Das Parlament hätte auch fordern können, dass die CS die UBS übernimmt. Reine Folklore.

Der einzig ernsthafte Vorschlag, das «too big to fail»-Problem dadurch zu lösen, dass es keine solchen übergrossen Dinosaurierbanken mehr gibt, wurde von den grössten Versagern in der Debatte, der SP, versenkt.

Kelleher wird es sich sicher nicht angetan haben, dieses Kasperltheater anzuschauen und sich übersetzen zu lassen. Aber als man ihm auf Englisch eine Kurzzusammenfassung lieferte, hat er sicherlich herzlich gelacht und sich einen doppelten Teeling Single Grain oder vielleicht einen Bushmills eingeschenkt. Verdient hat er’s.

Fremdschämen

Einfache Aufgabe: Tiefpunkte suchen.

Wer qualitativ Hochstehendes aufspüren will, hat’s in den Schweizer Medien schwer. Bei der Suche nach Tiefergelegtem hat man die Qual der Wahl …

Als Opener Lebenshilfe im Gratis-Segment von «20 Minuten».

Da kann auch «nau.ch» locker mithalten. Geheimnis Autositz, gaaaanz einfach erklärt.

Aber auch im Bezahl-Bereich wird’s nicht viel besser, wie CH Media beweist. Was sich heutzutage Essay nennen darf …

Der «Blick» versucht’s mangels News mit Nicht-News …

Die neuen Kolumnisten bei Tamedia hangeln sich von Tiefpunkt zu Tiefpunkt.

Das Problem von Benimm-Ratgebern ist, dass das Thema bereits so ausgelutscht ist, dass nicht einmal der NZZ noch was Originelles einfällt.

Wer allerdings vom Zwangsgebühren-TV SRF qualitativ höherstehende Lebenshilfe erwartet, wird enttäuscht.

Natürlich haben wir uns den absoluten Tiefpunkt bis zum Schluss aufgespart, er stinkt, wie sollte es anders sein, aus «watson».

 

WoZ oder «Republik»?

Der Nahvergleich kennt einen klaren Sieger.

Natürlich kann die «WochenZeitung» auf eine deutlich längere Geschichte zurückblicken. Sie wurde 1981 gegründet. Der Nukleus war die monatliche Beilage «Das Konzept» vom «Zürcher Student». Seither erscheint die Wochenzeitung ununterbrochen.

Die «Republik» begann 2017 mit 16’000 Abonnenten als reine Online-Publikation. Inzwischen gibt sie 29’651 «Verleger» an, von denen 24’430 im letzten Monat «aktiv» gewesen sein sollen. Die WoZ verzeichnet rund 20’000 Abos und hat eine Leserreichweite von 102’000.

Das Jahresabo kostet bei der «Republik» 240 Franken, nur digital, bei der WoZ 295.-, unabhängig, ob nur digital oder digital plus Print. Die WoZ ist als Genossenschaft Infolink organisiert und hat zudem einen Förderverein. Ausserdem kooperiert sie mit der «Le Monde Diplomatique». Die «Republik» ist als «Projekt R Genossenschaft» und «Republik AG» aufgestellt, die beide als Holding funktionieren. Die WoZ beschäftigt laut Impressum ingesamt 56 Mitarbeiter, die «Republik» 65, ohne feste Freie.

Die WoZ zahlt einen Einheitslohn von 6000 Franken im Monat, die «Republik» von 8000, Zusatzeinkünfte durch Mandate oder andere Pöstchen nicht gezählt. Die WoZ weist Erträge von rund 5,5 Millionen Franken, plus Spenden, auf. Die «Republik» hat ihr Budget auf 8,3 Millionen Franken erhöht.

Die WoZ liefert wöchentlich rund 33 Artikel ab, die «Republik» rund 25, Tageszusammenfassungen und Ankündigungen mitgezählt.

Die WoZ hat in ihrer ganzen, langen Geschichte ein einziges Mal einen Bettelaufruf erlassen, um aus einer finanziellen Bredouille herauszukommen. Die «Republik» macht das seit Gründung regelmässig; das letzte Mal Ende 2020, als mit Selbstmord per Ende März 2021 gedroht wurde, sollten nicht Millionenspenden zusammenkommen.

