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Obduktion von Konzernjournalismus

Hier werden Fundstücke analysiert, um ihre Todesursache zu erkennen. Tamedia, NZZ, CH Media, Ringier: man mag sich nicht. Wirklich nicht.

Ein harmloses Beispiel zum Start. Die schreibende Sparmassnahme, das, was von der einstmals bedeutenden Medienkritik in der NZZ übrig geblieben ist, fuchtelt mit dem Zeigefinger.

Pensionär Felix E. Müller versucht, auf «20 Minuten» einzuprügeln. Dort hätten sich mal wieder in den Kommentarspalten die Nazi-Vergleiche gehäuft; verwendet vor allem von Kritikern der Corona-Politik.

Schliesslich habe sich der Chefredaktor von «20 Minuten» veranlasst gesehen, dazu «Stellung zu nehmen», fabuliert Müller. Daher muss man ihn ganz vorsichtig an die Realität heranführen.

  1. Es ist kein Scherz, sondern mit Untersuchungen erhärtet, dass bei jedem beliebigen Thema, inklusive Häkeln oder Briefmarkensammeln, nach einer gewissen Anzahl von Kommentaren unweigerlich ein Nazi-Vergleich gezogen wird.
  2. Gaudenz Looser hat keine Stellung genommen, sondern sich in einem Gespräch mit dem Generalsekretär des Schweizerisch Israelitischen Gemeindebundes erklärt.
  3. Am Schluss dieses Meinungsaustauschs sagt Jonathan Kreutner: «Medien sollten möglichst viele Meinungen abbilden. Trotzdem gibt es rote Linien. Diese zu diskutieren, so wie wir es jetzt tun, ist wichtig. Vielen Dank dafür.»

Man kann selbstverständlich über den Ort für solche rote Linien oder über die Argumente Loosers verschiedener Meinung sein. Was nicht geht, ist das hier:  «Zwar verurteilte er solche Äusserungen klar, versuchte dann aber zu erklären, weshalb man diese bis anhin geduldet habe. Das ging gründlich schief.»

Nein, Herr Scharfrichter Müller, redlich wäre es gewesen, dem Leser der NZZaS zu erklären, dass Looser in einem Dialog mit einem jüdischen Vertreter zu begründen versuchte, wieso in den Kommentaren von «20 Minuten» solche Nazi-Vergleiche zugelassen wurden  und inzwischen strenger zensiert werden. Was ausdrücklich verdankt wird.

Den Gipfel an Heuchelei erklimmt Müller dann hiermit: «Wer den politischen Gegner beschimpft, hört ihm nicht zu, was durch die Anonymität, die in diesen Spalten garantiert ist, zusätzlich erleichtert wird.»

Immerhin versteckt sich Müller nicht hinter einem Pseudonym, aber: «Wer den publizistischen Gegner beschimpft, hört ihm nicht zu.» Erschwerend kommt hinzu, dass es sich um die gesalbten Worte eines ehemaligen NZZaS-Chefredaktors handelt, dem es offenbar nicht bewusst ist, welchen Reputationsschaden er mit diesem Versuch anrichtet, einem publizistischen Konkurrenten an den Karren zu fahren.

Vielleicht könnte Müller mal seine reichliche Freizeit darauf verwenden, nachzuzählen, wie häufig im Hause NZZ Nazivergleiche gepflegt werden. Würde ihn unangenehm überraschen.

Anstatt so unter NZZaS-Niveau zu beckmessern, hätte Müller doch einfach das Gespräch aufmerksam lesen können; vielleicht wäre ihm diese Stellungnahme von Looser aufgefallen:

«Wir machen das Kommentar-Management heute viel besser und aufwändiger als früher, wir haben ein geschultes Freischalterteam, das von einem eigenen Ressort eng betreut wird. Dieses Ressort spielt regelmässig heikle Themen und Fragen an unser Social Responsibility Board weiter, welches dann zusammen mit der Chefredaktion Lösungen und Strategien zum Umgang damit diskutiert. Das ist ein höchst lebendiger, dynamischer Prozess in einem ständigen und teils auch akuten Spannungsfeld. Dazu gehört auch, dass wir von aussen kritisiert werden – und wir lassen uns auch kritisieren und hören zu.»

Aber im Alter wird man bekanntlich harthörig.

 

Konzernjournalismus, Part II

In der NZZaS und in «20 Minuten» erschien am 1. August ein ganzseitiges Inserat des Unternehmers Benard Duzhmani. Darin wirft er, unterstützt von einer PR-Bude, dem «Beobachter» vor, der habe mit einem haltlosen Artikel sein Geschäft geschädigt und auch seine Ehre. Dabei vermutet Duzhmani, dass seine kosovarische Herkunft – obwohl er längst eingebürgert ist – eine wichtige Rolle gespielt habe.

Auffällig an dem Inserat ist –neben dem professionellen Layout –, dass mit keinem einzigen Wort auf die konkret erhobenen Vorwürfe des «Beobachter» eingangen wird. Es wird lediglich gesagt, dass eigene Untersuchungen die nicht bestätigen konnten und dass gegen die Firma keine Strafuntersuchung laufe, sie auch nicht wegen rechtswidrigen Praktiken angeklagt oder gar verurteilt worden sei.

Damit hat Duzhmani durchaus Neuland betreten. Statt den Streit bilateral oder vor Gericht auszutragen, ging er acht Monate nach der Publikation dieses Artikels in die mediale Offensive. Ob ihm das nützt oder schadet, ist zurzeit nicht zu beurteilen.

Aber es ist ihm gelungen, die Aufmerksamkeit der beiden Medienkonzerne zu erlangen, in denen das Inserat erschien. Bei Tamedia hat Rico Bandle neben seinem Schmierenartikel über die Trauerfeier für Peter Buser noch Zeit gefunden, Duzhmani auf einer ganzen Seite in der SoZ zu porträtieren.

