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Es ist eine Sauerei

Hier gäbe es Grund zur Aufregung. Auch ausserhalb der NZZ und der «Weltwoche».

Die USA spielen Weltpolizist. Was früher Kanonenboote und der «Big Stick» waren, sind heute Sanktionslisten und der Besitz der Weltwährung Dollar.

Die NZZ konstatiert trocken: «Wer als Unternehmen oder Einzelperson auf der Sanktionsliste des amerikanischen Finanzministeriums landet, steht vor dem finanziellen Ruin.» Das geht kurzgefasst so: es gibt die US-behörde Ofac. Diese durch nichts als ein uraltes Gesetz legitimierte Dunkelkammer kann auf Anordnung des Präsidenten jede beliebige Firma, jede beliebige Person auf der Welt auf eine Sanktionsliste setzen. Darauf stehen zur Zeit rund 12’000 Personen.

Begründung: eigentlich überflüssig, es wird ein Verstoss gegen die unzähligen Sanktionen vermutet, die die USA unterhalten. In jüngster Zeit natürlich gegen Russland. Beweise, Belege, Gerichtsverfahren, Möglichkeit zur Gegenwehr? Nicht vorhanden.

Oder nur theoretisch. Denn vor einem allfälligen Ergebnis ist der Betroffene ruiniert. Denn wer auf diese Liste kommt, wird von allen Finanzinstituten gemieden, als hätte er eine ansteckende tödliche Krankheit. Konten werden begründungslos gekündigt, Kreditkarten funktionieren nicht mehr, Guthaben werden eingefroren. Denn alle Finanzdienstleister haben Schiss, dass sie sonst auch ins Visier der Amis geraten könnten.

Und die drohen dann einfach damit, die Benützung der Weltwährung Dollar zu verbieten. Können sie, und das ist der Tod innert 24 Stunden für jedes Geldhaus der Welt. Oder in den Worten der NZZ: «Experten sprechen von einer «finanziellen Todesstrafe». Selbst die staatliche Postfinance, die in der Schweiz eigentlich einen Grundversorgungsauftrag hat, bemüht sich darum, solche Kunden loszuwerden

Konkret geht es darum: «Was es bedeutet, als Einzelperson vom Bannstrahl der USA getroffen zu werden, erleben die Anwälte Andres Baumgartner und Fabio Delcò derzeit am eigenen Leib. Es sind ihre Namen, die seit dem 30. Oktober neu auf der Sanktionsliste der USA stehen. Sie betreuen in ihrer Anwaltskanzlei im Zürcher Kreis 1 seit Jahrzehnten vornehmlich Russisch sprechende Kunden.»

Aber im Gegensatz zu vielen anderen, die peinlich berührt schweigen und versuchen, irgendwie davonzukommen, wehren sich die beiden Anwälte: «Es gab gegen uns nie ein Straf- oder Disziplinarverfahren, geschweige denn eine Verurteilung. Weder in der Schweiz noch in den Vereinigten Staaten.»

Die Schweiz führt nur Sanktionen der EU sklavisch aus, keine der USA. Also würde das theoretisch bedeuten, dass dieser Bannfluch des Ofac in der Schweiz keine Wirkung haben dürfte. Sonst wäre das ja ein rechtsimperialistischer Übergriff in die Souveränität des Schweizer Rechtsstaats, der in seinem Wirkungsbereich keine fremden Vögte zulassen sollte.

In der Realität ist’s aber anders, die Schweizer Banken kriechen schon wieder zu Kreuze, wie der Strafrechtsprofessor Marcel Niggli auf den Punkt bringt: «Aus einer Risikoperspektive ist das Vorgehen der Banken daher verständlich, aus einer rechtsstaatlichen Perspektive ist es aber katastrophal.»

Richtig Wischiwaschi wird es, wenn der Rechtsprofessor und Bankenbüttel Peter V. Kunz das Wort ergreift: «Eine Grossmacht wie die USA kann machen, was sie will.»

