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Shit Parade

Was wummernde Bässe und nz, nz, nz bei der Sonntagspresse auslösen.

Es ist natürlich blöd, wenn man ein Sonntagsblatt zusammennageln muss, während vor dem Glasholzhaus an der Werdstrasse Bässe wummern, die Wiederholung des Ewiggleichen gute Laune macht und mehr oder minder rhythmische Zuckungen auslöst. Draussen auf der Strasse, wo das Leben lebt und feste gefeiert wird. Da kann man sich schon mal vergreifen:

Wir wollen keinem und keiner der hier Aufgeführten zu nahe treten. Aber das sollen alles kluge Köpfe sein? Abgesehen davon, der Blattmacher rief mal wieder in die Runde: Ukraine? Wir brauchen was zur Ukraine. Unbedingt! Und das bekam er dann:

Da soll noch einer sagen, dass der Krieg nicht auch seine guten Seiten habe. Die Bewährungsprobe für alle Diversen und Non-Binären.

Sparmassnahmen und die Übernahme von immer mehr Inhalten aus München hat allerdings eigentlich nur schlechte Seiten; zum Beispiel diese hier:

Denn was interessiert den Schweizer Leser ein Interview mit dem deutschen Wendehals-Wirtschaftsminister Habeck, der von Wirtschaft ungefähr so viel versteht wie eine Kuh von Foxtrott? Die beiden Interviewer von der «Süddeutschen Zeitung» gehen mit ihm deutsche Themen durch, die für deutsche Leser der SZ sicherlich interessant sein mögen.

Auf Seite 9 wird’s dann einen Moment lang schwierig-schmierig:

Völlig zu Recht erregen sich hier zwei Autoren der SZ darüber, dass der feige Mordanschlag auf den Schriftsteller von iranischen Medien bejubelt wird. Sie können ja nicht wissen, dass der Schmierenjournalist Andreas Tobler im «Tages-Anzeiger» den Mordaufruf «Tötet Roger Köppel!» als «Theatermord» verharmloste und ihn als «Reaktion» auf Auftritte von Köppel im deutschen Fernsehen «verstanden werden» wollte, es sei halt «eine Künstleraktion» im Sinne von Schlingensief, meinte der Kunstkenner feinsinnig. Blöd halt, wenn man auch solche Inhalte aus dem Ausland kopiert, wo man diese abscheuliche Unterscheidung zwischen fundamentalistischen und künstlerischen Mordaufrufen nicht kennt.

Zu den wenigen sicheren Werten der SoZ gehört allerdings Peter Schneider, das muss man immer wieder sagen:

Bislang fehlt aber ein Standard in der SoZ. Welcher? Ah ja, Prügel für die SVP. Et voilà:

So wummert es dumpf dahin in der SoZ, und ZACKBUM wollte bereits gähnend aufgeben, als wir plötzlich hellwach, erregt und feministisch entrüstet diese Schlagzeile lesen mussten:

Ein Loblied auf den Tanga? Die Fortsetzung des Arschgeweihs mit wenig Stoff? Die Reduzierung der Frau auf die lüsterne männliche Sicht, Sexobjekt, Diskriminierung, wir fassen es nicht. Das wäre bei Salomé Müller nicht passiert. Wo bleibt Aleksandra Hiltmann? Wo bleiben Andreas Tobler und Philipp Loser und all die anderen Genderpäpste? Das muss Folgen haben.

Solche Bilder wollen wir nie mehr in der SoZ sehen:

Erschwerend kommt noch hinzu, dass das Foto von Christina Aguliera aus dem Jahr 2000 stammen soll …

Wir mussten hier die Lektüre entrüstet abbrechen, weil wir uns unwohl in dieser frauenfeindlichen Umgebung fühlten. Zum Ausgleich lasen wir wieder mal «Angst vorm Fliegen» von Erica Jong.

