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World gone wrong

Es ist nicht Dylans beste CD. Aber der Titel sitzt.

Auf dem Video zu «Blood in my Eyes» sieht man einen entrückten Dylan mit Zylinder und schwarzem Gehrock durch die Strassen Londons streifen und huldvoll Autogramme geben. Nach der Devise: es ist alles egal, aber man sollte neugierig und offen bleiben.

Immerhin seit 1988 ist der Barde auf seiner «Never ending Tour» unterwegs. Die ihn dermassen auslastet, dass er keine Zeit fand, den Literaturnobelpreis persönlich in Empfang zu nehmen. Das ist abgeklärte Weltzugewandtheit, die man sich auch für sich wünscht.

Wir aber, nun ja. Vielleicht erhöhen wir unser Schicksal, wenn wir an Hölderlin denken:

Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.

Wollten wir nicht auch lieber schicksalslos sein? Allerdings müssen wir zugeben: hier in der Schweiz wandeln wir droben im Licht, verglichen mit ungefähr 99,9 Prozent der übrigen Welt. Wir haben Luxusprobleme, Luxusängste, Luxusbobochen, wir jammern auf hohem Niveau, haben gelernt, wehzuklagen ohne zu leiden.

Wir schauen auf unserem iPhone Szenen an, wie eingepferchte Arbeiter in der chinesischen iPhone-Fabrik von Polizisten zusammengeschlagen werden. Schon wieder die nächste Hungersnot in Ostafrika, wollen wir mal wieder «Live Aid» aufführen und heutzutage statt Feuerzeugen Handys schwenken? Der ukrainische Präsident will den Dritten Weltkrieg herbeilügen, was soll’s. Afrika ist endlich die Mumie Mugabe losgeworden, aber in Äquatorialguinea ist Teodoro Obiang Nguema seit 1979 an der Macht und hat immer noch nicht genug. Nur, wo liegt das schon wieder, irgendwo am Äquator wahrscheinlich, aber wie heisst denn die Hauptstadt?

In Brasilien haben sich die Wähler, sofern sie überhaupt zurechnungsfähig waren und gewählt haben, zwischen Pest und Cholera entscheiden dürfen und die Cholera gewählt. Auf Kuba kann das Regime nicht einmal mehr die primitivsten Grundbedürfnisse – Strom, Wasser, Nahrung – befriedigen, von Ausbildung und medizinischer Versorgung ganz zu schweigen. Aber das ist in Lateinamerika ja fast überall der Fall.

Können wir uns wenigstens damit trösten, dass wir die Weltherrschaft Chinas nicht mehr erleben werden, fortgeschrittenes Alter vorausgesetzt? Ist es ein Anzeichen dafür, dass in zunehmendem Ausmass Printwerke Gähnreflexe auslösen? Nicht nur, weil ihr Inhalt so vorhersehbar ist. Sondern auch, weil sie meist von so erbärmlichem intellektuellen Niveau sind, vor eingebildeter Ungebildetheit strotzen.

Wie muss es um die Kultur eines Landes bestellt sein, wenn ein Lukas Bärfuss ernsthaft als Schriftsteller auftreten darf? Wie muss es um die Politik eines Landes bestellt sein, wenn man der Bevölkerung ernsthaft einreden will, dass Solarstrom aus den Alpen sämtliche Stromlücken schliessen könne? Wie muss es um die öffentliche Debatte zwecks Erkenntnisgewinn bestellt sein, wenn aus Schiessscharten Worte abgefeuert werden, die an der gegenüberliegenden Schiessscharte abprallen?

Bleibt da nur noch der Rückzug ins Private, in Beschaulich-Überschaubare? Wer bewundert noch die Klugschwätzer, die unermüdlich grosse Lösungen für kleine und grosse, für alle Probleme dieser Welt anbieten? Wer verachtet nicht die Dummschwätzer, die meinen, mit faschistischer Sprachreinigung und Sprachvergewaltigung einen Beitrag zu einer gerechteren Welt zu leisten?

Menschen kleben sich an den Boden oder an Kunstwerke, die sie zuvor mit Suppe überschütten. Die SP diskriminiert Männer und ist noch stolz darauf. Die «Republik» geisselt Steuervermeider und vermeidet selbst Steuern. Wären Heuchelei, Sittenzerfall und wie Meereswogen ansteigende Dummheit Anzeichen für ein Ende der Welt, es müsste nahe sein.

Aber so biblisch sind wir nicht gestimmt, es ist wohl einfach nur: world gone wrong. Wobei, falsch und kaputt war sie in vielen Gegenden der Welt eigentlich immer. Nur in Kerneuropa und ausstrahlend auf wenige andere Gegenden der Welt zündete die Aufklärung ein kleines Licht an. Das blendende aber allzu grell.

Wir suhlen uns lieber in der Kuhle wärmender Vorurteile und Gesinnungsblasen, wir mögen es nicht, dem scharfen Wind der intellektuellen Auseinandersetzung ausgesetzt zu sein. Wir mögen es nicht, von besseren Argumenten zu einer Änderung einer Haltung gezwungen zu werden. Unsere Lieblingssätze, nicht nur von Politikern verwendet, lauten: ich habe schon immer gesagt. ich habe noch nie gesagt. Da könnte ja jeder kommen.

Seien wir ehrlich: wir mögen nichts Buntes. Wir wollen Schwarzweiss. Wir brauchen gut/böse. Wir können ohne falsch/richtig nicht leben. Wir brauchen Orientierung, Kartografie, Wegweisung, Einweisung. Wir haben’s gerne kommod und einfach. Wir kriegen bei Widersprüchlichkeiten Pickel. Wir haben die Welt gerne klein und rund. Wir mögen nichts Fremdes und nichts Neues. Wir betrachten am liebsten unseren Bauchnabel und schauen zur Not noch anderen bei deren Bauchnabelschau zu.

Wer versucht, uns aus unserer Komfortzone zu reissen, wird mit Verachtung bestraft, ausgegrenzt, im Zweifelsfall zum Hetzer, Populisten und Unmenschen erklärt.

Mit anderen Worten: wir wollen blöd bleiben. Lasst uns bloss in Ruhe.

Schön, dass ein paar ZACKBUM-Leser die löbliche Ausnahme bilden …

 

Treffen zweier Taucher

Nora Zukker und Lukas Bärfuss. Gibt es eine Steigerung des literarischen Grauens?

Schwurbel Time. Der Literaten-Imitator Lukas Bärfuss, nur echt mit grimmigem Blick, hat ein Büchlein geschrieben. 96 Seiten für satte 27 Franken. Schon das ist eine Frechheit.

Der Inhalt dreht sich unter anderem um Müll und ist Müll. Ungeordnetes Flachdenken mit Attitüde. Aber für das Feuilleton ist der Büchner-Preisträger immer wieder neu Anlass für Wallungen. So wallt die «Süddeutsche Zeitung»:

«Über solche Widersprüche hinweg spannt Bärfuss seinen essayistischen Bogen von der Genesis bis zur Gegenwart, um dann aus seinen Befunden konkrete Handlungsvorschläge abzuleiten, die der Verantwortung für das Erbe künftiger Generationen Rechnung tragen.»

Nix verstanden? Macht nix, das ist ein gutes Zeichen geistiger Gesundheit. Kann man das Geschwiemel und Geschwurbel noch steigern? Schwierig, aber nicht unmöglich. Tamedia wirft dazu seine Literaturchefin in die Schlacht. Nora Zukker gelingt es mühelos, die SZ im Tieftauchen in flachem Geplätscher zu unterbieten.

Wir betrachten nun zwei Leserverarscher beim vergeblichen Ausloten der Tiefen und Untiefen des Flachsinns.

«Wir vererben vor allem Abfall», lässt sich der literarische Zwergriese im Titel vernehmen. Eine schöne Selbsterkenntnis, aber natürlich versteht Bärfuss das als Gesellschaftskritik. Denn dafür erklärt er sich ungefragt zuständig. Er ist der Mahner und Warner mit den kritisch zusammengekniffenen Augen.

Er verkörpert das, was bei Salonlinken sonst auf dem gepützelten Glastisch vor dem Sofa liegt. Bibliophile Bände mit voluminösem Nichts drin, Gedankenabfall, Ornamente als Verbrechen, aber wer Alfred Loos war, das weiss hier keiner.

Zurück zum Interview, wo es auf dumme Fragen dümmliche Antworten setzt. Zum Beispiel:

«Ihr neues Buch heisst zwar «Vaters Kiste», er spielt aber nur am Rande eine Rolle. Warum? – Weil ich nichts über ihn weiss.»

Immerhin, man kann diese Einleitung auch so verstehen: lieber Leser, sei gewarnt. Wenn dich das nicht abschreckt und du weiterliest, dann lass jede Hoffnung fahren. Aber das wäre ja Dante, also zurück in die flachen Gewässer.

Wobei, Bärfuss beschäftigt sich schon mit fundamentalen Fragen, spannt eben einen Bogen, wie die SZ weiss und ihm Zukker entlockt: «Die Familie ist wahlweise eine soziale, biologische Gruppe, deren Rollen unterschiedlich definiert werden.» Der Schriftsteller ist wahlweise ein überflüssiger, durchaus biologischer Teilnehmer an einer Gruppe, dessen Rollen unterschiedlich definiert werden. Nix verstehen? Macht nix.

Aber Zukker hätte da noch eine Frage: «Ihre radikale Forderung lautet, dass wir das ererbte Privatvermögen in Gemeingut überführen. Warum? – Ist es nicht seltsam, dass wir zwar das Privateigentum kennen, aber nicht den Privatmüll

Ist es nicht seltsam, dass wir nicht nur den Privatmüll kennen, sondern ihn auch kostenpflichtig entsorgen müssen? Allerdings kann das nicht jeder in Form eines gebogenen Essays oder geschwurbelten Interviews tun.