Aber nicht um Recherchierjournalismus: Das Porträt in der SoZ.

Wie es heute üblich ist, hat Bandle auf jede Eigenrecherche verzichtet, er gibt schlichtweg die bereits bekannten Fakten wider und lässt Duzhmani seine Position ausführlich erläutern. Gleichzeitig gibt sich Bandle dafür her, dass auf diesem Weg der Unternehmer seine «Millionenklage» gegen den «Beobachter» ankündigen kann. Denn verblüffenderweise hat er das bislang – trotz den vielen vergangenen Monaten und dem angeblich riesigen Schaden – unterlassen.

Ganz am Schluss legt sich Bandle noch in die Kurve und referiert kurz die Stellungnahme des «Beobachter», der schliesslich eine «Institution» sei und «nicht bekannt für sensationsgetriebene Schnellschüsse». Der sehe einem Prozess gelassen entgegen, während Duzhmani sich völlig sicher sei, «dass wir gewinnen werden». Daher «freue» der sich «sehr auf diesen Prozess», gibt Bandle ihm das Schlusswort.

Schön für Duzhmani, dass er sich inzwischen Platz in den Tamedia-Gazetten nicht mehr kaufen muss. Büttel wie Bandle öffnen ihm gratis die Spalten für kritiklose Widergabe seiner Positionen.

Auch du, meine NZZ.

Auch die NZZ nimmt die Witterung am 24’000 Franken teuren Inserat auf und legt mit einer Story – ausgerechnet im Feuilleton – nach. Wie es sich für das Blatt gehört, fällt sie eine Idee kritischer aus als bei der SoZ. Nichtsdestotrotz wird auch hier weitgehend die Position Duzhmanis referiert, der sich nur flankiert von David Schärer von der «Bigger bang for the buck»-Agentur Rod interviewen lässt. Zudem hat er sich der Beihilfe der Anwältin Rena Zulauf versichert, die sowohl für ihre gemischten Ergebnisse wie auch für ihre exorbitanten Honorarnoten bekannt ist.

Die NZZ setzt ihre Darstellung unter den Lead:

«Wie weit geht die journalistische Freiheit, und wo beginnt die mediale Anmassung?»

Das ist an und für sich eine hochspannende Frage. Es geht hier um das kitzlige Thema, dass dioe sogenannte vierte Gewalt ihre Funktion nur ausüben kann, wenn sie über Skandale oder Ungereimtheiten oder Kritikwürdiges berichtet, ohne dass bereits strafrechtliche Tatsachen in Form von Urteilen geschaffen wurden.

So hat sich auch die NZZ lebhaft an der Affäre Vincenz beteiligt und ausgiebig aus eigentlich dem Amtsgeheimnis unterliegenden Akten zitiert. Damit zweifellos einen Beitrag zur Vorverurteilung von Vincenz geleistet, dessen Anspruch auf Unschuldsvermutung ja nur noch ein blosser Witz ist.

Nun wirft die NZZ dem «Beobachter» vor, dass der den Begriff «illegal» verwendet habe, obwohl kein entsprechendes Urteil vorliegt. Der «Beobachter» hingegen hält daran fest und sagt:

«Wir stehen zu jedem Satz und haben gute Belege für unsere Vorwürfe».

Hier wäre doch eigentlich die Aufgabe der Mitbewerber, mit eigenen Recherchen zu glänzen. Über die Quellen und die Stichhaltigkeit der Vorwürfe des «Beobachter». Oder über die Firma des Geschäftsmanns. Aber das würde ja in Aufwand ausarten, den der heutige Elends- und Sparjournalismus weder bei Tamedia, noch bei der NZZ mehr leisten kann. CH Media und Ringier halten sich vorläufig eher raus; vielleicht brauchen sie als Motivationsspritze zuerst auch ein Inserat.

Hilfe, mein Papagei onaniert IX

Hier sammeln wir bescheuerte, nachplappernde und ewig die gleiche Leier wiederholende Duftmarken aus Schweizer Medien. Subjektiv, aber völlig unparteiisch. Heute: Wenig Leistung für viel Geld

Die «Sonntagszeitung» vermeldet stolz: «Bank wusste, dass Versicherungsschutz endet». Damit ist gemeint, dass die CS frühzeitig darüber informiert war, dass eine grosse Versicherung die Absicherung der Greensill-Fonds offiziell und fristgerecht Monate vor dem Zusammenbruch gekündigt hatte. Und die CS nicht erst wie behauptet eine Woche vor dem Desaster davon erfuhr.

Das «erklären zwei voneinander unabhängige Personen mit Kenntnis der Vorgänge», tut die SoZ geheimnisvoll, als sei ihr ein kleines Recherchierkunststück gelungen.

Ist aber mal wieder ein eher peinliche Flop. Denn erstens hat diese «neue Information» eine tatsächlich mit Kenntnis ausgestattete Person bereits in aller Öffentlichkeit bekannt gegeben: nämlich der Besitzer und Namensgeber der zusammengekrachten Fonds – in einem Interview.

Dieses Interview von Lex Greenshill wiederum hat «Inside Paradeplatz» am 14. Mai genüsslich aufgenommen. Aber das alles ist doch kein Grund für SoZ, nicht etwas angeberisch zu tun und am 16. Mai von einer «News» zu sprechen. Die aber ungefähr so neu ist wie die Meldung: gestern hat es geregnet.

Reflex-Kommentare aller Orten

Oder so neu wie Markus Somms Stehsatz-Kommentar: «Israel hat jedes Recht, sich zu verteidigen». Dieser Uralt-Kommentar, der stark nach ungewaschenen und eingeschlafenen Füssen müffelt, wäre nicht der Rede wert, wenn Somm ihn nicht in bester faschistischer Demagogie weiterentwickelte:

«Den neuen Antisemiten entlarven Sie, wenn Sie mit ihm über Israel reden.»

