Schon das Cover macht schlechte Laune. Aber das ist erst der Anfang.
«Die 100 besten Bücher?» Echt jetzt? Waren die Ideen für «die schönsten Weihnachtsgeschenke» gerade aus? Gibt es nicht schon unzählige solcher «die 100 besten» Irgendwas? Hier sollen es gleich die 100 besten Bücher «des 21. Jahrhunderts» sein.
Ehrlich gesagt: ZACKBUM hat nicht mal 10 darunter gefunden, die dieses Prädikat verdienen würden. Von Anne Applebaum «Roter Hunger»? Von dieser Kampfschreiberin gegen alles Linke und Rote? Ihr Nachtret-Buch über Stalin? Kann doch nicht wahr sein. Der Egotrip von Karl Ole Knausgard? Und nichts gegen Joanne Rowling, aber ein Harry-Potter-Buch? Die Autobiographie von Elton John?
Bei Position 37 sind wir dann ausgestiegen, denn so geht’s wirklich nicht. Auf der ist der Holperpolterpoet Lukas Bärfuss verewigt. Der soll eines der besten Bücher des 21. Jahrhunderts geschrieben haben? Zudem gesteht ZACKBUM, obwohl nicht unbelesen: die meisten Autoren dieser angeblich besten Bücher kennen wir nicht. Dafür vermissen wir spontan mindestens 100 andere Bücher, die es problemlos auf eine solche Liste schaffen würden. Brr.
Zu verantworten haben das Chefredaktor Beat Balzli und die leitende Rektorin Martina Läubli. «Ich bin gespannt, was Sie von der Auswahl halten», schreibt die kühn in ihrem Editorial. Das können wir kurz beantworten: nicht viel.
Aber zurück zum Anfang, der eigentlich auch ein Ende ist. Denn auf Seite zwei ergreift wieder Beat Balzli das Wort im Editorial. ZACKBUM will hier eins zu eins sein Leseerlebnis wiedergeben: «Der Begriff Freiheit durchlebt schwierige Zei ...» und tschüss.
Genauso geht’s leider weiter. Wie zu befürchten war, nimmt sich Nicole Althaus nochmal des Falls Pelicot an. Schwüler Titel («Das Dornröschen-Syndrom»), schwüle Illustration («Sleeping Beauty»), schnarchiges Thema: «… wirft ein Schlaglicht auf eine der am wenigsten erforschten Sexualstraftaten: die Vergewaltigung einer sedierten oder schlafenden Frau».
Ach nein, der Einsatz von K.o.-Tropfen ist nicht erforscht? Interessant. Und gibt es da nicht eine ehemalige Kantonsrätin, die bis heute publizistischen Wirbel mit einer angeblichen Schändung veranstaltet? Hier ist ZACKBUM bei diesem Satz ausgestiegen: die Anzahl Schändungen (das sind sexuelle Handlungen mit einer nicht urteilsfähigen oder zum Widerstand unfähigen Person) sei «in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, von 143 Fällen im Jahr 2013 auf 281 im Jahr 2023. Das entspricht fast einer Verdoppelung». Von ganz, ganz wenig auf ganz wenig.
Wäre es nicht sinnvoller, stattdessen über Genitalverstümmelung zu schreiben? Das Bundesamt für Gesundheit weist darauf hin: «In der Schweiz leben schätzungsweise 24’600 Frauen und Mädchen, die von Genitalverstümmelung betroffen sind oder der Gefahr ausgesetzt sind, beschnitten zu werden.» Ist diese brutale und menschenverachtende Praxis nicht eher ein Thema, um auf zwei Seiten ausgebreitet zu werden? Mit Tausenden von Betroffenen? Statt spät auf die Erregungswelle über diesen unappetitlichen Prozess in Avignon aufzuspringen?
Dann aber, immerhin eine Ehrenrettung für Robert F. Kennedy Jr., dem designierten Gesundheitsminister der USA. Denn er will das Land der Übergewichtigen von Junk Food und Chemikalien in den Lebensmitteln befreien. Wird ihm wohl nicht gelingen, aber der Versuch ist ehrenhaft.
Dann ein etwas erstaunliches Loblied ausgerechnet auf Polen:
Interessanter Ansatz, interessanter Text. Wenn man meckern will: wieso weiterhin diese verunglückte Kopfzeile, wo in viel Weissraum Buchstaben schweben? Und wieso ein Riesensymbolbild mit der Aussagekraft einer Pizzaschachtel? Aber ZACKBUM findet das sofort wieder grossartig, im Vergleich zu dieser Gaga-Fotomontage:
Mal im Ernst, war beim Seitenaufriss hier kein Erwachsener dabei?