Die WoZ hat eine einheitliche Genossenschaftsstruktur ohne Grossinvestoren, die «Republik» hängt im Wesentlichen von den Investitionen der Meili-Brüder ab. Die WoZ erscheint mit Werbung, die «Republik» ist werbefrei.

Während die WoZ weitgehend rumpelfrei ihrer Arbeit nachgeht, macht die «Republik» immer wieder mit Querelen von sich reden. Der erste Chefredaktor wurde abgesägt, sein Nachfolger a.i. nicht definitiv bestätigt und durch zwei neue a.i. ersetzt, die dann endlich den Status definitiver Chefredaktor erlangten. Nach dem Mitgründer Constantin Seibt zog sich der erst kürzlich an Bord gekommene VR Roger de Weck schon wieder Knall auf Fall zurück; ihren Rücktritt kündigten ebenfalls die beiden letzten verbliebenen VR an.

Das mag im Zusammenhang mit möglichen Haftungsfolgen stehen; die «Republik» ist in ein Steuerproblem in der Höhe von knapp einer Million Franken verwickelt. Um die Aufstockung des Budgets zu finanzieren, will die «Republik» diesen Frühling auf mindestens 33’000 Abonnenten kommen, was illusorisch zu sein scheint.

Die «Republik» machte immer wieder mit angeblichen Skandalen von sich reden, die bei genauerer Betrachtung wie ein Soufflé in sich zusammenfielen. Die letzten Male waren es unbelegte Angriffe auf einen Schweizer Kita-Betreiber und die ETH Zürich. Seither ist es diesbezüglich eher ruhig geworden. Die WoZ hatte noch nie eine Enthüllung zu relativieren. Allerdings ist sie kürzlich mit einem Rufmord an einem TV-Kommentator in die Schlagzeilen gekommen, dem faktenfrei Rassismus vorgeworfen wurde.

Ein Vergleich des Inhalts auf formaler Ebene zeigt, dass die «Republik» auch dank Internet zu Textlängen neigt, die modernen Leseverhalten diametral entgegenstehen. Das geht bis zu absurden Fortsetzungsgeschichten über Tamedia oder Google, die den Umfang von halben Büchern und eine entsprechend niedrige Einschaltquote haben. Wenn auch die WoZ gelegentlich zu Länglichkeiten neigt, hält sie sich doch im Printkorsett normalerweise an verträgliche Längen, zudem pflegt sie einige Gefässe mit Kurzstoffen.

Während in der «Republik» Themen wie Wokeness, Genderprobleme, multiple Diskriminierungen überproportional vertreten sind, bemüht sich die WoZ (auch) um eine Berichterstattung mit Schwerpunkt Politik und Wirtschaft, konsequent aus linker Perspektive.

Ein inhaltlicher Nahvergleich wäre eine schöne Aufgabe für eine Seminar- oder gar Diplomarbeit. Aber auch aufgrund all dieser Eckdaten und Angaben ist es klar, dass die WoZ sowohl inhaltlich wie vor allem auch finanziell viel stabiler dasteht als die «Republik».

Auch ein oberflächlicher Vergleich der Inhalte ergibt eindeutig, dass die WoZ die Nase vorne hat und pro Ausgabe immer ein, zwei oder mehr Artikel publiziert, die die Lektüre lohnen. Bei der «Republik» können oft Wochen vergehen ohne einen einzigen lesenswerten Beitrag.

Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die WoZ ihre inzwischen 42-jährige Geschichte noch einige Zeit fortsetzen wird. Es ist genauso wahrscheinlich, dass die «Republik» bei einer ihrer nächsten Bettelaktionen nicht mehr genügend Unterstützung erfährt (oder ihre Ankerinvestoren die Nase voll haben) und dann nach lediglich sechs oder sieben Jahren den Betrieb einstellen wird.

 

Kennen Sie Jule?

Jule Stinkesocke? Nein? Müssten Sie auch nicht.