Und wie entlarvt man den «neuen Antisemiten»? Wenn sich einer kritisch über Israel äussert. Früher hätte man gesagt: «Den Volksschädling entlarven Sie, wenn Sie mit ihm über das Dritte Reich reden». Dass sich der Chefredaktor des «Nebelspalter» einen dermassen groben Ausrutscher leistet, ist wohl nur mit der gequälten Seelenlandschaft eines mehrfachen Renegaten zu erklären.

Denn heftige Verfechter einer Ideologie, die dann plötzlich ein Erweckungserlebnis haben und auf dem Absatz kehrt machen, sind immer suspekt. Weil sie sich gegen Vorwürfe wehren müssen, bei denen man ihnen frühere Positionen um die Ohren schlägt. Diese «ich bereue, ich habe es eingesehen, heute sehe ich das Licht»-Apologien sind schmerzhaft und peinlich.

Zudem scheint im Falle Israels bei Somm so ziemlich alles zusammenzuschiessen, was zu Kurzschlüssen führt. Die Begeisterung für Kibbuz und Heimat der Juden, das gequälte Verhältnis der Linken zu den Palästinensern, und die Eifrigkeit eines Renegaten, der viel linientreuer sein muss als ein nicht gewendeter Anhänger. Dem zuschauen zu müssen, ist kein schöner Anblick.

Da ruft einer «Doppelmoral», der doch mit sich selbst gedoppelt ist.

Money for nothing, dudel, dudeldei

Blicken wir doch mal wieder auf das Schaffen der «Republik». In letzter Zeit nicht mehr «Skandal» geschrien, daher nicht wieder selber zum Skandal geworden, weil sich halt mit anonymen Quellen und schludriger, einäugiger Recherche weder Staat noch «Republik» machen lässt.

Was bietet sie also an diesem Auffahrtssonntag? 50 Nasen, 6 Millionen Budget, das vorne und hinten nicht reicht, da sind wir mal gespannt. Und bleiben es auch, denn der Output am 16. Mai ist – null. Nada, nix. Nicht mal ein Dank an die «Verleger», Mäzene und Spender, dass sie es freundlicherweise so vielen tapferen Arbeitern im Weinberg der Demokratierettung erlaubt habe, einfach mal kollektiv die Füsse hochzulegen.

Das kann natürlich aus Erschöpfung über eine unglaubliche Leistung am Samstag geschehen sein. Nun ja, dieser Tag glänzte mit immerhin 4 Stücken. Da jeder Tag «Republik» rund 17’000 Franken kostet, müssen das ja vier Hochkaräter gewesen sein. Kann man so sehen, wenn man eine rosarote «Republik»-Brille trägt. Denn ein «Artikel» ist die übliche laberige Inhaltszusammenfassung an die «Ladies and Gentlemen and everybody beyond». Das sind 11’000 Anschläge über die anderen drei Stücke des Tages. 5500 Anschläge braucht der übliche Kunst-Artikel am Samstag. Ob das wirklich 5700 Franken wert ist, wenn man das Inhaltsverzeichnis nicht als journalistische Leistung zählt?

Aber es geht natürlich schlimmer; Auftritt Binswanger

Wie immer und verschärft stellt sich die Frage bei der schreibenden Schmachtlocke. Diesmal outet sich Daniel Binswanger zu all seinen weiteren Fähigkeiten hinzu als Spezialist in Patent-Fragen: «Wie viel Profit ist hoch genug?» Er sieht wie meist das Grosse und Ganze, Big Pharma, US-Präsident Biden, Impfstoffe, Welt, Wahnsinn. 10’000 Anschläge. Die aber leider am Stück oder einzeln keinen Rappen wert sind.

Zudem: Wahrscheinlich hing ihm mal wieder eine Strähne vor dem Auge, als er den Titel komponierte. Profit, hoch genug? Der hohe Profit im Gegensatz zum niedrigergelegten? Ist ein 2 Meter hoher Profit hoch geug? Oder fängt das erst bei 3,5 Meter an? Aber etwas Gutes hat so ein Titel: der nicht sonderlich gewitzte Leser weiss: wer sich schon da ins Gebüsch fährt, bei dem kommt nichts Besseres hinterher. Also muss man den Quatsch gar nicht lesen.

Dieses Stichwort kann nur zu einem führen. Genau. Seine erst spät entdeckte Krankheit konnte Constantin Seibt mal wieder nicht davon abhalten, ganz kräftig in die Tasten zu greifen. Und nicht mehr aufzuhören, bis 26’000 neue Buchstaben das Licht der Welt erblickt hatten. Inkl. Abstände. Aber, das scheint eine neu, begrüssenswerte Leserhilfe zu sein, auch Seibt fängt etwas eigen an:

«Nicht von dieser Welt. War der 14. Oktober 2017 ein ziemlich normaler Tag, der wichtigste Tag der Geschichte – oder der Anfang vom Ende der Menschheit? Oder anders gefragt: Was zur Hölle ist Oumuamua?»

Spätestens die letzte Frage überzeugt auch hier den gewitzten Leser: lass es, ein wenig Ufo, ein wenig Weltraumlatein, wozu, wofür, warum? Auch diese Fragen wird Seibt mit ins Grab nehmen.

Welche Orientierungshilfen liefert diesmal der «SonntagsBlick»? Zunächst einmal vier Seiten zur rasend originellen Idee, dass man auf Gesichtsmasken doch auch was draufdrucken könnte.

