Schlagwortarchiv für: Lukas Bärfuss

Andreas Tobler: eine Karriere

Statt wegen ständigen Fehlleistungen entlassen zu werden, wird der Mann befördert.

«Seit 2025 leitet er das Gesellschafts- und Debattenteam im Ressort Leben», verkündet Tamedia eine Trauerbotschaft. Tobler gehört zur Riege der ideologisch Verblendeten, die mit korrektem Gendersprech und lachhaften Anweisungen zur obligatorischen Verwendung von Sprachvergewaltigungen die Leser in Scharen vertreiben.

Er interviewt in Kammerdienerperspektive gerne ihm genehme Flachdenker wie Lukas Bärfuss, den Klaus J. Stöhlker korrekt als «in der Nemo-Klasse spielend» niedermacht. Der Holter-Polter-Poet, der schon längst einsitzen würde, wenn Sprachverbrechen bestraft würden, darf vermeintlich freche Sachen wie «Die UBS muss zerschlagen werden» sagen. Passt zum grimmigen Gesichtsausdruck des Dichterdarstellers, ist aber realitätsferner Radikalismus und Blödsinn.

Auch die Umweltaktivistin Luisa Neubauer (Spitzname «Langstrecken-Luise» wegen ihrer Vorliebe für weite Flugreisen) gehört zu seinen ständigen Gesprächspartnern, denen er den Teppich für Selbstdarstellung ausrollt: «Wie weiter mit dem Klimaktivismus?» Ganz kritisch, polemisch und demagogisch wird er hingegen bei seinen Feindbildern («Roger Köppel, Markus Somm und die internationale Weisswasch-Publizistik»).

In Bücklingshaltung gerät er hingegen, wenn er den deutschen Publizisten Michel Friedman Unsinn über die Schweiz palavern lässt – ohne mit einem Wort auf dessen Karriereknick einzugehen, als Saubermann Friedman mit jugendlichen Zwangsprostituierten und Koks in einem Hotelzimmer überrascht wurde.

Natürlich gehört auch der Krawall-Rabauke Jan Böhmermann zu Toblers Lieblingen. Dem eiferte Tobler schon nach, als er so unkundig wie nassforsch über die Bührle-Sammlung im Kunsthaus herzog.

In jedem Medium, das noch gewisse journalistische Standards hochhält, wäre Tobler nach all diesen Fehlleistungen spätestens dann entlassen worden, als der Gesinnungsjournalist inquisitorisch forderte: «Die Rammstein-Konzerte sollten abgesagt werden». Seine Begründung: «Nein, eine Absage der Rammstein-Konzerte in Bern hätte nichts mit Cancel-Culture zu tun. Aber nun braucht es eine Pause, um die schwersten Vorwürfe noch vertieft abklären zu können.»

Dabei eierte er: «Selbstverständlich gilt für Till Lindemann die Unschuldsvermutung, solange kein Verfahren eingeleitet und er nicht rechtskräftig verurteilt ist.» Andererseits solle man dennoch dem Sänger Berufsverbot erteilen, den Veranstalter der Konzerte in den Ruin treiben und Zehntausende von Zuschauern um das Konzerterlebnis prellen.

Als dann sämtliche Vorwürfe gegen den Sänger der deutschen Band in sich zusammenfielen, alle Strafuntersuchungen eingestellt wurden und dessen Anwälte diverse Organe (hier den «Blick») zu Entschuldigungsgestammel zwangen, was tat Tobler? Er schwieg feige.

Dabei schlaumeierte er noch: Ob man solche «Kunst, die gar keine Kunst mehr ist … noch irritationsfrei konsumieren» könne, fragte sich Tobler mit ungewohnter Sensibilität. Denn wenn es die Kunst gebietet, «Tötet Roger Köppel! Köppel Roger tötet!» zu texten, sah darin Tobler bloss eine «Künstleraktion».

Niemals wäre es Tobler in den Sinn gekommen, das Verbot der Aufführung des dazugehörigen Stücks im Zürcher Neumarkt zu fordern. Keinen Ton hörte man von ihm, als man seiner Logik folgend doch die weitere Herausgabe des «Magazins» unbedingt hätte unterbrechen müssen, bis die Vorwürfe gegen den ehemaligen Chefredaktor geklärt wären.

Damals schrieb ZACKBUM völlig richtig:

Tobler kann man nicht mehr ernst nehmen. Tobler ist weder behaftbar für sein Geseier, noch ist er bereit, Verantwortung dafür zu übernehmen. Er haut einfach was raus und hofft (nicht zu Unrecht), dass sich doch heute niemand mehr an sein dummes Gequatsche von gestern erinnert.

ZACKBUM forderte:

Wer solchen Unsinn verzapft, wer die Unschuldsvermutung mit Füssen tritt, wer künstlerische und wirtschaftliche Existenzen rücksichtslos vernichten möchte, ist eigentlich für ein sogenanntes Qualitätsmedium nicht mehr tragbar.

Aber Tamedia weiss eben, wie man den Journalismus auch 2025 weiter ins Elend treibt: fördern statt feuern, mehr Verantwortung für einen Verantwortungslosen. So einer soll das «Debattenteam» leiten können? Was für ein Team? Was für Debatten?

Wie stöhnt der ehemalige Tagi-Kulturjournalist Hans Jürg Zinsli schmerzvoll auf: «rasch das neue Tagi-Impressum angeschaut und wünschte, hätte es nicht getan. good night and … good night». Dort sollen inskünftig sieben Journalisten unter Tobler leiden. Wetten, dass es sehr bald einige weniger sind? Und wetten, dass das genau die Absicht des Qualitätsmeuchlers Simon Bärtschi ist, der publizistischen Leiter nach unten?

Hier wächst zusammen, was zusammen gehört. Ein Nichts leitet ein Nichts, ein demagogischer Polemiker ohne Verantwortung oder wenigstens Einsicht im Nachhinein soll das völlige Fehlen von Debatten im angeblichen Podiumsorgan konsequent weiterführen. Bis zum bitteren und absehbaren Ende.

Das Wort Realsatire ist viel zu schwach für eine solche Redaktions- und Leserverarsche.

Wollen wir mal wieder was lesen?

Es ist nie zu früh, sich mit Lektüre für die Festtage einzudecken.

Als leichten Hirnschmeichler können wir den neusten Harris bieten:

Nachdem John Le Carré eine Lücke hinterlassen hat, die niemand auffüllen kann, und er selbst war eigentlich «nur» ein Nachfolger von Eric Ambler, gehört Robert Harris zu den Autoren, deren Werke unbesehen im Reflex von ZACKBUM gekauft werden.

Nun ist die anhand von echten Liebesbriefen des damaligen britischen Premierministers H. H. Asquith an die aristokratische 26-jährige Venetia Stanley erzählte Story des Beginns des Ersten Weltkriegs aus englischer Sicht unterhaltsam. Wie der Mann Zeit fand, seiner Geliebten, die seine Tochter sein könnte, täglich Liebesbriefe voller Staatsgeheimnisse zu schreiben, unglaublich. Allerdings ist dieser Zivilisationsbruch schon viel besser und umfangreicher («Die Schlafwandler») beschrieben worden. Aber leichte Lektüre ist doch auch was.