Und sagen pfui, pfui, pfui zu solchen Fotos, die wir wohl demnächst auch in der SoZ abdecken müssen:

Wir wollten uns auf diesen Schock in der Gazette für die gehobenen Stände, im Zentralorgan der intellektuellen Überlegenheit, im Blatt für Brainfood erholen.

Hurra, die ganze Frontseite ist ukrainefrei! Da nehmen wir sogar – echt jetzt? – eine Aufmacherstory über vegetarische Hunde in Kauf, obwohl das für uns an Tierquälerei grenzt. Verschlimmert wird es dadurch, dass dieser vierbeinige Freund offenbar auch noch zum Barbesuch animiert wurde.

Einen wummernden Tiefpunkt erreicht die NZZaS bereits auf Seite 3. Da lässt sich Peer Teuwsen über den Mordanschlag auf Salman Rushdie aus. Es gelingt ihm dabei, den Leser gleich mit den ersten Sätzen zu vergrätzen, zu verstimmen, ihn sich angewidert abwenden zu lassen. Denn wie peinlich ist es, wenn ein Autor den Überlebenskampf des Schriftstellers als Einleitung zu dieser eitlen Selbstbespiegelung nimmt:

«In diesen Stunden, in denen Salman Rushdie in einem Krankenhaus in Erie, Pennsylvania, liegt, künstlich beatmet, unfähig zu sprechen, erinnert man sich gerne an ein Abendessen mit dem Schriftsteller zu Beginn der 2000er Jahre in der Zürcher «Kronenhalle».»

Erinnert man sich gerne? Da kommt einem ja das Frühstück, das Mittag- und das Abendessen hoch, ob dieser bodenlosen Geschmacklosigkeit. Aber der Adabei ist noch nicht fertig mit seiner Erinnerung:

«Er war auf Lesereise in Europa, in Begleitung seiner vierten Frau, der Amerikanerin Padma Lakshmi, die als Schauspielerin, Model und Fernsehmoderatorin tätig ist. Der Auftritt des Ehepaares versetzte das Publikum im edlen Zürcher Traditionsrestaurant in hörbare Aufregung, was an diesem Ort, wo sich die Prominenz die Klinke in die Hand gibt, eine Seltenheit darstellt.»

Die Aufregung, in die diese Zeilen den Leser versetzen, wollen wir aus juristischen Gründen nicht hörbar machen. Ein Pfuiteufel soll genügen.

Anschliessend wird’s auch nicht viel besser:

Denn was macht der vorsichtige Journalist, wenn er nichts Neues zu berichten hat und deshalb einen Blick in die Glaskugel wagt? Genau, er entwickelt «vier Szenarien», wie’s weitergehen könnte. Hat er Schwein, trifft eines davon ein, hat er Pech, vertraut er aufs Vergessen des Lesers.

Ständiger Grund zur Aufregung ist die Medienspalte, also das, was von der einstmals kompetenten Medienbeobachtung auf einer eigenen Medienseite übrig geblieben ist. Neben einem schreibenden Rentner meldet sich hier die «Redaktionsleiterin Folio» regelmässig zu Wort. Diesmal hat Aline Wanner einen bunten Strauss von Tipps für «Arbeitgeber, die konkurrenzfähig bleiben möchten». Da gibt es zwei Möglichkeiten. Sie zielt damit subversiv auf das eigene Haus, insbesondere auf die NZZaS, die doch eine gewisse Fluktuation zu verzeichnen hatte. Oder aber, sie will der Konkurrenz unter die Arme greifen. In beiden Fällen sind ihre Tipps aber nz, nz, nz. Eine lachhaft-gähnlangweilige Wiederholung von Gemeinplätzen, wie sie jeder Unternehmensberater aus dem Stehsatz holt. Bevor ihm die Tür gewiesen wird:

«Wer gute Leute will, muss eine Idee haben und aktiv auf sie zugehen. Eine Marke zu sein, reicht nicht, marktkonforme Löhne hingegen helfen. Machtmissbrauch, Mikromanagement und Mobbing kommen nicht gut an, besser ist es, grosszügig und transparent zu sein, Freiheiten zu bieten, in eine moderne Führung zu investieren. Viel Erfolg!»