Aber Frank A. Meyer rettet sicher, labt mit geistiger Erbauung? Na ja:

«Wer sich bemüssigt fühlt, empörte Kritik an der israelischen Politik zu üben, der setze sich in Zürich, Paris, Berlin, London oder New York vor ein Café und stelle sich vor – eine Hamas-Rakete schlägt ein. Und noch eine und noch eine und noch eine. Er stelle sich ferner vor, Gewalt und Hass bedrohten sein Land seit drei Generationen.»

Das ist zwar ein Mü intelligenter argumentiert als Markus Somm in der SoZ. Aber: Was soll dem bemüssigten Kritiker dies Vorstellung sagen? Dass er, statt Kritik an Israel zu üben, besser die Schnauze halten sollte?

 

 

 

 

Es darf gelacht werden: Diesmal zum Muttertag

Er ist – wie der Valentinstag – im Kalender aller Floristen rot angestrichen. Und die arme Journaille muss sich jedes Jahr aufs Neue einen abbrechen.

Denn es ist doch so: Wir alle haben Mütter. Die meisten von uns kennen sie sogar. Bei Vätern ist das schon so eine Sache. Und denen (einen Vatertag gibt’s natürlich auch) gedenkt man weltweit am zweiten Sonntag im Mai. Ausser in England, die wollen halt immer einen Sonderzug, da ist’s der vierte Sonntag in der Fastenzeit. Weil die Mütter da nicht kochen müssen? Die spinnen, die Engländer.

Aber zurück zu ernsteren Würdigungen. Zur Verteidigung des Tages als solcher wirft sich die NZZ in die Bresche, in die Schlacht: «Jetzt gehen sie auf die Mutter los». Aber nicht mit uns, sagt die alte Tante rabiat und kampfeslustig wie selten.

Was brechen sich die anderen Sonntagsblätter ab, nachdem der Blattmacher melancholisch in die Runde fragte: Also, wer will sich den Pulitzerpreis holen, indem er eine neue Story zum Muttertag erfindet?

Ein bunter Strauss zum Muttertag …

Die Ergebnisse sind durchaus vielfältig, wenn auch nicht alle originell. Die «Sonntagszeitung» probiert’s mit:

«Wenn man Kinder mehrheitlich ohne Partner grosszieht, bleibt das Liebesleben oft auf der Strecke. Vier Single-Mütter erzählen, was sie beim Dating erleben»

Kann man machen, muss man nicht. Hat man schon. Kann man auch wieder machen. Machen andere auch (siehe weiter unten).

An eine andere Lösung des Dating-Problems erinnert das Schweizer Farbfernsehen SRF: «Vor zwanzig Jahren wurde das erste Babyfenster der Schweiz eröffnet.»

Der «Sonntags Blick» (auch mit Regenrohr) erteilt seiner Kolumnistin Milena Moser das Wort, das kann nicht gutgehen: «Seit einem Jahr drehen sich meine romantischen Fantasien um die Ankunftshalle im Zürcher Flughafen und meine Söhne. Jetzt hat sich dieser Wunsch erfüllt.»

Öhm. Der Wunsch einer romantischen Fantasie hat sich erfüllt? Das hat auch noch niemand der Ankunftshalle dargeboten. Leider versteht das weder der Flughafen Zürich, noch der Leser. Vielleicht die romantischen Fantasien, die sich um ihre Söhne drehen? Müssen wir da an Oedipus denken (Frau Zukker, das war, aber lassen wir das)? Na, wir verlassen den SoBli so schnell wie möglich.

Und retten uns in den «Berner Oberländer»: «So vieles ist derzeit anders – und doch bleibt eines gleich: Die erblühende Natur sorgt für ein schönes Stück Vertrautheit, schreibt Martin Leuenberger.» Das ist so unfassbar wahr und tief. Das geht nur in einem «Wort zum Sonntag», das dem «Maien- und Muttertag» gewidmet ist. Denn auch Gottesmänner haben eine Mutter. Auch katholische; die haben allerdings keine Frau, aber das wäre wieder ein anderes Thema.

Noch mehr welke Blumen aus dem Muttertagsstrauss

Was macht «watson.ch» aus diesem Thema? Soll das eine ernstgemeinte Frage sein? «Weil wir alle das beste Mami der Welt haben: Die 18 lustigsten Mutter-Tweets». Zum Beispiel? Nein, das kann definitiv keine ernstgemeinte Frage sein.

Prosaischer geht es «20 Minuten» an: «Bis zu 28 Grad erwartet – Perfektes Wetter für den Muttertags-Brunch auf der Terrasse.» Wir fragen uns nur: wer keine Terrasse hat, was macht denn der? Noch neutraler ist nur nau.ch: «Sommerliches Wetter: Schweiz knackt am Muttertag die 25-Grad-Marke.»

Nun ja, allerdings lässt es nau.ch nicht bei einem Sonntagsbrunch oder Blumensträussen bewenden; das Online-Organ hat sein Ohr ganz nah am weiblichen Unterleib:

«Umfrage zum Muttertag: Schweizer Single-Mamis wollen Sex-Abenteuer».

Na, das war in den Anfangszeiten des Muttertags aber noch anders, da wäre die Heilsarmee energisch eingeschritten.

Echten Lokaljournalismus betreibt hingegen der «Landbote»: «Run auf Blumen in Wiesendangen: Aus Liebe zum Mami standen manche schon sehr früh auf».

Besinnliches am Schluss; kath.ch wirft eine weitere, entscheidende Frage auf:

«Der Muttertag ist kein katholischer Feiertag. Soll ihn die katholische Kirche in den Gottesdiensten trotzdem aufgreifen?»

Es erteilt, der Herr ist gross, zwei Katholikinnen dazu das Wort, obwohl die in den Gottesdiensten doch ruhig bleiben müssen. Obwohl sie fordern:

«Der Muttertag soll ein Tag der Umkehr sein.»