Genau das ist aber das Problem. Ein Kleinstaat wie die Schweiz kann nur ihre Souveränität behaupten, wenn sie auf der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien beharrt. Denn das ist ihre einzige Waffe im Kampf gegen freche Übergriffe nach der Devise Faustrecht und Macht des Stärkeren.

Was tut also die Schweizer Regierung, um beispielsweise zu verhindern, dass diese beiden Anwälte nach Jahrzehnten unbescholtener Tätigkeit vor dem Ruin und dem Scherbenhaufen ihrer beruflichen Existenz stehen?

Sie will sich zu «Einzelfällen» nicht äussern, lässt sie durch das Seco ausrichten, legt aber Wert auf die Feststellung, dass US-Sanktionen in der Schweiz «keine Wirkung» hätten.

Das ist eine zynische Behauptung, eine Ablenkung davon, dass die Schweizer Regierung tatenlos zuschaut, wie ihre Rechtssouveränität gevögelt wird. Wie zwei Rechtsanwälte fertiggemacht werden, ohne dass sie jemals eines Vergehens oder gar Verbrechens überführt wurden, ohne dass gegen sie ein Straf- oder Zivilverfahren läuft.

Und das ist schlichtweg eine Sauerei. Eine zweite Sauerei ist, dass ausser der NZZ (und der «Weltwoche», dank ZACKBUM-Redaktor René Zeyer) kein einziges Schweizer Medium auf diesen Skandal aufmerksam macht. Dabei ist dieses Problem ein wenig wichtiger als die Frage, ob man den idiotischen Genderstern verwenden sollte oder nicht.

Zu Kreuze kriechen

Die Tamedia-Interpretation des Schweizerkreuzes.

Die USA poltern mal wieder gegen die Schweiz. Da gibt es eine sogenannte Helsinki-Kommission. Das ist eine eigentlich völlig unbedeutende Behörde der US-Regierung. Aber sie wird gerne benutzt, um gegen andere Staaten zu fäusteln. Auch gegen die Schweiz.

Da toben profilneurotische US-Parlamentarier herum. Duftmarke: «Wir können nicht zulassen, dass das Bankgeheimnis der Schweiz die westlichen Mächte daran hindert, korrupte Politiker zu isolieren», sagt ein US-Senator, der wahrscheinlich nicht mal in der Lage wäre, die Schweiz von Schweden zu unterscheiden.

Russische Vermögen in der Schweiz, lasche Suche nach Oligarchengeldern, angeblich unkontrollierter Rohstoffhandel, offener Dual-Use-Handel mit Russland. Also der Export von Gütern, die sowohl zivil wie militärisch genutzt werden können. Kein Klischee zu abgenutzt, um es hervorzuziehen.

Fakt dagegen ist: während die Schweiz bereits 7,5 Milliarden Dollar russischer Vermögen eingefroren hat, sämtliche jeglicher Rechtsstaatlichkeit Hohn sprechende Sanktionen der USA und der EU übernimmt – in eklatanter Ritzung der Neutralität – und mit Schweizer Gründlichkeit allen Verdachtsfällen nachgeht, sieht das in den USA ganz anders aus.

Dort wurden bislang – soweit man weiss, denn mit Transparenz hält man es dort nicht so – knapp eine Milliarde russischer Vermögen arretiert. Obwohl die USA das Paradies für russische Oligarchen waren. In den USA stehen nebenbei die grössten Geldwaschmaschinen der Welt, von denen nicht nur der gesamte lateinamerikanische Drogenhandel profitiert. Wer sein Geld steuerneutral und sicher vor jeder Kontrolle lagern will, muss nach Delaware, Texas oder Florida.

Die USA sind nicht beim AIA, beim  Automatischen Informationsaustausch über Anlagen von nicht im Anlegerland steuerpflichtigen Personen, dabei. Die USA erpressen mit ihrem Dollar-Clearing hingegen alle Finanzhäuser der Welt, ihnen unilateral alle Daten auszuliefern, auf die sie lustig sind. Stichwort FATCA.

