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Besserwisserin

Heute feststellen, dass gestern heute morgen war. Grossartig.

Sonja Zekri ist die grosse Nahost-Spezialistin. Deswegen sitzt sie auch in (fast) jeder Talkshow. Und füllt die «Süddeutsche Zeitung» mit ihren Meinungsartikeln. Dabei hält sie sich an ein beeindruckendes intellektuelles Niveau. So weiss sie zum Beispiel:

«Der Sturz von Baschar al-Assad hat selbst US-Geheimdienste überrumpelt. Dabei war der Untergang des Regimes absehbar – wenn man die Zeichen beachtet hat.» Das kann Zeichendeuterin Zekri. Allerdings: Im Nachhinein Zukunftsprognosen abzugeben, das ist keine grosse Kunst.

Das ist so wie: Dass es gestern regnete, hat alle überrumpelt. Dabei war das absehbar, wenn man die Zeichen beachtet hat. Was allerdings die grosse Zeichendeuterin auch nicht vorher der Welt mitteilte, erst nachher.

Ein Blick ins Archiv zeigt allerdings, dass Zekri selbst in den vergangenen Jahren niemals Zeichen gegeben oder beachtet oder beschrieben hat, dass der Untergang Assads absehbar gewesen sei. Dieses Wissen hat sie offensichtlich für sich behalten.

Sie ist überhaupt Spezialistin für fast alles, was schon viel ist. Sie studierte Slawistik und war im Feuilleton der SZ. Dann war sie Korrespondentin in Moskau. Was das alles mit dem Nahen Osten zu tun hat? Nichts, wenn man diese Zeichen richtig deutet. Bis 2020 leitete sie dann das Feuilleton der SZ. Und berichtet aus Kairo «über den arabischen Raum». Wow.

Das befähigt sie nicht nur dazu, aus der Vergangenheit in die Zukunft zu schauen. Nein, sie kann das auch aus der Gegenwart heraus, was der Tagi als kleiner Bruder (oder kleine Schwester, oder hybrid oder nonbinär (notbinär will das Korrekturprogramm daraus machen, der fiese Schlingel)) von der SZ übernimmt:

Wobei sie doch zuerst in die Vergangenheit schweifen muss und über das Öffnen eines Foltergefängnisses schreibt. Allerdings handelt es sich um Abu Ghraib im Irak, das kurz vor seinem Sturz von Saddam Hussein aufgesperrt wurde – und dann als Foltergefängnis der USA zu unrühmlicher Bekanntheit kam.

Auch hier weiss die Seherin inzwischen mehr: «Heute weiss man: Der Irak wurde tatsächlich zum Modellfall, allerdings für das Risiko, das die kenntnisfreie Einmischung einer Supermacht in eine komplizierte Gesellschaft bedeutet.»

Was soll nun dieser Vergleich bedeuten? Eigentlich nichts: «Syrien und Irak könnten freilich unterschiedlicher nicht sein. Im Irak erzwangen äussere Kräfte den Umsturz, in Syrien aber stützten fremde Mächte das Regime. Den Umsturz schafften die Syrer allein.»

Also vergleicht sie Nicht-Vergleichbares und reiht in diese Nicht-Vergleiche auch noch Ägypten, Libyen, Jemen und Tunesien ein. Schlussfolgerung: «Was heisst das für Syrien? Dass es ein vernünftiges Erwartungsmanagement braucht.»

Ohä, Erwartungsmanagement, und erst noch ein vernünftiges, hätte ZACKBUM nie gedacht, dass Syrien so etwas dringend braucht. Aber immerhin, Zekri erteilt dem neuen Machthaber ihren Segen: «Syriens neuer starker Mann Ahmed al-Sharaa, der sich in seiner Al-Qaida-Zeit Abu Mohammed al-Jolani nannte, macht vieles richtig.» Das Lob aus dem Mund einer unverschleierten Frau wird ihn sicherlich von Herzen freuen. Aber natürlich muss Zekri auch warnend die Stimme erheben:

«Umso riskanter wäre es, jetzt schon auf freie Wahlen zu drängen. Ohne freie Medien, ohne vertrauenswürdige Institutionen, ohne ein Minimum an Loyalität gegenüber dem Staat und eben nicht nur gegenüber der eigenen Religion, der ethnischen Gruppe oder dem Stamm, so hat der britische Wirtschaftswissenschaftler Paul Collier herausgefunden, werden Wahlen zur Schaufensterveranstaltung.»

ZACKBUM gratuliert nebenbei auch dem Wissenschaftler Collier, der diese Banalität herausgefunden hat und dafür eigentlich den Nobelpreis verdient hätte. Aber Zekri auch, denn sie spart wirklich nicht mit guten Ratschlägen für ein Gedeihen Syriens. Allerdings ist auch hier die bange Frage: hört man auf sie?

«Dringend müssten die westlichen Länder nun Kontakt zu Syriens neuer Führung aufnehmen. Denn wenn sie sich nicht engagieren, auch dafür ist Syrien ein Beispiel, werden andere es tun.»

Die Türkei, Israel, Europa, die USA, keiner wird von ihren Ratschlägen verschont. Vielleicht muss sie schon bald wieder darauf hinweisen, dass es halt schlecht herausgekommen ist, wie sie schon richtig damals schrieb, weil niemand auf sie gehört hat und niemand ihre Zeichen zu deuten wusste. Das ist halt das schreckliche Schicksal aller Kassandras. Sie sagen das Unvermeidliche voraus, aber niemand hört auf sie, deshalb trifft es dann ein. Aber die Welt wäre eine viel bessere, würde sie auf Zekri hören. Davon ist zumindest ein Mensch felsenfest überzeugt.

 

Im Ernst jetzt?

Der Leser braucht psychologische Beratung, um mit Trump fertigzuwerden.

Es gibt Journalisten, die sehen Dunkelheit, die Rückkehr der Macht der alten Männer, den Faschismus, gar das Ende der Welt (wie wir sie kennen). Sie haben rabenschwarze Visionen, für sie gilt der gute Satz vom Elder Statesman Helmut Schmidt: Wer in der Politik Visionen hat, sollte zum Arzt.

Aber sie können sich immerhin auf Kosten ihrer Leser ausagieren, schreiben als Therapie. Schrecklich, und dafür gibt es nicht mal Schmerzensgeld, wenn man diesen Schrott lesen muss.

