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Die NZZaS verblödet zunehmend

Auslandberichterstattung ist leider auch hier immer mehr: Fantasieberichte aus gegendarstellungsfreien Räumen.

Die NZZ legte mit einem Schwachsinns-Artikel über Sansibar und Tansania, geschrieben am Schreibtisch in Zürich, das Niveau vor. Das unterbietet sofort eine Sandra Weiss aus Mexiko: «Kubanische Ärzte versklavt». Ferndiagnose aus Mexiko City.  Dazu ist sie als «freie Korrespondentin» und Allzweckwaffe sicher kompetent. Immerhin schreibt sie für einmal nicht über Trump, China, Nordkorea oder andere Gegenden der Welt, von denen sie auch keine Ahnung hat.

Diesmal also Kuba, dieser Unrechtsstaat, diese Diktatur, wo das Regime Ärzte als Sklaven hält und in aller Welt vermietet. Es muss wohl seine Gründe haben, dass Weiss schon lange Einreiseverbot nach Kuba hat. Als langjähriger NZZ-Korrespondent dort weiss ich, dass man als ausländischer Journalist so ziemlich alles schreiben kann – ausser verlogenen Gesinnungsjournalismus und schlichtweg falsche Tatsachenbehauptungen.

In diesem Stil stellt Weiss ein paar absurde Behauptungen auf. Nach der üblichen Devise: kann doch keiner nachkontrollieren. Laut ihr leisten kubanische Ärzte seit Jahrzehnten Gesundheitsmissionen rund um die Welt. Das stimmt sogar, und es ist belegbare Tatsache, dass bei Naturkatastrophen, wo auch immer, ein Flugzeug mit vielen kubanischen Ärzten und eher wenig Ausrüstung gleichzeitig mit einem US-Flieger landet, mit nicht so vielen Ärzten aber Material satt. Und beide Teams arbeiten dann Hand in Hand, ohne ideologische Schranken.

Ausbildung von 10’000 Ärzten aus der Dritten Welt

Es ist auch eine belegbare Tatsache, dass Kuba den USA ernstgemeint humanitäre Hilfe anbot, als die Weltmacht nach einem Hurricane in New Orleans desaströs versagte. Zwei Flieger stünden abflugbereit auf dem Flughafen, sagte der damals noch lebende Fidel Castro, sobald sie eine Landeerlaubnis erhielten, würden sie sofort starten. Die USA schluckten schwer, waren 48 Stunden lang sprachlos und lehnten das Angebot dann entrüstet ab.

Durch Katrina starben in den USA alleine in New Orleans bis zu 1800 Menschen; die genaue Zahl ist heute noch nicht bekannt. Desaströs auch die Schneise der Verwüstung mit vielen Toten auf den grossen Antillen. Ausser auf der grössten Insel: Da starben haargenau 4 Menschen, und jeder einzelne Fall wurde von den kubanischen Behörden minutiös erklärt.

Es ist ebenfalls eine belegbare Tatsache, dass Kuba, durch alle Schwierigkeiten hindurch, jedes Jahr 10’000 Ärzte aus der Dritten Welt ausbildet. Gratis. Mit der Vorgabe, dass sie bitte in ihre Länder zurückkehren und nicht einfach woanders viel mehr Geld verdienen.

Das Gesundheitssystem auf Kuba hängt in den Seilen – ist aber gratis

Schliesslich ist es eine Tatsache, dass Kuba auch Ärzte vermietet. An Regierungen, die nicht so blöd sind, auf unnütze Entwicklungshilfe oder leere Versprechungen einer besseren medizinischen Versorgung in der Zukunft zu hören. Es ist ebenfalls richtig, dass diese Ärzte meistens in den abgelegensten Gebieten tätig sind, ohne Infrastruktur, ohne nichts. Aber als gute Notfallmediziner wissen sie sich auch ohne Tomografen oder High-Tech-Medizin zu helfen.

Zudem ist es eine Tatsache, dass auf der Insel selbst – zwar immer bettlägeriger – krampfhaft daran festgehalten wird, dass medizinische Versorgung gratis ist. Für alle. Ich selbst habe das kubanische Gesundheitssystem in Anspruch genommen, als Ausländer natürlich gegen Bezahlung. Man könnte vielleicht an der Ausstattung mäkeln, aber die Ärzte waren sowohl menschlich wie fachlich alleroberste Qualität.