Was immer sie uns damit sagen wollen. Wir haben fertig.

 

 

 

 

 

Ex-Press XXXIV

Blüten aus dem Mediensumpf.

 

Diesmal die Ostereier-Spezial-Ausgabe mit viel Eierlei.

Milde gestimmt am Tag der Auferstehung wollen wir diesmal nur lustige Eier vorführen, die die Schweizer Medien ausgebrütet haben. Wobei wir wohlwollend berücksichtigen, dass es schon ziemlich blöd ist, dass wegen Corona so viele lieb gewonnene Seitenfüller an Ostern wegfallen.

Zunächst aber ein Höhepunkt aus dem journalistischen Schaffen des grossen deutschen «Nachrichtenmagazins», des einzigen und wahren «Spiegel»:

«Wer sehr häufig auswärts isst, hat ein höheres Risiko, an Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben. Das zeigt eine Studie. Durch richtige Wahl der Speisen lässt sich die Gefahr auch mindern.»

Früher war das die Rettung für Boulevard-Medien, wenn es nun überhaupt nichts zu skandalisieren gab. Dann half eine «Studie» ungemein. Das Zaubertrick heisst: Korrelation mit Kausalität verwechseln.

Glatzköpfige werden schneller impotent; eine besonders hohe Zahl von schwarzen Katzen bewirkt häufigere Todesfälle durch vom Dach stürzende Ziegel. Wer von roten Tellern isst, bekommt schneller Magengeschwüre. Usw.

Dafür braucht es nur zwei Dinge: die Korrelation von zwei möglichst zusammenhangslosen Phänomenen und irgend etwas, das sich als Studie bezeichnen lässt. Es gibt sogar die grossartige Institution des Ig-Nobelpreises (ig für ignoble, unwürdig, schändlich).

Gemischte Signale aus dem Hause Tamedia

Man soll auch loben können; vom Titel bis zur letzten Zeile ist das mal ein gelungenes Interview mit grossem Spassfaktor, obwohl der Tamedia-Streichelzoo auch hier das Thema «sexuelle Belästigung» hochziehen muss. Aber die Antworten von Tana Douglas entschädigen auch dafür.

Sie war der erste weibliche Roadie, sieht auch noch mit 63 spannend aus und hält mit ihren Antworten, was das Titelquote verspricht: «Ich trank jeden Mann unter den Tisch.»

 

Screenshot SonntagsZeitung.

Hinzuzufügen wäre, dass es die einzige Ausnahme nicht überlebte.

Eigenwilliger Oberchefredaktor

Etwas eigenwillig versucht der Oberchefredaktor von Tamedia die karge Osterzeit zu überstehen. Arthur Rutishauser erzählt einfach die Titelstory der «Handelszeitung» über eine nun schon drei Jahre zurückliegende Machtkampfposse bei der grossen Revisionsgesellschaft EY nach. Er reichert sie lediglich mit einem Namen an; das Original sei aber allen empfohlen, die einmal einen Blick in die Innereien einer Chefetage nehmen wollen. Sehr interessant ist dabei auch, wie die Medien benützt werden; mit Anfüttern und Durchstechen; diesmal spielte allerdings «Inside Paradeplatz» dabei keine gloriose Rolle.

Wo Eier gelegt werden, gibt es auch faule Exemplare darunter. Denn die SoZ bewirtschaftet weiter ihr Lieblingsthema, ob und wie Bundesrat Berset eine Schweizer Impfproduktion für die Schweiz in den Sand gesetzt habe. Erkenntnisstand heute: Genaueres weiss man nicht wirklich.

Das hindert aber den Wirtschaftschef nicht daran, den Zweihänder zu schwingen: «Lonza-Debakel: Bersets Rechtfertigung fällt in sich zusammen», wütet Peter Burkhardt. So nachtragend sind Journalisten, wenn sie eine Richtigstellung einrücken mussten, die eine Falschmeldung korrigierte.

Zumindest originell ist das Ei, das die SoZ dem designierten Post-Boss und ehemaligen Parteipräsidenten der SP schenkt: «An der Spitze der Post braucht es nicht einen schnittigen, auf Shareholder-Value getrimmten Manager, sondern eine Integrationsfigur. Eine, die dem Service public verpflichtet ist.» So schleimt sich Bundeshausredaktor Mischa Aebi ins bald erfolgende erste Exklusiv-Interview mit Christian Levrat. Unbeschadet davon, dass es sich um einen weiteren, übelriechenden Fall von Beziehungskorruption handelt.

 

Der Untergang der Sternchen?

Eigentlich hatten wir uns ein einstweiliges Schweigeglöbnis zum Thema Genderstern und Proteststernchen auferlegt. Aber das hier ist stärker als die besten Vorsätze. Der Tagi hat den groben Fehler gemacht, in einer Umfrage wissen zu wollen, wie es denn die lieben Leser mit dem Asterisk, auch berüchtigt als Gendersternchen, hielten.

Am Himmel, da leuchten die Sterne …

Immerhin über 18’000 Leser nahmen daran teil. «Lediglich 5,5 Prozent stimmten dabei für den viel diskutierten Genderstern. Schlechter schnitt nur das generische Femininum ab.» Tschakata. Da ist guter Rat teuer. Sind die Leser einfach noch nicht so weit, zu träge oder gar zu ungebildet? So weit will der Autor nicht gehen, aber bevor auch Linus Schöpfer in Gefahr gerät, als übler Sexismus-Macho in Fadenkreuz zu geraten, schreibt er tapfer:

«Ist die Umfrage also ein Plädoyer für den Status quo, fürs generische Maskulinum? Nein. 

Denn von den sieben Möglichkeiten vereinte die etablierte, lange von allen ganz selbstverständlich genutzte Variante bloss 47 Prozent der Stimmen auf sich.»