Schon schwerer wiegt das Buch von Andreas Reckwitz:

Eine soziologische Untersuchung über das Phänomen Verlust und wie wir individuell und als Gesellschaft damit umgehen. Neuland, durchaus originell, allerdings manchmal sehr gelehrt und verkopft. Weniger Präzision und weniger Bedürfnis «ich bin ein unglaublich belesener und gebildeter Soziologe und methodologisch ganz vorne dabei» hätte dem Werk gut getan. Und eine Schlankheitskur (462 Seiten) auch. Aber mal etwas Anregendes im ganzen aktuellen Gejammer.

Wer Lust auf richtig Dickes hat, dem sei das Werk von Simon Sebag Montefiore empfohlen:

Die Weltgeschichte als Familiengeschichte, ebenfalls ein origineller Ansatz des britischen Historikers, der schon mit anderen Werken («Jerusalem: Die Biografie», «Stalin. Am Hof des roten Zaren») positiv auffiel. Sehr lesenswert. Der Lesegenuss hört auch lange nicht auf; der Schinken hat 1534 Seiten …

Wem es in der besinnlichen Weihnachtszeit mehr nach einem Kracher gelüstet; bitte sehr. Wie Harris garantiert James Ellroy auch immer für gleichbleibend brutale, facettenreiche, realitätsnahe und abgrundtief zynische Unterhaltung:

Um den Tod von Marilyn Monroe herum entwirft er hier ein weiteres Sittengemälde der amerikanischen Gesellschaft, bei dem es wenig Helles und viel Dunkles gibt. Constantin Seibt ist von der Lektüre dringlich abzuraten. Aber wer noch nicht genug hat, da wäre noch dieser hier:

Von den Abgründen menschlicher Existenz wieder in die lichten Höhen der Intellektualität:

Wolfram Eilenberger ist in seiner Serie ziemlich nahe bei der Gegenwart angekommen und kümmert sich um Adorno, Feyerabend und Foucault, was eine hübsche geistesgeschichtliche Mischung ergibt, die er durchaus bildungsbürgerlich, aber auch für in der Philosophie nicht so Bewanderte unterhaltsam und erkenntnisreich aufbereitet. Und wird es manchmal für den philosophischen Laien etwas zu gestelzt, kann er ruhig auch mal ein paar Seiten überblättern. Schliesslich gibt es auch hier genügend davon, nämlich 485.

Übrigens, wer von Christopher Clarke nach dessen «Schlafwandlern» noch nicht genug hat, im nächsten Werk nimmt er sich des «Frühlings der Revolution» an, nämlich den Ereignissen in Europa von 1848/49. Was gerade für Schweizer Leser von Bedeutung ist, denn schliesslich war die Schweiz das einzige Land Europas, in dem diese bürgerliche Revolution gesiegt hatte. Allerdings mit seinen 1161 Seiten auch eher für die ganz langen Winterabende geeignet.

Für Liebhaber des Abseitigen, oder besser gesagt für Leser, die gerne auf Entdeckungsreise in ferne Zeiten gehen, sei Herbert Clyde Lewis (1909 – 1950) empfohlen, der nur ein schmales Oeuvre hinterliess, dessen Meisterwerk erst seit Kurzem auf Deutsch übersetzt vorliegt:

Wunderbar ausgestattete 170 Seiten im Mare Verlag. Das erinnert an frühere Höhepunkte der Buchdruckerkunst in der «Anderen Bibliothek», einer der vielen Geniestreiche von Hans Magnus Enzensbeger, der noch schmerzlicher als Le Carré fehlt.

Als Absackerchen noch etwas zum Anschauen und leicht verstört zurückbleiben. Animiert von einem Besuch in der Wiener Albertina ist ZACKBUM wieder auf einen Fotografen gestossen, der einzigartig ist. Er fotografiert die Realität. Allerdings eine, die er selbst bis in jedes Detail erschaffen hat. Monatelange Planung, Hunderte von Mitarbeitern und Statisten und Schauspielern und technischen Spezialisten sind nötig, damit ein einziges Bild entsteht.

Dessen Aussage? Tja, man mache sich da selbst einen Reim drauf. Alles kommt auf den ersten Blick wirklich banal daher, aber irgendwie lauern immer Abgründe in diesen Fotos:

Vielleicht ist Gregory Crewdson der fotografierende Zwillingsbruder von Thomas Pynchon

Solche Werke lassen es (fast) verschmerzen und vergessen, dass der Rumpel-Holper-Autor Lukas Bärfuss (nur echt mit grimmigem Gesichtsausdruck) sagenhafte 350’000 Franken Steuergelder für die Übergabe seines Archivs an das Schweizerische Literaturarchiv erhielt. Der eiert (wie meist) herum, ob diese Summe seinem Werk angemessen sei: «Der Wert eines Archivs und die Bedeutung eines literarischen Werks sind zwei verschiedene Dinge», sagt er dem «Blick». «Vom einen auf das andere zu schliessen, ist unzulässig, daraus gar eine ‹Messbarkeit› abzuleiten, erscheint mir abwegig

ZACKBUM erscheint es hingegen abwegig, für den Brachial-Polemiker so viel Geld auszugeben – ohne dass er das Versprechen abgibt, nie mehr etwas zu publizieren.

 

Die Liste des Grauens

Dagegen wäre der arme Georg Büchner Sturm gelaufen.

Zu seinem Glück im Unglück ist der grosse Dichter aber seit 1837 tot, also muss er nicht mehr miterleben, wie ein Preis in seinem Namen an Unwürdige verliehen wird. An Autoren mit einer Halbwertszeit von vielleicht einem halben Jahr Feuilleton. Die im Wesentlichen die richtige Gesinnung mitbringen; literarische Fähigkeiten oder gar Ähnlichkeiten mit Büchner wären nicht einmal zufällig.

Es ist ein Graus, der grausige aktuelle Preisträger heisst Oswald Egger. Der ist bislang nicht weiter aufgefallen, der wird auch bald wieder in der Versenkung verschwinden, wie seine Vorgänger in den letzten Jahren. Nur eine Ausnahme gibt es da, und die ist ebenfalls grauenerregend.

Dieser bedeutendste Literaturpreis Deutschlands wird von einer Jury vergeben. Deren Namen müssen an einen Schandpfahl genagelt werden.

Zunächst gibt es «je einem Vertreter, einer Vertreterin des/der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst und des Magistrats der Stadt Darmstadt mit beratender Stimme». Das mag ja noch angehen. Nun aber die entscheidende Jury:

Ingo Schulze, Rita Franceschini, Olga Martynova, Lothar Müller, Maja Haderlap, Felicitas Hoppe, Joachim Kalka, Daniela Strigl, Michael Walter.

Fragt da jemand: und wer ist denn das, so muss er sich nicht schämen. Schulze ist Präsident der Deutschen Akademie für Sprache, Autor eines schmalbrüstigen Werks, das zu recht vergessen ist. Franceschini ist eine Schweizer Sprachwissenschaftlerin, Martynova eine russische Lyrikerin und Übersetzerin, Müller ein Literaturkritiker, Haderlap «gilt als bedeutende lyrische Stimme unter den slowenisch schreibenden Österreicherinnen» (Wikipedia), Hoppe ist Schriftstellerin und selber Büchnerpreisträgerin, Kalka Schriftsteller (letztes Werk «Schatten und Schnee»), Strigl ist österreichische Germanistin mit Forschungsschwerpunkt österreichische Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, Walter schliesslich ein deutscher Übersetzer.

Ach und um das Panoptikum zu ergänzen, einen Namen haben wir bislang verschwiegen, es gibt noch ein weiteres Mitglied dieses erlauchten Kreises: Lukas Bärfuss.