Nun ist es tatsächlich so, dass Kuba den grösseren Teil der Bezahlung einbehält. Wie absurd der Vorwurf der Sklaverei ist, lässt sich leicht beweisen: diese Einsätze sind freiwillig. Es gibt immer mehr Gesuchsteller als Plätze. Ganz einfach deswegen, weil schlichtweg die Verdienstmöglichkeiten und vor allem die Chance, dringend benötigte Dinge (und auf Kuba wird so ziemlich alles benötigt) kaufen zu können und bei den regelmässigen Heimreisen mitzunehmen, einen solchen Einsatz begehrenswert macht. Und nicht zu wenige Ärzte mehr als einmal teilnehmen.

Aber natürlich gibt es unter den Zehntausenden von Ärzten auch solche, die den Auslandaufenthalt zur Desertion benützen. Und dann überraschenderweise nur schlimme Dinge über das Land sagen, das ihnen immerhin diese Ausbildung (natürlich auch gratis) und diesen Auslandeinsatz ermöglicht hat.

Realität? Ach was, niedermachen ist viel besser

Aus all dem könnte man den üblichen, mit der Realität höchstens zufällig Kontakt aufnehmenden Kuba-Artikel basteln. In der peinlichen Tradition seit 1990, dass immer mal wieder die letzten Wochen, Tage, Stunden, Minuten des Regimes heruntergezählt wurden. Unbekümmert darum, dass man über die Castros, ihre Revolution und den heutigen Zustand Kubas ganz verschiedener Meinung sein kann. Aber ein wenig mit der Realität sollte sie schon zu tun haben. Zum Beispiel damit, dass das Regime, ob es einem passt oder nicht, bis heute problemlos überlebt hat.

Nun zitiert Weiss die Behauptung von «Ökonomen», dass Kuba damit pro Jahr «zwischen sechs und elf Milliarden Dollar» einnehme. Wenn das wirklich Ökonomen sind, sollte man ihnen den Titel wegnehmen und dafür einen Taschenrechner schenken.

Wer kann rechnen? Dissidenten sicher nicht

Nehmen wir die von Vorzeige-Dissidentinnen wie Yoani Sanchez verbreitete Zahl von 30’000 Kubanern, die als medizinisches Personal in mehr als 60 Ländern arbeiten. Davon, was Sanchez natürlich nicht erwähnt, in 22 Ländern gratis.

Während sich neu an die Macht gekommene rechte Regierungen – so in Bolivien oder Brasilien – über die angeblich schlechte Ausbildung der kubanischen Ärzte beschweren, unterschlagen sie, dass es sich auch um medizinisches Personal handelt, und ein Pfleger oder eine Krankenschwester ist tatsächlich nicht so wie ein Arzt ausgebildet.

Abgesehen davon, dass in einigen Landesteilen Brasiliens die medizinische Versorgung mehr oder minder zusammenbrach, nachdem Präsident Bolsonaro – so verantwortlich handelnd wie sein Freund und Kollege Trump – auf einen Schlag alle kubanischen Helfer des Landes verwies: stimmt denn diese Zahl?

Nehmen wir die niedrigere Zahl, das versteht sicher auch eine NZZ-Korrespondentin. 6 Milliarden Dollar ist die Ansage. Bei einem – sagen wir grosszügig – Durchschnittsverdienst von 3000 Dollar im Monat, also 36’000 im Jahr, von denen nun unbestritten das Salär, Flüge usw. abgehen, also sprechen wir von gerundet 30’000, wären das – Moment, mein Rechner glüht – nicht mal eine Milliarde im Jahr.

Statt 6 bis 11 Milliarden sind es bloss 500 Millionen

Ziehen wir noch alle Gratis-Einsätze ab und nehmen wir ein realistisches Staatseinkommen bei medizinischem Fachpersonal von 20’000 Dollar im Jahr, ziehen wir noch konservativ 5000 ab, die Gratis-Einsätze leisten, sind wir bei 500 Millionen.

Da scheinen die Dissidenten, die «Ökonomen» und die jeden Quatsch abschreibende Korrespondentin eine Null – mindestens – dazugedichtet zu haben. Nicht das erste Mal in der NZZ; ich machte sie schon bei anderer Gelegenheit darauf aufmerksam. Man schrieb mir höflich zurück, dass ich recht habe und das nicht mehr vorkommen werde. Na ja.

