Abziehender Nebel

Ein Chefredaktor ist noch kein Unternehmer.

ZACKBUM hat eine hohe Meinung von Markus Somm als Chefredaktor. Als er bei der «Basler Zeitung» am Gerät war, konnte René Zeyer dort Artikel veröffentlichen, die im heutigen Weichspülerjournalismus undenkbar wären. Frontalangriffe auf die Credit Suisse, eine Serie über die Räuberhöhle Liechtenstein, und so weiter.

Da sah man rote Köpfe, es trudelten die üblichen Drohschreiben der üblichen Anwaltskanzleien ein – Somm kümmert das nicht; er vertraute darauf, dass der Autor wusste, was geht und wo die Grenzen liegen. Zu recht. Kaum war Somm weg, war es fertig mit der BaZ.

Dass der von Somm bewunderte Christoph Blocher die BaZ verkaufte und sich stattdessen ein Gratiszeitungs-Imperium im Printbereich zulegte – niemand ist vor Fehlentscheidungen gefeit.

Dann gelang es Somm, mit einer kühnen Idee immerhin rund 80 Investoren dazu zu bringen, je 100’000 Franken lockerzumachen. er selbst investierte natürlich auch. Aber selbst bei oberflächlicher Betrachtung von aussen kamen schwere Zweifel, ob das eine gute Idee sei.

Angefangen beim Namen «Nebelspalter», dazu die kreuzfalsche Wahl eines vermeintlichen Gurus, der ältere Herren ohne grosse Ahnung vom Internet flachquatschte. Ein teures proprietäres CMS bastelte, anstatt Open Source zu verwenden, als Geschäftsführer und Inserateverantwortlicher krachend versagte. Eine Paywall-Fixierung in Absurdistan. Nichts gratis, keine Versucherli, Content kostet, wir haben nix zu verschenken, war die Devise. Völlig beratungsresistent war Somm dann auch noch. Ein Crack auf diesen Gebieten mit Leistungsausweis schied im Krach und hat noch Rechnungen offen.

Dazu die üblichen Start-up-Dummheiten. Zu schnell und zu gross aufgeblasene Payroll, unübersichtliche Strukturen, teure Büros, verkniffenes Schweigen gegen aussen über die Zahlen. ZACKBUM veröffentlichte als Erster, dass es jämmerliche 4000 Abonnenten waren, die über die Monate zusammenkamen. Schlimmer noch: ausser Philipp Gut schaffte niemand einen Primeur, einen Knaller, eine Geschichte, die von den Medien aufgenommen werden musste.

ZACKBUM hat mehrfach und ausführlich und besorgt kritisiert. Denn eine dritte kompetente Stimme aus dem konservativ-liberalen Lager täte der Schweiz gut. Aber eine runde Million Startkapital ist schneller verröstet, als es sich der Möchtegern-Unternehmer so vorstellt.

Inzwischen sollen es rund 4500 Abonnenten sein. Nicht nichts, aber weit entfernt von einer tragfähigen Basis. Zweieinhalb Jahre nach dem Start ist die Zwischenbilanz bitter. Rund 800’000 Franken Aboeinnahmen, läppische Inserate, ein wenig schlapper «Sponsored Content», von den vielen, sehr vielen Werbemöglichkeiten macht nach wie vor kaum einer Gebrauch. Kein Wunder, es geht nicht nur um den TKP, sondern vor allem um den Traffic, und der ist weiter so dünn, dass keine Zahlen veröffentlicht werden.

Hinzu kommt: you never get a second chance to make a first impression. Man kann das alles zuquatschen, Fehler machen gehöre dazu, man lerne, man werde besser. Die Wahrheit ist: viel zu spät wurde das Ruder herumgerissen. Der unfähige IT-Mensch, Geschäftsführer und Werbeverantwortliche gefeuert. Nachdem Unsummen verballert wurden. Die Work Force wurde radikal und brutal geschrumpft. Sichtbar sind eigentlich nur Markus Somm, Dominik Feusi, dazu ein wenig Axel Reichmuth oder Daniel Wahl.

Das Impressum zählt immer noch 12 Redaktoren, dazu neun «ständige Mitarbeiter». Als Reputationsmanagement leistet man sich tatsächlich noch eine «Assistentin der Chefredaktion». Das ist ungefähr so lächerlich wie die «Stabsstelle Chefredaktion» der «Republik».

Eigentlich wäre ja die Brainpower vorhanden. Konrad Hummler ist der Präsident des Verwaltungsrats, dazu Sandro Rüegger. Ob der auch nicht mehr so neue «Geschäftsführer und Verkauf» Christian Keller bislang was gewuppt hat, lässt sich von aussen schwer beurteilen. Er legte die Axt an die auswuchernde Payroll, wobei es dem Vernehmen nach zu eher unschönen Abgängen kam. Aber sonst?

Somm sagte unlängst: «Die 80 Investoren wollen ein Medium, das aufrüttelt.» Aber stattdessen wird einfach durchgeschüttelt. Kosten gespart, strikte Paywall gespült, schon wieder ein neuer Webauftritt, dazu schon wieder eine Werbekampagne. Dazu so originelle Sachen wie Werbevorspann vor dem Artikel – oder zahlen. Also alles das neu durchdeklinieren, was andere schon längst probieren.