«Alles nur geklaut?» So titelt die «Süddeutsche Zeitung» einen Bericht über eine Bloggerin, die über ihr Leben als querschnittsgelähmte Ärztin in Hamburg berichtet. Oder auch nicht, denn es gibt viele Indizien, dass das ein Fake ist:

Gleich zwei Autorinnen der SZ mäandern sich durch diese sehr deutsche Geschichte. Denn der Blog erregte im Norden Aufmerksamkeit, wurde schon 2012 zum «besten deutschsprachigen Blog» gewählt, in einer Abstimmung der «Deutschen Welle».

Nun scheint aber das Profilbild von einer australischen Pornodarstellerin zu stammen und die querschnittsgelähmte Ärztin gar nicht zu existieren. Auf jeden Fall sind Blog und Twitter-Account offline. Das ist natürlich für Deutsche in Deutschland, vor allem für Hamburger in Hamburg, eine Story. Falls die Leser nicht wegschnarchen bei der «Republik»-Länge des Artikels von über 11’000 Anschlägen.

Nun ist diese Story schon für München etwas sehr weit im Norden angesiedelt. Na und, sagt sich da der Qualitätskonzern Tamedia mit seinen Qualitätstiteln:

Anderer, schlechterer Titel, anderer, schlechterer Lead, der Rest ist nur geklaut. Also übernommen, wie man das vornehmer ausdrückt, wenn man dafür bezahlt, Artikel von der SZ zu übernehmen, die nicht das Geringste mit der Schweiz oder Schweizer Lesern zu tun haben. Sei das ein ehemaliger Münchner Oberbürgermeister, der über sein Verhältnis zu Katzen schreibt, sei das eine Unternehmerwitwe aus Nördlingen – oder sei das ein Fake-Profil einer norddeutschen Bloggerin.

Der Gipfel ist aber, dass Tamedia die Geschichte seinen Lesern nur hinter der Bezahlschranke serviert. Auch bei der SZ kommt man nicht gratis an ihn ran, aber mit einem «Probeabo Basis» für schlappe € 1.99 kann man ihn und alle weiteren Artikel der SZ vier Wochen lang lesen.

Bei Tamedia, also bei «Tages-Anzeiger», also für den «Tages-Anzeiger» kostet das «Basic Monatsabo» stolze 15 Franken. Allerdings ist bei Neuabschluss der erste Monat gratis. Eine weise Entscheidung, denn wer will ernsthaft für solchen Schrott etwas bezahlen? Für einen Stinkesockenartikel?

Apropos, eine Momentaufnahme der Homepage vom Tagi am 12. April 2023, nachmittags. Aufmacher oben links: «Wie Panzer an die Front kommen», hinter Aboschranke. Übernommen von der SZ. Daneben «Kommentar zu US-Geheimdienst-Leak», übernommen von der SZ. «Italien verschwindet», übernommen von der SZ. «Promo für neuen Roman», NICHT von der SZ übernommen. Aber von Nora Zukker.

«Deutschland will Besitz und Anbau von Cannabis erlauben», NICHT von der SZ übernommen. Dafür von der SDA. «Myanmars Militär mit tödlicher Attacke», SDA. «Nach Trump-Anklage», NEIN, nicht SZ, auch nicht SDA. Sondern AFP.

«Wo sind die Milliarden der russischen Zentralbank?», wieder SZ. «Peking fürchtet sich vor künstlicher Intelligenz», AFP.  Und so weiter, und so fort.

Preisfrage: Will die Tx Group, Pardon, Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger» mit angeflanschten Kopfblättern, will der Konzern mit diesem Angebot Leser gewinnen oder verjagen? Leser dazu animieren, Geld in die Hand zu nehmen oder Leser dazu motivieren, das Abo zu kündigen? Nur so als Hinweis zuhanden von Pietro Supino. Oder vielleicht möchte Raphaela Birrer darüber nachdenken. Das wäre aber sinnlos.

Schwurbler Surber

Man könnte ja einfach einen Fehler zugeben. Aber doch nicht die WoZ.