Inzwischen hat noch die neue bolivianische Regierung ein paar Zahlen auf den Tisch gelegt. Ihr Vorgänger Morales habe für jeden in Bolivien eingesetzten Kubaner etwas mehr als 1000 Dollar bezahlt. Da diese rechte Regierung Morales überall eine reinwürgen will, wo sie nur kann, dürfte das stimmen. Dann sind es also nicht mal 3000 Dollar im Monat. Sondern eher 500, die beim kubanischen Staat hängen bleiben. Das wären dann noch; Moment ich frage bei den Ökonomen der NZZ nach, das wären dann noch 180 Millionen Dollar im Jahr.

Also liegt diese Schätzung nicht mal im erweiterten Streubereich der Wahrheit.

Verdient ein Arzt auf Kuba 60 Dollar im Monat?

Leider, verständlich, ist Weiss zwar in der Lage, ohne Kenntnisse der Zusammenhänge von Reuters abzuschreiben (die im Internet erhältliche kubanische Staatspresse ist ihr offenbar auch nicht zugänglich), dass es mal wieder «Wirtschaftsreformen» gebe. Wäre ein eigenes Thema. Aber, zu diesem Thema gehören noch zwei Dinge.

Ein Arzt auf Kuba verdiene umgerechnet 60 Dollar, behauptet Weiss. Offenbar ist ihr im fernen Mexico entgangen, dass es – ist ja auch erst anderthalb Monate her, eine Währungsreform auf Kuba gab. Die Binnenwährung CUC wurde offiziell abgeschafft, dafür die Saläre und Pensionen kräftig angehoben. So verdiente vorher tatsächlich ein Arzt auf Kuba um 1500 Pesos, was 60 Dollar entsprach. Inzwischen verdient er als Anfänger 7000 Pesos, was sich in den fünfstelligen Bereich steigert, wenn er an Erfahrung und Verantwortung zulegt.

Und wenn Weiss in den letzten Jahren mal Gelegenheit gehabt hätte, sich in Kuba etwas umzuhören (und nicht nur mit drei Dissidenten zu reden), dann wäre ihr vielleicht aufgefallen, dass es tatsächlich immer noch Ärzte gibt, und nicht zu wenige, die im Prinzip die gleiche, wahre Geschichte erzählen: Mein Vater war Analphabet, Zuckerrohrschläger. Und als ich ihm sagte, dass ich Arzt werde, meinte er ernsthaft, ob ich verrückt geworden sei, Menschen wie wir werden niemals Ärzte.

Menschen, die vorher niemals eine Chance hatten, Ärzte zu werden

Und diese Ärzte fahren dann fort: Ich sehe ja auch, dass diese Revolution viele, allzu viele ihrer Versprechen nicht eingelöst hat. Aber ich kann doch nicht einfach abspringen, flüchten, Taxi fahren. Schliesslich schulde ich dieser Revolution etwas. Oder wie das der scharfe kubanische Witz zusammenfasst: Hast du gehört, der Genosse Chefarzt ist wahnsinnig geworden. – Nein, wie äussert sich das denn? – Er schwatzt die ganze Zeit davon, dass er bald als Portier in einem Touristenhotel arbeiten wird.

Wie viel die Revolution oder das aktuelle Regime dafür verlangt, dass gratis Zehntausende von Ärzten ausgebildet wurden, ist die eine Sache. Dass laut offiziellen Angaben seit 1963 mehr als 400’000 Kubaner als Ärzte, als medizinisches Personal im Ausland arbeiteten, dort bezahlt oder gratis, darauf ist Kuba zu Recht stolz. Und die überwältigende Mehrheit dieser Ärzte würden es sich verbitten, von einer durch Gesinnung verblendeten, selbst den Grundrechenarten nicht mächtigen Journalistin als «Sklaven» abqualifiziert zu werden.

Denn sklavenartige Arbeitsverhältnisse auf Kuba endeten erst 1959. Und so ist es bis heute. Dass damit leider Rassismus nicht verschwand, ist ein anderes Kapitel. Aber so widersprüchlich ist Kuba, so sollte es auch dargestellt werden. Dann verschaukelt man nicht den Leser, der den Schwachsinn glaubt, der in der leider schwer nachlassenden NZZaS steht.