Diese Doomsday-Propheten denken dann doch auch an ihre Leser und nehmen an, dass die genauso «schockiert, verzweifelt, ratlos» sind wie sie selbst. Ein typischer Fall von Übertragung. Also bieten sie aller Orten Psychologen auf, die wohlmeinende Ratschläge geben. Das ist eigentlich schon überall passiert, vom «Spiegel» aufwärts und abwärts.

Mit der gehörigen verschnarchten Verspätung klappert nun auch noch Tamedia hinterher: «Die Psychologin Sabina Pedroli erläutert, was Menschen mit krankhafter Angst umtreibt. Und ob die Wahl Donald Trumps eine Depression auslösen kann.»

Therapie-Spezialist Sandro Benini stellt stellvertretend für den angegangenen Leser einfühlsame Fragen: «Frau Pedroli, könnte der Sieg Donald Trumps jemanden im klinischen Sinn in eine Depression stürzen?» Bevor der ZACKBUM-Leser an den Fingernägeln knabbert oder eine Sonderration von Aufhellern einwirft, es gibt Entwarnung:

«Zumindest in der Schweiz ist das eher unwahrscheinlich, weil hier niemand lebt, der sich beispielsweise durch angekündigte Ausschaffungen bedroht fühlen könnte. Einige meiner Patientinnen haben zwar erwähnt, dass ihnen Trumps Wahlsieg Sorgen bereite oder dieser sie wütend mache. Insofern könnte das Ereignis etwa eine bereits bestehende Depression verstärken.»

Allerdings, so sind Fachpsychologen halt, nur teilweise. Denn nicht alle haben volle Auftragsbücher, und wann kann man schon mal so ungehemmt Werbung in eigener Sache machen: «Das Weltgeschehen kann Gefühle wie Hilflosigkeit, Angst oder Ohnmacht provozieren, und in den letzten Jahren höre ich dies von meinen Patientinnen und Patienten deutlich häufiger als früher.»

Dann gleitet das Gespräch doch etwas in Fachkauderwelsch ab: «... beeinflussbare und nicht beeinflussbare Stressoren … erlernte Hilflosigkeit … Konzept der Selbstwirksamkeit … es gibt Leute, die vulnerabler sind als andere … generalisierten Angststörung …»

Die Antwort auf die Frage, was man denn gegen «quälende Weltangst» tun könne, ist allerdings fatal für den Fragenden und sein Medium: ein schnell wirksames Mittel bestehe darin, «den Medienkonsum einzuschränken». Allerdings entgeht einem dadurch der ganze Spass, wenn sich intellektuell Minderbemittelte in holpriger Sprache selbst zum Deppen machen.

Schliesslich gibt die Psychologin einen weiteren Ratschlag, dem sich (fast) die ganze Tamedia-Redaktion konsequent verweigert:

«Eine weitere therapeutische Massnahme besteht darin, das Gespräch mit anderen Leuten zu suchen, um aus der eigenen Blase herauszukommen und die eigenen Gedanken an der Realität zu messen. Die Überprüfung der eigenen Kognition ist ein wichtiger Bestandteil einer Verhaltenstherapie

Allerdings ist das Aussprechen eines Schreibverbots nicht gerade ein Zeichen, das hier Anlass für Optimismus gibt.

Man könnte nun eine ganze Latte von Tamedia-Redaktoren (generisches Maskulin) aufführen, die diese therapeutische Massnahme dringend nötig hätten. Da wäre doch mal Qualitätspapst Simon Bärtschi, die mütterliche Überchefredaktorin Raphaela Birrer oder gar mindestens der Avatar von Jessica Peppel-Schulz gefragt. Aber wo sind diese Führungskräfte, wenn man sie mal bräuchte. Vielleicht schon selbst in Therapie, nach dem vernichtenden Echo auf das grosse Rausschmeissen zur Qualitätssicherung und das völlig verunglückte Online-Redesign, nach dem sich der Verursacher blitzschnell wieder nach Berlin abseilte.

Aber, in dem Sinn ist das Interview durchaus lesenswert, allerdings nicht unbedingt für Leser, sondern für Redaktoren, die Psychologin beschreibt noch eine weitere Verhaltensweise, die typisch für viele Tamedia-Schreiber ist: «Eskapismus bedeutet, sich bewusst aus der Wirklichkeit auszuklinken, um in eine andere Welt einzutauchen und sich dort mit anderem zu beschäftigen. Eskapismus kann nützlich sein, wenn er bewusst und moderat als Auszeit und zur Selbstfürsorge genutzt wird.»

Den zweiten Teil beherzigen aber die Schreibkräfte von Tamedia nicht. Sie entblössen sich hemmungslos vor den Augen ihrer Leser, sofern die nicht schamvoll den Blick abwenden und sich die richtige Antwort auf die Frage geben, ob sie für diese selbsttherapeutische Nabelschau auch noch etwas bezahlen sollten.

In diesem Fall hier, denn diese Lebenshilfe ist hinter der Bezahlschranke versteckt, ist es doch gut, dass der Tamedia-Angestellte (noch) ein Gratisabo online hat. Nur: einen weiteren Aspekt seines Krankheitsbildes erwähnt die Psychologin nicht: rechthaberische Beratungsresistenz.

Alle noch da?

Die ZACKBUM-Pause hat dem Journalismus nicht gut getan.

Leider waren wieder viele Journalisten (und Journalistinnen und everybody beyond) unkontrolliert unterwegs und vergriffen sich an ziemlich allem. An Logik, Sprachvermögen, Anstand, Moral, Kenntnissen und Schlussfolgerungen.

Der Welt wurden unablässig Ratschläge erteilt. Dass sich weder die Welt noch ihre Bewohner darum scheren, das übersehen die Journalisten geflissentlich, denn es würde ihnen ihre zunehmende Bedeutungslosigkeit  schmerzlich vor Augen führen.

Also bestreitet ZACKBUM diese erste Woche seiner Wiedergeburt (um es mit Roger Köppel zu sagen) mit einer Art Nachlese.