Wann bekommen wir eine Beschreibung der Umsetzung im «Folio»?

Uns sonst? Weitere Synkopen, Musikfetzen, Loops, Schleifen, welche Sprach-DJs bespassen den Leser weiter? Da kann man leider nur Shakespeare zitieren. Mit der Ausnahme eines interessanten Artikels über eine merkwürdige Sprache: the rest is silence

Das gilt übrigens auch für den «SonntagsBlick». Nz, nz, nz, nz. Nz, nz, nz, nz. Nz, nz, nz, nz. Nz, nz, nz, nz. Nz, nz, nz, nz. Nz, nz, nz, nz. Nz, nz, nz, nz.

Hilfe, mein Papagei onaniert

Die Sonntagspresse. Immer ein Quell der Erbauung.

Wir lassen diesmal den «SonntagsBlick» aussen vor. Auf den ersten Blick hat es keine Stellungsnahme von Walder, Ringier oder Heimgarten drin. Also langweilig.

Auf den zweiten Blick rezykliert der SoBli Dinge, die bereits im «Magazin» von Tamedia erschienen sind, also halten wir uns doch lieber ans Original.

Das ist nun leider nicht wahnsinnig originell, muss man gleich einschränkend sagen. Man kommt doch recht schnell ins Blättern, wenn man sich noch eines der letzten Exemplare der «SonntagsZeitung» im Print erstanden hat. Denn das muss ja nun alles wohl leider eingestellt werden, wenn all die düsteren Ankündigungen eintreffen, was passiert, sollte die Medienmilliarde nicht in den Taschen der Verlegerclans landen.

Drei Seiten Gemurmel über die Ukraine. Blätter. Ein Artikel über die immer noch demonstrierenden «Corona-Massnahmen-Gegner», bei dem das Bild doppelt so viel Platz wie der Text einnimmt und auch viel aussagekräftiger ist.

Ein Artikel über den schwarzen Uni-Professor John McWorther, der gegen die Anti-Rassismus-Bewegung rempelt, sie sei «eine ideologische Schreckensherrschaft». Das beweist, dass es in der Zentralredaktion von Tamedia noch mindestens ein NZZ-Abonnement gibt. Denn dort wurde dieser Professor erst vor Kurzem (und natürlich viel tiefsinniger) porträtiert. Aber was der SoZ-Leser vielleicht nicht weiss, macht ihn nicht heiss.

Und weiss man denn, wie viele Leser der NZZ Alzheimer haben und die gleiche Nachricht beliebig häufig lesen und als neu empfinden können? Dann ein Interview mit einem «Experten für Rassismus und Gewaltverbrechen sowie Leiter des Amts für Justizvollzug und Wiedereingliederung beim Kanton Zürich und Professor für Forensische Psychologie an der Uni Konstanz».

Trotz des ellenlangen Titels sind seine Gedankengänge doch so kurzatmig, dass man sich Sorgen um den Justizvollzug und seine Studenten macht. Denn der Professor zeigt in einem Satz, dass er eigentlich wenig Ahnung von nichts hat: «Prävention ist kein Argument gegen Verbote. Hier macht der Bundesrat einen Überlegungsfehler.» Indem er bekanntlich den Hitlergruss oder Nazisymbole nicht verbieten will.

Den Überlegungsfehler, das Hochhalten der Meinungsfreiheit wie in den USA als implizites Billigen dieser Symbole misszuverstehen, unterläuft aber diesem Jérôme Endrass. Wir haben hier schon versucht, das ganz langsam zu erklären

Bei der NZZaS, nun ja, ist der Blätterreflex nicht weniger ausgeprägt. Rasant schnell ist man auf S. 53, wo Peer Teuwsen damit angibt, dass er einem Bündner Baunersohn nach Island folgen durfte, wo der zum Schriftsteller wurde. Das wär’s dann auch schon fast im Kulturbund, der stolze 6 Seiten umfasst.