Alle diese Nasen haben mit Büchner ungefähr so viel zu tun wie Nemo. Nämlich schlichtweg nichts. Ausser, dass sie vielleicht sein schmales Werk gelesen haben. Verstanden – das ist schon sehr fraglich, denn ihre Auswahl der Preisträger spricht dagegen.

Büchner war Revolutionär, ein Genie des Wortes, seine Theaterstücke überdauern die Zeiten wie die von Shakespeare, alleine sein Novelle «Lenz» ist ein Werk, zu dem all diese Nullnummern von tief unten hinaufblicken müssten.

Wie würdelos, geschmacklos ist es, einen Preis mit diesem Namen an zeitgeistige Modeschreiber zu verleihen, die den Tiefgang eines Paddelboots mit holpriger Sprachbeherrschung und einem sehr dünn gepackten Bildungsrucksack verbinden.

Wie inzüchtig ist es, ehemalige Preisträger in die Jury zu berufen; hat man schon mal davon gehört, dass Nobelpreisträger im Nobelpreiskomitee sitzen? Mit jeder solchen Verleihung wird der Name Büchners in den Schmutz gezogen.

Glücklicherweise überstrahlt sein Werk dennoch all das. Aber es zeugt doch von einer Unverfrorenheit sondergleichen derjenigen, die diesen Preis vergeben, wie auch derjenigen, die ihn annehmen.

Ihre Schande würde sie überdauern, erinnerte sich in ein, zwei Jahren überhaupt noch jemand an ihre Namen.

Zahlen zählen

Messen wir die Bedeutung von News an Zahlen und an Bärfüssen.

Fangen wir mit dem Naheliegenden an. Das Qualitätsorgan Tamedia und der ESC. Aktuell auf der Homepage zählen wir mal 3 Artikel zum ESC-Event in der Schweiz. Plus weitere 8 Artikel zum Nullthema Nemo. Also insgesamt 11. Vorläufiger Rekord.

Wir verleihen einen Bärfuss. Was das ist? Kommt noch.

Als nächstes Grossereignis zählen wir 5 Artikel über den vergangenen Muttertag. Aber ist nicht jeder Tag Muttertag? Wenn man ein «Gesponsert» hinzuzählt, was ja Schönsprech für bezahlte Werbung ist, die wie ein redaktioneller Beitrag daherkommt, käme Köchin Elif sogar auf 6 Auftritte. Wobei der «Eiersalat à la Mama» weiterhin doppelt vertreten ist, damit er dem Leser wirklich zum Hals raushängt. Zusammen auch ein Bärfuss.

Aber das ist noch gar nix. Das Blatt mit dem Regenrohr bringt es auf ganze 14 Artikel über und um den Niemand.  Niemand schlägt «Blick».

Das wären dann locker zwei Bärfüsse.

Allerdings gibt es in der glücklichen, aber schrumpfenden «Blick»-Familie ein Ereignis, das hier gewürdigt werden muss: «Zum vorerst letzten Mal erscheint an dieser Stelle der monatliche Essay von Lukas Bärfuss.» Yippie yeah. Der undichte Dichter beginnt passend zu seinem ewigen Gesichtsausdruck: «Das Schicksal ist unbarmherzig, grausam und ungerecht, und zum ersten Mal schlägt es bei unserer Geburt zu.» Und dann immer wieder, wenn man über einen seiner geholperten Texte stolpert. ZACKBUM gibt zu: diese Nachricht über den schreibenden Nemo zaubert ein verklärtes Lächeln auf unser Gesicht. Das lässt sich nicht in Bärfuss messen.

Aber es gibt ja keine gute Nachricht ohne bitteren Beigeschmack. In der WoZ publiziert Bärfuss weiterhin. Dort versucht er sich immerhin in höherem Dadaismus. Was er über Schullektüre zu schreiben hat, verdient ein längeres Zitat. Achtung, anschnallen, es geht los:

«Ein Buch allein zu lesen, ist in zweifacher Hinsicht sinnlos. Erstens: Wer ein einziges Buch liest, eines allein, kann keine Vergleiche anstellen zwischen Stoff und Sprache. Aus Mangel an Zusammenhang, an Kontext wird er oder sie das Buch nicht verstehen. Erst wer ein zweites Buch liest, schafft sich einen Kommentar, eine Kritik, einen Zusammenhang, eine Referenz. Es ist eine Sache, Virginia Woolfs Roman «Miss Dalloway», erschienen 1925, zu lesen, eine andere, diese Lektüre jener von Auguste Escoffiers «Guide culinaire» von 1903 folgen zu lassen. Die romanhafte Darstellung einer Einladung in der Londoner Upperclass nach dem Ersten Weltkrieg und die enzyklopädische Sammlung von Kochrezepten der bürgerlichen Küche Frankreichs enthüllen die Vorstellungen einer bestimmten europäischen Epoche über die Gastfreundschaft.»

Echt jetzt? Dem Trend zum Zweitbuch folgend: man nehme einmal Woolf, einmal Escoffier? Auf diese Idee wäre nicht einmal Christian Seiler gekommen. Jack Reacher und Teresa von Avila, die «International Classification of Diseases» und «Der Alchemist». Damit setzt der Mann mit dem grimmigen Gesichtsausdruck den obersten Massstab.

Drei grosse Bärfüsse, mehr geht nicht. Mehr gibt’s nicht. Das ist wie drei Sterne im Michelin.

Eigentlich kann das nur der Wortschmied selbst erreichen. Wir sind gespannt, ob wir Fundstellen ohne seine Beteiligung identifizieren können. Suchen wir weiter.

CH Media hält es je nach Kopfblatt lokalpatriotisch mit dem ESC. Im St. Galler «Tagblatt» gibt es 7 mal allgemeines Geschwurbel über Nemo. Plus 3 Artikel mit Ostschweizer Akzent (brr). «Der ESC in St. Gallen? Immerhin liegt Nemo die Ostschweiz im Blut». Sozusagen Blut-und-Boden-Ideologie, neu aufgebürstet. Das reicht nicht für zwei Bärfüsse, ist aber mehr als einer.

Also anderthalb, aber Bärfuss ist natürlich unteilbar.

Nun aber zum Leuchtturm der grossen Denke, dem Blatt, das zwar nz, nz, nz im Titel trägt, aber mit lediglich zwei Stücken über Nemo glänzt. Sorry, NZZ, das gibt natürlich zero points, bzw. null Bärfüsse, was aber eine Auszeichnung ist.

Bei «20Minuten» muss man meckern, dass eine News wie «Nemo hat es geschafft! Die Schweiz gewinnt den ESC» am Dienstag nicht mehr brandneu wirkt. Aber immerhin, das ist einer von lediglich zwei Artikeln über der/die/das singende Niemand, bravo und  kein Bärfuss.

Als Absackerchen noch «watson». Allerdings mit 9 Auftritten doch eher biederes Mittelfeld.

Aber das reicht für einen Bärfuss.

 

 

Das muss doch mal gesagt werden

Der öffentliche Diskurs ist kaputt. Nur: war er jemals ganz?

Der Worte sind genug gewechselt. Das ist von Goethe und gar nicht schlecht. Aber wir wollen keinesfalls Taten sehen, sondern uns fragen, ob eigentlich öffentliche Meinungsbildung, der Austausch von Position via Massenmedien, Kommentare, Positionen, Polemiken, Anklagen, Forderungen, Kritiken überhaupt noch Sinn macht (oder hat).