In der festen Überzeugung, dass die zerzausten Artikel schon längst den Aktualitätswert von Altpapier erreicht haben. Die Medienkritik an ihnen allerdings nicht. Die kritisierten Redakteure hätten sich schon längst einen neuen Beruf suchen sollen. Tun sie aber nicht.

Aber die nächste Sparrunde kommt bestimmt. Also bleibt Hoffnung.

Bei ZACKBUM wird nicht gespart. Zum Start ein bunter Strauss von fünf eigenen Werken plus ein Gastbeitrag über den unglaublichen Zürcher Unispital-Skandal.

Was alles nicht geschehen wird

Das ist mal ein Leitartikel. Was er fordert, wird nicht geschehen.

Wo Loser noch ein paar Grashalme wachsen lässt, säubert Raphaela Birrer nach. Nach diesen beiden Kommentaren wächst wirklich kein Gras mehr auf der Rütliwiese von Tamedia. Denn während sich Loser wenigstens auf das beschränkt, was er am wenigsten nicht kann – demagogisch-billige Polemik auf den Mann –, will Birrer gleich das Grosseganze regeln.

Nein, nicht den Weltfrieden, aber immerhin die Zukunft der Wahlen in den Bundesrat. Sie will da eine Lösung haben, «für das Sitzdilemma im Bundesrat». Sitzdilemma? Ob sie wohl weiss, was ein Dilemma ist? Und ob wir verstehen, was ein Sitzdilemma sei?

Macht nix, gleich im Lead verrät Birrer, was ihr so durch den Kopf geht: «Die Zauberformel dürfte bei diesen Bundesratswahlen noch einmal überleben. Danach müssen die Fraktionen aber von der Parteilogik wegkommen und die Sitze nach Blöcken vergeben.»

Müssen sie das? Was passiert, wenn sie das nicht tun? Wird Birrer dann furchtbar böse? Tritt sie aus Protest zurück? Man weiss es nicht, macht sich aber keine grossen Illusionen.

Man würde auch solche Einleitungen vermissen: «Die Schweiz hat keine Royals. Die Royals der Schweiz sind die Bundesrätinnen und Bundesräte. Deshalb verfällt das Land bei jedem magistralen Rücktritt in fiebrige Spannung. Wer folgt? Und wer stimmt für wen?» Wer war Elizabeth, wer ist Charles? Gibt es auch Prinzen? Ein schiefes Bild zum Schieflachen.

Aber droht auch diesen Royals eine Revolution, die schon so viele ihrer blaublütigen Verwandten hinweggefegt hat? Noch nicht, beruhigt Birrer: «Es wäre aber falsch, die bestehende Zauberformel zum jetzigen Zeitpunkt mit einer wilden Wahl anzupassen.» Da atmen die Royals hörbar auf, bewahren Fassung und behalten den Kopf, wie es sich gehört.

Dann lässt Birrer ungehemmt ihre Vorliebe für einen Möchtegern-Royal aufblitzen: Die SP präsentiere dem «Parlament mit Beat Jans und Jon Pult zwei valable Kandidaten, wobei der Vorteil aktuell zu Recht bei Jans liegt».

Gut, aber wenn diese Wahlen überstanden sind, «müssen» die Parteien plötzlich nicht mehr, aber sie «sollten im Hinblick auf die nächste Vakanz drei strukturelle Änderungen angehen». Um den Birrerwillen «besser mit der Regierung abzubilden», Pardon, den «Wählerwillen» natürlich, den Birrer viel besser kennt als das Parlament.

Wie sähen denn dann diese «Blöcke» aus? Drei Sitze für FDP und SVP, wobei die FDP einen Sitz abzugeben habe. Bei der Linken wird’s etwas kompliziert; die habe Anrecht auf zwei Sitze, wobei einer der beiden Sitze «jeweils zwischen den beiden Parteien wechseln» solle oder müsse. Wie das? Sesseltanz im Bundesrat? Ein Jahr furzt ein SPler in den Sitz, das nächste Jahr ein Grüner?

Bleibt die Mitte mit der «Mitte», GLP und EVP, die zusammen knapp auf zwei Sitze kämen, laut Birrer: «Auch hier würde der zweite Sitz je nach Kandidatenfeld zwischen den Blockparteien wechseln.» Sitzlein, wechsle dich?

Dann gibt es noch einen strengen Ratschlag an die GLP: sie sei «gut beraten, sich ein schärferes Mitteprofil zu geben, statt sich nach links zu bewegen». Bedauerlich, dass diese unsägliche Politikerfloskel «gut beraten» endlich auch im Schweizer Mainstream-Journalismus angekommen ist; kommt halt davon, wenn man eine Überdosis «Süddeutsche Zeitung» ins Blatt lässt.

Noch was? Ja, Dreierticket statt Zweierauswahl, empfiehlt Birrer. Es ist allerdings die Frage, ob bis hierher noch ein Parlamentarier gelesen hat, weil er vor Lachtränen kaum mehr etwas sieht. So verpasst er auch die strenge Ermahnung am Schluss:

«Die Parteien sollten die unbefriedigenden Gesamterneuerungswahlen zum Anlass nehmen, um diese Reformen anzugehen. Belassen sie einfach alles beim Alten, werden sie ihrer Verantwortung gegenüber dem Stimmvolk nicht gerecht.»

Wenn das so ist, wäre dann nicht eine direkte Volkswahl ein viel besserer Ausdruck der «Verantwortung gegenüber dem Stimmvolk»? Aber damit könnte man natürlich nicht eine ganze Kommentarspalte füllen, also fiel diese naheliegenden Idee aus Traktanden und Leid-, äh Leitartikel.

Oh Tagi, wie flach darf’s denn noch werden? Oder soll, muss er wirklich gut beraten sein, das Fremdschämen zur fast täglichen Disziplin zu machen, nach der Devise: da muss der Leser durch, schliesslich zahlt er dafür.

Leider ist man gut beraten, keine Scherze mit Namen zu machen, dabei liegt einem bei Birrer einer auf der Zunge …

Wumms: Katja Früh

Sie ist Kolumnistin beim «Magazin». Das sagt eigentlich schon alles.

Katja Früh gehört zu den Menschen, die sich selbst ausserordentlich wichtig nehmen, eine ausgesprochen hohe Meinung von der Gültigkeit ihrer Ansichten haben – und dann feige kneifen, wenn sie mal Zivilcourage beweisen müssten und sich zu einem üblen Streit äussern, der sich auf ihrer eigenen Redaktion abspielt.