Aber, wer sucht, der findet, immerhin gibt es einen halbseitigen Bericht über die abseitige Tatsache, dass Benito Mussolini seit 1937 Ehrendoktor der Uni Lausanne ist. Richtig, bis heute.

Bei Adolf Hitler war es dann in Deutschland (und anderswo) schöner Brauch, dem Jahrhundertverbrecher diese Würde posthum abzuerkennen. Wieso hält denn dann die Uni Lausanne daran fest, den Duce weiterhin als Dr. h.c. zu führen? Mit einer Aberkennung «würde die Sache aus der öffentlichen Debatte verschwinden», wird der Rektor der Uni zitiert. «So einfach dürfen wir es uns nicht machen

Die Uni macht’s sich sowieso nicht leicht, «2021 wurden ausschliesslich Frauen mit dem Ehrendoktor der Universität Lausanne geehrt», weiss die NZZaS.

Das lässt den Leser eher ratlos zurück. Den Fehler wieder gutzumachen, dem italienischen Faschisten 1937 den Ehrendoktor verliehen zu haben, würde doch schlicht und einfach bedeuten, dem Diktator den Titel einige Jährchen nach dessen Tod abzuerkennen. Ab so einfach will es sich die Uni nicht machen. Diesem Gedankengang kann man wohl nur folgen, wenn man mindestens zwei Doktortitel hat.

Als weitere Wiedergutmachung und als Abbitte für den Männerüberhang unter Ehrendoktoren wurden nun letzte Jahr nur Doktorinnen geehrt. Dass darin eine negative Diskriminierung enthalten ist (wieso soll es in diesem Jahr plötzlich keinen einzigen auszeichnungswürdigen Mann gegeben haben), fällt weder der Uni, noch dem Autor des Artikels auf.

Also eine nette Trouvaille, gnadenlos versemmelt.

 

Ach, und in der Wirtschaft wird in der Sonntagspresse ein alter Zopf neu geknüpft. Den Recherchierjournalisten ist nämlich aufgefallen, dass eine Aktie in diesem Jahr an der Schweizer Börse am besten performt hat. Und zwar mit Abstand. Um fast 50 Prozent hat ihr Kurs zugelegt. Das nennt man mal eine Gewinnsträhne für all die, die rechtzeitig drauf gesetzt haben.

Wem gehört nun diese Wunderaktie? Der Credit Suisse? Der UBS? Der ZKB? Scherz beiseite, es ist natürlich unsere Schweizerische Nationalbank. Könnte das etwas damit zu tun haben, dass sie mal wieder nur mit grösster Not die Gelspeicher schliessen kann, so quellen dort Eigenkapital, Gewinne und Bilanzsumme heraus.

Aber nein, wissen die Finanzkoryphäen, «hinter der Kurshausse stecken offenbar wie schon in früheren Fällen deutsche Börsenbriefe, die die Unwissenheit ihres Publikums ausnützen». Wie denn das? «Weil normalerweise weniger als 100 Aktien pro Tag gehandelt werden, kann der Kurs leicht bewegt werden.»

Das ist nun ein Satz zum Abschmecken. Er impliziert, dass der Kurs manipuliert wird. Also auf einem engen Markt mit Kauforders der Preis hinaufgetrieben wird. Das ist nun ein so schwerer Vorwurf, dass er unbedingt mit dem Hauch eines Belegs versehen werden müsste. Aber doch nicht in der SoZ, das würde ja noch zu einer Recherche ausarten.