Da lachen selbst die Sterne Tränen. Obwohl sie generisch männlich sind.

Ein Interregnum ist immer Saure-Gurken-Zeit

Die NZZaS dümpelt im Interregnum bis zum Antritt von Jonas Projer so vor sich hin. Das «Magazin» inhalts- und blutleer, aber immer für einen Aufmacher auf der Front gut, wenn sonst nichts los ist. Eine Protestnote zur absurden Tatsache, dass über Ostern die Impfzentrum Pause machen und ein eher samtpfotiges Porträt über den abtretenden Credit-Suisse-VR-Präsidenten Urs Rohner.

Es wird knallhart recherchiert, dass man Rohner vieles vorwerfen kann, aber nicht, auch noch Rassist zu sein, wie der über einen Bespitzelungs-Skandal gestolperte Tidjane Thiam über die «New York Times» verbreiten liess.

Aber ansonsten hätte eigentlich die Entwicklung des Aktienkurses während seiner Amtszeit (minus 70 Prozent) und die Ausgaben für Strafzahlungen und Rechtskosten (dabei war Rohner zuerst Chief Legal der Bank) von 13 Milliarden Franken für ein Porträt völlig ausgereicht.

Natürlich fragt sich die NZZaS, wie «weisse Weste» Rohner das alles überleben konnte und sich nun zum Ablauf seiner maximal möglichen Amtszeit schleppt. Aber diese Frage wird auch hier nicht beantwortet; genauso wenig wie bei «gespannte Weste» Axel Weber bei der UBS.

Wir diskriminieren den SoBli nicht. Niemals.

Bevor sich der Sobli über Diskriminierung beklagt: Hier zwei Duftmarken:

«Che Guevara hängt auf halbmas».

«Diagnose nach Puck-Treffffer war ein Schock für Nico Hischier.»

Das Geschoss scheint auch die f-Taste getroffen zu haben.

Ansonsten: Ei, Eier, Eierlei. Dazu die Frage: wo ist Frank A. Meyer? Beim Eiersuchen verloren gegangen?

 

Ex-Press XXV

Blüten aus dem Mediensumpf.

Sonntag, Früher Primeur-Tag (weil man am Samstag nur schwer eine superprovisorische Verfügung kriegte), inzwischen Gähn-Tag.

 

Ist Pensionär Müller in der NZZaS zu Selbstkritik fähig?

Felix E. Müller, die schreibende Sparmassnahme bei der Medienkritik der NZZaS, macht in Selbsterkenntnis. «Macht doch weniger Interviews», fordert er nassforsch. Sei doch nur eine Sparmassnahme, schnell gemacht, schnell Seite gefüllt. Vor allem Führungsfiguren würden doch sowieso nur «gedankliches Styropor» absondern, reine «Worthülsen».

Hoch das Glas: Müller als angemieteter Fachreferent auf grosser Fahrt.

Man ist sich sicher: das ist die Einleitung zu einer Selbstkritik. Denn ist Müller nicht selbst Autor des schnarchlangweiligen Buchs «Gespräche mit Alain Berset»? 106 Seiten gedankliches Styropor in Fragen und Antworten, für happige 29 Franken. Ein Weihnachtsgeschenk für den Bundesrat, als ihn noch alle richtig lieb hatten.

Während früher für Müller galt: nichts ist älter als seine Schlagzeile von gestern, hat er sich weiterentwickelt: nichts ist älter als sein Buch von gestern. Nur in einem ist er sich treu geblieben: Selbsterkenntnis, Selbstkritik, selbst wenn sie bei diesem Thema mit beiden Armen winkt? I wo, ach was, Müller doch nicht. Das wäre doch keine Medienkritik, sondern Kritik an einem gedanklich inkontinenten Rentner.

Wir sehen auch das Positive

Aber, wir sehen auch Positives, angesichts des bevorstehenden Prozesses in Frankreich, bei dem es darum geht, ob die 4,5-Milliarden-Euro-Busse gegen die UBS auch von der zweiten Instanz aufrecht erhalten wird, macht die NZZaS endlich mal ein lobendes Porträt von Markus Diethelm.

Und der Haifisch, der hat Zähne: Markus Diethelm.

Das ist der Chief Legal Councel der Grossbank, das dienstälteste Mitglied der Geschäftsleitung. Der mit Abstand cleverste Kopf in der Führungsetage einer Bank. Er machte das Unmöglich möglich und fabrizierte im Steuerstreit einen Vergleich, bei dem die UBS mit 780 Millionen Dollar Busse sehr glimpflich davonkam. Die CS, da sind halt andere Pfeifen am Gerät, kam mit 2,6 Milliarden an die Kasse. Ein Meisterstück. Als Opferanode musste die UBS Kundendaten ausliefern, was der Bundesrat per Notrecht bewilligte. Damit war das Bankgeheimnis Geschichte, aber die UBS gerettet.

«Willst Du es mit dem Geier aufnehmen, musst du das Spiel des Geiers spielen», soll seine Maxime sein, laut NZZaS. Interessant, so überlebt man offensichtlich bei der UBS am längsten. Nächste Bewährungsprobe: die 4,5 Milliarden müssen weg. Da er höchstpersönlich die UBS vertritt: nichts ist unmöglich.

 

Wenn der Papagei onaniert

Dieser Titel hat wirklich Potenzial, in die heilige Halle der ewig besten aufgenommen zu werden: «Hilfe, mein Papagei onaniert!» Erschwerend komme noch hinzu, dass die Vögel dabei mit 110 Phon ihr Wohlbefinden ausdrücken.

Ist das die Nuss danach? Befriedigter Papagei.