Bärfuss ist mit dem Stochern in Müll noch nicht am Ende seiner Weisheit angelangt: «Abfall ist ein klassischer Fall von herrenlosem Gut und stellt das Gesetz immer wieder vor Schwierigkeiten

Bevor hier das Gesetz kapituliert, eilt ihm der Dichter zu Hilfe: «Die Lösung, den Müll einfach an die Strasse zu stellen oder als CO2 in der Atmosphäre zu entsorgen, müssen wir hinterfragen.»

Hinterfragen ist immer gut, wenn man nicht weiss, was vorne und hinten ist und nach unten noch etwas Luft. Aber eigentlich noch schlimmer als der Abfall ist etwas anderes: «Der sogenannte Markt ist ein Problem, ein anderes sind die Waren, die gehandelt werden

Also der Markt, der sogenannte, dient doch eigentlich dem Handeln von Waren, womit aber laut dem Flachdenker zwei Probleme aufeinanderprallen. Besonders problematisch ist für Bärfuss die Handelsware Öl, auf dem sogenannten Markt, da wagt er einen weiten Blick in die Zukunft: «Das Öl ist Segen und Fluch unserer Zeit. Wir leben in der Ölzeit. Sie wird nur kurz dauern.»

Nach diesem Ausflug in die Öl- und Essigzeit geht’s im wilden Ritt wieder zurück zur Familie, zum Erben. Auch da weiss Bärfuss mehr als andere: «Es gibt kein geistiges Erbe, das wir übernehmen müssen. Wir entscheiden selbst, in welche Tradition wir uns stellen

Sagen wir so: nur weil Bärfuss keine Ahnung von literarischem Erbe hat, nicht einmal die deutsche Sprache rumpelfrei beherrscht, muss das nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben.

Nun kommt aber ein Bogen, bei dem es Ikarus nicht nur das Wachs, sondern sämtliche Federn verbrennen würde: «Befreiung ist zuerst Befreiung von der Herkunft. Befreiung bedeutet, über die eigene Zugehörigkeit zu entscheiden. Das Geburtsrecht anzunehmen oder auszuschlagen, seine Geburtspflicht zu verweigern. Nichts anderes bedeutet Mündigkeit. Ab 18 Jahren liegt es an ihnen, über ihre Herkunft zu entscheiden. Wenn Herkunft als unabänderlich gilt, wird es gefährlich.» Nichts verstehen? Macht nichts, dunkel und raunend muss das Dichterwort sein, damit das moderne Feuilleton ins Schwärmen gerät und die einzig sinnvolle Frage zu stellen vergisst: was soll dieses hohle Geschwätz?

Stattdessen fragt Zukker, wahrscheinlich, während sie die nächste Flasche Prosecco öffnet: «Inwiefern gefährlich?  – Weil es Menschen reduziert, die Möglichkeiten beschränkt, die Freiheit beschneidet und verhindert, dass Menschen für ihr Handeln Verantwortung übernehmen.» Nichts verstehen? Macht nichts, oder sagten wir das schon.

Zum Schluss muss noch Max Frisch dran glauben, der sich nicht mehr wehren kann und das wirklich nicht verdient hat: «Was ist eigentlich Ihre Mission? Sie werden gern als Nachfolger von Max Frisch verstanden. Lukas Bärfuss, der die Schweiz aufklärt.»

Da wird der grosse Mahner und Warner, der Beschimpfer der Schweiz, der Kritiker eines chemischen Industriellen, der schon während Corona die Gesellschaft aus Profitgier auseinanderfliegen sah, während sich die Toten auf den Strassen stapelten, ganz bescheiden: «Ich bin Schriftsteller, ich habe keine Mission. Frisch habe ich spät gelesen. In meiner literarischen Herkunft spielt er eine kleine Rolle

Eben, es gebe ja kein geistiges Erbe, das wir übernehmen müssten, behauptet Bärfuss. Dass dann aber Wüste im Oberstübchen staubt, das führt er zusammen mit Zukker exemplarisch beim gemeinsamen Sändele vor.

Der See ist getötet worden

Lukas Bärfuss leidet. Und lässt die Leser mitleiden. An ihm.

Dem grossen Büchner-Preisträger ist kein Anlass zu klein, Betroffenheit zu zeigen. Er leidet bekanntlich unter der Last der ganzen Welt, insbesondere der Schweiz, und weil ihn kein Qualitätsmedium mehr perseverieren lassen will, müssen die armen Leser des Blöd-«Blick» dran glauben.

Erschauert und vernehmt die schröckliche Kunde: ein See ist ausgetrocknet. Der Bodensee? Der Vierwaldstättersee? Der Genfersee? Nein, es handelt sich um den Lac des Brenets. Hä? Keine Bange, muss man nicht kennen. Die Pfütze ist in besseren Zeiten gerade mal 800’000 m2* gross:

Der liegt im Jura und wird normalerweise von der Doubs gefüttert. Ohne dem lokalen Tourismus zu nahe zu treten: kann man besuchen, muss man nicht besuchen.

Nun sieht der See auch dieses Jahr, was bei Trockenzeiten nicht ganz unüblich ist, halt so aus:

Das ist nicht besonders schön, für Bärfuss ist es aber Anlass, mal wieder richtig Guzzi zu geben:

Verschwörung, Schweigen? Jawohl, der Schriftsteller wirft sich extra aus diesem Anlass in eine neue Pose, denn der streng-tragisch-grimmige Blick reicht angesichts dieser Katastrophe natürlich nicht mehr aus:

Die Politik sei sprachlos, behauptet der Dichter, er selber ist’s leider nicht. Ganze 8257 Buchstaben mutet er dem «Blick»-Leser zu, der nun ehrlich gesagt eher ein Kurzstreckenläufer ist. Aber der Schriftsteller kann das Wasser, Pardon, die Tinte nicht halten.

Letzten Mittwoch hätten die Nachrichtenagenturen den Tod des Sees gemeldet. Und? Nichts und. Ging ein Aufschrei durch die Schweiz, eilten Politiker zur Leiche, wurden Sofortmassnahmen beschlossen, wurde wenigstens Wasser herbeigeschafft? Nein: «Er war kein politisches Traktandum, kein Menetekel, kein Zeichen an der Wand, kein Bild für die Falle, in die sich unsere Gesellschaft begeben hat. Wer vermisst hierzulande schon einen See

Der Tod fand in aller Stille statt. Das stimmt zwar nicht, aber ein Dichter ist nicht verpflichtet, mit der Wirklichkeit Kontakt zu halten. «Das minimale touristische und landwirtschaftliche Gewerbe hingegen, das von diesem See abhängig war, wird man mit vergleichsweise wenig Geld entschädigen können», weiss der Barde. Nur melden die Medien anderes:

«Auf Anfrage von Nau.ch bestätigt Urs Niederberger, der Besitzer des Campingplatzes «Lac les Brenets», dass wohl weniger Menschen die Region wegen See, Schifffahrt und Wasserfall besuchen. «Doch auch das Gegenteil ist der Fall», freut sich Niederberger. «Der Eine oder die Andere kommt gerade zu uns, um das Phänomen persönlich vor Ort zu sehen.» Jetzt kommen die Katastrophen-Touris!

Ausserdem werde der Campingplatz glücklicherweise nicht nur wegen dem See besucht. Niederberger zählt auf: «Die Gäste kommen in unsere Region und schätzen die Natur, die Ruhe, die Wanderwege, die Bikestrecken, und vieles mehr.»»

Also doch kein Weltuntergang, aber Bärfuss hat’s halt nie eine Nummer kleiner. Schnell wechselt er vom Ereignis auf die Metaebene der Sprache, denn da kennt er sich auch nicht so aus: «Die Verarmung der Sprache ist ein Zeichen für die Verarmung der Politik. Und wie der See, so trocknet auch die Sprache aus, sie verödet, flüchtet sich in Floskeln und Worthülsen.» Eigentlich spricht er hier nicht über die Politik, sondern über sein eigenes Schaffen, aber das fällt ihm nicht auf.

Denn Bärfuss will, muss schimpfen, auch wenn er die Anlässe an den Haaren herbeiziehen muss. Denn, wie schrecklich, zwei Tage «bevor der See verschwand», gab der Finanzminister eine Pressekonferenz, ohne auf dieses tragische Ereignis einzugehen. Stattdessen: «Die Pressekonferenz war reine Routine, ein totes Ritual ohne Bezug zur Wirklichkeit, die Sprache des Finanzministers hölzern, plump, angeödet von der Stumpfsinnigkeit und von der eigenen Entfremdung. Ausgestattet mit den Privilegien des Amtes, das jede persönliche Gefährdung ausschliesst, sprach der Bundesrat seinen ewigen, tödlich langweiligen Text.»

Geht’s noch schlimmer? Oh ja, auch Bundesrätin Sommaruga erregt das höchste Missfallen des Leidensmannes. Sie hielt eine Ansprache zum 1. August, was schon ein Weilchen her ist, aber dennoch ereilt sie sein Zorn: «Als wären die Anwesenden Kinder oder Schwachsinnige, so spricht die Bundesrätin. … Ausgerechnet eine sozialdemokratische Politikerin ergeht sich in einem nationalistischen Phantasma, das immer wieder zur Stilisierung dient und im Film «An heiligen Wassern», gedreht von einem alten Nazi, endgültig den Eingang in die lokale Mythologie gefunden hat. Die Walliser Weissweinseligkeit wird bei ihr zum Exempel für den sozialen Zusammenhalt in dieser Berggemeinde. Ihre Worte sind losgelöst von der Wirklichkeit und von den Menschen, an die sie sich wendet.»