Aber das alles ist ja Kosmetik. Sogar die «Republik» schaffte es gelegentlich, mit aufgeblasenen Skandalen die Reichweite zu erhöhen. Dass die dann zusammenfielen wie Soufflees, das ist halt der Unfähigkeit der dortigen Schreibkräfte zuzuschreiben.

Andere Geschäftsleitung, alles Geld schon wieder in den Ofen schieben, das für das erste Redesign ausgegeben wurde, als man einsah, dass der Seitenauftritt und das teure CMS schlicht und einfach Schrott waren. Nun zum dritten Mal neu.

Auch das wird in die Hose gehen, und dann werden die Investoren wohl ernsthaft darüber nachdenken, ob sie schlechtem Geld weiter gutes hinterherwerfen wollen. Nach zweieinhalb Jahren kann man schlecht wiederholen, dass man halt noch am Üben sei.

Was es bräuchte, sind keine Ankündigungen oder selbstkritischen Worte. Sondern die Einsicht, dass Somm als Unternehmer und als Chefredaktor versagt hat. Er schreibt zwar mengenmässig wie ein Weltmeister und bereichert mit seiner Fistelstimme jede Talkrunde, die nicht die Türen vor ihm verrammelt.

Aber was es wirklich bräuchte, wäre Content. Content wie Primeur, wie Skandal, wie «kann man nicht übersehen». Content wie «darüber spricht man in der Öffentlichkeit». Content wie: «an dieser Analyse kommt man nicht vorbei». Aber wer sich schreiberisch und verbal so verausgabt wie Somm, der hat dann keine Zeit mehr, sich um das Wichtigste zu kümmern, was ein Chefredaktor tun sollte: Themen setzen, für Resonanz sorgen, harte Recherchen ansetzen, für Trouble sorgen (lassen). Und auch wichtig: die Abläufe im Griff behalten. Da muss zeitweise ein tolles Chaos geherrscht haben.

Mit einem Wort: Bestandteil des politischen Diskurses werden, an dem man schlecht vorbeikommt. Das muss halt kantig und provokativ, aber gut sein. Denn freiwillig würde Tamedia niemals, CH Media nur bedingt und die NZZ nur im Ernstfall etwas aufnehmen, was der «Nebelspalter» enthüllt hat.

Ach, und nur so als Anregung. Elon Musk traut sich, Logo und Namen von Twitter zu ändern. Kann in die Hose gehen, muss aber nicht. Hier wäre es ein klares Signal, dass man es wirklich nochmal wissen will, wenn man sich vom Namen «Nebelspalter» trennte. Man kann aus einem gehobenem, etwas angestaubten Witzblatt kein scharfes Politmagazin machen – unter dem gleichen Namen.

Das ist bereits ein Grundlagenirrtum. Und wenn ein Geschäft, eine Firma auf so was aufbaut, dann ist sie – bedauerlich, aber unvermeidlich – zum Untergang verurteilt.

 

 

13 Kommentare
  1. Daniel Röthlisberger
    Daniel Röthlisberger sagte:

    ja leider funktioniert das nicht. Grundidee ist gut. Etwas machen dass aufrüttelt und hinterfragt – neue Schreiber wie Somm die vor nichts Angst haben – da es fundiert geschrieben ist und nicht einfach «aus der Hüfte geschossen…»

    Der Name Nebelspalter ist mir zu brav, zu antiquiert. Schon mein Grosspapi hatte den «Nebi» abonniert. Heute ist es ungemein schwieriger ein «Witzli» zu zeigen – ohne dass es gerade wieder mal zu einem shitstorm kommt, nur weil JEMAND sich irgendwie beleidigt fühlt.

    Ev. klappts mit der Neuausrichtung – «Nebelspalter» ist der falsche Name. Klar haben die
    «Stammleser» das Abo gekündet – Ist ja neu ein kritisches Politmagazin – zum lachen gibt’s nicht mehr viel – oder gar nichts. oder das Lachen bleibt einem stecken im Hals – was da alles abgeht – und Politik, Medien etc. schauen weg…..

    Neuer Name – mehr Dampf und noch mehr aufzeigen was falsch läuft. das wär’s !

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  2. Remo
    Remo sagte:

    Als ich das das erste mal sah, konnte ich es kaum glauben was auf Nebelspalter.ch kam.

    Ja, es ist ein «Grundlagen-Irrtum» wie Zeyer es höflich umschreibt. Im Grunde genommen ist es eine wirklich groteskesk anmutenden Dummheit.

    Leider. Somm hätte auch ein Auto-Magazin übernehmen können und dann dort in der Printausgabe das Auto-Magazin bestehen lassen können und in der Digitalausgabe ein Velo-Magazin aufschalten können. Oder ähnlich groteske Veranstaltungen machen können.

    https://schweizerzeitung.ch/eine-prognose-fuer-das-nebelspalter-projekt-von-markus-somm/

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  3. Manfred
    Manfred sagte:

    Wenn ich etwas über die slawischen Untermenschen in Russland lesen will, brauch ich den Somm nicht. Das gibt’s anderswo schon bis zum Erbrechen – auch ohne Bezahlschranke.