Ein Ruefer-Hasser ging des Längeren mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Satz des TV-Kommentators Sascha Ruefer hausieren. CH Media munkelte etwas darüber, die NZZ lehnte vornehm ab. Aber Renato Beck, ehemals gescheiterte «TagesWoche», nun WoZ, griff begeistert zu und beging einen üblen Rufmord an Sascha Ruefer.

«Dabei war der Satz klar rassistisch», behauptet Beck, dafür hätte er auf dem Spielfeld die rote Karte gekriegt. Schon alleine für das sinnlose «dabei». Zudem dafür, dass er einen off-record-Satz aus einem einstündigen Interview mit Sascha Ruefer zitiert.

Dabei wollte Ruefer nur – etwas ungeschickt – klarstellen, dass der Captain der Fussball-Nati kein typischer Schweizer sei, was aus dem Kontext klar hervorgeht. Die NZZ zitiert ihn: «Ruefer fragte den Interviewer, warum Xhaka jeden aufrege. Und er gab die Antwort selber: weil Xhaka alles sei, nur nicht Schweizer. Der Interviewer lachte

Die WoZ landete mit ihrer Denunziation einen medialen Erfolg und wurde fleissig zitiert. Nun könnte sie es dabei bewenden lassen und sich bei Ruefer entschuldigen. Das würde Grösse und Anstand zeigen.

Über beides verfügt Beck nicht. Statt auf höflich-kritische Fragen von ZACKBUM zu antworten, keift er: «Sie auch noch? Sind Sie jetzt im bürgerlichen Mainstream angekommen?» Was für ein Kläffer.

An seiner Statt ergreift nun der Co-Leiter Kaspar Surber das Wort – und lässt es lange nicht los. Er orgelt drauflos: «eine migrations- und medienpolitische Einordnung», als dürfte er den Leitartikel der NZZ schreiben. Surber könnte nun etwas ganz Einfaches tun. Eingestehen, dass Beck Scheisse gebaut hat, einen Aufreger herbeischrieb, unfair, blöd, unprofessionell.

Surber könnte hinzufügen, dass Becks hasserfüllte Art, allen den Mund verbieten zu wollen, die nicht seiner Meinung sind, eigentlich keinen Platz in einer pluralistischen WoZ hat. Er könnte bestätigen, dass das Volkshaus durchaus auch einem Ganser, einem Rima, einem Thiel einen Saal vermieten darf. Vielleicht sogar einem Zeyer.

Stattdessen schwurbelt Surber los, dass es eine Unart hat. «Ein Satz als Chiffre», «ein Satz von ausgrenzendem Charakter», der Satz stehe «für den Umgang der Schweizer Gesellschaft mit Migration in den vergangenen drei Jahrzehnten». Eine Nummer kleiner hat es Surber nicht.

Dann dreht er weiter Locken auf der Glatze, wahrscheinlich ohne zu wissen, von wem diese grossartige Beschreibung seines Tuns stammt. Getarnte «menschenrechtswidrige Diskriminierung», «Othering», «struktureller Rassismus», «Alltagsrassismus», «rechtspopulistische Avantgardepartei SVP hetzt gegen Zuwanderung», «eine Äusserung wird nicht als Teil eines politischen Diskurses begriffen, sondern personalisiert». Immerhin fällt ihm hier auf, dass die WoZ selbst genau das tat.

Dann schäumt er in die Zielgerade: «Gerade das Fernsehen kann neue Vorstellungsräume schaffen und blendet doch häufig postmigratorische Realitäten aus.» Wer diesen Satz versteht, sollte anschliessend unbedingt Quantenphysik und Feldtheorie studieren.

Schliesslich beschwert sich Surber noch darüber, dass niemand den Satz in seinem Kontext direkt zitieren dürfe und dass die WoZ nicht zur Visionierung des Rohmaterials des Interviews eingeladen wurde. Dabei müsste Surber wissen, dass es da ein Copyright-Problem gibt und dass es sowohl SRF wie Ruefer völlig freigestellt ist, mit wem sie reden wollen – und dabei den Verursacher dieser Schmiere aussen vor zu lassen.