Das gilt übrigens auch für einen Dumpfsinnskommentar von Felix E. Müller. Dem ehemaligen Chefredaktor und aktuellem Bundesratstreichler.

Corona: Massaker beim SoBli, Gleichmut bei der NZZaS

Sonntagsverbot für Kioske trifft Verlage unterschiedlich.

Wie hart trifft die Schweizer Verlage das Kioskverbot am Sonntag? Sehr unterschiedlich, wie eine Umfrage von ZACKBUM.ch aufzeigt.

Seit 2015 führt die «Sonntagszeitung» keine Verkaufsboxen. Die bundesrätliche Anordnung, die Kioske am Sonntag zu schliessen, trifft den Verlag doppelt so schwer. «Der aktuelle Auflagenrückgang aufgrund der Corona-Massnahmen», so die Pressestelle auf Anfrage, «bewegt sich im einstelligen Prozentbereich». Bei einer Auflage von 140’000 entspricht ein Prozent 1400 Exemplaren. Immerhin: «Zu unserem Verkaufsstellennetz gehören auch Bäckereien, die sonntags geöffnet haben.» An einer Wiedereinführung der Verkaufsboxen besteht bei Tamedia kein Interesse.

Auch die NZZaS will ihre vor Jahren abgeschafften Boxen nicht wieder einführen. Und da die «NZZ am Sonntag» in erster Linie ein Abonnementstitel sei, wirke sich die Schliessung der Verkaufsstellen am Sonntag nur begrenzt aus, so der Verlag. Man bedaure aber, dass Kunden, «die gewohnt sind, das Blatt an Verkaufsstellen zu beziehen, dies derzeit nicht mehr tun können.» Wie hoch die Einbussen sind, wollte die NZZ nicht bekannt geben.

Ringier hat eigentlich die besten Bedingungen. Der Verlag füllt als einziger Schweizer Verlag noch die Zeitungsboxen am Sonntag auf. Rund 1000 Automaten stehen laut Medienstelle in der ganzen Schweiz herum. «Aufgrund der aktuellen Lage haben wir unsere Befüllmenge verdoppelt», so Ringier. Und zusätzlich zu den Automaten würden über 220 Bäckereien den SoBli verkaufen.

Dann müsste der Verlag eigentlich mit einem blauen Auge davonkommen. Überhaupt nicht! Ringier:

Die Kiosk-Schliessung bedeutet für den SonntagsBlick, dass 7 von 10 Exemplaren am Sonntag nicht über den Ladentisch gehen. Etwa 30 Prozent konnten wir bislang dank Verkaufsboxen, Bäckereien und anderen Massnahmen auffangen. Der Verlust ist somit erheblich.

Ein bisschen fällt es schwer, allen Antworten zu glauben. Nur wenig Verluste bei der NZZaS, aber massive Einbrüche beim SoBli? «One of us is crying, one of us is lying.»

 

Besinnlicher Advent

Auch diese Tradition verschwindet im Journalismus.

Früher fürchtete sich die ganze Redaktion vor der Frage: Was machen wir am Advent?

Es ist eine der vielen undurchschaubaren Riten der Christenheit. Die vier Sonntage vor dem 24. Dezember sollen auf die Niederkunft von Maria mit dem Gottessohn geistig vorbereiten. Auch besinnlich; am Samstag vor dem ersten Advent ist Vesper.

Da könnten sich auch unsere jüdischen Mitbürger anschliessen, denn Psalmengesänge pflegen sie auch. Das mit der Geburt Christi sehen sie allerdings etwas anders. Völlig an einem gewissen Körperteil vorbei geht der Brauch unseren muslimischen Mitbürgern. Für die ist es ein Sonntag wie jeder andere; es gibt immer noch zu viele Ungläubige auf der Welt, irgendeine Beleidigung Allahs oder Mohammeds muss auch gerächt werden, die Scharia gilt immer noch nicht überall in Europa, also alles normal.

