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Wie reagiert die Journaille auf das Canonica-Gespräch?

An ihren Reaktionen werdet ihr sie erkennen. Ziemlich genau ein Monat ist vergangen, seit Anuschka Roshani im «Spiegel» eine Breitseite abfeuerte. Seither fand im Wesentlichen eine Hatz auf Finn Canonica statt. Bis dann langsam der Wind drehte. Die NZZ begann, die Konkurrenz in die Pfanne zu hauen («Glaubwürdigkeit verspielt»).

Allerdings sparte das Blatt mit dringend nötiger Selbstkritik. Nun berichtet es «Roger Schawinski empfängt den ehemaligen «Magazin»-Chef Finn Canonica». Nicht ganz faktensicher («Anfang März hat das deutsche Magazin «Der Spiegel» einen Gastbeitrag von Canonicas ehemaliger Mitarbeiterin Anuschka Roshani veröffentlicht») fängt Lucien Scherrer an. Es war Anfang Februar, aber Scherrer hatte auch schon behauptet, die beiden hätten bis 2021 bei Tamedia gearbeitet (es war bis 2022) und Daniel Binswanger sei Canonicas Stellvertreter gewesen (war er nicht). Und es gäbe da anonyme Quellen, die …

Aber item, nun präsentiert sich der Fall plötzlich «komplizierter», nachdem auch die NZZ unkompliziert mitgekeilt hatte. Präsentiert Scherrer nun wenigstens dringend nötige Selbstkritik? Nicht wirklich, stattdessen: der «einst angesehene» Canonica habe es leicht, «sich vor allem als Opfer zu inszenieren». Zu inszenieren? «Viel mehr Selbstkritik» sei «im «Doppelpunkt» nicht zu hören», es blieben «einige Ungereimtheiten und Vorwürfe unausgesprochen oder unbeantwortet». Schliesslich: «Tatsächlich gibt es einiges zu klären.» Aber offensichtlich nichts vor der eigenen Haustür aufzuwischen. Und wieso hat denn die NZZ nicht schon längst einiges geklärt? Sackschwach, um ein Lieblingswort von Schawinski zu bemühen.

Etwas neutraler zitiert persönlich.com Auszüge aus dem Exklusiv-Interview auf Radio 1. Nau.ch übernimmt einfach die inzwischen gebastelte SDA-Meldung. Sie bemüht sich um Neutralität, abgesehen von einem kleinen Seitenhieb: «Roger Schawinski gab sich im Interview ungewohnt zahm.» Vielleicht wollte er, im Gegensatz zu fast allen anderen Medien, nicht auf einem am Boden Liegenden noch herumtrampeln …

Der «SonntagsBlick» durfte schon vorher in die Sendung reinhören und machte daraus einen Kommentar des stellvertretenden Chefredaktors, der sich auch um Objektivität bemüht, bis er den beiden eine «gewagte Verschwörungstheorie» unterstellt. Dabei ist es keine Verschwörung, dass der Ehemann von Roshani der Besitzer des Verlags «Kein & Aber» ist, in dem viele Magi-Mitarbeiter Bücher publizieren, was es ihnen eher schwer machen würde, sich öffentlich gegen die Frau ihres Verlegers zu stellen.

CH Media, bislang sehr unglücklich agierend in der Berichterstattung über die Roshani-Affäre, hält sich bedeckt und zitiert nur etwas den SoBli. Dort will man sich offenbar keine zweite erzwungene Entschuldigung für eine neuerliche Falschmeldung einhandeln.

«Tages-Anzeiger», Tamedia, alle «Magazin»-Mitarbeiter, die «Republik», alle Wäffler, die sofort mit einer Vorverurteilung zur Hand waren und ein weiteres Mal auf die Unschuldsvermutung schissen? Alle Krakeeler in den asozialen Medien, die sich mit Bekundungen des Abscheus über diesen neuerlichen Fall von widerlichen männlichen Übergriffen, von Sexismus, Mobbing, Opfer Frau, nicht einkriegten?

Alle Vorverurteiler, alle, die angebliche weitere, aber leider anonyme Quellen zitierten, die behaupteten, es sei alles noch viel schlimmer gewesen? Schweigen. Tiefes Schweigen.

Ein Hinweis auf die entlarvende Recherche im «Schweizer Journalist»? Nirgends. Wie wird dort ein «Magazin»-Redaktor zitiert? Nach dieser Berichterstattung, an der er fast verzweifelt sei, glaube er in den Medien nur noch Berichte, die er selbst recherchiert und geschrieben habe.

Wäre es nun nicht der Moment für etwas Selbstkritik? Für Eingeständnisse? Für eine Entschuldigung Richtung Canonica? Für eigene Recherchen, was denn nun wirklich zutrifft und was nicht? Wo und warum man ungeprüft üble Nachreden übernahm? Wäre es nicht der Moment für eine Sanktion all der journalistischen Stümper, die entweder angebliche Quellen selbst erfanden oder der wohl einzigen Quelle auf den Leim krochen? Angefangen bei Salome Müller?

Doch, das wäre der richtige Moment, verspielte Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, indem man genauso schonungslos über sich selber zu Gericht sitzt, wie man das gegenüber Canonica tat.

Aber das Elend der Medien ist so gross, dass sie auch diese Chance ungenutzt lassen. Verbohrt, arrogant, beratungsresistent, uneinsichtig, kindisch. Ein Vogel Strauss neben dem anderen, so weit das Auge reicht.

2 Kommentare
  1. Guido Kirschke
    Guido Kirschke sagte:

    Als Redaktor würde ich nun in erster Linie die Motive von Frau Roshani hinterfragen. Das alles hat ein «Geschmäckle».

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  2. Gerold Ott
    Gerold Ott sagte:

    Auch Salome Müller müsste in die Mangel genommen werden. Hinter ihrem feigen «Quellenschutz» (Quelle, die offenbar keine ist) kann man sich nicht ewig verstecken.

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