Versteht hier einer das Dichterwort? Macht nichts, dunkles Geraune hat auch eine üble Tradition. Aber wer bis zum Schluss durchhält, und das sind sicher nicht viele, wird endlich aufgeklärt, worum es hier geht und was eigentlich die Ursachen für das Austrocknen des Sees sind. Hitze, mangelnde Wasserzufuhr? Ach was: «In dieser Wirklichkeit verschwindet nach vierzehntausend Jahren ein See. Niemand weiss, was das für die Gefühle, die Umwelt und unsere Kultur bedeutet, aber alle wissen, was die wesentlichen Ursachen dafür sind. Sie lauten «Steuersubstrat», «Wettbewerbsfähigkeit», «Arbeitsplätze» und «wirtschaftliche Rahmenbedingungen».»

Der See ist wegen diesen Begriffen ausgetrocknet? Da braucht es schon einen dichterischen Seher, um auf diesen Zusammenhang zu kommen. Aber leider widerspricht sich der Sprach- und Denkholperer dann noch am Schluss: «Totschweigen nennt man dieses Prinzip, es ist eines der Gewalt, denn tatsächlich tötet diese Methode. In der vergangenen Woche ist ihm unter anderem ein See zum Opfer gefallen.» Obwohl über die Auswirkungen des Austrocknens ausführlich berichtet wurde, soll das Schicksal des Sees totgeschwiegen worden sein. Das sei Gewalt, meint Bärfuss, diese Methode töte. Sogar ein unschuldiger See sei ihr zum Opfer gefallen.

Die einzig richtige Frage ist allerdings: was lösen 8257 Buchstaben von Bärfuss aus? Dagegen ist der Tod eines Sees ein Klacks …

*Nach Leserhinweis korrigiert.

Was kostet der Mensch?

Ein Menschenleben ist nicht in Geld aufzuwiegen. Leider Quatsch.

Absolute Wahrheiten sollte man Gläubigen überlassen. Denn wo Zweckrationalität, Logik und Erkenntnis herrschen, gibt es sie nicht.

Absolutes ist sowieso immer bedenklich. «Alles für», «vorwärts im Sinne von», «niemals, immer, auf ewige Zeiten», wer solche Sprüche klopft, ist potenziell gefährlich.

Das gilt besonders heute, in den garstigen Zeiten einer bislang erfolglosen Bekämpfung einer Pandemie. Wer schüchtern nach den Kosten, Folgekosten und Schäden durch drakonische Massnahmen fragt, wird schnell zurecht gestutzt: wie könne man wagen, den Wert eines Menschenlebens in Franken ausdrücken zu wollen.

Menschenverachtend, zynisch, neoliberal, oder wie Dummschwätzer Lukas Bärfuss formuliert: «In einem Teil des rechtsnationalen Spektrums herrscht die Vorstellung, dass Corona den helvetischen Organismus durchputzt.»

Vielen Corona-Kreischen, die sich mit Forderungen nach Lockdowns, nach der wiederholten Paralysierung der Wirtschaft und Gesellschaft überschlagen, sind die Folgeschäden und -kosten schnurzegal. Das muss uns doch ein Menschenleben wert sein, ist ihr Totschlagargument.

Hat nichts mit einem Menschenleben zu tun …

Auch Banker werden schnell emotional

Auch Zahlenmenschen, die normalerweise nicht zu Gefühlsduseleien neigen, rasten schnell aus, wenn es um die Berechnung des Werts eines Menschenlebens geht. Das konnte ZACKBUM gerade austesten, mit der Frage nach den Kosten der Corona-Bekämpfung, drüben auf «Inside Paradeplatz».

Da überschlägt sich jeweils der Kommentator. Natürlich ist die grosse Mehrheit voller Lob, wie es sich gehört. Aber nehmen wir einen anonymen Kritiker, weil der so schön wäffelt:

«Eine Krankenkasse kann nur prüfen ob eine Behandlung wirtschaftlich und Zweckmässig ist, das ist grossmehrheitlich auch alles im Tarif abgelegt, es gibt praktisch keine Individualentscheide. Das KVG ist Deckungsidentisch.

Diese Diskussion steht uns eben allen noch bevor, entgegen Ihrer Behauptung kann die KK eben gerade nicht Entscheiden das dem 90 Jährigen kein neues Hüftgelenk mehr eingesetzt wird, er hat Anspruch darauf auch wenn er 3 Monate später stirbt.»

Zunächst ein schönes Beispiel dafür, dass Kommentarspalten nicht gerade zur Steigerung des Niveaus beitragen (ausser auf ZACKBUM, versteht sich). Dann sehen wir über eine etwas rumpelige Beherrschung der deutschen Sprache hinweg. Und konzentrieren uns auf den Inhalt.

Unbezahlbar oder mit zugemessenem Wert?

100’000 Franken, dann ist Schluss

Dem Absolutismus, dass ein Menschenleben unbezahlbar sei, stehen ganze Tabellen entgegen, die den Wert jedes Körperteils (bzw. dessen Verlust) genau beziffern. Schliesslich ist auch hier der Verursacher eines Schadens haftbar. Kostet der einen Finger, ein Bein, die Niere, das Augenlicht oder die geistige Gesundheit: alles berechenbar, alles in Franken und Rappen umrechenbar.

In einem häufig zitierten Bundesgerichtsurteil von 2012 kamen die obersten Richter zum Schluss, dass in einem spezifischen Fall eines 70-Jährigen eine Therapie für 400’000 Franken nicht von seiner Krankenkasse übernommen werden musste. Maximal 100’000 Franken lägen drin, entschied Lausanne.

Der Wert eines Menschenlebens, wird es schuldhaft beendet, bemisst sich schlicht und einfach nach dem dadurch entstehenden Verdienstausfall. Unter Vermutung der abgekürzten Lebenserwartung, Qualifikation, Vorerkrankung, Alter usw.

Das ist nun kein Einzelfall oder Ausdruck zynischer Richterlogik. Im Gegenteil, it’s the law in der Schweiz. Denn falls keine schwierigen Entscheide getroffen würden, zahlten wir wohl doppelt so hohe Krankenkassenprämien, was auch all den Gutmenschen, die jede Monetarisierung eines Menschenlebens entrüstet ablehnen, auch nicht recht wäre.

Chemisch gesehen sind wir knapp 24 Dollar wert …

In diesem Zusammenhang kann man nur immer wieder auf einen ausgezeichneten Artikel einer ehemaligen Bundesrichterin hinweisen, die als Mitglied der Grünen nicht im Verdacht stehen kann, neoliberaler Menschenverachtung anzuhängen.

Brigitte Pfiffner stellt klar:

«Mediziner, Krankenkassen, Gerichte müssen genau diese Fragen – sprich: Kosten-Nutzen-Erwägungen im Zusammenhang mit Leben und Tod – praktisch täglich beantworten

Dann führt sie Bundesgerichtsurteile an, in denen die Kostenübernahme verweigert – oder befohlen wurde. Denn: «Gesetz und Rechtsprechung stellen bei medizinischen Behandlungen stets Kosten-Nutzen-Überlegungen an. Das Krankenversicherungsgesetz schreibt nämlich vor, dass drei Kriterien – Wirksamkeit, Zweckmässigkeit, Wirtschaftlichkeit – gleichberechtigt zu prüfen seien. Eine Kostenobergrenze sieht das Gesetz nicht vor.»

Wirtschaftlichkeit, das gilt auch bei allen anderen staatlichen Massnahmen. So ist das Kriterium für die Errichtung einer Lawinenverbauung, in welchem Verhältnis die Kosten mit der Anzahl der potenziell geschützten Menschenleben stehen, also mit deren kumuliertem Wert.

Seherische Fähigkeiten der Autorin

Man muss erwähnen, dass dieser Artikel Anfang Mai 2020 erschien. Als es sich abzuzeichnen begann, dass die Bekämpfung der Pandemie nicht nur mit der Benützung von Schutzmasken durchgeführt wird, sondern dass es auch drakonische Beschränkungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens geben wird.

«Wie hoch darf der Preis für die Stilllegung der Wirtschaft sein, um die aktuelle Pandemie zu bekämpfen?»

Geradezu seherisch mutet die Schlussbemerkung der alt Bunderichterin an:

«Zu welchem Preis also erkaufen wir uns bei der Corona-Krise eine nicht bezifferbare Lebensverlängerung?

Wenn es so ist, dass viele Todesfälle wegen oder mitbedingt durch Vorerkrankungen eintraten, relativiert sich die Gefährlichkeit von Covid-19. Wenn es so ist, dass die allermeisten der infizierten Personen eher leichte Krankheitsverläufe aufweisen, relativiert sich die Gefährlichkeit auch aus diesem Grund.

Mit anderen Worten: Bei einer zögerlichen Aufhebung des verordneten wirtschaftlichen Stillstandes – der anfänglich seine Berechtigung hatte – bestünde je länger, desto stärker ein Missverhältnis zwischen Nutzen und Kosten der Schutzmassnahmen.»

Es gibt Artikel, die gültig bleiben – und denen auch fast anderthalb Jahre später nichts hinzuzufügen ist. Man muss nur jede Gelegenheit beim Schopf packen, sie wieder in Erinnerung zu rufen

Oder ist das Leben etwas raunend Mystisches?

«Organismus durchputzen»

Wenn ein Dichter nicht ganz dicht ist.

Lukas Bärfuss, unsere Unke mit dem düsteren Blick, geht zu offenen Drohungen über:

«Ich biete mich dem Bund hiermit offiziell als Kommunikationsberater an.»