Im Journalismus geht es weltlich zu

Etwas weltlicher geht es im Journalismus zu. Von dümmlichen Kalauern wie «Advent, Advent, die Erde brennt» bis zu einer Todesanzeige auf der Front der NZZaS. Auch da brennt’s, wenn auch nur in Form eines Kerzleins, das an «die Opfer der Pandemie» erinnern soll. Wie kriegt man über 4000 Tote auf zwei Zeitungsseiten? Überhaupt nicht, deshalb erzählt die NZZaS in weihevollem Ton «zwölf Geschichten über ganz normale und doch besondere Menschen», die an oder mit Covid-19 gestorben sind.

Ich will ja nicht die andächtige Bibelstimmung (12 Tote, 12 Apostel) stören, aber: In der Schweiz starben 2019 etwas über 67’000 Menschen. An Krankheiten, Unfällen, sogar Verbrechen – oder einfach am Alter. Und solange das Medianalter der Corona-Toten oberhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung in der Schweiz liegt, hält sich meine Anteilnahme in Grenzen.

Die SoZ ist auf Krawall gebürstet

Überhaupt nicht weihnachtlich gestimmt ist hingegen die SoZ. Sondern eher auf Krawall gebürstet. «Altersheime setzen an Covid-19 erkranktes Personal ein», erschreckt das Sonntagsblatt harmlose Angehörige von Insassen. Dann läutet die SoZ das Totenglöcklein über der Skisaison, wenn sich BR Alain Berset mit seinen massiven Einschränkungen durchsetzen sollte. Wäre ja auch blöd, wenn man gerade den Zusatzbund «Winter» mit den «75 besten Winterhotels der Schweiz» gedruckt und beigelegt hat.

Überhaupt nicht in der Stimmung der Nächstenliebe ist auch der zweite Zeitungsbund: «Der jihadistische Terror zielt auch auf die Schweiz.» Müssen wir uns nun vor explodierenden Weihnachtsmännern in Acht nehmen?

Selbst die sonst eher harmlosen Ressorts «Gesellschaft» und «Kultur» sind garstig unterwegs: Die Bestsellerautorin J.K. Rowling sei «transphob», beschwert sich «Transaktivist Henry Hohmann». Das muss dann wohl selbst der gebildete SoZ-Leser mal kurz googeln, was und wer das ist.

Und selten schlüpfrig beendet die Kultur den überhaupt nicht besinnlichen Reigen: «Hazel Brugger machts neuerdings nicht mehr gratis.» Dass ausgerechnet der tapfere Kämpfer gegen Diskriminierung, für #metoo und überhaupt gegen alles Unrecht auf der Welt, der Tamedia-Redaktor Andreas Tobler, einen solchen frauenverachtenden Titel zulässt, unglaublich. Ab zum Bäume-Umarmen, Abbitte leisten und unbedingt beim Sensibilisierungskurs «Männer sind Schweine» anmelden.

Wenigstens der SoBli liefert das, was zu erwarten ist

Aber auf ein Sonntagsblatt ist Verlass. Der SoBli holzt wie üblich vor sich hin. Mit Aufregertiteln: «Die Schweiz ersäuft in Gülle», mit politisch unkorrekten Titeln: «Radikalisierte Frauen sind genauso gefährlich», und mit Titeln, die es gnadenlos auf den Punkt bringen: «Pulver gut, Stimmung mies».

Ein wenig Besinnlichkeit kommt auf, wenn wie weiland Buschs Lehrer Lämpel unser aller Oberlehrer Frank A. Meyer die Journalisten zusammenstaucht. Warum? Na, die haben doch tatsächlich über den Erpressungsversuch gegen Bundesrat Alain Berset berichtet. Handelt es sich bei der Erörterung von «Alain Bersets privater, ja intimer Kalamität um Futter für frivolen Klatsch?»

Ist die Ähnlichkeit nicht verblüffend?

Die Frage so stellen (der SoBli-Leser scheitert allerdings an Kalamität und frivol), heisst natürlich, sie beantworten. Aber bei einem eisigen Nein lässt es Meyer nicht bewenden. Zwar hat diesmal Blocher nichts damit zu tun, aber die «Weltwoche». Da läuft Meyer dann zu ganz unchristlichen Formen auf: «Das Blatt des rechten Eiferers Roger Köppel», «raunendes Machwerk», «genauso bringt man Klatsch ins politische Ziel», «beliebiger ideologisch-parteilicher Journalismus».