Interessant ist auch: wenn das so wäre, würde der Aktienkurs unserer SNB hinauf- und vielleicht auch wieder hinunterspekuliert werden. Echt jetzt? Und alle schauen zu? Wieso soll eigentlich die angebliche Unwissenheit des Publikums ausgenützt worden sein? Wenn jemand Anfang Januar investierte, dann hat er locker 50 Prozent Profit gemacht. Ist doch super, so unwissend zu sein.

Und schliesslich: Bei rund 8000 Franken pro Aktie hat die SNB einen Börsenwert von 800 Millionen Franken. Völlig lachhaft, angesichts des Eigenkapitals und ihrer besonderen Funktion. Das Hundertfache wäre eigentlich immer noch ein Schnäppchen. Solchem Fragen nachzugehen, das würde ja zu Denkarbeit ausarten. Aber doch nicht in der SoZ.

Halbiertes Magazin

Nur sechs  Jahre liegen zwischen zwei so unterschiedlichen Magazin-Ausgaben.

Beim Aufräumen ist mir ein Magazin von Tamedia in die Hände geraten. Die Ausgabe vom 30. August 2014 mit immerhin 48 Seiten. Auf dem Titelbild ausgerechnet die beiden jüdischen Autoren Thomas Meyer und Beni Frenkel. Meyer verdient heute sein Geld unter anderem als Ratgeberonkel beim Sonntagsblick. Frenkel schreibt fleissig für ZACKBUM.ch.

Das Interview, geführt von beiden damaligen Magazin-Reportern Sacha Batthyany und Miklos Gimes, ist auch nach sechs Jahren noch höchst unterhaltsam und spannend. Der damalige Aufhänger für das Gespräch: die Affäre Geri Müller, in dessen Zusammenhang von «jüdischen Kreisen» die Rede war.

Im Magazin von 2014 schrieb noch der Philosoph Daniel Binswanger, heute bei der «Republik». Max Küng dozierte verspielt über einen Abend zu Hause («Man kontrolliert zum vierten Mal die Lottozahlen der Abendziehung – vielleicht hat es ja eine Korrektur gegeben»). Matthias Daum (heute «Die Zeit, Schweizteil») und Peer Teuwsen (heute NZZ am Sonntag) stellten die Frage, wer heute die Schweiz regiert. Und gaben die Antwort «Das Volk als Drohkulisse. Abstimmungskampagnen mit zweifelhaften Chancen. Reiche SVP-Kreise. Aber auch linke Kreise setzen Appelle an den Souverän geschickt ein». Und noch eine Fragestellerin: Autorin Anuschka Roshani liess sich darüber aus, warum heute jeder an seinem Körper arbeite. Hübsch: die folgende 10-seitige (!) Bildstrecke über Las Vegas und wer überhaupt noch dortbleibt. Dann eine Doppelseite von Schriftstellern Sibylle Berg über «die guten Freaks.» Ein Meisterstück. Der Longseller: Das Buchstabenrätsel von Trudy Müller-Bosshard. Den Abschluss machte «Fünfzehn Minuten im Leben», selbstverständlich mit Portrait eines Profifotografen.

Kurzum: ein reichhaltiges Heft mit viel Swissness und eigenen Texten. Eine Samstagsfreude.

Nun der Quervergleich zum Magazin Ausgabe 2020. Es ist das Magazin vom 3. Oktober. Nur noch 32 Seiten. Die Titelgeschichte stammt vom Stern-Reporter (Wikipedia-Eintrag) Jan Christoph Wiechmann. Er schreibt über die eben herausgekommene Autobiografie von Madeleine Albright und führt dafür mit der ehemaligen US-Aussenministerin ein Interview. Das ist ziemlich vorhersehbar. Zum Zug kommt mit einer Kurzkolumne Thomas Widmer, den man von seinen originellen Wanderbeschrieben im Tagi kennt. Welch Zufall: Autorin Anuschka Roshani schreibt wieder über Körper, diesmal «Das Rätsel Testosteron» und ob das Hormon den Männern in der Krise helfe. Einen Auftritt hat auch Arnold Schwarzenegger. Er ist – in jüngeren Jahre aufgenommen – Fotomodell für einen länglichen Text über die Geschichte des Bodybuildings. Die ganzseitigen Rubriken von Christian Seiler (Essen und trinken), ein Tag im Leben von (Zu Hause bei, Foto «privat») und Max Küng gibt’s immer noch. Sie funktionieren eigentlich nach wie vor.