Was würde er denn so kommunizieren? Nun, solchen hanebüchenen Unsinn. Demagogisch, falsch, unbelegt, polemisch, spalterisch und verantwortungslos:

«Eugenisches Denken hat eine lange Geschichte in der Schweiz. Alt und krank bedeutet in dieser unmenschlichen Logik eben auch unproduktiv und verzichtbar. In einem Teil des rechtsnationalen Spektrums herrscht die Vorstellung, dass Corona den helvetischen Organismus durchputzt.»

Kennt nix mehr: Lukas Bärfuss (Screenshot Tamedia).

Es ist eine Schande, dass jemand so etwas öffentlich sagen darf. Es ist eine grössere Schande, dass es Alexandra Kedves, der Interviewerin von Tamedia, nicht einfällt, von ihrer Rolle als Stichwortgeberin abzuweichen und dem Dichter klarzumachen, dass auch er nicht einfach jeden Unsinn hinausblasen darf.

 

 

Neuer Bärfuss des Grauens

Man kann dem SoBli (fast) alles verzeihen. Mit einer Ausnahme.

Wir tun mal so, als hätten wir noch nie etwas vom Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss gelesen. Und wollen uns nur an der Sprachbeherrschung einer Literaturgrösse laben. Denn Literatur hat sicherlich auch auf dem Boulevard nichts mit Littering zu tun.

Wir werden gleich mit dem ersten Satz auf Moll eingestimmt: «Auch in diesem Jahr erwartet uns eine schwierige und traurige Weihnachtszeit.» Das erinnert zwar an den Beginn eines Schulaufsatzes, aber das steigert sich sicherlich noch.

Neue Position, gleicher Blick. (Bildzitat Screenshot SoBli).

Wir hoffen nicht umsonst, schnell wird das Dichterwort dunkel: «Wenn das Virus im Körper eskaliert, versagen oft die besten Methoden der Wissenschaft.»

Aber gut, auch Jean Paul war verdammt schwer zu verstehen. Nun legt Bärfuss eine Fährte aus, sozusagen ein Ariadnefaden, die ihn zum eigentlichen Thema führen soll. Man spricht da unter Literaturwissenschaftlern von einem Leitmotiv. Hier ist es das Erbgut. Das besimme auch, wie schwer die Corona-Erkrankung sei, weiss der Litterat. Um zu verallgemeinern: «Früher stehen alle vor der Frage, die das Erbe stellt.» Könnte da ein «oder später» fehlen? Aber vielleicht verstehen wir zu wenig von literarischer Verkürzung. Oder handelt es sich gar um eine Apokope? Also im weiteren Sinne, wohlgemerkt.

Wenn das Erbe an der Türe klingelt, oder so

Nun, welche frühe Frage stellt uns das Erbe? Das beantwortet der Dichter aus eigenem Erleben, denn auch sein Vater starb (nein, nicht an Corona, steht zu vermuten). Und hinterliess ein schweres Erbe, das leicht ausgeschlagen werden konnte.

Unser Beileid, aber wie geht’s mit dem Leidmotiv weiter? «Gebäude, die mit Asbest isoliert wurden, sind wertvoll und gleichzeitig tödlich giftig.» Ach was, wieso sollen sie denn wertvoll sein? Aber gut, nur nicht grübeln, riet schon Gotthelf, das wollen wir beherzigen. Denn jetzt kommt’s:

«Genau gleich wie gewisse Kunstsammlungen. In Zürich vergiftet eine einschlägige Erbschaft die Stadt, verseucht Institutionen und Beziehungen. Schöne, kostbare Gemälde machen die schlimmsten Verbrechen lebendig, Vertreibung, Raub und Genozid. Emil Bührle, ein Krimineller, raffte sein Vermögen aus Leid und Tod zusammen. Ein Schatz, der sich aus dem Verbrechen nährt, eine teuflische Mischung: Wer damit in Berührung kommt, ist auf immer krank und vergiftet.»

Hilfe, wir gestehen: Wir sind damit in Berührung gekommen. Wir waren schon im Kunsthaus, das hoffentlich nicht auch noch mit Asbest verseucht ist. Das ist nun ein Paukenschlag, ein Zornesblitz, darüber sollten wir Zürcher nun aber mal richtig nachdenken.

Falls wir dabei auf Abwege geraten, Bärfuss führt uns an die Wurzel des Grauens:

«Aber das geht nur, wenn wir gleichzeitig über das Allerheiligste nachdenken. Oh Privateigentum! Oh Sacerdotium der bürgerlichen Welt! Dir gehört unsere Verehrung und unser Vertrauen! Unangetastet stehst du in den Stürmen der Gegenwart!»

Aber leider – horribile dictu – Fremdwörter sind Glücksache. Sacerdotium, ist uns das peinlich, einen preisgekrönten Dichter zurecht weisen zu müssen, bedeutet Priestertum oder das Reich der geistlichen, kirchlichen Gewalt. Wahrscheinlich meinte Bärfuss Sanctuarium. Aber wer sind denn wir, beckmessern zu wollen. Nur, nicht nur Jean Paul beherrschte Latein

Aber zurück zum Text.Wir Kurzdenker dachten immer, dass es selbst in der Schweiz viele Möglichkeiten gibt, das Privateigentum anzutasten, bis hin zur Enteignung. Schön, dass wir von diesem Irrtum befreit werden.

Wem gehören die Wolken? Die Antwort kennt nur der Wind

Aber ein tief Blickender, selbst wenn das im SoBli geschieht, ist damit noch nicht auf dem Grund der Fragen angelangt: «Das Privateigentum ist heilig, also unerklärlich und unerklärbar. Was kann ein Mensch sein Eigen nennen?»

Denken wir kurz selber nach. Vernunft? Intelligenz? Logik? Sprachbeherrschung? Stringenz? Respekt? Anstand? Das kann hier alles nicht gemeint sein, will uns deuchen. Denn der Schriftsteller fängt ganz woanders an: «Unterschiedliche Güter weisen unterschiedliche Eigenschaften auf. Ein Grundstück ist nicht dasselbe wie ein Regenschirm oder eine Aktie.»

Wohl wahr, sagen wir da, ganz geplättet von so viel Weisheit, die kostenlos auf uns regnet. Apropos regnen, nun wird’s wieder dunkel wie bei Hölderlin im Turm: «Wem sollten die Wolken, der Regen und der Wind gehören? Das Wetter mag unterschiedlich sein, aber für uns alle gibt es nur ein Klima.»

Es bleibt ein Wechselbad der Gefühle, darf man einem Literaten vorwerfen, dass er etwas sprunghaft ist? «Wie man mit den Risiken der Vererbung umgeht, macht uns die Evolution vor, nämlich mit Sex.»

Muss man erst mal drauf kommen …

Hoppla, plötzlich nimmt uns der Dichter im Triebwagen der Evolution mit. Nicht ohne uns weiterer Erkenntnisse teilhaftig werden zu lassen: «Lebewesen können sich vegetativ, parthenogenetisch vermehren. Erdbeeren, Blattläuse und Bambushaie halten es so

Gut, dass wir das wissen. Aber, dadurch unterscheidet sich der wahre Literat vom Möchtegern, wir kehren zum Leitmotiv zurück, also zur Bührle Sammlung. Denn Sex teile das Erbgut durch zwei, weiss der Hobbygenetiker, dadurch werde das Risiko halbiert. Öhm, also bei nicht rezessiven Genen, die beide Elternteile aufweisen, nicht wirklich. Aber wir wollten doch nicht grübeln.

Die Lösung für die Bührle Sammlung? Teilen

Was, oh Dichter, was hat das nun mit der Ausstellung im Kunsthaus zu tun?

«Wenn es um Erbprobleme geht, lautet die Lösung also teilen. Heute wird das Vermögen aus der Erbschaft privatisiert, die Schulden und der Müll aber werden sozialisiert, und die Sammlung Bührle folgt genau diesem Muster. Die Öffentlichkeit übernimmt die Passiven, die Aktiven bleiben bei der Familie. Es ist im Interesse aller Beteiligter, dieses wertvolle und kontaminierte Erbe gemeinsam zu tragen.»

Das ist eine wunderbare Schlussfolgerung, eine eines Büchner würdige Übertragung von genetischen Erbvorgängen ins reale Kunstleben. War Büchner nicht angehender Arzt? Das ist doch sicherlich eine raffiniert versteckte Anspielung darauf.

Das muss es auch sein, denn – wir bitten um Nachsicht wegen unseres Unvermögens – bei der Bührle Kunstsammlung kann das ja nicht ganz stimmen. Ausser, die 203 Bilder im Kunsthaus Zürich wären Müll. Und welche Aktiven sollen denn bei der Familie bleiben? Weiss Bärfuss überhaupt, was der Unterschied zwischen Aktiven und Passiven ist? Eher nicht, will uns deuchen, aber wer sind wir denn.

Passiver Müll oder toxisches Erbe?

Wie soll denn nun, so zwischen Aktiven und Passiven, das wertvolle und kontaminierte Erbe gemeinsam getragen werden? «Es gibt Lösungen», weiss der Dichter. Nur verrät er die nicht. Wir hätten da in aller Bescheidenheit eine zu bieten: regelmässige Lesungen aus seinen Werken in der Ausstellung. Das vertreibt garantiert das Publikum, womit die Bilder nicht länger kontaminieren können.

Hilfe, mein Papagei onaniert!

Zur Erinnerung: das war ein Titel aus der Qualitätszeitung SoZ. Hier dient er für die Sammlung von Bescheuertem.

Man muss so dreinschauen, um richtig Schwachsinn erzählen zu dürfen:

Der dunkle Seher mit dem grimmigen Blick.