Wenn wir uns über die sattsam bekannten Narrative und Framings wie Gesinnungsblase, Social-Media-Umfeld, Misstrauen, Fake News, Rechtspopulisten versus Linksautonome, Splitter und Balken, moralinsauere Inquisitoren und Verteidiger der einzig richtig guten Wahrheit  usw. hinauf ins Abstrakte heben: hat das Kommunikative nicht ganz allgemein abgedankt?

Ziehen wir kurz einen historischen Bogen. Lange Jahrhunderte durfte vieles nicht gesagt, eigentlich nicht einmal gedacht werden. Die Kirche legte das Leichentuch der frommen Denkungsart über jede Form des Versuchs, die Welt nicht als Gottes Wille, sondern als beeinflussbare Wirklichkeit zu verstehen.

Hand in Hand mit dem Absolutismus, der jede Kritik am Herrscher als Gotteslästerung streng bestrafte. Überhaupt jede Kritik an der gottgewollten Richtigkeit der herrschenden Verhältnisse. All das ist, vielleicht mit Ausnahme Liechtensteins, wo der Fürst noch ausserhalb des Gesetzes steht und Herabwürdigung seiner Durchlaucht schwer bestraft wird, vorbei.

Zumindest in Zentraleuropa, den USA, Kanada, Australien und ein wenig Japan. Und auf ein paar weiteren, meist englischsprachigen Inseln von Neuseeland abwärts. Mehr oder weniger.

Unbestreitbar, wir wollen das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, haben Massenmedien einen gewissen korrigierenden und beaufsichtigenden Einfluss. Die Aufdeckung von kleineren oder grösseren Skandalen kann ab und an tatsächlich etwas bewirken. Das Ende einer Karriere, eines Zustands, eines Skandals. Aber auch diese Fälle werden eher selten, nicht häufiger. Die aufdeckende Kraft der Medien hat in den aufgepumpten Fällen von Dokumentendiebstahl, genannt Papers oder Leaks, auch seine denaturierte und untaugliche Form gefunden.

Hier desavouieren sich die Medien selbst, indem sie Hehlerware dazu verwenden, selbstherrlich Ankläger, Richter und Vollstrecker des Urteils zu werden. Das ist nicht die Aufgabe der Medien; ginge es ihnen nicht um billige Effekthascherei, würden sie die ihnen anonym übereigneten Daten den Strafverfolgungsbehörden aushändigen, Was sie aber unterlassen.

Am schlimmsten steht es  um die Funktion der Medien, den öffentlichen Diskurs über gesellschaftlich relevante Themen zu fördern. Die Bewältigung der Pandemie, die Aufarbeitung der gravierenden Fehler, die von Regierungen begangen wurden, die üble Rolle der Pharma-Multis, die sich haftungsfrei stellten und krumm verdienten, mit offensichtlich ihre Versprechen nicht einhaltenden Impfmitteln? I wo.

Der russische Überfall auf die Ukraine, Lösungsvorschläge, Analysen, die den Namen verdienen, statt Kriegsgegurgel Versuche der realistischen Einschätzung der Lage? Nix.

Die demokratische Misere der USA, wo ein seniler Greis gegen einen Amok-Greis antritt? Käumlich.

Gelegentlich mal Blicke in all die vielen Elendslöcher der Welt, wo noch grausamer gestorben wird als im Gaza-Streifen? Wozu auch.

Aber wozu in die Ferne schweifen. Wie soll es mit der Schweiz weitergehen? Staatsverschuldung durch Mehrausgaben, UBS als Monsterbank, Verhältnis zur EU, Neutralität, Flüchtlinge, Schulsystem, Übervölkerung, überforderte Systeme, Kriminalität, direkte Demokratie, Aufrüstung, Militärpolitik, mediokrer Bundesrat ist gut, inkompetenter weniger, das Elend der Literatur und Kunst, eine staatspolitische Debatte, das weitere Überleben eines Kleinstaats, Primat der Volksrechte, direkte Demokratie, Genderdebatte – die Themen liegen auf der Hand und sind ohne Zahl.

Über jedes einzelne liesse sich eine interessante Debatte führen, ein Diskurs auf verschiedenen Flughöhen, vom einfach Volkstümlichen bis zum intellektuell Anspruchsvollen. Und? Nichts und.

Meistens: Schiessscharte auf, rausfeuern, Schiessscharte zu. Einschlag der feindlichen Kugeln abwarten, dann Schiessscharte wieder auf.

Positionen und Meinungen in Massenmedien waren schon immer ideologiegetrieben, getränkt von Gesinnung. Aber der langjährige Beobachter meint doch drei fatale neuere Entwicklungen feststellen zu müssen:

  1. Das allgemeine intellektuelle Niveau ist aufs Erbärmliche gesunken. Symbolisch dafür steht ein Sprachvergewaltiger wie Lukas Bärfuss, der sich ja nicht nur als Literat, sondern auch als Gesellschaftskritiker missversteht. Wer dem applaudiert, und fast das ganze Feuilleton tut’s, der disqualifiziert sich selbst als ernsthafter Diskursteilnehmer.
  2. Die Bereitschaft, die Mühewaltung, nicht einfach nach dem Prinzip «je unsicherer, desto markiger» loszupoltern, sondern die Leser auf eine Reise zu mehr Erkenntnis mitzunehmen, existiert höchstens noch in Spurenelementen.
  3. Die kaleidoskopartige Farbigkeit einer lebendigen Medienszene, die genügend Alternativen bot, um auch wiederborstige Meinungen unterbringen zu können, ist ergraut, ist abgelöst worden durch zwei grosse Einheitsbreiküchen, einen kleinen Leuchtturm nebendran und ein in den Untergang geleitetes und gelenktes ehemaliges Boulevardblatt.

Auch das Versprechen des Internets, dass es hier eine weltumspannende Plattform für unendlich viele Diskurse, Anregungen und Meinungsaustausch gibt, hat sich nicht erfüllt.

Aber vielleicht bleibt es letztlich so, wie es sein muss. Der öffentliche Diskurs seit der Aufklärung hat seine Funktion erfüllt und ist damit obsolet geworden. Newsproduktion als profitables Geschäftsmodell hat ausgedient, bzw. unfähigen Medienmanagern fällt nichts dazu ein – ausser skelettieren, sparen, weniger Leistung für mehr Geld anzupreisen.

Also bleibt spannender Diskurs, Austausch von faszinierenden Ideen und Welterklärungsmodellen und Erkenntnissen wohl das, was es immer war. Ein Beschäftigung der «happy few».

Oder anders formuliert: wer – Ausnahmen bestätigen die Regel – bei Tamedia oder CH Media oder in der Südostschweiz oder auf «watson» einen Kommentar schreibt, eine Meinungskolumne absondert, disqualifiziert sich bereits durch diese Tat. Erschwerend kommt hinzu, dass der Inhalt – wenige Ausnahmen bestätigen die Regel – intellektuell und vom Kenntnishorizont, der Bildung, dem historischen Wissen her gesehen dermassen erbärmlich ist, dass man sich höchstens darüber aufregen könnte, wenn es nicht so lächerlich wäre.

Die Bedeutung der Massenmedien ist umgekehrt proportional zur Wichtigkeit, die sich die dort Tätigen anmassen, zubilligen, vormachen. Wer schreibt «Biden sollte, Xi müsste, Putin wäre gut beraten, Scholz hat einzusehen, Macron macht einen Fehler», wer selbst den Schweizer Bundeszwergen ungefragt gute Rastschläge gibt, der sollte eigentlich als Stand-up-Comedian auftreten. Nur hätte er da eine kurze Karriere vor sich, weil das Publikum schnarchend oder schimpfend reagieren würde – und sich schnell einmal weigerte, für solchen Sprachmüll auch noch Eintritt zu zahlen.