Schliesslich habe die WoZ die «Sorgfaltspflicht nicht verletzt», beurteilt sie sich selbst, als wäre sie eine kleine Ausgabe des Presserats. Abschliessend wird haarspalterisch behauptet: «Die WOZ hat Ruefer nie als Rassisten verunglimpft.» Auch der «später bekannt gewordene Kontext ändert unseres Erachtens nichts am ausschliessenden Charakter der fraglichen Äusserung».

Selbst ohne Ockhams Rasiermesser kann man ganz einfach diesen Ballon voller Sprachmüll ritzen. Bloss mit einfacher Logik. Wenn Ruefers Satz «ausgrenzenden Charakter» habe, dann gibt es also so etwas wie «den Schweizer». Gäbe es den nicht, könnte Ruefer nicht ausgrenzen. Gibt es «den Schweizer» aber, dann ist das die Beschreibung einer bestimmten Mentalität, Verhaltensweise, Kultur, Denkungsart. Damit ist nun keinesfalls eine Rasse gemeint, also kann die Behauptung einer Nicht-Zugehörigkeit nicht rassistisch gemeint sein.

Oder aber, der «Schweizer» ist eine Rasse. Erst dann ist man im Bereich des Rassismus. Ob Surber das meint? Darf man ihn dann selbst als Rassisten bezeichnen? Dass sich jemand wie Xhaka selbst nicht als rassenreiner Schweizer fühlt, was interessiert das den Surber. Wer «rassistisch» sagt, muss selbst einen klaren Begriff von Rasse haben, wie sieht der bei Surber aus? Er hat keinen, der Schwurbler, aber wie kann er dann die Denunziation «rassistisch» verteidigen, wenn er nicht mal sagen kann, was eine Rasse denn eigentlich sei?

In seinem Verteidigungswahn geht Surber noch einen Schritt weiter: ««Du bist vieles, aber halt doch kein Schweizer»: Wie oft haben Migrant:innen diese Wertung bei ihren täglichen Bemühungen um Anerkennung schon gehört oder gespürt

Nun wirft er sich noch paternalistisch zum Verteidiger von angeblich unter Ausgrenzung leidenden Migranten auf. Was er bei diesem Geschwurbel übersieht: Hat irgend ein Anwohner der Schweiz mit Migrationshintergrund gegen diesen Satz von Ruefer protestiert? Nein, das haben nur stellvertretend Leidende gemacht, Dumpfbacken wie Beck oder Surber. Blöder war eigentlich – eine Leistung – nur Tamedia. Der Konzern titelte tatsächlich: «Ohne Gegenbeweis ist SRF-Reporter Sascha Ruefer kaum zu retten».

Es lässt sich kein Gegenbeweis erbringen, dass Tamedia nicht völlig am Verblöden ist.

Was bleibt: ein Woke-Wahnsinniger hat einen rausgehauen. Aufgrund eines off-record-Satzes, aus dem Zusammenhang eines einstündigen Interviews und aus dem Mikrozusammenhang gerissen. Der Beckmesser wirft sich zur moralischen Instanz und zum Inquisitor auf; dieser Satz sei «klar rassistisch». Die Medienmeute japst hinterher, bis sie sich eines Besseren belehren lässt und von den Vorwürfen gegen Ruefer Abstand nimmt.

Die WoZ hätte die Gelegenheit gehabt, eine Woche danach den Fehler einzuräumen und sich für ihren Mitarbeiter zu entschuldigen. Damit hätte sie wenigstens gezeigt, dass ihr das Einhalten journalistischer Anstandsregeln wichtiger ist als die Verteidigung eines misslungenen Artikels.

Stattdessen schwurbelt Surber intellektuell dermassen bescheiden los, dass er den Schaden an der Reputation der WoZ noch deutlich vergrössert, wie auch Leserreaktionen zeigen. Dabei kann sein Sprachmüllballon mittels einfacher Logik ohne grossen Aufwand zum Platzen gebracht werden.

Beck ist peinlich, aber Surber konnte das noch steigern. Was bedenklich ist: er schreibt diesen Stuss, liest ihn durch, gibt ihn in die Produktion – und keiner in der WoZ hat die Eier (oder Eierstöcke), um zu sagen: wollen wir uns wirklich noch mehr lächerlich machen?