Denn Verpackung ist alles, wenn der Inhalt nichts ist. Der Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss, in jeder Beziehung das Symbol für den Niedergang von Literatur, Preisvergabe und Kultur, darf mal wieder im Organ für die gebildeten Stände, für tiefes Nachdenken und hohes Niveau, Gedankengänge tieferlegen:

«Raven Saunders hatte Glück. Während der Olympischen Spiele starb ihre Mutter.»

Völlig egal, in welchem Zusammenhang der Schrumpfkopf diesen Satz für den «SonntagsBlick» formulierte: nie bedauerten wir mehr, dass der Titel «Schriftsteller» nicht aberkannt werden kann. Wir hingegen hatten Pech: Bärfuss hat weiterhin keinen Schreibstau.

Mangels anderer Objekte für Beschimpfungen geht es Bärfuss diesmal ums IOC, um das Olympische Komitee. Das habe seinen Sitz «in einem Land auch, mit dem es nicht nur viele Werte, wie etwa die Neutralität, sondern auch manche Funktionäre und sogar die Soldatinnen teilt.»

Tief sei das Dichterwort, dunkel und raunend. Für uns Normalsterbliche nicht leicht zu durchdringen oder zu verstehen. Das ist doch der Sinn der Dichtung seit Platon und so. Aber Bärfuss ist nicht nur Dichter, dabei nicht dicht. Sondern auch noch Rechtsgelehrter. Doch, diese Disziplin beherrscht er auch (man beachte das dichterisch nachgestellte «auch»), was bei der Fülle seiner sonstigen Fähigkeiten vielleicht etwas unterging:

«Die Reglemente für die Olympischen Spiele, festgehalten in der Charta, gehen weit darüber hinaus und untersagen den Sportlerinnen und Sportlern, ihr Recht auf freie Meinungsäusserung wahrzunehmen. Nicht nur in der Schweiz ist dies ein Grundrecht. Und ein Vertrag, der verlangt, auf dieses oder einen anderen Grund zu verzichten, ist nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch sittenwidrig und damit ungültig. Art. 27 ZGB definiert: «Niemand kann sich seiner Freiheit entäussern oder sich in ihrem Gebrauch in einem das Recht oder die Sittlichkeit verletzenden Grade beschränken.»»

Wir wissen nun, dass die Jurisprudenz echt Schwein gehabt hat. Denn in erster Linie vergeht sich Bärfuss an der Sprache, an der Logik und am argumentativen Essay. Wenn wir uns schreckensbleich vorstellen, dass er sich am Rechtsstaat vergreifen würde, wird uns ganz anders.

Immerhin, wenn Bärfuss seine seherischen Fähigkeiten bemüht, darf gelacht werden. So sah er schon italienische Zustände bei der Corona-Pandemie in der Schweiz um der Ecke lauern; also Chaos, Leichenberge, schlimm. Traf nicht ein, aber wer sehen kann, kann’s nicht lassen:

«Tokio ist vorbei, aber nach den Spielen ist vor den Spielen. Und die Kritik wird lauter.»

Nun gut, es soll in der Schweiz ausgezeichnete Hals-Nasen-Ohrenärzte geben, wirklich wahr.

Aber bevor ärztliche Kunst zum Einsatz kommen kann, schwingt sich Bärfuss wie in jeder seiner SoBli-Kolumnen zum abschliessenden Crescendo auf:

«Im nächsten Februar werden Soldatinnen und Soldaten der Schweizer Armee ihren Dienst fürs Vaterland im fernen Peking leisten. Offizielle Vertreter der Schweiz werden damit Teil der chinesischen Propaganda, werden Werbung machen für deren Verletzung der Menschenrechte und für den Genozid an der uigurischen Minderheit. Die jungen Menschen werden für den Kommerz und autoritäres Regime instrumentalisiert. Der militärisch-industrielle Komplex, der die totale finanzielle, politische und sportliche Macht in seinen Händen hält und ihnen sogar die Grundrechte nimmt, zwingt sie, zu diesem Unrecht zu schweigen.»

Oh, ihr Tellensöhne (und -töchter), beruft Euch auf Art. 27 ZGB und erhebt die Stimme gegen solches Unrecht.

Vertraut den seherischen Fähigkeiten des Dichters. Der männlichen Kassandra, der leider niemand glaubt.

Denn auch für die Zukunft der Schweizer Zivilgesellschaft hat Bärfuss nur dunkle Aussichten anzubieten: «Drei Lebenshaltungen werden die Post-Covid-Gesellschaft prägen: die Genusssucht, die Verzichtskultur und jene, die alles der Wirtschaft unterordnet.»

Wir gestatten uns nur ermattet die Frage: wie kann ein Verlagshaus im Ernst annehmen, dass es Konsumenten gibt, die für einen solchen Unfug, der gurgelnd durch das Regenrohr in den Boden sickert, Geld ausgeben wollen?

Schwund herrscht leider überall, auch in der SoZ

Aber auch Qualitätsmedien leiden unter Schwund. Schwund an allem. Platz, Gehirnschmalz, Themen und Kompetenz. Wenn dir gar nichts, aber wirklich nichts einfällt als Blattmacher, was machst du dann? Richtig geraten, dann machst du das hier:

Oder die vierte Welle ist zu hoch. Oder das Aufmerksamkeitsdefizit …

Inhalt, Aussage, Relevanz, Newswert? Egal, eine Seite der «SonntagsZeitung» ist gefüllt, uff.

Aber oh Schreck, nach der vollen Seite droht die nächste leere Seite, nur unzulänglich mit einem der seltenen Inserate gefüllt. Also gut, dann halt nochmal:

Die Buzzwords vereint: Corona, SVP, Angriff.

Geradezu ein Geniestreich. Nochmal Covid, diesmal in Verbindung mit dem Feindbild SVP. Uff. Aber, alte Blattmacherregel, nach der vollen Seite ist vor der leeren Seite. Nun, da hilft nur noch ein Trend. Also ein kleiner Trend mit einem riesengrossen Foto:

Ist das noch Korrekt-Deutsch?

 

Das nimmt ZACKBUM allerdings persönlich, denn wir sind weder Agglo-Jungs, noch fahren wir das ohne Helm, noch sind wir Jungs:

Unser Chopper, Frechheit aber auch.

Das ist das Dienstfahrzeug von ZACKBUM, allerdings schon ein Jahr in Betrieb. Sind wir nun die Vor-Trendsetter? Einfach ohne Agglo und Jungs?

Was macht der Blattmacher, wenn er Covid, Agglo und Trend durchhat? Er verzweifelt? Fast; er ruft in den Raum: wo bleibt das Klima? Nein, bitte nicht mehr den Bericht, der ist inzwischen älter als das Gewitter von vorgestern. Aber Klima, Berg, Schweiz, da muss doch etwas gehen.

Geht doch:

Es gibt noch mutige Tellensöhne.

Geröllbrocken, Gezimmertes, ein trutziger Gemeindepräsident, uns Ogi, die beruhigende Nachricht, dabei dachten wir schon, dass Kandersteg selbstmordgefährdet sei. Uff.

Gibt es sonst noch News aus aller Welt, womit kann man den Leser in der Sonntagshitze kalt abduschen? Mit einer brandneuen, geradezu Waldbrände verursachenden Erkenntnis:

Datum anstreichen: seit dem 15. August weiss das die Welt.

Dabei muss auch die SoZ vorsichtig herumeiern:

Ich weiss nicht, was soll ich bedeuten …

«Soll fallengelassen haben»; ist natürlich blöd, wenn der «Tages-Anzeiger» dieser Ente nachwatschelte und kräftig Erregungsbewirtschaftung betrieb. Bloss: kommt halt davon, wenn man sich dem modernen Recherchierjournalismus verschreibt. Man sitzt in seinem Käfig im Newsroom und lässt sich von einem gelinde gesagt eher merkwürdigen Studenten anfüttern.

Geht noch einer? Also gut, ein letzter:

Früher gab es nur BB, heute sogar BBB, dank der SoZ.

Die News ist alt, aber wenn man schon so einen schönen alliterierenden Titel hat, auch eine brandaktuelle Fotografie, dann kann man doch nicht widerstehen, den Leser mit Aufgebackenem zu langweilen.

Wir entlassen mit der NZZaS in diesen Montag

Wo bleiben Gerechtigkeit und die NZZaS? Also gut, eine Duftnote am Schluss. Die gute Nachricht zuerst: die schreibende Sparmassnahme, der Wortschnitzer aus dem Pensionärswinkel, also Rentner Müller macht Pause bei der Medienkritik. Die schlechte Nachricht: deshalb ist Aline Wanner dran.

Die wurde von einer Fotografie berührt, die auch auf der Frontseite der NZZ war. Eine alte Frau, Panayiota Noumidi, 81,vor der Feuerhölle auf der griechischen Insel Euböä. Sicherlich anrührend, ein lucky shot, wie man das in der zynischen Fotografensprache nennt. Das hat Wanner berührt, geradezu angefasst, überwältigt. Das ist schön für sie, dass sie zu solch menschlichen Regungen fähig ist.

Nur: wozu und wohin bewegen Medien?

Aber wenn Gefühle regieren, hat der Denkapparat Sendepause:

«In einem Sommer, in dem der Klimawandel so nah und präsent ist wie kaum je zuvor, wurde plötzlich klar: Wir alle könnten Panayiota Noumidi sein.»

Öhm, also da sagen wir mal: nein. Wir alle könnten Charlie Hebdo sein, wir könnten sogar Fidel sein, wir können mit #metoo dabei sein, auch beim #aufschrei oder gar #netzcourage und gegen Hass und Hetze im Internet hassvoll hetzen.

Es darf peinlich berührt gelacht werden.