Ohne falsche Scham klärt hier die «SonntagsZeitung» über «Geile Vögel und ihre Sextoys» auf. Die Autorin zitiert sogar Fachleute auf diesem Gebiet: «Vor allem im Frühling würden Papageien und Sittiche viel onanieren. «Da sind sie alle ein bisschen verrückt»», weiss die Leiterin der Auffangstation für Papageien und Sittiche (APS) in Matzingen TG.

Aber nicht nur Vögel vögeln mit sich selbst, es gibt auch «horny Hörnchen», Schildkröten (wie die das wohl tun?), Pferde, Delphine und natürlich viele Affenarten, weiss ein britischer Wissenschaftler, der «die erste Datenbank über masturbierende Vögel» bewirtschaftet.

Ich hätte allerdings eine alternative Verwendung für diesen Titel: Könnte man den nicht über viele Werke der arbeitsplatzsichernden Mainstream-Journalisten schreiben? Vielleicht eröffnen wir hier eine neue Rubrik.

Kandidat für eine neue Rubrik

Als erster Kandidat bietet sich Denis von Burg an, der Politchef der SoZ. Mit Füssen getretene «politische Redlichkeit», «realpolitisch irr», kommt der Haltung der «Corona-Leugner nahe», «skandalös», gar «faktisch ein Putschversuch». Natürlich wird hier mal wieder «an den Grundfesten der Demokratie gerüttelt». Himmels willen, müssen unsere wehrhaften Mannen das Sturmgewehr aus dem Schrank nehmen und in Bern die Demokratie retten? Gegen wen nur, wer wagt solch finsteres Tun?

Weiss immer, wie es ist: Denis von Burg.

Oh, «bürgerliche Parlamentarier», die sich, – vade retro, Satana, schleich dich, Satan – hinter dem Ex-SVP-Präsidenten Albert Rösti scharen, wollen, nomen est omen, dass Gaststätten schon früher wieder öffnen können. Oh, sichern, Munition rausnehmen, Gewehr wieder in den Schrank. Ohne sich in den eigenen Fuss zu schiessen, das erledigt schon von Burg vom Titel abwärts: «Die Bürgerlichen verhalten sich wie in einer Bananenrepublik».

Allerdings gräbt auch die SoZ einen kleinen Streit aus, der durchaus höheren Unterhaltungswert hat. Denn Ex-Task-Force- und Immer-noch-Präsident des Schweizer Nationalfonds tritt dem bekannten Epidemiologen Marcel Tanner öffentlich kräftig in den Hintern.

Wenn zwei Wissenschafter öffentlich catchen

Mit einfachen Mitteln. Matthias Egger stellte ein Bild von Tanner auf Twitter, mit einer Aussage von ihm vom letzten Mai. «Es werde keine zweite Welle geben» hatte Tanner damals prophezeit. Maliziös ergänzt das Egger mit einem Auszug aus wissenschaftlichen Standesregeln: «Vermeiden Sie ungerechtfertigte Gewissheit.» Wunderbar, nur sollte diese Regel für alle Wissenschaftler gelten, die kakophonisch in die Pandemie hineinkrähen.

 

Ende mit kurzem Schrecken

Ach ja, dann soll es noch den «SonntagsBlick» geben. Bevor der zu quengeln beginnt: Das Interview mit dem inzwischen 80-jährigen Tom Jones ist unterhaltsam, aber vor allem wegen Jones. Das Porträt der Corona-Kreische Emma Hodcroft, die etwas unter Aufmerksamkeitsmangel leidet, ist hingegen schnarchlangweilig und überflüssig.

Topseriöse Wissenschaftlerin: Emma Hodcroft.

Und unser neuer Lieblingskolumnist Frank A. Meyer? Schimpft etwas lahm – im Vergleich zum Ausbruch beim Thema Burka – gegen den Ausverkauf der Heimat und Aufenthaltsbewilligungen für ganz Reiche. Aber die Schlusspointe reisst’s dann fast wieder raus:

«In der Schweiz ist Korruption gratis.»

 

CH+ oder CH++

Noch ein Aperçu aus dem «berühmt durch Corona»-Sumpf. Marcel Salathé, inzwischen anderweitig versorgt und der Durchstarter dank Covid19, hat aus anhaltender grosser Sorge mit 15 weiteren «Personen aus Wirtschaft und Wissenschaft» die «gemeinnützige Organisation CH++» gegründet. Dabei ist all diesen Koryphäen wohl entgangen, dass es bereits die im Handelsregister eingetragene GmbH CH+ gibt. Die zufälligerweise dem Autor gehört. Guter Start; Abmahnung wegen Verwechslungsgefahr ist unterwegs, die Chance, dass CH++ bald ins Minus rutscht, ist gross.

Besinnlicher Advent

Auch diese Tradition verschwindet im Journalismus.

Früher fürchtete sich die ganze Redaktion vor der Frage: Was machen wir am Advent?

Es ist eine der vielen undurchschaubaren Riten der Christenheit. Die vier Sonntage vor dem 24. Dezember sollen auf die Niederkunft von Maria mit dem Gottessohn geistig vorbereiten. Auch besinnlich; am Samstag vor dem ersten Advent ist Vesper.

Da könnten sich auch unsere jüdischen Mitbürger anschliessen, denn Psalmengesänge pflegen sie auch. Das mit der Geburt Christi sehen sie allerdings etwas anders. Völlig an einem gewissen Körperteil vorbei geht der Brauch unseren muslimischen Mitbürgern. Für die ist es ein Sonntag wie jeder andere; es gibt immer noch zu viele Ungläubige auf der Welt, irgendeine Beleidigung Allahs oder Mohammeds muss auch gerächt werden, die Scharia gilt immer noch nicht überall in Europa, also alles normal.