Dermassen qualifiziert macht Früh das Mögliche unmöglich und gibt höchstwahrscheinlich lustig gemeinte Ratschläge; «rät zur Therapie: Meine Tipps für Herrn Glarner». An diesem Buhmann und Posterboy der Linken haben sich schon so ziemlich alle abgearbeitet, aber spät kommt nun auch noch Früh.

Sie versucht sich als Hobbypsychologin und gibt die uralte Mär zum Besten, dass eine «starke Abwehrhaltung gegen was auch immer» mit dieser Person selbst zu tun habe. Ratschlag: «Sie zum Beispiel fürchten sich vor Dragqueens. Da wäre vielleicht eine Konfrontationstherapie angebracht, was bedeuten würde, dass Sie selbst einmal in schillernde Frauenkleider schlüpfen sollten.»

Haben wir gelacht, und damit wäre der Scherz eigentlich ausgelutscht. Aber leider ist da noch Platz in der Kolumne, und Früh muss sparsam mit Ideen umgehen, also tritt sie den Quark noch breit und küchenlateinert weiter in der inneren Welt von Glarner herum: «Könnte es sein, dass Sie, ohne es selber zu wissen, auch lieber so ein freies und buntes Leben leben würden? Oder haben Sie Angst, dass die Welt zusammenbrechen würde, wenn jede:r einfach sein darf, wie er oder sie will? Durften Sie das mal? Als Kind vielleicht

Hier fällt ihr dann doch auf, dass in diesem Scherz kein Tropfen Gehalt mehr steckt. Also kurze Übertragung:  «Nun zum Gendern: Das scheint Ihnen auch ziemliche Angst zu machen.»

Dann liefert sie allerdings gleich den Beweis, wieso man dem Gendern zumindest misstrauisch gegenüberstehen sollte: «Es ist doch nichts anderes als der Versuch, auch in der Sprache Geschlechtergerechtigkeit herzustellen.» Was für ein hanebüchener Unsinn.

Unterwegs im Nonsens-Land legt Früh gleich noch einen drauf:

«Es passt Ihnen wohl ganz gut, die Frauen ein bisschen im Hintergrund zu wissen, niemand nimmt Ihnen Ihre Privilegien weg, und niemand stört die «natürliche» Ordnung. Haben Sie vor Frauen gleich viel Angst wie vor Homosexuellen? Dann würde ich Ihnen ernsthaft eine Therapie ans Herz legen.»

ZACKBUM würde Früh hingegen einen Anfängerkurs in Logik und Konsistenz ans Herz legen. Oder ihr empfehlen, bei grösster Not «was schreibe ich denn nur wieder in meiner Kolumne?» lieber einmal zu verzichten.

Denn, sehr geehrte Kolumnistin, wenn man ihre Methode anwenden wollte, dann müsste doch auch Blackfacing erlaubt sein. Um sich mal in die Rolle eines Negers, Pardon, Schwarzen, ts, ts, einer Person of Colour zu versetzen. Dann ist auch der Sombrero erlaubt, die Rastalocke, das wären dann alles keine kulturellen Aneignungen, sondern Therapien. Selbstverständlich gehörte auch der Indianeraufzug dazu, selbst eine Perücke und ein Rock, um sich mal als Frau zu fühlen.

Es ist inzwischen überall bei Tamedia, also beim «Tages-Anzeiger», also im Tx Konzern möglich, ungebremst, unbelästigt von jedweden Qualitätsansprüchen die zahlende Kundschaft mit Blödsinn zu quälen. In der leider vergeblichen Hoffnung, dass die meisten Masochisten sind.

Panic is back

Schon gehört? Corona ist immer noch gefährlich.

Nik Walter war mal Leiter Ressort Wissen bei Tamedia. In dieser Funktion enthüllte er den Schmatz-Skandal in öffentlichen Verkehrsmitteln.

Gnadenlos stellte er seine Mitreisenden an den Pranger:

«Je länger, desto mehr ekle ich mich vor all den mampfenden, schmatzenden, schlürfenden Mitpassagieren in den Zügen, die ihre Maske nur am Arm oder bestenfalls am Kinn tragen. Das Essen und Trinken im ÖV ist mittlerweile eine Seuche, eine wahre Pest.»

Leider konnte er sich mit seiner Forderung nach einem Verbot solch frevlerischen Tuns nicht durchsetzen. Zu seinem grossen Erstaunen hat das aber die Schweiz ohne massive Bevölkerungsverluste überlebt.

Das machte Walter stumm und fassungslos. Aber jetzt ist er kregel da und reitet wieder:

Schon wieder mahnt und warnt Walter. Er sieht Schlimmes auf uns zukommen: «Leider beziehen viele Menschen die Eigenverantwortung nur auf das Wort «eigen», also auf sich selbst, deshalb funktioniert das Konzept nicht wirklich

Es werde fahrlässig nichts gegen die nächste Covid-Todeswelle unternommen, dabei wäre es doch so einfach, verzweifelt Walter:

Können wir Eigenverantwortung? Nein, es wird weiterhin im ÖV geschmatzt, gemampft und geschlürft. Natürlich ganz ohne Maske. Es wird auch gelesen, in der Nase gebohrt, geschwatzt und gehustet. Ganz ohne Eigenverantwortung. So wie damals verantwortungslos das Konsumationsangebot in den Speisewagen der SBB genutzt wurde, zum Ekel und Frust Walters.

Wie steht es aber eigentlich mit der Eigenverantwortung bei Walter? Statt alle Mitmenschen dazu aufzurufen, Dinge zu tun, die nicht vorgeschrieben sind, aber laut dem Besitzer der einzig richtigen Wahrheit, dem Seuchenbekämpfungspapst Walter unbedingt getan werden müssten – wie wäre es, wenn Walter in seiner näheren Umgebung Eigenverantwortung zeigte? Und zum Beispiel die Corona-Kreische Marc Brupbacher, seinen Redaktionskollegen, einen Maulkorb verpasste? Der beschimpft Wähler, die anders abstimmen als es ihm passt. Der beschimpft sogar den Bundesrat als «völlig übergeschnappt». Der liess und lässt keine Gelegenheit aus, panisch auf fürchterliche Gefahren hinzuweisen.

