Zu Kreuze kriechen

Die Tamedia-Interpretation des Schweizerkreuzes.

Die USA poltern mal wieder gegen die Schweiz. Da gibt es eine sogenannte Helsinki-Kommission. Das ist eine eigentlich völlig unbedeutende Behörde der US-Regierung. Aber sie wird gerne benutzt, um gegen andere Staaten zu fäusteln. Auch gegen die Schweiz.

Da toben profilneurotische US-Parlamentarier herum. Duftmarke: «Wir können nicht zulassen, dass das Bankgeheimnis der Schweiz die westlichen Mächte daran hindert, korrupte Politiker zu isolieren», sagt ein US-Senator, der wahrscheinlich nicht mal in der Lage wäre, die Schweiz von Schweden zu unterscheiden.

Russische Vermögen in der Schweiz, lasche Suche nach Oligarchengeldern, angeblich unkontrollierter Rohstoffhandel, offener Dual-Use-Handel mit Russland. Also der Export von Gütern, die sowohl zivil wie militärisch genutzt werden können. Kein Klischee zu abgenutzt, um es hervorzuziehen.

Fakt dagegen ist: während die Schweiz bereits 7,5 Milliarden Dollar russischer Vermögen eingefroren hat, sämtliche jeglicher Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechende Sanktionen der USA und der EU übernimmt – in eklatanter Ritzung der Neutralität – und mit Schweizer Gründlichkeit allen Verdachtsfällen nachgeht, sieht das in den USA ganz anders aus.

Dort wurden bislang – soweit man weiss, denn mit Transparenz hält man es dort nicht so – knapp eine Milliarde russischer Vermögen arretiert. Obwohl die USA das Paradies für russische Oligarchen waren. In den USA stehen nebenbei die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, von denen nicht nur der gesamte lateinamerikanische Drogenhandel profitiert. Wer sein Geld steuerneutral und sicher vor jeder Kontrolle lagern will, muss nach Delaware, Texas oder Florida.

Die USA sind nicht beim AIA, beim  Automatischen Informationsaustausch über Anlagen von nicht im Anlegerland steuerpflichtigen Personen, dabei. Die USA erpressen mit ihrem Dollar-Clearing hingegen alle Finanzhäuser der Welt, ihnen unilateral alle Daten auszuliefern, auf die sie lustig sind. Stichwort FATCA.

Während sie selbst normalerweise Auskunftsbegehren ignorieren. Und diese Weltmacht der Heuchelei und Doppelmoral fällt mal wieder über die Schweiz her. Im triumphalen Bewusstsein, dass man die Eidgenossen auch schon im Steuerstreit rechtsimperialistisch zu Kleinholz verarbeitet hat. Mit dem Erfolg, dass es seither in der Schweiz kaum mehr unversteuerte Vermögen gibt, weil die meisten in die USA geflüchtet sind, wo sie nichts zu befürchten haben.

Nun also Russland, Oligarchengelder, Handel, Exporte. Dabei sind der grösste Exporteur von Dual-Use-Produkten –  die USA bis heute. Aber wer unangefochtene Weltmacht ist, mehr Militärtbudget stemmt als die nächsten zehn Staaten der Welt zusammen, wer Besitzer der Weltwährung Dollar ist, der muss sich nicht gross um Moral, Anstand, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit kümmern.

Also wird dort gepoltert und gekeift, am liebsten nach der Devise: USA gross und mächtig, Schweiz klein und schmächtig. Als einzige Verteidigung eines Kleinstaates gäbe es das pickelharte Insistieren auf der eigenen Rechtssouveränität. Also schlichtweg darauf, dass in der Schweiz Schweizer Gesetze gelten – und angewendet werden. Und dass sich der Rechtsstaat Schweiz sicherlich nicht vom Wildweststaat USA sagen lassen muss, was Recht und was Unrecht sei.

So müsste das sein, aber Tamedia zuvorderst zeigt wieder einmal, was weinerlicher Kriechgang ist. So kommentiert Wirtschaft-Redaktor Jorges Brouzos in gebückter Haltung: «Die Schweiz hat die Angriffe auf Bankenplatz und Rohstoffhandel durch eine Kultur des Wegschauens erst ermöglicht.»

Zwar fällt es selbst ihm auf, dass in dieser Helsinki-Kommission absurder Schwachsinn geredet wird. Aber das hindert ihn nicht daran, selbst über die Schweiz herzufallen: «Der lasche Umgang mit Anwälten, Treuhändern und Vermögensverwaltern macht unser Land angreifbar. Das war auch der Grund für den harschen Brief der G-7-Staaten an den Bundesrat vom letzten April. Darin wurde die Schweiz aufgefordert, «verdächtige Finanzstrukturen aktiv zu untersuchen»».