Aber, Pardon, Noumidi könnten wir nicht sein. Wanner nicht, ZACKBUM nicht, ihre Leser nicht, unsere Leser nicht, Sorry, geht nicht, blöder Schluss, falsches Pathos, statt ins Erhabene abgeschwirrt ins Lächerliche geplumpst. Kommt halt davon, wenn es keine anständige Medienkritik mehr gibt.

 

 

 

Vorsicht! Der Mann hört Stimmen

Lukas Bärfuss muss seine Medikamente abgesetzt haben. Seither flüstert es um ihn herum.

Diese Fehleinschätzung könnte von Nora Zukker sein: «Er ist der wichtigste zeitgenössische Schweizer Schriftsteller», trötet der «SonntagsBlick». Und erweist sich damit einmal mehr als das Blatt der Armen im Geiste; der Ungebildeten, Unfähigen und Möchtegerns.

Letzthin hat der SoBli eine unselige Vorliebe für letztklassige Schriftsteller entwickelt. Da wäre mal der «Zürcher Schriftsteller Thomas Meyer». Der nimmt angeblich «Stellung zu Lebensfragen». Duftnote:

«Mein neuer Freund furzt ständig. Nicht vor anderen Leuten, aber wenn wir zu zweit zu Hause sind. Ich finde das eklig. Er meint, das sei doch natürlich. Und er fühle sich halt wohl mit mir. Was soll ich tun?»

Der nötige Beweis, dass das nicht rabenschwarze Satire ist …

Das wollen wir eigentlich nicht wissen und eilen mit zugehaltener Nase zum nächsten Weltenlenker im SoBli. Richtig, da kann es nur einen geben:

«Wie im Strassenverkehr: Wer verkehrt fährt, ist auf die Vernunft der anderen angewiesen. Wer ist hier Geisterfahrer – die Schweiz oder die 27 EU-Nationen?» Mit diesem schiefen Bild fordert auch Frank. A. Meyer die Dichterkrone in der aktuellen Ausgabe des SoBli. Aber, leider, leider, sie bleibt ihm – genau wie die Anerkennung in intellektuellen Kreisen – verwehrt.

Quadriga, Lächeln, unmögliche Jacketfarbe: der Geisterfahrer im Bild. Ähm, im «Blick».

Denn unschlagbar meldet sich mal wieder der wichtigste Schriftsteller der Schweiz mit «einem Essay» zu Wort. Hier verlassen wir allerdings schnell den Bereich von Spass und Tollerei. Betreten stattdessen den dunklen Grenzbezirk zwischen fehlendem Genie und dräuendem Wahnsinn.

Offenbar ist es dem SoBli noch nicht aufgefallen, dass der Titel Schriftsteller nicht durch das Verfassen von sortierten Buchstaben verdient wird. Auch nicht dadurch, dass der wirkliche Schriftsteller Georg Büchner Opfer einer Massenvergewaltigung durch eine Jury wird, die in völliger Umnachtung nicht die Fähigkeiten, sondern die Gesinnung von Lukas Bärfuss mit dem gleichnamigen Preis entwürdigt hat.

Nichts. Ausser der hier Abgebildete ist der Nachbar …

Seither arbeitet Bärfuss daran, mit weiteren Sprachverbrechen die Jury inständig zu bitten, sich diese Fehlentscheidung doch nochmal zu überlegen. Der neuste Versuch: Der Essay «Das Flüstern». Schon der erste Satz beinhaltet eigentlich alles, was es braucht, um den Autor als Dumpfschwätzer zu entlarven:

«Ein Flüstern geht durch dieses Land, die Schweiz, und es wird lauter mit jedem Tag.»

Dürfen wir vorstellen: der gehende Flüsterer. Wer ihm begegnet, neige sein Haupt – oder wende sich mit Grausen ab. «Durch dieses Land, die Schweiz», dieses nachgeschobene, nachgestellte, verstellte Substantiv soll Dichterschwere und tiefes Grübeln simulieren. Löst allerdings nur den ersten Lachreflex aus. Der dann in immer lauteres Kichern übergeht. Denn erstens probiert Bärfuss diesen Manierismus (Nora Zukker, das ist eine Stilart im, ach nö, forget it) nochmal aus «wird lauter mit jedem Tag». Zweitens; wenn ein Geflüster immer lauter wird, was wird es dann?

Psychogene Taubheit? Schwerhörigkeit? Oder Schlimmeres?

«Anschwellender Bocksgesang» nannte das mal Botho Strauss (Nora Z..., aber wozu). Das war immerhin mal ein Dichterwort, hier ist es nur das Wort eines Leichtmatrosen des Gedankens, der nicht mal ein Sprachbild hinkriegt, ohne sich dabei lächerlich zu machen. Aber er ist so stolz auf diesen Einfall, diesen Durchfall, so verliebt darin, in dieses Wort, das nachgestellte, das bedeutungsschwangere, das aber in ständiger Fehlgeburt durch das Essay geistert, dass er davon nicht lassen kann. «Das Flüstern geht auch durch die Umweltverbände», «wir hören dieses Flüstern, wenn es um unsere Gesundheit geht». Nein, Lukas Bärfuss, nein, wer dieses Flüstern hört, ist nicht gesund, hat zumindest einen Gehörschaden. Ist es F44.6 (psychogene Taubheit), ist es F80.2 (Worttaubheit), ist es Schwerhörigkeit, autistisches Verhalten? Das müsste einer Differenzialdiagnose überlassen werden, aber ich bin zwar promoviert, ein Doktor, aber Mediziner, das bin ich nicht.

Grimmig, so schaut der Dichter auch hier, in diesem Foto.

Aber, wie weiter, geht es, mit dem Dichter, mit Bärfuss? «Selbst in den Gewerkschaften setzt langsam das Flüstern ein». Oh, liebe Gewerkschafter, stellt endlich die Megaphone ab, lauscht stattdessen auf das einsetzende, umhergehende, anschwellende Flüstern in euch. Denn «das Flüstern» wird eigentlich überall «lauter». Aber was flüstert es denn? Nun, zum Beispiel: «Migration ist nicht zuerst ein Schaden, nicht zuerst ein Problem.» Stimmt; das unterscheidet Migration vom Dichterwort eines Bärfuss.

«Bei jenen, die sich an die Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts erinnern, wird das Flüstern bisweilen zum lauten Rufen»; meiner Treu, das wird ja nun eine Apotheose, Aristophanes lässt grüssen (Lukas Bärfuss, das war ein griechischer, aber lassen Sie sich das vielleicht von Nora Zukker erklären).

Achtung, Durchzug! Fenster schliessen

Denn nun legt Bärfuss auf den Tisch die Karten, als hätte er umzustellen gelernt die Worte vom alten Jedi-Meister Yoda, dieser Muppetshow-Puppe aus War Stars: «Sollten wir nicht einmal erfahren, was mit unseren Volksrechten, was mit unseren Sozialwerken, was mit unseren Institutionen, mit unserer Wirtschaft, Bildung und mit unserer Kultur geschehen würde, wenn die Schweiz – ja, wenn die Schweiz Mitglied würde in der Europäischen Union? Wäre es nicht an der Zeit, sich von allen Ängsten zu befreien, die stereotypen Vorwürfe des Landesverrats zu ignorieren»?

Die Zeit ist jetzt, der Ort ist hier: «Es öffnet sich gerade ein Fenster, es wird sich wieder schliessen, wenn ihr nicht dafür sorgt, dass dieses Flüstern eine Stimme bekommt, eine laute, in den Betrieben, den Schulen, den Wohngemeinschaften und den Einfamilienhäusern, in den Universitäten und den Hochschulen, eine Stimme ganz angstfrei und mutig:

die Schweiz als 27. Mitglied der Europäischen Union!»

Kommet herbei, ihr Menschen in diesem Land, der Schweiz, findet zum gemeinsamen Flüstern, zur Stimme, besinnt euch auf Mut und Angstfreiheit, «verpasst nicht noch einmal die Chance».

Ich aber erhebe die Stimme, die meine, vom Flüstern zum lauten ängstlichen, todesmutigen Ruf: wer kann Bärfuss heilen? Wer kann ihm vorher verbieten, die deutsche Sprache weiter zu schänden? Ist denn der SoBli nicht schon mit zwei anderen Schriftsetzern geschlagen, braucht es da wirklich noch einen dritten im Bunde? Ich weiss, den beigestellten Fotos von Bärfuss muss man entnehmen, dass er sich dagegen wehren würde, gegen das, mit diesen Metzgerhänden, den seinen, diesem grimmigen Blick im Antlitz, dem unrasierten. Aber um unser aller geistiger Gesundheit willen: stellt den Mann endlich ab! Bitte. Er soll doch einen zweiten Dichterwohnsitz in Paris haben. Die Franzosen halten das aus, bestimmt. Wir aber, wir nicht.

Es darf gelacht werden: Der Sonntag war zäh

Man spürt das Aufatmen, dass wenigstens die Beerdigung von Prinz Philipp Platz füllt.

 

Bilderblatt SoBli

«Sonntags

Blick |»

hat’s nicht leicht. Logo, so nennt das der Designer, Pardon, verkackt, Cover langweilig aufgeräumt, kein Wunder, dass die Titelgeschichte streng nach Mundgeruch unter der Maske riecht:

Wie verzweifelt muss man sein, um das zur Titelstory zu machen?

Auch der SoBli, wir machen doch eine Fotoromanza draus, muss natürlich noch etwas zu Tschanun sagen. Der kann sich ja nicht mehr wehren:

Dafür hätte er natürlich nochmal in den Knast gemusst.

Prinz Philipp, Beerdigung, Trauer, Königshaus, kriegen die beiden Enkelkinder Krach, bricht die Queen zusammen?