Treffen die dann prinzipiell nicht ein, gönnt er sich erschöpft eine kurze Ruhepause («muss schlafen»), um anschliessend mit frischer Energie vor neuen Weltuntergängen zu warnen. Auf ihn könnte man den Artikel «Schreckung der Bevölkerung» aus dem Schweizerischen Strafgesetzbuch problemlos anwenden.

Dazu gäbe es noch genügend weitere Mitarbeiter bei Tamedia, die Walter an ihre Eigenverantwortung erinnern könnte. Die zum Beispiel darin bestünde, die Leser nicht endlos mit der Betrachtung des eigenen Bauchnabels und endlosen Beschreibungen der eigenen Befindlichkeit zu quälen.

Das wäre doch endlich einmal wahrgenommene Eigenverantwortung, auch bei Walter himself.

Es ist erschreckend, mit welch routinierter Rechthaberei bei Tamedia Redaktoren allen Mitmenschen mitteilen, wie die sich zu verhalten hätten. Was verantwortungsvoll und was verantwortungslos sei. Nämlich das, was Walter als das eine und das andere festlegt. Denn was allen übergeschnappten Bundesräten und anderen verantwortungslosen Politikern, ja was der Schweizer Bevölkerung nicht einfällt, weiss Walter. Es müssen wieder Masken getragen werden, man solle genügend Abstand halten, zu Hause bleiben.

Bislang galt eigentlich, dass es verbindliche Vorschriften gibt – und freiwillige Verhaltensweisen, bei denen die Entscheidung jedem Einzelnen überlassen ist. Aber schon während der Pandemie wurden sogenannte Impf-Verweigerer übel beschimpft, sogar als potenzielle Mörder verunglimpft, gegen die streng durchgegriffen werden müsse, wie ein anderer hyperventilierender Redaktionskollege von Walter forderte. Das böse Wort vom Impfzwang stand im Raum. Alles eigenverantwortlich von hysterischen Redaktoren in die Welt gesetzt.

Was ist nur in all diese Redaktoren-Toren gefahren? Ist es der Frust über Bedeutungs- und Stellungsverlust? Ist es mangelnde Selbstkontrolle? Ist es ungehemmte Rechthaberei? Besserwisserei? Der Wahn der Unfehlbarkeit? Das Bedürfnis, anderen ungefragt die eigene Meinung aufs Auge drücken zu müssen?

Gesund ist das jedenfalls nicht.

Übergrosser Bauchnabel

Was ist das wichtigste Körperteil eines Journalisten?

Konsumenten von Medien könnten meinen, dass es sich dabei um den Kopf handle. Vielleicht sehen das männliche Journalisten zum Teil anders, aber das wichtigste Körperteil eines Medienschaffenden ist eindeutig sein Bauchnabel.

Denn diesen betrachtet er nicht nur ausgiebig. Tastet ihn regelmässig ab. Fühlt, spürt, wie es dahinter zu und her geht. Rumpelt der Magen? Verrichtet das Gedärm seinen Dienst? Wandert die Nahrung peristaltisch dem Ausgang entgegen? Wie steht es mit den übrigen inneren Organen? Hält die Leber noch die Alkoholzufuhr aus oder spannt sie schon den Regenschirm auf? Ist die Gallenblase ohne Steine? Schmerzen etwa die Nieren? Was machen denn eigentlich Bauchspeicheldrüse und Blinddarm?

Der Journalist kümmert sich auch um abstraktere Belastungen im Umfeld seines Bauchnabels. Halten seine Innereien die nötige Portion Opportunismus aus, den Widerspruch zwischen persönlichen Überzeugungen und dem, was der Medienschaffende in Erfüllung der Generallinie seines Organs als seine feste Meinung zu verkaufen hat? Bleibt das Gedärm ruhig, wenn er wieder mal einen Auftrag fasst, ein übles Stück Konzernjournalismus zu verfassen? Entwickeln sich gar Blähungen, wenn er wieder mal Stücke in seinem Medium lesen oder hören muss, die intellektuell unterirdischen Flachsinn beinhalten?

Kommt er ohne Schluckauf davon, wenn eine neue Runde «gendern für Anfänger und Zurückgeschrittene» ausgerufen wird? Fügt er sich in sein Schicksal, wenn die Untervertretung von weiblichen Führungskräften durch Quotenfrauen kompensiert wird, was dem männlichen Mitarbeiter klarmacht, dass seine unermüdlichen Anstrengungen, durch herausragende Leistung die Karriereleiter zu erklimmen, vergeblich waren?

Noch wichtiger: woran leidet der Journalist gerade? An der Welt insgesamt, am Krieg in der Ukraine, an Trennungsschmerz, an Kopfweh? Wie steht es überhaupt um seine Befindlichkeit? Ist er einsam, muss er Weltenlenker zurechtweisen, fernen und nahen Ländern oder Regierungen Bescheid stossen, was sie eigentlich zu tun hätten? Befürchtet er einen neuen Corona-Ausbruch, viele Tote, gar den Weltuntergang? Müsste man Putin nicht endlich mal stoppen? Bremsen? Wegputschen? Und wieso, verdammt noch eins, folgt eigentlich niemand seinen Ratschlägen?

Das sind alles Gedankengänge, die dem Journalisten beim Betrachten seines Bauchnabels durch den Kopf gehen. Damit könnte die Welt ja noch leben. Aber leider, leider hat er die Möglichkeit, all diese Gärungen und Verarbeitungen seines Metabolismus der Umwelt mitzuteilen. Genauer den armen Konsumenten seines Organs, die sogar noch Geld dafür zahlen müssen, um akkurat über die Befindlichkeit des Lohnschreibers informiert zu werden.

Das ist eine einsame Spitzenleistung an öffentlicher Nabelschau. Das gibt es in keinem anderen Beruf. Ein Kellner käme nicht im Traum auf die Idee, ein Bier mit der Bemerkung zu servieren, dass er heute in recht melancholischer Stimmung sei. Einer Verkäuferin käme nicht über die Lippen, während sie die Ware abkassiert, den Kunden darüber zu informieren, dass sie an der Verantwortungslosigkeit der Ungeimpften schwer leide.