 

 

NZZ und die IT

Eigentlich ist die alte Tante bei IT vornedran. Eigentlich.

Die NZZ hatte als Erste ein eigenes Korrekturprogramm für Texte entwickelt. Als Erste ihre Ausgaben auf CDs (das sind so silbrig glänzende Scheiben) zugänglich gemacht. Und war sowieso ziemlich vorne dabei bei allem, was mit IT zu tun hat.

Sie überlebte sogar das unselige Wirken eines Peter Hogenkamp, der mit vollmundigen Ankündigungen einstieg und dann nach mieser Performance einen unheimlich schwachen Abgang hinlegte.

Zurzeit sieht es aber so aus, als sei die IT-Infrastruktur an der Falkenstrasse doch nicht über jeden Zweifel erhaben. Die NZZ ist Opfer eines Cyberangriffs geworden. Das ist heutzutage leider normal. In der bösen weiten Welt des Internets sind jede Menge Black Hats unterwegs. Es gibt die Fraktion, die bezahlt Schaden anrichtet. Den Teil, der damit Geld verdient. Und schliesslich Hacker, die es aus purem Spass an der Freud machen.

Ein beliebtes Vorgehen besteht darin, sich in das CMS oder die IT-Plattform eines Unternehmens zu hacken und dort dann wichtige Teile zu verschlüsseln. Um wieder Zugang zu erlangen, wird dem Unternehmen Lösegeld abgepresst. Das ist weltweit ein Multimilliardengeschäft.

Im Gegensatz zur althergebrachten Methode, ein Familienmitglied wird entführt und gegen Lösegeld wieder freigelassen, ist dieser Ransom-Angriff  viel ungefährlicher für den Kriminellen. Es gibt keinen Direktkontakt, das Lösegeld wird in einer Kryptowährung bezahlt, mit einem Countdown bis zur Zerstörung der gesperrten Inhalte kann Druck aufgebaut werden.

Normalerweise wird ein solcher Überfall innert Tagen geregelt. Bei der NZZ scheinen die IT-Probleme, von denen auch CH Media betroffen ist, aber seit inzwischen zwei Wochen anzudauern. Was in der digitalen Welt eine kleine Ewigkeit ist.

SDA will wissen, dass eine Lösegeldforderung gestellt wurde; der Verleger von CH Media, die ebenfalls IT-Dienstleistungen von der NZZ bezieht und auch nur in reduziertem Umfang erscheint, hatte das noch vor Kurzem dementiert.

Die NZZ teilt hingegen schmallippig mit, dass man mit externen Spezialisten an einer Behebung des Problems arbeite. Aufgrund einer «rollenden Entwicklung» könne man aber nicht sagen, wie lange das noch dauern werde.

Nun ist natürlich kein System unknackbar, und die IT-Infrastruktur eines Verlags ist durchaus eine komplexe Sache. Hier gibt es alleine über E-Mail unzählige mögliche Einfallstore. Allerdings ist normalerweise der Kern eines solchen Systems speziell und aufwendig geschützt. Zu den Selbstverständlichkeiten gehört, dass die Inhalte ständig gespiegelt werden, also ein oder mehrere Back-ups existieren. Selbst wenn sich ein Trojaner mitspiegeln lässt, kann so normalerweise durch ein Reset der Zustand vor der Attacke wieder hergestellt werden. Auch hier ist alles eine Frage von Aufwand und Ertrag.

In der Annahme, dass die NZZ durchaus vorne dabei ist, was Sicherheitsmassnahmen im IT-Bereich betrifft, ist also die Frage, wer einen solchen Aufwand betreibt, um dann im Vergleich zu einer wirklich reichen Firma ausgerechnet bei der NZZ Lösegeld einzufordern.

Aber da die alte Tante natürlich aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskünfte erteilt, sind das alles Spekulationen. Wer auch immer der Angreifer ist: die anhaltende Beeinträchtigung – so musste anscheinend die Samstags-Ausgabe bereits am Donnerstag produziert werden, damit das ganze System heruntergefahren werden konnte – belegt einmal mehr, wie unglaublich abhängig faktisch alle Unternehmen von IT und Internet sind.

