I’ve seen the future, baby

Sang einst Leonard Cohen. Ist das die Zukunft des Journalismus?

Hier ist nichts echt, oder eben alles:

«Channel 1 will alles nutzen, was KI kann, um damit die Nachrichtenbranche zu verändern», berichtet die NZZ.

Zwei Ami-Unternehmer haben das Startup «Channel 1» gegründet. Die Moderatoren, die hier gezeigt werden, gibt es zum Beispiel wirklich. Sie haben an Channel 1 das Recht verkauft, aus ihnen Atavare machen zu dürfen. Die gezeigten Ereignisse sind entweder «echt», oder es wird ausgewiesen, dass die Bilde von einer KI generiert wurden.

In weiteren Ausbaustufen sollen Algorithmen das Verhalten des einzelnen Users messen – und ihm entsprechend seiner Präferenzen eine individuelle Auswahl von News präsentieren – samt entsprechender Kommentierung und politischer Färbung.

Nun kann man einerseits vor einer zunehmend fragmentierten Realitätswahrnehmung warnen, wo jeder sich nur noch in seiner Gesinnungsblase bewegt und nicht mehr mit ihr widersprechenden News belästigt wird. Auf der anderen Seite hat es sogenannte objektive Nachrichten noch nie gegeben. Auch was die Schweizer «Tagesschau» serviert, ist eine kommentierte Auswahl von Ereignissen rund um den Globus und in der Schweiz. Häufig unangenehm verfärbt.

Die NZZ gibt ein Beispiel, was so generierte News bedeuten könnten: «Es ist gut vorstellbar, dass etwa im jetzigen Krieg genug Menschen in Israel und Gaza dazu bereit wären, vor Ort Videos und Statements aufzunehmen, die mit einer Tiktok-artigen News-App gestreamt werden könnten

Dass immer wieder TikTok erwähnt wird, hat seinen guten Grund. Denn wie auf immer mehr Gebieten hat auch hier China die Nase vorn:

«Bereits vor Tiktok gab es von dem chinesischen Konzern dahinter, Bytedance, eine Nachrichten-App. Sie heisst Toutiao und hat in China 300 Millionen monatliche Nutzer. Die meisten sind unter 35 Jahre alt und verbringen im Durchschnitt 70 Minuten täglich mit der App. Dabei konsumieren sie aber nicht nur Nachrichtenvideos. Die Beiträge stammen aus traditionellen Medienhäusern, von Live-Streams, aber auch von persönlichen Accounts. Die Ersteller bekommen einen Anteil der Werbeeinnahmen.»

Wo führt das hin, wo soll das enden? Ist das das Ende der Nachrichten, wie wir sie kennen? Ist das reiner Orwell, wo der Big Brother mitten im Satz plötzlich den Feind von eben zum Freund von jetzt macht, wo nichts mehr feststeht, keine Überprüfung an einer Wirklichkeit mehr möglich ist?

Auf der anderen Seite: das ist doch auch heute schon so. Noch niemals zuvor in der Geschichte war der normale Nutzer dermassen schlecht darüber informiert, was sich beispielsweise im Ukrainekrieg oder im Gazastreifen abspielt. Ganz zu schweigen davon, dass viel schlimmere Schlachtfelder völlig aus dem Fokus der Medien in Europa oder im deutschsprachigen Raum geraten sind.

Ist es nicht heute schon so, dass beispielsweise Tamedia ganz extrem die Teilnehmer an einer bestimmten Gesinnungsblase mit ihnen genehmen News füttert, allen Berichten über Hassfiguren wie Donald Trump oder Viktor Orban oder Präsident Putin einen Spin, eine Einfärbung gibt, die von einem Bemühen um handwerklich korrekte Darstellung meilenweit entfernt ist?

Es ist wohl so: KI ist «the next big thing», wie Steve Jobs selig das genannt haben würde. Wie bei allen fundamentalen Umwälzungen (siehe Internet) ist am Anfang überhaupt noch nicht absehbar, welche Anwendungsmöglichkeiten sie hat und welche Auswirkungen.

Nur eines scheint bereits klar zu sein: 08/15-Journalismus wird schon bald nicht mehr von Menschen generiert. Schlechte Nachricht für 08/15-Journalisten aller Orten …

4 Kommentare
  1. Jürg Casanova
    Jürg Casanova sagte:

    Nicht nur die Nutzer sind schlecht informiert darüber, was in der Welt, insbesondere in Kriegen vor sich geht. Auch die Journalisten haben ihre Propagandabrille auf, werden bei Besuchen nur an der einen Front in warme Nester geführt, wo auch schon mal alte Panzer abgefackelt werden, um sie den Journalisten als eben überstandene Opfer der Kämpfe zu verkaufen. Und wie wollen Mainstreamkonsumenten informiert sein, wenn sie die unterirdische Berichterstattung der Mainstreamjournalisten lesen und die unglaubwürdigen Filmli aus den Krisengebieten konsumieren. Den meisten Journalisten ist überhaupt nicht bewusst, dass ihre seichten Berichte in Windeseile durch die KI ersetzt werden können und sie betrachten es immer noch als lustige Bereicherung. Schon bald wird ihnen das Lachen vergehen, wie übrigens auch den Ärzten, Lehrern, Verkäufern, Lokführern, Piloten usw. usf. und auch allen weiblichen Angehörigen dieser Berufsgattungen. Personalisierte Berichterstattung und Werbung wird als Aufmerksamkeitszeugnis verstanden, während ich sie als überaus lästig empfinde. Was wirklich auf der Strecke bleibt ist die Neugier, ein wesentlicher Bestandteil des Lebens, um sich in der Welt, vor allem auch in fremden Welten zu orientieren und sich über Erkenntnisse Wissen, Verständnis und wirkliche Toleranz anzueignen.

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  2. Robert Holzer
    Robert Holzer sagte:

    Bei TA Media etwas über den Skandal bei der SZ gelesen? Eben.
    Titelzeile aus der Berliner Zeitung: «Skandal bei Süddeutscher Zeitung: Chefredaktion durchsucht eigene Redaktion».
    Klasse Thema für das TA-Recherchedesk. Dennoch, Fehlanzeige. Die eigene Glaubwürdigkeit zu untergraben geht selbst in Kreisen sog. Journalisten irgend wie gar nicht.

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  3. Ast
    Ast sagte:

    Klar, das wird so kommen. Gegen unangenehme Gefühle hilft das sicher vorübergehend, gegen die Schneeflockenschmelze, es heisst ja: was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss. Fahrenheit 451 lässt grüssen.
    – Sollte es nicht Avatar heissen?-

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