Selbst Taxifahrer oder Coiffeure geben normalerweise erst dann ihre Ansichten und Einsichten kund, wenn der Kunde offenbar nach einem Dialog verlangt. Auch Staatsbeamte halten sich zurück. Niemals käme der Steuerkommissär auf die Idee, die Steuerrechnung mit ein paar Bemerkungen über seinen Seelenzustand zu ergänzen.

Denn eigentlich ist es bei Dienstleistungen ganz einfach. In welchem körperlichen oder geistigen oder seelischen Zustand sie erbracht werden, ist dem zahlenden Konsumenten ziemlich egal. Normalerweise wäre er befremdet, wenn der Metzger das Kalbskotelett mit der Bemerkung über den Tresen reichen würde, dass die Massentierhaltung seiner Meinung nach sofort zu unterbinden sei. Und wieso der Kunde nicht besser zum Biofleisch greife, statt verantwortungslos und kaltherzig tierisches Leiden zu verspeisen.

Aber der Medienschaffende ist immer gerne bereit, nicht nur seine persönliche Stimmungslage mit dem Konsumenten zu teilen, sondern dem auch noch ungefragt Ratschläge, geradezu Befehle zu erteilen. Putin verstehen, das sei ganz schlecht. Sich nicht nochmals boostern lassen, das sei verantwortungslos. Ein warmes Vollbad sei ein Schlag ins Gesicht gegen alle Energiesparmassnahmen. Kohlekraftwerke seien doch keine so schlechte Sache, die Raumtemperatur müsse im kommenden Winter deutlich gesenkt werden.

Mit all diesen Dingen belästigen Medienschaffende ihre Konsumenten. Kein Wunder, dass für die eigentliche Dienstleistung, das professionelle Berichten über Ereignisse aus der ganzen Welt, immer mehr in den Hintergrund tritt. Kein Wunder, dass sich immer mehr Konsumenten fragen, wieso sie für diese Selbsterforschung, diese Egotripps, diese arrogante Rechthaberei, diese ungefragten Ratschläge, Zurechtweisungen, Einordnungen oder Narrative auch noch etwas bezahlen sollten.

 

Der Hang zum Selbstbetrug

So ist der Mensch. Im Zweifelsfall sich selbst genug.

Es ist menschlich, sich selbst als Massstab aller Dinge zu nehmen. Unangenehm auffällig wird das, wenn der Mensch Plattformen und Sprachrohre hat, um den Mitmenschen darauf aufmerksam zu machen.

Im angelsächsischen Journalismus ist es bis heute sehr verpönt, dass ein Autor auf seine eigene Befindlichkeit hinweist. Nachrichtenjournalismus heisst, berichten, was ist. Oder zumindest den Versuch unternehmen. Allerhöchstens ein kleiner, szenischer Einstieg, dann möglichst nackte Tatsachen.

Plus die üblichen Regeln von Anstand und Respekt. Deshalb käme es im englischen Journalismus niemand in den Sinn, die Autorisierung von Quotes zu verlangen. Oder zu gewähren. Es gilt «gesagt ist gesagt», und Ehrensache, dass der Journalist den Inhalt Wort für Wort oder in einer korrekten Zusammenfassung wiedergibt. Täte er das nicht, gäbe es einen Riesenaufstand. Kommt aber praktisch nie vor.

Wenn man einem englischen Journalisten zu erklären versucht, welcher Kampf auf Deutsch um die Sternchenvergewaltigung der Sprache wogt, welche ellenlangen Manuals ausgegeben werden, dass selbst der Duden sich nicht entblödet, entsprechende Ratgeber zu veröffentlichen, dann spürt man deutlich Unglauben und Befremdung.

Wenn man noch hinzufügt, dass sogar angebliche Qualitätsmedien wie Tamedia Seiten darauf verschwenden, sich selbst und dem Leser zu erklären, wie denn nun korrekt, inkludiernd, geschlechtsneutral die Sprache malträtiert werden muss, dann schüttelt es den Kollegen, der nicht fassen kann, dass sich erwachsene Menschen mit einem solchen Pipifax beschäftigen. Wobei nicht mal die Satiresendung «Spitting Image» auf eine solche Idee gekommen wäre, und die kamen auf so ziemlich alle Ideen.

Immerhin ist’s in den Hintergrund verschwunden

Aber, eigentlich die allereinzige positive Auswirkung des Überfalls auf die Ukraine, dieser Spuk ist weitgehend im Hintergrund verschwunden. Nur noch letzte Einzelkämpfer brabbeln etwas von «weiblichem Frieden», obwohl das Substantiv doch maskulin ist. Oder interviewen «Genderforscher», die Unsinniges über weibliche versus männliche Kriegsführung murmeln. Ohne dass sich eine der beiden Beteiligten bewusst wird, wie lächerlich das ist.

Aber viel direkter und noch unangenehmer merkt man diese Selbstüberhöhung, wenn der Journalist zum Kommentar greift. Das ist im modernen Elendsjournalismus, der jegliche Haltung, Qualität oder Recherchefähigkeit verloren hat, die Kompensation Nummer eins.

Keiner zu klein, Meinungsträger zu sein.

Der Chefredaktor höchstselbst, sei es auch nur eines Weltorgans wie das St. Galler «Tagblatt» oder der «Bote der Urschweiz», greift zum Griffel und geigt dem russischen Präsidenten mal seine Meinung. Was für ein Verbrecher der sei, was für ein Wahnsinniger, Diktator, Massenmörder, Zündler, riskiert einen Dritten Weltkrieg. Auch das wird geschrieben ohne das geringste Bewusstsein, dass solche Rempeleien völlig sinn- und wirkungslos sind.

Oder stellt sich der Kommentator wirklich im Ernst vor, dass dem Herrscher im Kreml die tägliche Presseschau vorgelegt wird, er beim jüngsten Kommentar der Auslandchefs von Tamedia hängen bleibt, erbleicht, anfängt zu zittern, zu einem der zahlreichen Telefone auf seinem Schreibtisch greift und sagt: «Genossen, ich gebe hiermit den Befehl zum sofortigen Rückzug. Und bitte alles reparieren, was wir kaputt gemacht haben»?

Keiner entkommt den Ratschlägen der Schreibtäter

Ein Spürchen, aber auch nur ein Spurenelement chancenreicher sind die überreichlichen Ratschläge, die der Schweizer Regierung gegeben werden.