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  4. Damian Weibel
    Damian Weibel sagte:

    Feusi links-liberal? Das zeigt, wie rechts das Publikum von Zackbum teilweise steht. Kein Wunder. Aber ja, Somm und Feusi allein würden für die Publizistik genügen, dazu noch ein bisschen Technik. 800’000 Aboeinnahmen ist übrigens viel zu grosszügig gerechnet. Kaum jemand zahlt voll, gibt es doch am Laufmeter Rabatt aus vielen Gründen. Und wieso zahlen? Ostschweiz, Paradeplatz, Zackbum und viele mehr gibt es gratis. Auch der Weltwoche laufen die zahlrenden Abonnenten davon. Lustig ist beim Nebelspalter am Schluss, dass 80 mehrheitlich anonyme Feiglinge mit Geld ihre 8 Millionen versenkt haben, weil sie tatsächlich an Somm glaubten. Gerne würde ich die Podcast-Zahlen kennen, wenn er nicht von Feusi und Somm kommt. Ich vermute, sie sind unterirdisch.

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  5. René Küng
    René Küng sagte:

    Gutes Geld nachwerfen?
    Da ging’s zur spannenden Grundsatz-Debatte, wie gut und wie lange her es mit diesem vor allem ‹alten Geld› ist.
    Allein schon der delikaten Frage, wer ist denn wie reich geworden, hier bei uns?
    Oder etwas weit weg für unsere Optik, wo kommt die Kohle her, damit ein Elon Musk mit Milliarden das Weltall voll hängt?
    Geschweige, wer ihm die Erlaubnis gibt, wo das ‹Recht› her kommt, auch noch den luftleeren Raum zuzumüllen mit Kriegsgerät…….

    In Ehren, wenn er Sie Herr Zeyer zu Wort kommen liess in seiner daneben immer flacher werdenden BaZ. Aber Ihre Feststellung trifft für den Nebelhalter wie alle Vernebler und Stiefellecker des alten und neuen Kapitals der Schweizer Medienszene, veramtete inklusive: wer die richtigen Fragen stellen würde oder die zum Himmel schreienden Schweinereien in ALLEN Bereichen unserer maroden Gesellschaft thematisieren möchte,
    der wird entlassen.

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  6. Reto Studer
    Reto Studer sagte:

    Feusi ist der Falsche. Ein tendenziell links-liberaler Journi mit Beisshemmungen, der geliebt werden möchte. Deshalb auch total zahnlose und langweilige Artikel. Besser Millius oder Zeyer zur rechten Hand machen.

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    • Lahor Jakrlin
      Lahor Jakrlin sagte:

      Feusi ist nicht «links-liberal», sondern liberal. Liberal ist eine offene Haltung, also weder halb-sozialistisch noch halb-bünzli.
      Die Probleme des Nebelspalter sind andere, im Artikel m.E. sehr gut analysiert.
      Leider.

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  7. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Es wäre zu bedauern, wenn es der Nebelspalter nicht schaffen würde. Gestern hat die Weltwoche einen lesenswerten Bericht vom Nebelspalter übernommen: Die woke Postfinance verhinderte eine Überweisung von 150 Euro an eine Russin die in Deutschland lebt. Auch „Bern einfach“ ist mit Somm und Feusi sehr lebendig und hörenswert. Alle weiteren Berichte komplett von Bezahlung abhängig zu machen, ist jedoch kreuzfalsch und schade für deren Inhalte.

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  8. Alois Fischer
    Alois Fischer sagte:

    Die Generation, die den Nebi noch kannte, schätzte und abonnierte ist verschwunden. Eigentlich Zeit für eine Wiederkehr oder zumindest etwas viel zu viel Nostalgie – sollte man meinen?
    Gut beschrieben was zur Flaute führte und leider denjenigen recht gibt, die davor warnten. Was aber stossend ist, ist die Tatsache, dass der Nebelspalter (warum nur?) sich konstant weigerte, eine echte Diskussion samt harter Kritik an der Jekami-Bastelstube für Möchtegernjournalisten mit viel Influenzerinnenfeeling samt grauenhafter Ausrichtung Richtung Boulevard, zuzulassen. Als «Nettikette» getarnte Zensur als falsch verstandener Schutz für den Nachwuchs und vielleicht auch für die angeblichen Cracks brachten Desinteresse und Ablehnung statt neue Abonnenten.
    Jetzt , wo irgendjemand ganz oben es geschnallt hat, scheint es wie üblich zu spät zu sein.
    Was bleibt ist die grösste Coronaerkenntnis bar jeder Wissenschaft: Hinterher ist man immer …!
    Schade für die überlebenden Zugpferde, aber die Tatsache, dass nicht nur Grüne und Sozialisten nicht «Wirtschaft» können, sondern auch Gutmenschen mit liberalkonservativen Träumen nicht automatisch gute Unternehmer sein müssen ist und bleibt eine Tatsache. Leider.

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