Intellele

Über die Bruchlandung einer Zunft.

Es gab Zeiten, da traf diese Definition von Wikipedia tatsächlich auf viele zu:

«Als Intellektueller wird ein Mensch bezeichnet, der wissenschaftlich, künstlerisch, philosophisch, religiös, literarisch oder journalistisch tätig ist, dort ausgewiesene Kompetenzen erworben hat und in öffentlichen Auseinandersetzungen kritisch oder affirmativ Position bezieht. Dabei ist er nicht notwendigerweise an einen bestimmten politischen, ideologischen oder moralischen Standort gebunden.»

Ob das nun «freischwebende» (Mannheim) oder «organische Intellektuelle» (Gramsci) seien oder ob der Begriff abschätzig verwendet wird wie unter den Nazis: gibt es diesen Typus eigentlich noch, und wenn ja, wie weit verbreitet ist er – oder gehören seine Vertreter zu einer aussterbenden Art?

Fangen wir mit den ausgewiesenen Kompetenzen an. Wie viel Prozent der in diesem Sinne an der öffentlichen Debatte Teilnehmende wissen, wer Mannheim oder Gramsci war? Wie viele haben einen Bildungs- oder Wissenshorizont, der nicht knapp oberhalb der Erdkrümmung liegt? Es mag Leute geben, die Lukas Bärfuss nicht für einen Sprachvergewaltiger, sondern einen Intellektuellen halten.

Lassen wir solche Fehlurteile (und solche Leute) mal beiseite, dann wird in der Schweiz die Luft recht schnell recht dünn. Denn am Kriterium «ausgewiesene Kompetenzen» scheitern doch die meisten.

Was kritische oder affirmative Positionen betrifft, daran herrscht allerdings kein Mangel. Nur geht das allzu häufig mit Rudelbildung einher. Ein Leitwolf heult, die Meute stimmt ein. Bringt dabei nichts Neues, Sinnvolles oder Erhellendes zustande, einfach nur die Repetition in einer Endlosschlaufe.

Damit verhalten sich viele Intellele, wie wir das nennen wollen, wie in einer Ameisenmühle. Das beste Bild für den geistigen Zustand in der Debatte, das ZACKBUM jemals gefunden hat. Eine Ameisenmühle entsteht, wenn blinde Ameisen der Duftspur der vorangehenden Ameisen folgen. Das ist eine prima Orientierungshilfe, damit sich der Ameisenstamm nicht bei einer Wanderung verliert.

Aber manchmal will es das ungnädige Schicksal, dass die voranmarschierenden Ameisen ihren eigenen Pfad wieder kreuzen. Daraufhin entwickelt sich ein Kreisverkehr. Fatal, denn durch den ständigen Rundlauf verstärkt sich natürlich die Duftspur und macht es den Ameisen unmöglich, diese Ameisenmühle zu verlassen. Nicht allzu selten endet das mit dem kollektiven Tod durch Erschöpfung.

Genau gleich verhalten sich viele Intellele in der Gesellschaft. Sie umkreisen ein Thema und werden dabei immer mehr. Sei das Gendern, der Nahe Osten, Trump, Energiewende, Ukraine, Klimawandel oder etwas Kleineres, Lokales. Da wird der Pfad dann ausgetrampelt und in ewigen Wiederholungsschleifen das Gleiche gesagt, von immer wieder anderen. Allerdings fallen die Intellektuellen dann nicht einer solchen menschlichen Mühle zum Opfer, sondern schwärmen wieder aus, wenn sich ein neues Thema gefunden hat, in das sie sich verbeissen können.

Am letzten Kriterium scheitern dann sowieso die meisten. In seinen Positionen sei der Intellektuelle nicht an Standorte gebunden, seien die politisch, ideologisch oder moralisch. Die dadurch entstehende produktive Verunsicherung halten die wenigsten Intellelen aus. Sie sind eben nicht mehr freischwebend, sondern haben einen festen Standort.

Das schützt sie vor der Verunsicherung, auf eine widersprüchliche und überkomplexe Welt mit eigenen Gedankengängen oder Analysen antworten zu müssen. Das würde nämlich intellektuelle Arbeit voraussetzen, und an dieser Fähigkeit mangelt es sehr.

Wie schön, wenn Putin einfach böse und Selenskyj einfach gut wäre. Wenn das auch für Trump und Biden gälte. Für den Nahen Osten. Für China. Für die USA. Für Überlebensstrategien des Kleinstaats Schweiz. Da könnten erfrischende, faszinierende Gedankenreisen unternommen werden, Mind Games, Food for Thoughts, wie man das besser auf Englisch ausdrücken kann.

Aber wiederkäuen und sich an die Korsettstangen des allgemein akzeptierten Framings zu halten, das ist natürlich viel einfacher. Vor allem hat das den Vorteil, dass sich der Intellele nicht als das outet, was er eigentlich ist: ein aufgeblasener kleiner Wicht, ein kleines Licht auf der Torte, sozusagen eine geistige Monade.

Die Folgen des Aussterbens der Intellektuellen sind dramatisch. Es finden kaum mehr aufklärende Debatten statt. Der Königsweg zur neuen Erkenntnis, das ungehemmte Aufeinanderprallen verschiedener Ansichten, ist längst im Dickicht, im Unkraut der korrekten und guten Denkungsart verschwunden.

Dumme Schwarzweissraster beherrschen weitgehend die intellele Welt. Die Teilhaber lassen sich auch nicht davon irritieren, dass sie so die Wirklichkeit nur sehr ungenügend abbilden oder verstehen können. Da spielen sich dann ständig Entwicklungen ab, die angeblich nicht vorhersehbar, überraschend, wider Erwarten geschehen.

Dieser Niedergang lässt sich in den letzten Jahren an zwei Knotenpunkten festmachen. Der erste ist die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Kaum jemals in der jüngeren Geschichte haben so viele angeblich kompetente Fachleute so krachend versagt und sich der Lächerlichkeit preisgegeben. Als wäre das nicht schon schlimm genug: anschliessend versuchten sie, ihr Versagen wegzuschwatzen. Heraus kam Relotius.

Der zweite ist die Pandemie. Mit geliehenem und nachgeplappertem Fachwissen sahen Intellele hysterisch den drohenden Untergang der Gesellschaft voraus und verhielten sich nicht weniger schlimm als Inquisitoren in dunklen Zeiten. Nur hatten sie zu ihrem Bedauern nicht deren Machtmittel. Aber soziale Ausgrenzung, berufliches Karriereende oder Stigmatisierung als potenzieller Massenmörder von Andersdenkenden, das kriegten sie hin. Auch da hat man kein Wort des Bedauerns oder der Entschuldigung gehört.

Es gibt ein weiteres signifikantes Indiz für den Niedergang der Intellektuellen. Die um sich greifende tiefe Humorlosigkeit. Empfindlichkeit. Die beleidigte Leberwurst als Vorbild. Die Erdenschwere der moralischen Verantwortung. Die Besserwisserei aus Unsicherheit. Das Verschanzen hinter vorgestanzten Positionen, um nicht schutzlos ins Schussfeld der freien Debatte zu geraten.