Sie sollte, müsste, hätte, zögerte, hat endlich, muss noch viel mehr, darf nicht zögern, macht sich unglaubwürdig, muss ein Zeichen setzen, kann nicht abseits stehen, wird von der Welt beobachtet (und vom Redaktor), wäre gut beraten, muss nun unverzüglich.

Auch hier betrachtet der Schreiber sein Werk (und seinen Bauchnabel), findet Wohlgefallen und Behagen daran und begibt sich im sicheren Gefühl zum Feierabendbier, dass er es mal allen wieder richtig gezeigt habe und die Welt nun doch ein bisschen besser geworden sei.

Grossmäulig heisst das Gefäss immer noch «Leitartikel»; als ob dort etwas geleitet würde, etwas zum Geleit mitgegeben wird. In Wirklichkeit sind es Leidartikel, die beim Lesen ein selten intensives Gefühl des Fremdschämens auslösen. Denn ist es nicht peinlich und peinvoll, wie erwachsene Menschen, eigentlich zurechnungsfähig, sich selbst in aller Öffentlichkeit zum Deppen machen?

 

Nach 1945

Damit senkt ZACKBUM sicher schon mal die Einschaltquote. Denn wer will soweit zurückdenken.

Bislang konnten alle nach 1945 in Europa Geborene erstaunt festhalten: Wir sind Bestandteil einer Generation, die in Friedenszeiten geboren wurde und voraussichtlich auch in Friedenszeiten ins Grab sinken wird.

Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine stimmt der zweite Teil nicht mehr. Denn was viele wohl immer noch überrascht: die Ukraine ist das flächenmässig grösste Land Europas.

Natürlich war Europa nach 1945 keineswegs ausschliesslich ein friedliebendes Paradies. Aber zwei atomar bis an die Zähne bewaffnete Militärblöcke standen sich gegenüber, Stirne an Stirne. Es war ihnen erlaubt, im eigenen Hinterhof für Ruhe zu sorgen. In Portugal und Spanien durften blutrünstige Diktaturen herrschen, in Italien die kommunistische Partei von der Macht ferngehalten, in Griechenland von den Obristen Hatz auf alles Linke gemacht werden.

Die UdSSR durfte in Ungarn und in der Tschechoslowakei aufräumen. In der Schweiz skandierten witzigerweise ganze Volksmassen «Dubcek, Svoboda», obwohl das doch zwei Kommunisten waren und für Schweizer Kommunisten galt: «Moskau einfach!»

Also herrschte Ordnung und Übersichtlichkeit. Im Westen die Guten, im Osten die Bösen, und die Schweiz mittendrin und ganz neutral. Aber schon mit Angstattacken, dass vielleicht doch mal die Roten kommen könnten. Was aber durch die abschreckende Wirkung der Schweizer Armee verhindert wurde.

Ab 1990 wurde es unübersichtlich

Ab 1990 löste sich dann alles auf. Der Ostblock verschwand, das Militärbündnis Warschauer Pakt löste sich auf, selbst die UdSSR zerfiel in ihre Bestandteile. Alles unglaublich friedlich, wenn man bedenkt, welche Atomwaffenarsenale existierten. Nur die Implosion Jugoslawiens ging nicht friedlich ab; Bürgerkriege, Gemetzel, Pogrome, Massaker.

Hier spielte der Westen – und die Schweiz – eine eher unrühmliche Rolle. Unsere Ex-Aussenministerin Calmy-Rey ist heute noch stolz darauf, bei der Abspaltung des Kosovo von Serbien behilflich gewesen zu sein. Obwohl das eine klare Verlatezung aller UNO-Vereinabrungen war, die Serbien als Rechtsnachfolger von Jugoslawien seine territoriale Integrität garantierten.

Könnte man sich vielleicht daran erinnern, wenn man in scharfen Worten die Anerkennung der Unabhängigkeit von zwei östlichen Provinzen der Ukraine verurteilt. Natürlich zu Recht, eigenes Unrecht soll einen nicht daran hindern. Aber gerecht wäre es, daran zu erinnern.

Schon die Pandemie hat grosse Verunsicherung gebracht. Wir, im 21. Jahrhundert, einer Seuche ausgeliefert? Einer Pandemie, die uns zwingt, unser ganzes Verhalten zu ändern? Ein Virus, der stärker als unsere High-Tech Forschung und Medizin ist? Regierungen hilf- und ratlos lässt? Während das Vertrauen der Bevölkerung in die Weisheit staatlichen Handelns und die Autorität der Wissenschaft schwer beschädigt wird. Auch die Medien haben mutwillig sehr viel an Vertrauen und Glaubwürdigkeit verloren. Die Abstimmung über die Medienmilliarde wäre garantiert gewonnen worden, hätte vorher nicht dieser dramatische Verlust an Qualität, Seriosität und Kompetenz stattgefunden.

Kriegsberichterstattung, reloaded

Die Berichterstattung über die Pandemie glich schon in vielen Aspekten einer Kriegsberichterstattung. Klare Kante, saubere Unterscheidung zwischen richtig und falsch, zwischen verantwortungsvoll versus fahrlässig und verantwortungslos. Bis hin zu Vorwürfen, dass Kritiker und Abweichler von der offiziösen Linie den Tod von Mitmenschen billigend in Kauf nähmen. Ungeimpfte sollten von der Behandlung auf Intensivstationen ausgeschlossen werden, sie sollten zu einer Kostenbeteiligung gezwungen werden.

Begriffe wie Triage wurden aus der Kriegswelt importiert. Andere Wörte blieben zu kontaminiert aus dunklen Zeiten, sonst hätte man sicher auch gerne wieder den Defätisten zum Leben erweckt. Die Fünfte Kolonne, die Schwächung der Wehrkraft, den Anschlag auf den gesunden Volkskörper.

Überhaupt, Differenzierung, Widerworte, Zweifel, das ist alles kränkliche Dekadenz, wo es nun doch Zusammenstehen brauchte, Gehorsam, freiwillige Unterordnung, klaglose Hinnahme von Entscheidungen, Befehlen und Anordnungen.