Während sie selbst normalerweise Auskunftsbegehren ignorieren. Und diese Weltmacht der Heuchelei und Doppelmoral fällt mal wieder über die Schweiz her. Im triumphalen Bewusstsein, dass man die Eidgenossen auch schon im Steuerstreit rechtsimperialistisch zu Kleinholz verarbeitet hat. Mit dem Erfolg, dass es seither in der Schweiz kaum mehr unversteuerte Vermögen gibt, weil die meisten in die USA geflüchtet sind, wo sie nichts zu befürchten haben.

Nun also Russland, Oligarchengelder, Handel, Exporte. Dabei sind der grösste Exporteur von Dual-Use-Produkten –  die USA bis heute. Aber wer unangefochtene Weltmacht ist, mehr Militärtbudget stemmt als die nächsten zehn Staaten der Welt zusammen, wer Besitzer der Weltwährung Dollar ist, der muss sich nicht gross um Moral, Anstand, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit kümmern.

Also wird dort gepoltert und gekeift, am liebsten nach der Devise: USA gross und mächtig, Schweiz klein und schmächtig. Als einzige Verteidigung eines Kleinstaates gäbe es das pickelharte Insistieren auf der eigenen Rechtssouveränität. Also schlichtweg darauf, dass in der Schweiz Schweizer Gesetze gelten – und angewendet werden. Und dass sich der Rechtsstaat Schweiz sicherlich nicht vom Wildweststaat USA sagen lassen muss, was Recht und was Unrecht sei.

So müsste das sein, aber Tamedia zuvorderst zeigt wieder einmal, was weinerlicher Kriechgang ist. So kommentiert Wirtschaft-Redaktor Jorges Brouzos in gebückter Haltung: «Die Schweiz hat die Angriffe auf Bankenplatz und Rohstoffhandel durch eine Kultur des Wegschauens erst ermöglicht.»

Zwar fällt es selbst ihm auf, dass in dieser Helsinki-Kommission absurder Schwachsinn geredet wird. Aber das hindert ihn nicht daran, selbst über die Schweiz herzufallen: «Der lasche Umgang mit Anwälten, Treuhändern und Vermögensverwaltern macht unser Land angreifbar. Das war auch der Grund für den harschen Brief der G-7-Staaten an den Bundesrat vom letzten April. Darin wurde die Schweiz aufgefordert, «verdächtige Finanzstrukturen aktiv zu untersuchen»».

Die EU fordert die Schweiz auf? Das Geldwäschereiparadies Deutschland, die Steuerhinterzieherinsel Luxemburg, Malta, Italien, Spanien? Im Ernst jetzt? Aber das sei laut Brouzos nicht alles. Da gäbe es noch den Rohstoffhandel. Der zwar wie kaum in einem anderen Land der Welt so kontrolliert ist wie in der Schweiz. Aber mangels Sachkenntnis behauptet der Tamedia-Redaktor: «Dass es die schweizerischen Behörden nicht schaffen oder nicht schaffen wollen, verlässliche Angaben über den Rohstoffhandel in der Schweiz zu erhalten, ist höchst fragwürdig

Welche «verlässliche Daten» sollen nicht erhältlich sein? Welche verlässliche Daten gibt es über die Rohstoffbören in New York, London, Singapur, Dubai oder Hongkong?

Dass die USA rechtsimperialistisch und mit dem unschlagbaren Argument «wer ist hier der Stärkere?» immer wieder über die Schweiz herfallen – verständlich. Dass es Kreuzkriecher wie Brouzos gibt, die ihnen dabei Recht geben, ist sowas von peinlich, unreflektiert, uninformiert, dass es beim Lesen weh tut.

Es hat überhaupt nichts mit Patriotismus oder Vaterlandsverteidigung zu tun, freche Übergriffe von absurd unwichtigen Komitees zurückzuweisen, die einfach mal testen wollen, ob es Gegenwehr gibt. Ginge es nach Brouzos, würde die Schweiz ein weisses Kreuz in einer weissen Flagge schwenken. Glücklicherweise geht es nicht nach ihm.