Es ist offenbar nicht einmal möglich, einen vergleichsweise einfachen Prozess wie das Herstellen druckfertiger Vorlagen aus Text und Bild zu substituieren, wenn die IT ausfällt oder angeschlagen ist.

Mario Stäuble

Die Kommentare sind noch der Untergang von Tamedia.

«Die Unabhängigkeit der CS geopfert, die Stabilität des Finanzsystems gesichert.» Das habe der Bundesrat getan, behauptet der frischgebackene Inlandchef von Tamedia. Frisch degradiert zeigt er ungefähr so viel Sachkompetenz wie Finanzministerin Karin Keller Sutter.

Die hat gerade vom Nationalrat eine zwar nur symbolische, aber dennoch schallende Ohrfeige gekriegt. Denn die Volksvertreter lehnten das Notrecht-Gemurkse des Bundesrats ab. Damit bewiesen sie mehr Fachkenntnis als Bundesrat, Nationalbank, FINMA und Stäuble zusammen.

Denn jedem vernunftbegabtem Menschen muss es klar sein, dass die Lösung, eine strauchelnde Dinosaurierbank zu «retten», indem man sie in einen noch grösseren Dinosaurier transplantiert, grotesk schlecht ist. Dass das wieder per Notrecht in höchster Eile geschah, macht aus der Groteske eine Tragödie.

Was wird passieren, sollte die UBS – wie bereits zehn Jahre nach ihrer Gründung 1998 – wieder am Abgrund stehen und nur durch künstliche Beatmung mit Milliarden Staatsgeldern gerettet werden könnte? Das stellte damals 66 Milliarden ins Feuer. Bei der CS sind es bereits 259 Milliarden. Wie viele müssten es bei einer neuerlichen UBS-Rettung sein? Die Bank ist nun dreimal grösser als die CS, man rechne.

Also tat der Nationalrat das einzig Vernünftige, obwohl das folgenlos bleiben wird. Es ist ein Unding im Gemurkse, dass per Notrecht gefasste Beschlüsse alternativlos sind. Weder vom Parlament, noch vom Stimmvolk überprüft oder korrigiert werden können.

Aber statt diese naheliegenden Probleme zu thematisieren, kritisiert Stäuble, dass Parteipolitik betrieben worden sei: «Man spürt: Es ist Wahljahr.» Das hat was, aber dann müsste der kompetente Kommentator vielleicht kritisieren, dass die SP zunächst einem sinnvollen Vorschlag der SVP zur Lösung der «too big to fail»-Problematik zustimmte, dann aber aus rein parteitaktischen Gründen auf dem Absatz kehrt machte und ihn versenkte. Angeführt von der Schnellschwätzerin Jacqueline Badran.

Aber das will Stäuble seinem linksliberalen Publikum nicht zumuten. Stattdessen versteigt er sich zu einer absurden Behauptung: «Das Parlament sendet Signale des Misstrauens aus – wenige Wochen nachdem der Bund mit einem dreistelligen Milliardenbetrag einen Bank Run gestoppt hat. Mit ihrem Widerstand unterlaufen SP, Grüne und SVP die Strategie des Bundesrats, um jeden Preis Stabilität zu garantieren.»

Der Mann hat keine Ahnung. Der Bundesrat hat, wenn seine Behauptung stimmt, dass die CS alle Eigenkapitalvorschriften erfüllt und solvent gewesen sei, keineswegs einen Bank Run gestoppt. Er hat vielmehr einen Notverkauf der Bank erzwungen. Ob er damit Stabilität hergestellt hat, ist mehr als fraglich.

Aber Stäuble zeigt dem Parlament, wo der Hammer hängt: «Statt Lösungen zu debattieren, betreiben die Parteien Wahlkampf.»

Als Stammtischmeinung nach dem zweiten Halbeli durchaus akzeptabel. Als Kommentar des Inlandchefs des zweitgrössten Medienkonzerns der Schweiz inakzeptabel.