Im Journalismus geht es weltlich zu

Etwas weltlicher geht es im Journalismus zu. Von dümmlichen Kalauern wie «Advent, Advent, die Erde brennt» bis zu einer Todesanzeige auf der Front der NZZaS. Auch da brennt’s, wenn auch nur in Form eines Kerzleins, das an «die Opfer der Pandemie» erinnern soll. Wie kriegt man über 4000 Tote auf zwei Zeitungsseiten? Überhaupt nicht, deshalb erzählt die NZZaS in weihevollem Ton «zwölf Geschichten über ganz normale und doch besondere Menschen», die an oder mit Covid-19 gestorben sind.

Ich will ja nicht die andächtige Bibelstimmung (12 Tote, 12 Apostel) stören, aber: In der Schweiz starben 2019 etwas über 67’000 Menschen. An Krankheiten, Unfällen, sogar Verbrechen – oder einfach am Alter. Und solange das Medianalter der Corona-Toten oberhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung in der Schweiz liegt, hält sich meine Anteilnahme in Grenzen.

Die SoZ ist auf Krawall gebürstet

Überhaupt nicht weihnachtlich gestimmt ist hingegen die SoZ. Sondern eher auf Krawall gebürstet. «Altersheime setzen an Covid-19 erkranktes Personal ein», erschreckt das Sonntagsblatt harmlose Angehörige von Insassen. Dann läutet die SoZ das Totenglöcklein über der Skisaison, wenn sich BR Alain Berset mit seinen massiven Einschränkungen durchsetzen sollte. Wäre ja auch blöd, wenn man gerade den Zusatzbund «Winter» mit den «75 besten Winterhotels der Schweiz» gedruckt und beigelegt hat.

Überhaupt nicht in der Stimmung der Nächstenliebe ist auch der zweite Zeitungsbund: «Der jihadistische Terror zielt auch auf die Schweiz.» Müssen wir uns nun vor explodierenden Weihnachtsmännern in Acht nehmen?

Selbst die sonst eher harmlosen Ressorts «Gesellschaft» und «Kultur» sind garstig unterwegs: Die Bestsellerautorin J.K. Rowling sei «transphob», beschwert sich «Transaktivist Henry Hohmann». Das muss dann wohl selbst der gebildete SoZ-Leser mal kurz googeln, was und wer das ist.

Und selten schlüpfrig beendet die Kultur den überhaupt nicht besinnlichen Reigen: «Hazel Brugger machts neuerdings nicht mehr gratis.» Dass ausgerechnet der tapfere Kämpfer gegen Diskriminierung, für #metoo und überhaupt gegen alles Unrecht auf der Welt, der Tamedia-Redaktor Andreas Tobler, einen solchen frauenverachtenden Titel zulässt, unglaublich. Ab zum Bäume-Umarmen, Abbitte leisten und unbedingt beim Sensibilisierungskurs «Männer sind Schweine» anmelden.

Wenigstens der SoBli liefert das, was zu erwarten ist

Aber auf ein Sonntagsblatt ist Verlass. Der SoBli holzt wie üblich vor sich hin. Mit Aufregertiteln: «Die Schweiz ersäuft in Gülle», mit politisch unkorrekten Titeln: «Radikalisierte Frauen sind genauso gefährlich», und mit Titeln, die es gnadenlos auf den Punkt bringen: «Pulver gut, Stimmung mies».

Ein wenig Besinnlichkeit kommt auf, wenn wie weiland Buschs Lehrer Lämpel unser aller Oberlehrer Frank A. Meyer die Journalisten zusammenstaucht. Warum? Na, die haben doch tatsächlich über den Erpressungsversuch gegen Bundesrat Alain Berset berichtet. Handelt es sich bei der Erörterung von «Alain Bersets privater, ja intimer Kalamität um Futter für frivolen Klatsch?»

Ist die Ähnlichkeit nicht verblüffend?

Die Frage so stellen (der SoBli-Leser scheitert allerdings an Kalamität und frivol), heisst natürlich, sie beantworten. Aber bei einem eisigen Nein lässt es Meyer nicht bewenden. Zwar hat diesmal Blocher nichts damit zu tun, aber die «Weltwoche». Da läuft Meyer dann zu ganz unchristlichen Formen auf: «Das Blatt des rechten Eiferers Roger Köppel», «raunendes Machwerk», «genauso bringt man Klatsch ins politische Ziel», «beliebiger ideologisch-parteilicher Journalismus».

Und dann donnert der strafende und zürnende Meyer dem Eiferer Köppel noch eine rein: «Wer auf die Methoden des entfesselten Gender-Feminismus setzt, kennt keine private Sphäre mehr, die er zu achten hätte.» Das hat man bislang Köppel noch nie vorgeworfen, also ist es zumindest originell.

Platz für ergriffene Emotionalität wie von Wagner

Aber im SoBli gibt es auch Platz für pathetische Emotionalität, als hätte Franz Josef Wagner den Griffel geführt. Ausgerechnet von Dana Liechti stammt das Stück: «Lichter im Dunkel», über «Mahnwachen für Corona-Tote». Da könnte man nun einfach reportieren. Aber nein: «Elsa (89) und Josef Scherer (94) waren 68 Jahre lang verheiratet.»

Wir ahnen, wir befürchten, was nun kommt. In einem SRF-Beitrag aus dem Spital «er mit Schläuchen in der Nase, sie am Beatmungsgerät, die Hände liebevoll ineinanderverschlungen», wünschten sie sich noch zwei weitere gemeinsame Jahre.

Wir blinzeln die Tränen aus den Augen, schneuzen uns kräftig und lesen weiter: «Ihr bescheidener Wunsch ist nicht mehr in Erfüllung gegangen.» Gibt es denn keinen Trost auf der Welt? Doch, ein Licht im Dunkeln: «Zwei der Kerzen werden auch für Elsa und Josef Scherer brennen.»

Hier muss der gerührte und geschüttelte Autor abbrechen.