 

Allein, aber ungebrochen: die Queen.

Da hätte man was draus machen können. Aber «Die gebrochene Queen»? Sieht so diese tapfere, zähe, niemals die Contenance verlierende Dame aus? Und dann schlechtes Geschwurbel: «Niemand hält ihr die Hand, niemand tröstet sie.» Der Queen die Hand halten? In der Öffentlichkeit? Sie gar trösten? Ach, Helmut-Maria Glogger, wie du fehlst.

Inhalt? Jemand fragt nach Inhalt? Aber bitte sehr:

Mit so was verdient er seit vielen Jahren sein Auskommen.

Ein kleiner Kalauer im Titel, aber dann reitet Frank A. Meyer eines seiner Steckenpferde zu Tode. Kein Rahmenabkommen, heul. Schweiz wird’s dreckig gehen, schluchz. «Miteinander statt Gegeneinander» in Europa, tagträumt Meyer. Und die Schweiz, das kleine Stachelschwein, will wieder ganz alleine sein. Wäre doch auch ein hübscher Titel gewesen.

Noch mehr Inhalt? Nun ja, das ist hier so eine Sache:

Der Peter Maffay der Literatur.

Noch wichtiger als der Büchnerpreis – seither rotiert der arme Büchner im Grab – ist bei modernen Gesinnungsdichtern – das Foto. Darin hat sich Lukas Bärfuss von Anfang an ausgezeichnet. Lächeln, Weinglas auf dem Kopf, Grimassen? Himmels willen, das wäre ja Friedrich Dürrenmatt, niemals.

Der Dichter muss so schauen wie Bärfuss. Grimmig, leidend, misstrauisch, kritisch. Aber wehrhaft, mit den Fäusten die Brecht-Lederjacke umklammert. Brecht? Ach, lassen wir das. Haare streng zurückgekämmt, graumeliert, das Leiden an der Welt hinterlässt Spuren. Dazu der sorgfältig unterhaltene Dreitagebart, Symbol für: kam nicht mal zum Rasieren, musste schreiben.

Kleider machen keine Schriftsteller

Was das alles mit dem Inhalt vom «Essay» zu tun hat? Nichts, aber im Essay gähnt ja auch das Nichts. Bärfuss fordert den Rücktritt der Bundesräte Berset und Cassis. Das zeugt von überparteilicher Strenge. Auch Didaktik ist dem Dichter nicht fremd. So raunt er verdichtet schon am Anfang: «Die Schweizer Regierung besteht aus sieben Bundesräten, und jeder dieser sieben Bundesräte steht am Kopf einer Behörde, deren Aufgabe …»

So mäandert er sich durch Staatskunde für Anfänger und Zurückgebliebene. Viel zu viele Worte später erklärt der Nationalschreiber noch, was die Schweiz zusammenhalte: der «nationale Finanzausgleich». Darauf ist noch niemand gekommen, das ist originell. Allerdings nur deshalb, weil es bescheuert ist und deshalb von niemandem behauptet wurde. Bis Bärfuss kam.

Weiter stolpert Bärfuss durch die deutsche Sprache, die wie immer bei ihm nicht unbeschädigt davonkommt: «Leider gibt es hin und wieder Herausforderungen, die sich nicht in die Marktlogik übersetzen und deshalb nicht mit Geld lösen lassen.» Unübersetzbare Herausforderungen, die sprechende Marktlogik, die deshalb nicht angenommen oder bestanden werden, sondern gelöst? Oder eben nicht?

Müsste auch Bärfuss zurücktreten?

Der Sprache ist es schon ganz übel, und auch mir wird’s schummerig. Wollen wir’s nochmal probieren: «Die helvetische Normalität kennt nur die Verteilung des Gewinns. Einen gemeinsamen Verlust zu tragen, das vermögen wir hingegen nicht.» Hm, also allgemeine Gewinnverteilung, das wüsste ich aber. Und das gemeinsame Tragen von Velusten? Keine Ahnung, wo Bärfuss seine Steuern zahlt; sollte das in der Schweiz der Fall sein, trägt sogar er mit.

Aber wieso sollen denn nun ausgerechnet Cassis und Berset zurücktreten? Nun, wenn man dem Dichter folgen will: «Berset wollte keine Lockerungen, und Cassis wollte gar nie wirklich fürs Rahmenabkommen kämpfen.» Aha.

Bärfuss will doch auch nicht der deutschen Sprache ständig ans Mieder gehen und schlecht formulierte Absurditäten furzen. Aber obwohl er es tut, fordert niemand ein Schreibverbot für ihn. Das ist zwar bedauerlich, muss aber ertragen werden.

 

CH Media ist überall daheim

Das zweite Kopfblattmonster bemüht sich um Lokalkolorit. Manchmal gar nicht schlecht, um für unsere Ostschweizer Leser mal aus dem «Tagblatt» zu zitieren:

«Mit dem Slogan «So schmöckt’s Dihei» versucht ein Werbespot, Gemüsebouillon mit Heimatgefühlen zu verknüpfen. Nur: Der Sprecher sagt auf eine Art Zürichdeutsch «bi öis z Schaffuuse», die Herstellerfirma gehört einem britischen Grosskonzern, und als Hintergrund präsentiert sich ein Schneeberg aus Oberbayern – wo sind wir nun eigentlich dihei?»

Nicht schlecht die Katastrophe beschrieben, wenn Grosskonzerne Grossagenturen mit Werbung beauftragen, aber unbedingt authentic, you know. Heidi snow mountains, perhaps chocolate, okay?

Immerhin, auf zwei Seiten hat CH Media eine Antwort auf die Frage gefunden, die am Wochenende alle Redaktionen umtrieb: okay, Beerdigung, was machen wir dazu? Also neben dem, was alle anderen auch machen? Beerdigung, Leichenzug, was ist das Faszinosum daran? Das kann eine fürchterlich langweilige Story werden. Aber nicht, wenn sie von Daniele Muscionico geschrieben wird.

Das Lesevergnügen vor dem Tod.

Der persönliche Einsteig sei ihr verziehen, denn er ist gut. Und wer relativ rasch Helmut Qualtinger zitiert, kann anschliessend sowieso kaum mehr etwas falsch machen. Denn Qualtinger war einfach herausragend genial, und seine Sentenzen funktionieren auch, wenn nicht er selbst sie vorträgt:

«In Wien musst’ erst sterben, damit sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst’ lang.»

Weiter vorne beisst sich die «Schweiz am Wochenende» an etwas fest, was Journalisten ungemein, 90 Prozent der Leser eher am Rande interessiert: Wie war das nun genau beim Westschweizer TV? Aufmacher auf Seite eins, Doppelseite dahinter, grosser Kommentar im Anschluss.

Erschwerend kommt noch hinzu: weil sich Journis so extrem für sich selbst interessieren, basteln sie sogar eine Doppelseite über ihre (kleine) Welt, wenn es eigentlich nichts Neues zu berichten gibt.

Die Berichterstattung ist gar nicht knapp.

Letztlich ist diese Riesenstory so aussagekräftig wie der Minikommentar und Artikel zu Kuba, wo ein Fernrohrbeobachter aus Mexiko seine Erkenntnisse rieseln lässt. Jetzt müsse ökonomisch etwas geschehen, aber das sei gar nicht so einfach. Das hätte man auch unter dem Schreibtisch in Aarau herausfinden können.

Aber, das muss man Patrik Müller lassen, ein Interview mit Bradley Birkenfeld, der den ersten, bereits tödlichen Schuss auf das Schweizer Bankgeheimnis abfeuerte, keine schlechte Idee. Er musste dafür in den Knast, bekam aber rund 100 Millionen Dollar «Finderlohn», weil er dazu beitrug, die Schweizer Banken abzumelken.

Macht was her: der neue Maybach.

Viel Neues hat auch er nicht zu sagen, aber er ist ein unterhaltsamer Ami, und wir freuen uns, dass es ihm gutgeht: «Demnächst wird mein neuer Mercedes-Maybach ausgeliefert. Ich habe mir auch einen Ferrari F8-Spider gegönnt.» Für Sozialneidige: So ein Maybach kostet von 200’000 Franken aufwärts.

Etwas zu barock in der Innenausstattung: so mag’s der Scheich.

Ex-Press XXII

Blasen aus dem Mediensumpf.

 

NZZ, quo vadis?

Man muss sich auch sprachlich dem Niveau der Zeitung von Denkern für Denker anpassen. Denn die Frage «wohin des Weges?» drängt sich langsam auf.

Da fantasiert einer über Sansibar, da werden drei Zeitungsseiten darauf verschwendet, den Fall Vincenz nochmal durchzukauen.  Worum geht’s, wer ist woran beteiligt, was wird genau vorgeworfen, wie leicht wird’s für die Staatsanwaltschaft vor Gericht?

Sicher, die NZZ wollte ein Zeichen setzen, dass sie die Affäre auf einem anderen Niveau als Tamedia abhandelt, bei der man sogar unappetitliche Details über den Zustand der Hyatt-Suite nach einer Auseinandersetzung zwischen Vincenz und einem nicht erwarteten Gast erfährt.

Allerdings, zurück zum Niveau der NZZ: «Die Argumente der Beschuldigten auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft werden in der Anklage faktisch nicht abgebildet.» Das überrascht natürlich ungemein. Genau wie die Tatsache, dass die NZZ zum zweiten Mal darauf hinweist, dass sie im Besitz der vollständigen Anklageschrift sei. Was ja eigentlich sofortige staatliche Massnahmen zur Folge haben sollte; Amtsgeheimnisverletzung, Verwendung illegal behändigter Dokumente, usw.