Und, last but not least: ein dramatisch um sich greifender Mangel an Bildung. An historischen, literarischen, philosophischen Grundkenntnissen. Nur all das zusammen, um es an einer Person zu erden (es könnten auch ein paar andere sein), nur all das erklärt es, dass ein Bärfuss nicht schallend ausgelacht wird, wenn er mit tief gefurchter Denkerstirne geholperten Flachsinn von sich gibt.

Es gibt allerdings noch kleine Widerstandsnester einiger Happy Few, die geradezu konspirativ alte Traditionen weiterführen und sich mit kenntnisreichen und witzig geführten Debatten intellektuellen Spass verschaffen. Aber man muss sie mit der Lupe suchen und gut aufpassen, dass sich nicht intellele Scheinriesen hineinschmuggeln und das Niveau unerträglich senken.

Jonas Lüscher langweilt

Jonas who? Na, der «bedeutende Intellektuelle», einer «der bedeutendsten Schweizer Intellektuellen».

Wer allerdings noch nie etwas von ihm gehört hat, muss sich nicht schämen deswegen. Man kann seine verquasten Romane lesen – oder es auch seinlassen. ZACKBUM ist für seinlassen.

Das hindert allerdings den «Kulturredaktor» Andreas Tobler von Tamedia nicht daran, mit dem Intellektuellen ein Interview zu führen, das den Leser auf  17’500 A kräftig langweilt.

Schon der Einstieg vertreibt den kundigen Konsumenten: «Die Linke steht gemäss Lukas Bärfuss vor einem Scherbenhaufen, weil viele zum Terror der Hamas schweigen. Autor Jonas Lüscher tritt dem differenziert entgegen – und plädiert für den Klassenkampf.»

Echt jetzt? Der andere bedeutende Intellektuelle und Autor Bärfuss sagt etwas ohne Hand und Fuss, und dagegen plädiert der differenzierte Lüscher für Klassenkampf? Nun, wirres Zeugs erzählen, das eint die beiden. Tobler spielt hierbei, wie bei Tamedia inzwischen üblich, man denke an das Gauck-Liebediener-Interview, den Stichwortgeber und liegt sich ideologisch mit Lüscher in den Armen. Was immer eine tolle Voraussetzung für ein spannendes Interview ist, in dem der eine ungestört von kritischen Nachfragen alles palavern darf, was ihm so in den Sinn kommt.

Dass Interview mal eine eigene Kunstform war, ein herausforderndes Gefäss im Journalismus, dieses Wissen ist offenbar bei Tamedia (oder zumindest bei Tobler) völlig verlorengegangen.

Heutzutage kommt ein Interview so daher:

«Das ist alles grauenhaft.
Ja, das ist unbegreiflich. Aber der linke Antisemitismus ist kein neues Problem. Es ist vielmehr so, dass es eben nie eine einheitliche Linke gab
Ein gemurmeltes Selbstgespräch, wo man zwischen Frage und Antwort nicht unterscheiden kann. Und die Antwort enthält lediglich Banalitäten, die früher bei der Verdichtung eines Interviews gestrichen worden wären.
Aber wenn schon die Frage banal ist, was kann man dann von der Antwort erwarten; vor allem, wenn sie von einem Flachdenker wie Lüscher kommt:
«Und das ist heute noch so?
Ja, auch heute ist die Bandbreite linken Denkens und linker Ideologien, gerade in der Nahostfrage, sehr breit.»
Hier erhebt sich wieder einmal gebieterisch die Frage, ob nicht vielmehr Tamedia dem Leser Schmerzensgeld zahlen müsste, als von ihm für einen solchen Schrott auch noch Geld zu verlangen.
Einordnung, Analyse, Denkstoff, Anregendes? Im Gegenteil, man arbeitet gemeinsam an Richtigstellungen. Nachdem Tobler einiges zum linken Antisemitismus abgefragt hat, der vor allem an Bildungsstätten sein Unwesen treibt, darf Lüscher endlich das erlösende Fehlurteil abgeben: «Antisemitismus ist, das zeigen die Zahlen sehr deutlich, massgeblich ein rechtes Problem
Dann macht Lüscher eine Denksalto, bei dem jeder Interviewer, verdiente er diesen Namen, ungläubig nachfragen würde: « …. die Art und Weise, wie die gegenwärtige Lage zur Stimmungsmache gegen Muslime und zur Durchsetzung noch härterer Asylregeln von rechts benutzt wird, widert mich an». Stimmungsmache gegen Muslime, die unter perverser Ausnützung der Meinungsfreiheit in Gesellschaften, die nicht von ihnen beherrscht werden, mit Pro-Hamas- und Pro-IS-Slogans grölend durch die Strassen ziehen? Ohne dass es von massgeblichen islamischen Organisationen lautstarken Protest dagegen gäbe? Wie kann man in einem Interview nur unwidersprochen einen solchen Humbug behaupten? Nun, dann, wenn der Interviewer jede kritische Distanz vermissen lässt.
Auch ein solches Geschwurbel dürfte eigentlich nicht ohne Widerworte durchgelassen werden: «Wenn auf die Frage, ob der Aufruf zum Völkermord an den Juden gegen die Universitätsregeln verstosse, die mittlerweile zurückgetretene Penn-State-Präsidentin antwortet, das sei eine kontextbezogene Entscheidung, wundere ich mich natürlich.» Wunder mich? Das ist alles? Das wundert den Leser nicht, das widert ihn an.
Dann noch das grosse Finale. Was tun, «was müsste die Linke Ihrer Meinung nach tun?» Da ballt Lüscher die Faust und skandiert: « …. es herrscht Klassenkampf. Es kämpft ihn gegenwärtig allerdings, und zwar mit allen Waffen und aller Gewalt, nur eine Seite: die der Vermögenden. Wir sollten diesen Kampf aufnehmen.»
ZACKBUM empfiehlt, vor diesem Kampf den Kampf um ein journalistischen Grundbedingungen genügendes Interview aufzunehmen. Kritisches Hinterfragen statt Abknutschen, Qualitätskontrolle, Verzicht auf Leserquälen, da gäbe es so viel zu kämpfen …

Ein grauenvolles Jahr

Tiefseebohrung. Das beschreibt den Zustand der Schweizer Medien im Jahr 2023.

Dass nach der Entlassungsrunde vor der Entlassungsrunde ist, daran mussten sich die verbliebenen angestellten Redakteure gewöhnen. Die grossen Verlagshäuser Tamedia, CH Media und Ringier zeigen damit den überlebenden Journalisten, was sie von ihnen halten: nichts.

Sie sind ein unangenehmer Kostenfaktor, bis die KI die meisten ihrer Aufgaben übernimmt. Den gutbezahlten Managern in der Teppichetage ist auch 2023 nur ein einziges Heilmittel gegen die Arglist der Zeit eingefallen: sparen, feuern, letzte Fleischreste vom Knochen abschaben. Das ist erbärmlich.

Allerdings tun auch die Journalisten nicht gerade viel, um die wichtigsten Assets, Glaubwürdigkeit und Vertrauen, zu schützen und zu bewahren. Nabelschau, kreischige Rechthaberei, Bedienung der Gesinnungsblase, Schwarzweiss-Verblödung. Wer dachte, man sei noch nie so schlecht über einen Krieg informiert gewesen wie in der Ukraine, sah sich eines Schlechteren belehrt. Was im Gazastreifen tatsächlich passiert, niemand weiss Genaueres.