Und dann donnert der strafende und zürnende Meyer dem Eiferer Köppel noch eine rein: «Wer auf die Methoden des entfesselten Gender-Feminismus setzt, kennt keine private Sphäre mehr, die er zu achten hätte.» Das hat man bislang Köppel noch nie vorgeworfen, also ist es zumindest originell.

Platz für ergriffene Emotionalität wie von Wagner

Aber im SoBli gibt es auch Platz für pathetische Emotionalität, als hätte Franz Josef Wagner den Griffel geführt. Ausgerechnet von Dana Liechti stammt das Stück: «Lichter im Dunkel», über «Mahnwachen für Corona-Tote». Da könnte man nun einfach reportieren. Aber nein: «Elsa (89) und Josef Scherer (94) waren 68 Jahre lang verheiratet.»

Wir ahnen, wir befürchten, was nun kommt. In einem SRF-Beitrag aus dem Spital «er mit Schläuchen in der Nase, sie am Beatmungsgerät, die Hände liebevoll ineinanderverschlungen», wünschten sie sich noch zwei weitere gemeinsame Jahre.

Wir blinzeln die Tränen aus den Augen, schneuzen uns kräftig und lesen weiter: «Ihr bescheidener Wunsch ist nicht mehr in Erfüllung gegangen.» Gibt es denn keinen Trost auf der Welt? Doch, ein Licht im Dunkeln: «Zwei der Kerzen werden auch für Elsa und Josef Scherer brennen.»

Hier muss der gerührte und geschüttelte Autor abbrechen.

Lustige Zeiten bei der NZZaS

Der aktuelle Wirtschaftsbund des Sonntagsblatts ist kaum zu überbieten.

Was macht eine Sonntagszeitung, wenn in der Wirtschaft nicht viel los ist und man das Thema Lockdown, Kurzarbeit, Pleiten, Ruin ganzer Erwerbszweige als unwichtig umfahren will?

Man richtet folgendes Menü an. Als Starter, als Appetithappen ein Interview mit einem furchtbar wichtigen Banker. Oder zumindest mit einem, der sich dafür hält. Da kann es nur einen geben: Die völlige Fehlbesetzung Axel Weber, der Noch-VR-Präsident der UBS. Auf den trifft der Ausdruck «Nieten in Nadelstreifen» nicht zu. Weil er keine Nadelstreifen-Anzüge trägt.

Weber hat in den neun Jahren seiner Tätigkeit an Gewicht zugelegt. Aber nur körperlich, andere Spuren sind von ihm nicht zu erkennen. Erfolge noch viel weniger. Der richtige Zeitpunkt, aus Verlegenheit ein Interview der Reihe zu machen: Was wollten Sie immer schon mal sagen, und worüber möchten Sie nicht sprechen?

Corporate Communication hat tief in den Textbausteinkasten gegriffen

Was rauskommt, ist vorhersehbar. Von «Banken leisten einen wichtigen Beitrag, …» bis zu «Denn die UBS will auch künftig eine führende Rolle im globalen Banking spielen» nichts als in Buchstaben verwandelte Luft. Nicht luzid, dafür fluid. Das sollten sich die NZZaS oder Weber patentieren lassen. Jede Frage, jede Antwort eine Möglichkeit zum Wegschnarchen. Ausnahmslos. Besser als Baldrian-Tropfen.

Da war es dann auch nicht einfach, ein Titel-Quote zu finden. Aber mit scharfem Nachdenken und Kopfkratzen ist auch dem Redakteur nichts zu schwör. «Die Kluft zwischen Arm und Reich bereitet uns Sorgen», zeigt sich der VRP, dem ein Hang zu First-Class-Reisen in Begleitung seiner Frau nachgesagt wird, menschlich betroffen. Wahrscheinlich zieht er nicht immer die Vorhänge in der gepanzerten Limousine zu, wenn er dummerweise vom Flughafen ins Stadtzentrum durch marginalisierte Quartiere fährt.

Dabei denkt er wohl: Wieso konnten die mir keinen Helikopter schicken, das verdirbt ja den Appetit. Das wäre sicher auch der Fall gewesen, wenn man mit Weber über den dümpelnden Kurs der UBS-Aktie, über unverschämt bleibende Gehälter, über die drohende 4-Milliarden-Busse in Frankreich und über ähnliche Themen geredet hätte. Aber dann hätte es kein Interview gegeben.