Zwei Seiten nichts Neues, ausser: Das Bezirksgericht Zürich brüte unter anderem über der Frage, ob es sich der Mühe, diese Monsteranklage samt meterweise Beilagen durchackern zu müssen, nicht elegant entledigen will, indem es St. Gallen als viel geeigneteren Gerichtsort vorschlägt.

 

Tages-Anzeiger tiefergelegt

Wenn sich der ehemals angesehene Medienkonzern nicht gerade hingebungsvoll der Gendersprache, dem Sternchen, der vielfältigen Diskriminierung der Frau (plus aller non-binären Geschlechter) widmet, der Farbe der Unterhosen von Pierin Vincenz, dann findet er andere Möglichkeiten, das Niveau tieferzulegen.

Ein Interview mit Lukas Bärfuss ist dafür eine gute Methode mit Erfolgsgarantie. Er ist immer für Sottisen gut, angelegt zwischen brunzdummer Banalität und hochgestochen raunender Orakelhaftigkeit eines Möchtegern-Dichters. Der Versuch, den Leser vom Weiterlesen abzuhalten, beginnt schon beim Titelzitat:

«Die Toten sind eine Folge des Mangels an Demut».

Was will uns der Dichter damit sagen? Dieser Mangel äussere sich in einer «verbreiteten nationalistischen Arroganz». Und diese wiederum liesse sich an der Aussage «eines Politologen» festmachen, dass sich in der Krise das «Genie der Schweiz» gezeigt habe.

Versteht keiner? Macht nix, ich auch nicht, und ich habe Germanistik studiert. Und einen Doktor. Aber diesen Schwüngen eines Dichters kann ich leider nicht folgen. Wir sind wahrscheinlich zu blöd.

Kann’s der Dichter in Worte fassen?

Aber Dichter sind natürlich auch sensibel; auf sein Holperstück «Das Kapital hat nichts zu befürchten, der Mensch schon», in dem er unter anderem italienisches Chaos in der Schweiz vorhersagte, sei er wie nur selten «mit einer Aggression konfrontiert worden». Aber das kann er ertragen, weil die ja nur beweise, dass er die Wahrheit gesagt habe: «In der Schweiz kommt an erster Stelle das Geld.» Ist zwar Blödsinn und mit nichts belegt, aber wenn der Dichter dichtet, hat er immer recht, logo.

Bei Bärfuss, inzwischen mit Wohnsitz in Paris und der Schweiz, spielt Geld glücklicherweise nur eine untergeordnete Rolle. Aber ein Worteschmied ist doch sicher geeignet, in feine Sentenzen zu fassen, wie’s denn so in Paris steht. Nun ja; es habe im Sommer kaum Pariser gehabt, was natürlich unglaublich ist, weil die doch traditionell sonst immer in Paris bleiben. Aber noch schlimmer: «es gab keine asiatischen Touristen». Statt sich darüber zu freuen, dass nicht überall ein Asiate mit Selfie-Stick rumsteht, meint der Literat: «Es war ein ungemütlicher Anblick.»

Aber sicher weiss der Seher auch, wie man denn nun das Problem der Pandemie lösen könnte. Natürlich, das ist für Bärfuss völlig klar: «Grosse Probleme kann man nur gemeinsam lösen. Als Weltgemeinschaft.» Da die Weltgemeinschaft allerdings bislang noch kein einziges Problem gelöst hat, sind das düstere Aussichten. Aber nehmen wir’s eine Nummer kleiner, wie geht’s denn der geldgierigen Schweiz?

Schlimmer Geiz herrscht, schlimm

«Grosszügigkeit wäre das Gebot der Stunde. Aber es überwiegt der Geiz.» Interessanter Blickwinkel, wo der Schweizer Staat auf einen Schlag so viel Geld raushaut wie noch nie zuvor in der Geschichte. Aber das ist halt auch ein Problem der ausgehungerten Medien. Da kennt sich Bärfuss aus: «Die SRG ist kein Staatsmedium, sondern eine öffentlich rechtliche Medienanstalt», weist er streng die beiden Interviewer zurecht. Nun, die SRG ist ein Verein, aber was kümmert das einen Dichter. Der dann auf ein Riesenproblem aufmerksam macht: «Zwischen 2015 und 2019 hat die SRG 74 Millionen Franken an Werbegeldern verloren.»

Das ist ja grauenhaft, sicher mehr, als Bärfuss bisher verdient hat. Und treibt die SRG mit ihrem Jahresbudget von satten 1,5 Milliarden Franken an den Bettelstab. Denn, so der Ökonom Bärfuss: «Mit Journalismus konnte man noch nie Geld verdienen.» Das wird alle Medientycoons seit Randolph Hearst, Alfred Hugenberg oder Willi Münzenberg schwer wundern. Aber wer nichts von Ökonomie versteht, kennt auch die Geschichte nicht.

Dass der kulturlose Tagi es am Schluss noch wagt, Bärfuss mit Dürrenmatt zu vergleichen, hat Letzterer an seinem 100. Geburtstag wirklich nicht verdient. Aber er steht in einer Reihe mit Georg Büchner, der diese Verzwergung durch Preisverleihung auch nicht verdiente. Immerhin, bei seiner Schlussschwurbelei wird man wenigstens wieder hellwach: «Kunst ist der Versuch, Schmerz in Schönheit zu verwandeln.» Der Spruch ist allerdings schon so ausgeleiert, dass man nicht mal mehr sagen kann, wo Bärfuss ihn abgekupfert hat.

Wenn man seine Kunst liest, muss man ihn aber abwandeln:

Bärfuss ist der Versuch, Schmerz in noch mehr Schmerz zu verwandeln.

 

Die NZZaS ist voll von …

Es ist schmerzlich. Wirklich wahr. Ich wurde meinem finsteren Versprechen untreu. Alte Gewohnheiten sterben langsam. Ich kaufte mir eine NZZamSonntag. Aber ich schwöre heilige Eide: das war das letzte Mal. Bei Marx, Engels und allen Engeln.

Denn so voller, nun ja, mildern wir das Wort, das mir auf der Tastatur liegt und mit dem gleichen Laut anfängt, auf Schwachsinn ab, war sie selten. Ein von falschen Behauptungen nur so strotzender Bericht über Kuba (der strotzt dermassen, dass er hier das Gefäss sprengen würde und separat erscheint), ein Interview mit einem Alt-Bundesrat in Plauderlaune, der nicht mal vor sich selbst geschützt wird, wenn er einräumt, dass die Behauptung, die Schweiz zahle niemals bei Entführungen, eine Lüge sei.

Dafür dann ein «historisches Bild» aus New York, wo sich zwei leicht bis kaum bekleidete Menschen höchstwahrscheinlich mit Rasierschaum anspritzen, als Beleg, dass der Wille zu Ausschweifung und Amüsement «unsterblich» sei. «Das ist tröstlich. Gerade heute.» So etwas von gaga.

Gutes Geld von gesunden Mutterkühen

Geht’s noch? Aber immer geht’s noch mehr nach unten. Auf der Rückseite des renommierten Bundes «Hintergrund» steht eine ganzseitige Reportage: «Gutes Fleisch von gesunden Tieren». Aufmachung, Schriften, Bild, Bildgende, Lead, springende Spalte, Kasten: alles wie echt. Halt, Oben steht immerhin «Werbung». Eher klein und links. Gross in der Mitte, ebenfalls in redaktioneller Aufmachung:

«Sponsored Content für Mutterkuh Schweiz».

Wer würde da etwas Böses ahnen, auch die Mutterkühe brauchen eine Plattform. Immerhin, unten rechts ein gelb unterlegtes Kästchen: «Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation im Auftrag von Mutterkuh Schweiz erstellt.» Ein QR-Code führt zu den «Richtlinien».

Mal ehrlich, wie hoch schätzt die werte Blattleitung den Prozentsatz der Leser, die das für einen redaktionellen Beitrag halten? Mindestens zweistellig? Da sind wir uns einig, die erste Zahl ist bei mir aber sicher einiges höher.

Aber die Rache folgt auf dem Fuss. Das «Magazin» hat immer weniger mit Content Creation zu tun. Denn worüber schreibt man wie, wenn einem wirklich nichts mehr einfällt? Genau, man macht eine Riesenstrecke, nennt das «Reisespecial» und gibt Hinz und Kunz Gelegenheit, von Sehnsuchtsorten zu schwärmen, die dann unbedingt besucht werden müssen, wenn das wieder geht.

Seither lege ich mir vorsichtshalber ein Kissen auf den Schreibtisch, bevor ich mit der Lektüre beginne. Dann landet der Kopf wenigstens sanft, wenn ich wegschnarche. Ach, stimmt ja, wird nicht mehr passieren. Uff, da fängt eine gute Woche an.

War da noch was?

Und «SonntagsZeitung», SoBli? Echt jetzt? Sind die auch erschienen? Muss mir entgangen sein. Doch, uns wurde zugetragen, dass die SoZ eine Lobeshymne auf Roger Schawinski veröffentlicht hat. Wir könnten da leicht als voreingenommen beschimpft werden, daher nur das: Ja, am 23. Dezember 2020 überreichten wir Roger Schawinski unseren Preis des «Journalist des Jahres». Nachdem das Original schlichtweg seinen Ruf ruiniert hatte. Für Rogers Lebenswerk und für sein Talk Radio. Das wir grossartig fanden und finden.

Schön, dass die SoZ anderthalb Monate später auch nicht an sich halten kann. «Wenn Schawinski etwas macht, dann immer mit einer Intensität, als handle es sich um das Wichtigste der Welt.» Ein spätes, aber schönes Kompliment. Aber wer hat’s erfunden? Sorry, Roger, wir waren zuerst mit dem Lob.