In beiden Fällen versagt die Journaille auf einem ihrer wichtigsten Handlungsfelder: analytische Einordnung liefern, Argumente zur Bildung einer eigenen Meinung bei den Lesern. Da vielfach ältere und damit teurere Journalisten weggespart werden, sinkt das allgemeine Niveau der Berichterstattung auf erschreckend bildungs- und kulturlose Minusgrade. Historische Zusammenhänge, Kenntnis von Kultur und Literatur, was nicht im schnellen Zugriff mit Google aufpoppt, existiert nicht.

Wenn die Sprachverbrecher Lukas Bärfuss und Kim de l’Horizon als die zwei bedeutendsten Vertreter der Schweizer Gegenwartsliteratur angesehen werden, dann ist wohl der Boden der Geschmacklosigkeit erreicht. Wobei man mit solchen Vermutungen vorsichtig sein sollte. Bevor Kim auftauchte, meinte man den mit Bärfuss alleine schon ausgelotet.

Wer meinte, die Sprachreinigungshysterie, die Verhunzung der deutschen Sprache durch Gender-Sternchen und andere Methoden zur angeblichen Inkludierung habe einen dermassen hysterischen Höhepunkt erreicht, dass es nur noch vernünftiger werden könne, sah sich ein weiteres Mal getäuscht. Das gilt auch für alle Post-#metoo-Schwurbeleien.

Unbelegte Anschuldigungen öffentlichkeitsgeiler Weiber oder anonymer Denunzianten reichten auch 2023 aus, um Karrieren zu vernichten oder Menschen fertigzumachen. Trotz vielen Flops haben die Scharfrichter in den Medien nichts dazugelernt. Schnelle Vorverurteilung, grosse Entrüstung, dann peinlich berührtes Schweigen, wenn der Skandal mal wieder keiner war. Aber auf zum nächsten, der kommt bestimmt.

Auch als Jahresbilanz muss man festhalten: Dass sich die Medienproduzenten weiterhin von Google, Facebook & Co. online die Werbebutter vom Brot nehmen lassen, ist an Unfähigkeit und Dummheit nicht zu übertreffen. Das Gejammer über wegfallende Print-Inserate und der anhaltende Ruf nach staatlicher Unterstützung der Vierten Gewalt sollen nur übertönen, dass die Krise der Medien nicht den Umständen geschuldet ist, sondern selbstverschuldet.

Kein vernünftiges Distributionsmodell, das aberwitzige Geschäftsmodell, für immer weniger immer mehr zu verlangen, seichte Inhalte, sich im Hamsterrad der Online-Produktion bis zur Bewusstlosigkeit drehende News-Abdecker – wie kann man für diese klägliche Leistung ernsthaft Geld vom Konsumenten verlangen?

Geradezu autistisch richten viele Redakteure ihren Blick an diesen Problemen vorbei, schauen in sich hinein und langweilen den Leser mit der Leere, der sie dort begegnen. Oder regen ihn auf, indem sie ihre politischen und sozialen Steckenpferde auf offener Bühne zu Tode reiten. Ein Kommentar zur Gratis-Abgabe von Tampons, wieso traut sich keiner mehr, die einzig richtige Antwort an der Themenkonferenz zu geben: «Aber nicht im Ernst

In diesem Niedergang wird das Schweizer Farbfernsehen, die mit Gebühren alimentierten Radiosender immer wichtiger. Aber das Angebot der SRG ist dermassen lausig, dass die 200-Franken-Gebühreninitiative intakte Chancen hat. Auch hier ist es den privaten Unternehmen nicht gelungen, eine valable Konkurrenz dazu auf die Beine zu stellen. Das sei eben die Übermacht der SRG, jammert der Wannerclan von CH Media. Anstatt zuzugeben, dass die Einkaufstour in den elektronischen und Printmedien als deutlichstes Resultat lediglich eine Massenentlassung gebracht hat.

Völlig von der Rolle sind Tamedia und Ringier. Der Tagi war einmal eine ernstzunehmende, linksliberale Stimme, seine Leitartikel und Forderungen hatten Gewicht. Aber heute? Das nimmt doch keiner mehr ernst, wenn sich die Oberchefredaktorin zu Wort meldet und absurde Forderungen zu den nächsten Bundesratswahlen aufstellt.

Der «Blick» als wichtigstes Organ des Hauses Ringier wurde seines Wesenskerns beraubt, die Führungsriege geköpft, dafür ein Rudel von Heads und Chiefs installiert, deren Funktionsbezeichnungen kabarettreif sind. Weniger lustig sind allerdings ihre Leistungen. Springer zieht weiter in die Zukunft und trennt sich konsequent von seinen Printtiteln. Ringier kauft sie auf. Mathias Döpfner mag persönlich ein eher unausstehlicher Mensch sein, was er mit Marc Walder gemein hat. Aber der Unterschied im Wirken und in der Performance der beiden an ihren Unternehmen beteiligten CEOs ist unübersehbar.

Ach, und die NZZ? Ein Leuchtturm mit einigen blinden Flecken auf der Linse, das Bild ist schwer zu schlagen, so zutreffend ist es. Häufig Labsal und Kopfnahrung, manchmal aber auch ärgerliche Ausflüge ins Unterholz der vorgefassten Meinungen und neuerdings auch üblen Rempeleien in einer Tonlage, die die alte Tante seit Ende des Kalten Kriegs nicht mehr verwendete.

Auch der ruppige Umgang mit Chefredaktoren ist neu. War die Absetzung von Markus Spillmann zwar ein absolutes Novum, aber dennoch gerechtfertigt, wurde die Absetzung von Luzi Bernet und sein Ersatz durch Jonas Projer eher ruppig durchgeführt. Das war aber noch geradezu stilvoll und zartbesaitet im Vergleich dazu, wie dann Projer entsorgt wurde.

Dabei, wie bei der Nicht-Inauguration von Markus Somm als NZZ-Chefredaktor, spielte die Redaktion eine üble Rolle. Bei Somm stellte sich im Nachhinein heraus – als er mit der Absurd-Idee, aus dem «Nebelspalter» ein bürgerlich konservatives Kampforgan zu machen, baden ging –, dass der NZZ doch einiges erspart blieb. Aber der Zwergenaufstand in der Redaktion gegen Projer führte nur erwartungsgemäss dazu, dass die NZZaS viel näher an das Stammblatt gebunden wurde. Der notfallmässig installierte Beat Balzli ist noch viel mehr von der Gnade Eric Gujers abhängig als sein Vorgänger.

Allerhand Betrübliches und Besorgniserregendes ist von den Medien im Jahr 2023 zu vermelden. Gibt es Hoffnung für 2024? Für die klassische Medien nicht. Vor allem bei Jugendlichen haben sie längst die Meinungshoheit als Newslieferant verloren. Wenn der Bezahl-Inhalt qualitativ sich kaum von Gratis-Angeboten unterscheidet, wieso soll ein vernünftiger Mensch noch etwas bezahlen?

Natürlich sollte der Content einer Newsplattform nicht gratis sein. Eine Bezahlschranke macht aber nur dann Sinn, wenn dieser Inhalt auch etwas wert ist. «Blick+» ist das beste Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Die Idee wurde bei «Bild+» abgekupfert, aber jämmerlich umgesetzt. Tamedia macht ähnlichen Unsinn, indem es beim Berliner «Tagesspiegel» die Idee übernimmt, sauteure Angebote für spezifische Zielgruppen zu machen. Wer einen  fantasielosen Verwaltungsrat mit einer digitalen Offensive betraut, der sich dann an seine frühere Wirkungsstätte erinnert, ist selber schuld.