Das ist aber erst der Anfang einer einmaligen Strecke

Diese Wunderstrecke geht über insgesamt die ersten 5 Seiten des Wirtschaftsbunds. Wir kommen zum nächsten Gang. Auf Seite drei schwimmt in einem Inserat ein schwarzer Schwan. Im Auftrag von Swiss Re kam eine furchtbar kreative Kreativagentur auf die bahnbrechende Idee, auf den schwarzen Schwan zu texten: «Kein schwarzer Schwan». Das konnte Magritte entschieden besser, aber was will uns Swiss Re hier sagen lassen?

Im kleiner Gedruckten erfährt man, dass die aktuelle Pandemie eben kein schwarzer Schwan sei, das Symbol für eine unvorhersehbare Entwicklung. Solche Seuchenzüge habe es schon immer gegeben. Und seien kein Anlass zur Panik, denn Swiss Re, die gesamte Versicherungssparte habe «Milliarden bereitgestellt, um die finanziellen Auswirkungen der Pandemie abzumildern».

Auch die CS schmeisst sinnlos Geld aus dem Fenster

Hoffentlich war darunter nicht allzu viel Geld für dieses Schwachsinns-Inserat. Auf der nächsten Seite zeigt dann die Credit Suisse, wie man sinnlos Geld verpulvert. Zweiter Hauptgang. Auch sie hat eine Seite gepostet und mit jeder Menge Buchstaben zugeklatscht. Denn die CS hat langsam Muffensausen, was die Unternehmensverantwortungsinitiative betrifft. Daher spricht sie sich für ein klares Nein aus. Und begründet das langfädig und langatmig mit den längst bekannten Argumenten.

Auch rausgeschmissenes Geld. Einen Befürworter wird diese Inserat ganz sicher nicht umstimmen. Und ein Gegner braucht’s erst gar nicht zu lesen. Aber immerhin, auf der nächsten Seite gibt es unter einem Inserat, das einen hübschen Mehrkaräter von Gübelin zeigt, einen Artikel über den Ex-UBS-Chef Peter Wuffli – darf er über seinen Rausschmiss und seine Strategiefehler sprechen?

Aber nein, haltet ein, er redet über die Ergebnisse seiner «philanthropischen Arbeit» der letzten 15 Jahre. Beziehungsweise, er hat ein Buch darüber geschrieben, «The Elea Way», der Name seiner Stiftung.

Wuffli hingegen vermag zu überraschen

Nun erwartet man ehrlich gesagt von Wuffli, der auch als VR-Präsident der Partners Group nicht gerade Bäume ausriss, nichts wirklich Erhellendes. Und täuscht sich. Eine zwar nicht brandneue, aber interessante Beschreibung aller Probleme, die sich bei dem Wunsch, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, einem in den Weg stellen.

Hat damit die Wunderkerze ausgesprüht? Fast, auf der drittletzten Seite des Bunds verbirgt sich ein letzter Höhepunkt, echte Lebenshilfe. «Keine Chance für Einbrecher». Wir wissen ja, jetzt beginnt die Zeit der Dämmerungseinbrüche, furchtbar. Die grafische Gestaltung ist, abgesehen von der Titelschrift, identisch mit einem NZZaS-Artikel. Vierspaltig, unterstrichener Lead, grauer Kasten, herausgehobener Quote in eigener Spalte, wer überliest da nicht den Seitentitel: «Sponsored Content für Vaudoise Versicherungen». Immerhin am Schluss der Seite macht noch ein gelbes Kästchen darauf aufmerksam: «Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation im Auftrag der Vaudoise erstellt.»

Nach Weber droht dann noch Rohner

Das ist löblich und eine deutlichere Kennzeichnung eines Inserats als bei Tamedia oder «watson». Allerdings hätte man sich dasselbe beim Schlaff-Interview mit Weber gewünscht. Es ist zudem absehbar: Vor seinem Abgang kommt dann auch noch Urs Rohner zum Handkuss. Denn nur UBS, das geht nicht. Also wird Rohner auch in seiner bewährten Art ähnliche Worthülsen versprühen wie Weber. Wir bitten um Vorwarnung, damit wir rechtzeitig die Baldrian-Tropfen absetzen können.