Doch Max Küng scheint nach über 20 Jahren Kolumnistendasein ein bisschen ausgebrannt.

Aktuell heisst seine Rubrik «Ich war noch niemals in». Wem nichts in den Sinn kommt, macht Ausflüge und schreibt darüber. Aber das könnte auch für den Schreibenden gelten. Zieht er einfach ein altes Magazin aus der Schublade und macht einen Quervergleich zu heute. Und er wagt auch noch ein Fazit: Früher war das Magazin dicker – und besser. Immerhin: Chefredaktor ist nach wie vor Finn Canonica.

Ex-Press

Hermann L. Gremliza (1940 bis 2019) nannte so seine monatliche Kritik an Zu-kurz-Gedachtem und Zu-Schlecht-Formuliertem. 45 Jahre lang hielt er den Geist von Karl Kraus am Leben.

Das hier ist natürlich nur eine Verbeugung davor.

 

Häme will gelernt sein I

Die SonntagsZeitung nimmt sich in ihrer vor Richtigstellungen nicht gefeiten Rubrik «Bürohr» die «Weltwoche» in «einem neuen Kleid» vor. Überraschungsfrei findet sie etwas zu mäkeln. Dem Artikel über den Fondsverwalter Erhard Lee mangle es an kritischen Fragen. Ob das «noch Journalismus war oder Corporate Publishing»? Das fragt ausgerechnet ein Organ von Tamedia, schon mehrfach vom Presserat gerüffelt wegen Werbeseiten, die täuschend ähnlich wie redaktioneller Inhalt daherkommen? Das fragt ausgerechnet ein Organ, das sich fast die gesamte Tourismusberichterstattung bezahlen lässt?

«Denn Publikationen zu Unternehmen gibt es neuerdings auch zu kaufen im Bauchladen von Roger Köppel», mokiert sich das Blatt. Wohl die Konkurrenz zur eigenen Abteilung Corporate Publishing fürchtend, die sich schon seit Jahren darum kümmert, inseratefreundliches Umfeld für Beilagen zu schaffen.

Häme will gelernt sein II

Auch die NZZamSonntag will sich nicht vorwerfen lassen, Veränderungen bei der «Weltwoche» unkommentiert zu lassen. Überraschungsfrei unfreundlich: «Neues Design, alte Langeweile», mäkelt Aline Wanner. Denn, unglaublich, die «Weltwoche» habe zwar das Design verändert, aber weder die Redaktion, noch die Kolumnisten ausgetauscht.

Immerhin gesteht Wanner ein paar «Ausnahmen» ein, bei denen sie sich nicht langweilte. Und dann muss sie in den gehüpften Spagat mit doppelter Schraube gehen, denn wie erwähnt sie, dass ihr Ex-Chefredaktor Daniel Weber ein Haus weitergezogen ist und nun den Kulturteil der «Weltwoche» herausgibt? Während sie immer noch auf ihrem Stühlchen beim Folio sitzt? Nun, immerhin heben sich dort die Rezensionen «angenehm ab». Wovon? «Von der allgemeinen Sorge um die Einschränkung der Meinungsfreiheit», behauptet Wanner.

Dafür weiss sie: Auch zukünftig wird die «Weltwoche» nicht das sein, was der Schweizer Medienlandschaft fehle: «ein politisches, relevantes und überraschendes Wochenmagazin». Nun ja, offenbar vermögen da weder die NZZamSonntag, noch deren aus der Sommerpause erwachtes Schrumpf-Magazin, noch Folio diese schmerzliche Lücke füllen.