Verschärft gilt all das, wenn der Krieg gegen ein abstraktes, mehr virtuelles Virus durch einen richtigen Krieg ersetzt wird. Mit Panzern, Fusstruppen, Explosionen und Landkarten, auf denen Truppenbewegungen und Gefechte eingetragen werden.

Der erste Golfkrieg war die Geburtsstunde der ausgebauten Infografik, plus ein Peter Arnett live aus Bagdad. Krieg als Videospektakel, real time. Dreissig Jahre später muss man sagen, dass sich nicht viel weiterentwickelt hat. Eher im Gegenteil.

Wie weiland Peter Arnett in Bagdad

Infografiken sind weitgehend den Sparmassnahmen zum Opfer gefallen; der Redaktor muss nun selber ein billiges Mappingprogramm benützen und dort in eine flache Landkarte ein paar Piktogramme reinpflanzen und ein paar Flächen schraffieren.

Natürlich stellen sich bereits die ersten Reporter mit Helm und schusssicherer Weste, auf der gross «Press» steht, vor die Livekamera und schauen verwegen. Da im Hingergrund aber nichts Gefährliches zu sehen ist, hat das noch ein gewissen Hauch von Lächerlichkeit. So wie einer, der in der Hemingway-Bar im Pariser Ritz ein paar Drinks kippt und sich dabei so fühlt, als habe er sie auch gerade von den Nazis zurückerobert.

Wo soll das alles enden, wo führt’s hin? Gedanken dazu kann man von der kurzatmigen Presse kaum erwarten. Der rutscht der Helm ständig über die Augen, während sie die spärlichen Informationen eins ums andere Mal durch die Mühle dreht.

Mangels Begabung zur weltstrategischen Einordnung gibt es aber ein Fluchtgebiet, das immer offensteht und gerne benützt wird: Ratschläge erteilen. An den «Wahnsinnigen» Putin eher weniger. Aber natürlich an die Schweizer Regierung. Ja nicht neutral bleiben. Zeichen setzen, Sanktionen unterstützen, nicht zum Profiteur werden, klare Kante zeigen, nicht zulassen, dass, Blabla. Eigentlich ein Wunder, dass es die Schweiz bei solchen Einflüsterern tatsächlich bis heute geschafft hat, einigermassen neutral zu bleiben.

 

 

Traktat über das männliche Gemächt

Bevor man an Weiterungen denken kann, muss man zuerst fotografieren. Das gilt auch für das wichtigste Körperteil des Mannes.

Von Adrian Venetz

Bereits kurz nach den Anfängen der Fotografie haben sich Männer entschlossen, ihr Geschlechtsteil zu fotografieren und die Bilder anderen Personen zur Verfügung zu stellen. Da sich nun ein Trend zeigt, solche Bilder zu sammeln, inventarisieren und archivieren, drängt sich die Frage auf, ab wann man ein Penisbild als gelungene Aufnahme bezeichnen kann. Diese Frage soll hier erörtert werden.

Vorgängig zu klären ist, ob sich ein Smartphone für die Phallusfotografie eignet. Man kann diese Frage zwar nicht kategorisch mit nein beantworten, doch in der Fachliteratur herrscht weitgehend ein Konsens darüber, dass sich die Investition in eine professionelle Ausrüstung durchaus lohnt.

Wichtig zu wissen: Die Penisfotografie folgt grundsätzlich anderen Regeln als beispielsweise die Architektur- oder Landschaftsfotografie – sowohl was die Blende und Verschlusszeit angeht, als auch den sich durchaus als knifflig erweisenden Einsatz von verschiedenen Objektiven und Blitzgeräten. Nachfolgend werden diese Faktoren genauer unter die Lupe genommen.

Makro ohne Grössenvergleich

Das Objektiv: Sinnvoll ist der Einsatz eines Makroobjektivs, dies ungeachtet der Genitalgrösse. Die Wahl der Brennweite richtet sich nach dem Abstand zwischen Linse und Lümmel. Beim Einsatz eines Stativs mit Selbstauslösung der Kamera können natürlich auch Zoom- und Weitwinkelobjektive verwendet werden.

Die Blende: Anfängern wird empfohlen, durchgängig Blende 8 zu wählen. Grosser Beliebtheit bei Fortgeschrittenen erfreut sich das Fotografieren mit offener Blende. Dies ermöglicht den gezielten Einsatz von Tiefenunschärfen, die dem Bild einen verträumten Charakter verleihen. Je nach Position der Kamera und des Geschlechtsteils sollte allerdings darauf geachtet werden, dass den späteren Betrachter*innen ein akzentuierter Blickfang in der Bildgestaltung geboten wird.

Belichtung: Wer mit ruhiger Hand fotografiert, erhält mit einer Verschlusszeit von 1/30 Sekunde durchaus zufriedenstellende Resultate. Wer dagegen erregt ist und/oder sein Glied in hüpfartigen Bewegungen im Bild festhalten möchte, sollte eine Verschlusszeit von mindestens 1/100 Sekunde in Betracht ziehen und sich allenfalls im Fachhandel erkundigen, ob das Objektiv (oder das Glied) mit einem automatischen Stabilisator nachgerüstet werden kann.

Blitzgeräte: Vom Einsatz von handelsüblichen Blitzgeräten ist bei der Penisfotografie grundsätzlich abzuraten, da sich sonst unerwünschte harte Schattenwürfe im Bild bemerkbar machen. Mit ansprechenden Ergebnissen rechnen kann man dagegen bei der Verwendung eines nicht ganz günstigen Ringblitzes. Eine in einem 30-Grad-Winkel positionierte externe Lichtquelle sorgt für eine besonders dezent ausgeleuchtete Szene. Mit Farbfiltern ergeben sich weitere interessante Stimmungen. Auch der Einsatz von Kerzenlicht erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Man achte jedoch auf einen nicht zu geringen Abstand zwischen Kerze und Klöten.

Auch vor der Erfindung der Fotografie gab es Möglichkeiten.

An Popularität gewonnen hat in jüngster Zeit auch der Einsatz von Drohnen. Anfängern sei an dieser Stelle jedoch dringend davon abgeraten. Wird die Gefahr von rotierenden Drohnenpropellern auf die leichte Schulter genommen, kann gerade in der Penisfotografie ein lieb gewonnenes Hobby schnell ein jähes Ende finden.