Die GV der CS hat immerhin die Vergütung der Geschäftsleitung der Krisenbank abgelehnt – Quittung für Unfähigkeit. Stäubles Kommentar steht hinter der Bezahlschranke bei Tamedia. Ist zwar nichts wert, kostet aber. Wäre es da nicht naheliegend, dass auch der Tamedia-Leser die Honorierung von solchem Unfug verweigern dürfte? So als Anregung Richtung Supino.

Medien Suisse

Ein repräsentativer Querschnitt durch die Niederungen.

Wir könnten nun die «Financial Times», das «Wall Street Journal» oder «The Economist» genauer anschauen, wie die über die CS-Pleite berichtet haben. Dabei würden wir aber blau und grün vor Neid, was im angelsächsischen Raum für Qualitätsjournalismus möglich ist.

Also lassen wir das und schauen, was am 11. April 2023 über die CS erschienen ist. Am späten Vormittag zählt die Mediendatenbank SMD insgesamt 96 Treffer für das Stichwort «Credit Suisse». Darin sind natürlich all die Doppeltreffer durch den Kopfblattsalat bei Tamedia und CH Media inbegriffen.

cash.ch macht etwas ganz Originelles; es erteilt dem «Chefdenker Andrew Garthwaite» von der CS das Wort: Wie er schreibe, sei «die Stimmung unter Aktienanlegern gar nicht mal so pessimistisch. Der Stratege wähnt die Aktienmärkte deshalb auch weiterhin in einem schleichenden Bärenmarkt».

Schleichender Bärenmarkt, eine Auskunft des «Chefdenkers» einer gescheiterten Bank? Schleich di, wie der Bayer da sagt.

Sowohl Tamedia wie die NZZ erfreuen den Leser mit einem Erklärstück zur Sondersession zur CS, die an diesem Tag begann. Da wird dieses und jenes erklärt, dabei wäre die Zusammenfassung ganz einfach: «Im Vorfeld zeichnet sich ab, dass die Parlamentarier die Kredite billigen dürften», schreibt die NZZ wie immer vornehm zurückhaltend.

Oder anders formuliert: nachdem die SP mit einer Kehrtwende den einzig sinnvollen Vorschlag der SVP abgeschossen hat, dass das Parlament den Bundesrat beauftragen soll, eine Gesetzgebung auszuarbeiten, mit der die sogenannten systemrelevanten Banken so gesundgeschrumpft werden, dass keine Staatsrettung mehr nötig ist und man sie im Fall der Fälle wie jedes andere Unternehmen auch abwickeln könnte, wird an dieser Sondersession genau nichts passieren.

Das mäandert sich dann durch den Medienkuchen. «zentralplus», «blick.ch», «finews.ch», «watson», «20 Minuten», «srf.ch», «nau.ch», «bluewin.ch», «Handelszeitung», SDA, man wähnt sich wieder einmal in Nordkorea, so uniform ist die Berichterstattung.

Tamedia wagt sich sogar zur Frage vor: «Was bei einem Nein des Parlaments zu den Milliardenkrediten passiert». Abgesehen davon, dass es das nicht geben wird: nichts.

Einzig «Inside Paradeplatz» bringt etwas Farbe ins Druckergrauschwarz: «In Einladung zu Aktionärsversammlung schrieb Grossbank von 24 Mrd. Jahresverlust. Offiziell sprach sie stets von 7,3 Mrd. Verlust.» Denn Lukas Hässig hat sich nochmal die Einladung zur letzten GV der CS genauer angeschaut. Und behauptet kühn: «Die Geschichte mit der CS, die noch am Freitag vor ihrem Verschwinden alle Kapital- und Liquiditätsvorgaben erfüllt habe, muss möglicherweise neu geschrieben werden.»

Das ist erfrischend. Aber es ist auch beelendend, weil daneben keinerlei Hintergrundberichte erscheinen. Die muss man dann wohl wieder in der FT, dem WSJ oder dem «Economist» lesen. Beziehungsweise die deutschen Versionen, wenn die hiesigen Medien dort abgekupfert haben …