Interviews sind das Kleingeld des Journalismus I

Kostet (normalerweise) nix, macht den Anschein, man sei dabeigewesen, und füllt den Platz: das Interview. Die billigste – und das leider im Wortsinn – Form des Journalismus. Wie nähert sich das Magazin der NZZ zwar spät, aber man muss ja auch mal in die Ferien, dem Thema Schulanfang? Richtig, mit einem Interview mit dem «Lieblingspädagogen Dieter Rüttimann». Das ist schön, dass man mal seinen Liebling abfeiern darf. Aber gleich auf sechs Seiten? Und interessiert es wirklich irgend jemand, dass die in doppelter Mannstärke angerückten Interviewer versuchten, «ein Gedicht ihrer Schulzeit aufzusagen»?

 

Interviews sind das Kleingeld des Journalismus II

Lisa Eckardt ist sozusagen in aller Munde. Lisa wer? Nun, diese Bühnenfigur der österreichischen Satirikerin Lisa Lasselsberger. Sieht mega-scharf aus und geht mit ihrem Kabarettprogramm gerne über die Grenze des allgemein Erträglichen hinaus. Das brachte ihr zuerst eine Einladung an ein Dichtertreffen in Hamburg, dann ihre Ausladung wegen Antisemitismus-Verdacht und Angst vor linker Randale, ihre Wiedereinladung und ihre eigene Absage, dass sie so einen Zirkus nicht mitmache.

Wunderbar, Deutsche und Österreicher verstehen sich mal wieder nicht richtig, und Eckhardt macht sich natürlich darüber lustig, dass ihr deutsches Publikum auf eine Österreicherin hört. Das reicht in linken Kreisen schon für Geschrei. Also irgendwie doch ein eher unsere Nachbarn interessierendes Phänomen.

Aber nein, der Leiter Kultur bei der NZZaS reist höchstselbst an, damit das auch gebührend zur Kenntnis genommen wird, entblödet er sich nicht, bei der Autorenzeile zu schreiben: «Peer Teuwsen, Wien». Was hat der Leser des nachfolgenden – Überraschung – Interviews davon? Nun, Teuwsen weiss zu berichten, dass Eckardt barfuss zum Interview erscheint, und dass er sich in einer langen Reihe anstellen musste. Wunderbar, dass wir das wissen. Hoffentlich hatte Teuwsen Spass beim Heurigen.

Interviews sind das Kleingeld des Journalismus III

Sparsamer geht die SoZ ans Werk. Auch sie hat natürlich – Überraschung – ein Interview mit Eckardt im Blatt. Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zur nächsten Sparmassnahme. Denn die SoZ hat auch ein Interview mit Erica Jong im Blatt. Für Leser, die 1973 noch nicht auf der Welt waren: Da veröffentlichte sie «Angst vorm Fliegen», einen Roman, in dem auch über sexuelle Fantasien einer Frau berichtet wird, was damals unglaublich verrucht war.

Was sagt uns die Dichterin denn heute? Nun, dass sie inzwischen 73 ist, als Erfinderin des Worts «Spontanfick» selber noch nie einen hatte. Und die Frauen heute leider auch noch nicht viel weiter als damals seien. Aha. Und wieso serviert uns das die SoZ? Na, ganz einfach, weil sie damit die Sparmassnahme auf den Gipfel treiben kann.

Denn was ist noch billiger als ein Interview? Richtig, ein von der Süddeutschen übernommenes Interview. Transparenz in solchen Fragen? Ach was, muss der Leser doch nicht wissen. Ist auch eine Hilfe für ältere Leser in ihren Siebzigern mit Hang zu Alzheimer. Die können’s in der SZ lesen, wieder vergessen und dann nochmal in der SoZ lesen. Und wieder vergessen.