Aber ZACKBUM kann auch mit dieser verunglückten Fotomontage leben, wenn die nächste Illustration uns erspart geblieben wäre:
Lieber «visueller Journalist» Simon Tanner, kennen Sie denn keine Gnade mit dem Leser?
Licht und Schatten, dann kommt ein schön bösartiger Beitrag über Michael Elsener «Komische Geschäfte». Guter Titel, der Lead packt den Knüppel aus: «Als Satiriker scheiterte er beim Schweizer Fernsehen. Nun engagiert er sich als Abstimmungshelfer der Linken». Nicht etwa aus Überzeugung und pro bono. Sondern mit Videos, die vom Gewerkschaftsbund oder dem Mieterverband mit Tausenden von Franken gesponsert werden. Ohne dass Elsener das ausweisen würde.
Schon während der Coronazeit kassierte Elsener für Beiträge zu sogenannten «Transformationsprojekten im Kulturbereich» vom Zuger Regierungsrat satte 87’000 Franken, erinnert die NZZaS.
Wer im Glashaus sitzt, mag man bei der nächsten Story denken. Da schreibt eine Svitlana Prokopchuk nichts Nettes über die russisch-orthodoxe Kirche; die betätige sich «unter ihrem Moskauer Patriarchen Kirill als Kriegstreiber». Vielleicht hätte dem Leser der Hinweis geholfen, dass es sich bei der Autorin um eine ukrainische Journalistin handelt, die das Thema sicherlich mit der gebotenen Objektivität angeht.
Das gilt auch für Anne Applebaum, die dank ihren eher flachbrüstigen, aber gefälligen Büchern zurzeit der Darling der Medien ist – und wieder einmal interviewt wird, von Alain Zucker und Gordana Mijuk. Gähn. Sie sagt so Flachheiten wie: «Die Putin-Versteher haben die gleiche Funktion wie einst die extreme Linke, welche Sowjetpropaganda wiederholte.» Schnarch.
Auch Chappatte, ob da irgendwas ansteckend ist, war schon mal lustiger:
Wer es noch nicht wusste: «Saurierknochen sind das neue Musst-have der Superreichen». Gut, dass wir das jetzt wissen, wir Nicht-Superreichen. Dann gibt es noch einen Beitrag zu «die Genderisten spinnen». Denn sie entdecken in der Vergangenheit immer mehr schlimme Dinge. Zum Beispiel «Fascht e Familie». War für Schweizer Verhältnisse ziemlich lustig, aber:
Das ansonsten zurechnungsfähige Anstandsblatt «Die Zeit» wirft Autor Charles Lewinsky vor, er habe Frauenrollen geschrieben, die «vor sexistischen Klischees» strotzten. Aber damit nicht genug, die Tochter der damals mitspielenden farbigen Schauspielerin Sandra Moser will auch ins Rampenlicht. Dass ein «weisser Mann» das Drehbuch geschrieben habe, findet sie «eine heftige Vorstellung». Schliesslich habe sie mit ihrer Mutter viel über Rassismus gesprochen, «aber bis heute nie über jenen in «Fascht e Familie».
Furchtbar, 1994 strotzten Frauenrollen vor sexistischen Klischees, weisse Männer schrieben rassistische Drehbücher für farbige Schauspielerinnen, ein Graus. Und heutzutage, das ist der wahre Graus, muss sich doch tatsächlich Lewinsky gegen solche Anwürfe verteidigen. Es fehlt nur noch (aber das kommt sicherlich), dass ihm Antisemitismus vorgeworfen wird.
Tja, das war’s dann soweit, will man die schon x-mal erzählte Story der idiotischen Rückgabe von Museumsstücken an den Herrscher von Benin nicht extra erwähnen.
Fazit: Viel Schatten, wenig Licht. Inhaltlich umfangreiche Flachlandschaften, darin einige wenige Erhebungen. Dafür aber auch tiefe, dunkle Löcher wie gleich am Anfang. Und was die Präsentation betrifft: da geht der Wettbewerb mit dem Online-Auftritt von Tamedia weiter: wer hat das hässlichste Layout? ZACKBUM kann sich nicht entscheiden …