Die EU fordert die Schweiz auf? Das Geldwäschereiparadies Deutschland, die Steuerhinterzieherinsel Luxemburg, Malta, Italien, Spanien? Im Ernst jetzt? Aber das sei laut Brouzos nicht alles. Da gäbe es noch den Rohstoffhandel. Der zwar wie kaum in einem anderen Land der Welt so kontrolliert ist wie in der Schweiz. Aber mangels Sachkenntnis behauptet der Tamedia-Redaktor: «Dass es die schweizerischen Behörden nicht schaffen oder nicht schaffen wollen, verlässliche Angaben über den Rohstoffhandel in der Schweiz zu erhalten, ist höchst fragwürdig

Welche «verlässliche Daten» sollen nicht erhältlich sein? Welche verlässliche Daten gibt es über die Rohstoffbören in New York, London, Singapur, Dubai oder Hongkong?

Dass die USA rechtsimperialistisch und mit dem unschlagbaren Argument «wer ist hier der Stärkere?» immer wieder über die Schweiz herfallen – verständlich. Dass es Kreuzkriecher wie Brouzos gibt, die ihnen dabei Recht geben, ist sowas von peinlich, unreflektiert, uninformiert, dass es beim Lesen weh tut.

Es hat überhaupt nichts mit Patriotismus oder Vaterlandsverteidigung zu tun, freche Übergriffe von absurd unwichtigen Komitees zurückzuweisen, die einfach mal testen wollen, ob es Gegenwehr gibt. Ginge es nach Brouzos, würde die Schweiz ein weisses Kreuz in einer weissen Flagge schwenken. Glücklicherweise geht es nicht nach ihm.

 

8 Kommentare
  1. René Küng
    René Küng sagte:

    und um die Erbschuld der Amerikaner von deren Schultern zu mindern:
    die, die die Menschen und Kultur des vorigen Americas weggeputzt haben, waren mehr unsere Vorfahren als wir freiwillig darüber nachdenken möchten.

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  2. René Küng
    René Küng sagte:

    America ist ein grossartiges Land, mit mindestens so ‹vielen› feinen klugen Menschen wie hier oder anderswo. Und der gleichen Mehrheit, die eigentlich vor allem ein Dach überm Kopf, was zu essen und Frieden für ein etwas humanes Leben wünschten, wie alle Mehrheiten in ALLEN Ländern dieser Welt.

    Herr Zeyer schreibt von den kriminellen, gierigen, unersättlichen Konglomeraten der USA und leider sind ihre Brüder und Q*oten in unserem Land ihre best brothers&sisters, gleich nach deep down London……

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  3. Rolf Karrer
    Rolf Karrer sagte:

    Bemerkenswerte Gedanken.

    Dem einflussreichen US-Economisten Joseph Stiglitz sollte endlich die Frage gestellt werden, weshalb die USA Facta und AIA nicht anerkennt. Geblendet hocken Journalisten vor seinen zahlreichen monotonen Referaten. Niemand hat dem Professor je die Frage gestellt, weshalb sich die USA dieses internationalen Regeln der westlichen Welt verweigert.

    Grossartig vermerkt: «Ginge es nach Brouzos, würde die Schweiz ein weisses Kreuz in einer weissen Flagge schwenken».(es gab da in den 70er Jahren den Friedensapostel Max Daetwyler, der mit seiner weissen Fahne schweizweit demonstrierte).

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  4. Schorschli
    Schorschli sagte:

    Danke Herr Zeyer. Sie sind der Einzige, der diese dreckigen Machenschaftgen der USA klar und deutlich formulieren. Ich habe noch in keiner Zeitung solch klare Statement gelesen. Die Amis nutzen nur ihre Macht aus und wollen ihr Faustrecht auf Schweizer Recht übertragen. Die Deutsche Bank wurde auch wieder mit einer grossen Busse belegt, nur weil etwas den Amis nicht gepasst hat. Amerika ist und bleibt ein Unrechtstaat. Alle kleinen Staaten kriechen vor diesem Druck, den die ausüben. Unser Bundesrat hat sowieso kein Rückgrat. Da wird nur abgenickt, wenn die Amis drohen.

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  5. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    Eine Methode des linken Kampfes: Der einheimischen Leserschaft soll durch solche Fällen vermittelt werden, wie sehr sie sich gefälligst zu schämen hat, wie falsch, isoliert und geächtet dieses Land doch sei.

    Die Schweiz steht für beinahe alles, was die Linke verabscheut. Sie hassen dieses Land abgrundtief. Doch das ist blosse Projektion, da diese zutiefst verbitterten Lebensversager sich selbst verachten.

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  6. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Danke, René Zeyer, für diesen Artikel!

    Wenn man sich einmal erpressen lässt, wird man immer erpresst!

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