Nein, das ist kein Aufsteller,diese Jahresbilanz. Aber zum Jammertal, durch das der Journalismus wankt, passt eben auch, dass solche offenen Worte nurmehr hier auf ZACKBUM möglich sind.

Für das anhaltende Leserinteresse, liebe Worte (immer hinter vorgehaltener Hand) und auch (wenige) Widerworte danken wir ganz herzlich.

 

Aus dem Abwrackdock der Wörter

«Blick» erfindet die ständig ändernde Schlagzeile. Und ein Dichter kann sich nicht lesen.

Will der Leiter der Ringier-Journalistenschule seinen Eleven mal zeigen, wie man es wirklich nicht macht? Oder lässt Peter Hossli jeden Tag einen von ihnen eine neue Schlagzeile basteln?

Über seinem Illusionsporträt über eine Nikki (who is?) Haley stand zunächst «Vor Nikki Haley fürchtet sich Trump am meisten». Allerdings weist seine frühere Anhängerin einen Abstand von schlappen 50 Prozentpunkten auf Donald Trump auf. Nicht wirklich ein Anlass zur Furcht.

Also wurde am Titel geschraubt:

Und geschraubt:

Und geschraubt:

 

Man beachte auch das umweltfreundliche Recycling. In der nunmehr vierten Version wird als Unterzeile die Version der dritten verwendet.

Fortsetzung folgt …

Man soll auch mal loben. Auf den Hinweis von ZACKBUM, dass bei den People-News seit Ewigkeiten die gleiche Story zuoberst steht, reagierte die Online-Redaktion umgehend:

Allerdings war sie nicht in der Lage, in so kurzer Zeit einen selbst gebastelten Artikel aus dem Ärmel zu schütteln. Also übernahm das Qualitätsmedium einfach von «Spot on». Das ist so eine deutsche Tickeragentur mit einem Newsfeed, den man abonnieren kann, wenn man selbst nur beschränkt zu eigenen Leistungen im Stande ist. Was wohl Hossli davon hält? Allerdings: bislang ist es bei einer Titelversion geblieben.

Hier hingegen könnte man vielleicht noch ein wenig optimieren:

Der Titel passt inhaltlich irgendwie zum Büchner-Preisträger mit dem eingestanzten finsteren Gesichtsausdruck. Was uns allerdings der Lead sagen will, bleibt so dunkel wie sein umwölktes Gemüt. Eine Einladung stehe für vieles, was auf uns zukomme und ungelöst sei, auch wenn es dringend nötig wäre? Ist die Einladung dringend nötig, dass etwas auf uns zukommt oder das Ungelöste?

Aber das Ungelöste löst eine Gedankenkette aus, die offenbar irgendwie irgend etwas mit einer Art von Mentalität zu tun habe, deren geschmackvolle Bezeichnung wir nicht wiederholen wollen. Während aber rund 99 Prozent aller «Blick»-Online-Leser durch die Bezahlschranke vor weiteren Beschädigungen geschützt sind, kennt ZACKBUM keine Furcht …

Aber siehe da, im Original hat das «Essay» von Lukas Bärfuss einen anderen Titel, der aber auch nicht wirklich weiterhilft:

Wurst? Für die SoBli-Leser, die den Begriff nicht verstehen, hilft das Organ gerne weiter:

Ja, eine Bratwurst, soweit ist das Titelrätsel gelöst. Geht es Bärfuss nun um die Wurst? Oder schreibt er ein Essay über den guten Spruch «alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei»?

Irgendwie nein. Soweit man den dunklen Dichterworten folgen kann, hat Bärfuss eine Einladung der Parlamentarischen Gruppe Kultur erhalten. Das ist schön für ihn. Sofort denkt er daran, dass in den USA nächstes Jahr Präsidentschaftswahlen stattfinden. Mehr als das: «Hat die Demokratie eine Zukunft? Oder wird der autoritäre Staat im Sinne von Francis Hobbes siegen? Wie offen wird die Gesellschaft der Zukunft sein?»

Francis Hobbes? Meint er vielleicht Thomas Hobbes? Oder Francis Bacon? Oder beide? Oder nicht? Ist doch wurst.

Dann denkt der Dichter daran, dass auch in Deutschland und in Frankreich Wahlen stattfinden werden. Sogar in Indien! Dann denkt er an den Bericht des Club of Rome aus dem Jahr 2021. Dann denkt er daran, das 15 Prozent der Schweizer Jugendlichen kaum lesen können.

Er denkt aber nicht daran, dass sie das immerhin vor solch völlig wirrem, zusammenhangslosem Gebabbel eines Dichters schützt. Aber dann schreibt er ganz richtig: «Buchstaben zu formulieren, daraus Worte zu bilden, die Worte zu einem korrekten Satz zu bauen: Das ist komplex. Man braucht Jahre, um es zu lernen.» Und da hat Bärfuss, zusammen mit den Schweizer Jugendlichen, noch einen weiten, ganz weiten Weg vor sich. Der fängt schon damit an, dass selbst der ABC-Schütze wohl kaum «Buchstaben formuliert». Mann, o Mann, was für ein Banause.

Gegen Schluss erinnert sich Bärfuss daran, dass er irgendwie mit einer Einladung angefangen hat. Damit alles ein Ende hat, nimmt er diesen Gedankensplitter wieder auf. Denn offensichtlich ist die Einladung so dunkel-geheimnisvoll abgefasst wie seine Dichterworte: «Kultur ist uns Wurst, aber Wurst ist uns Kultur! Neu auch mit Vegiwürsten», stehe auf der «fleischfarbenen Einladungskarte».

Dann kommentiert der Dichter das, aber eigentlich kommentiert er sich selbst, wobei ihm das leider nicht bewusst wird: «Es ist nicht klar, was hier fehlt, ob Bildung, Scham oder Intelligenz, sicher ist nur, dass man diese Einladung auch dann nicht verstehen würde, selbst wenn man sie lesen könnte

Er hat nur das Wort Essay mit dem Wort Einladung verwechselt. Aber das ist verständlich, denn er würde ja sein eigenes Essay auch dann nicht verstehen, wenn er es lesen könnte.

ZACKBUM aber wiederholt seine Frage: Hat auch diese Quälerei kein Ende, oder wenigstens zwei?

Selektive Wahrnehmung

Die Qualitätsmedien im weiteren Niedergang.

«Hunderttausende bei propalästinensischer Grosskundgebung in London», berichtet die deutsche «Tagesschau». «Festnahmen in London: 300’000 Menschen bei Pro-Palästina-Demo», berichtet das ZDF. «Hunderttausende Menschen auf propalästinensischer Demonstration», berichtet «Zeit online».

Immerhin: «300’000 Menschen in London bei pro-palästinensischer Demo», berichtet «20 Minuten». Ebenso «watson».

Nun zu den Qualitätsmedien. Tamedia: nichts. NZZ: nichts. CH Media: nichts. «Blick»: nichts. Das Blatt mit dem Regenrohr im Titel macht noch weniger als nichts:

Der Schriftstellerdarsteller hat extra ein noch grimmigeres Foto anfertigen lassen, das nun schwer steigerbar ist.

So grimmig das Antlitz, so grimmig die Worte. Zum Schutz des Lesers sind sie immerhin hinter einer Bezahlschranke verborgen. Aber ZACKBUM kennt keine Furcht: «… unerträgliche, unannehmbare Entwicklung … Was sie zu einer Schande macht … Antisemitismus ist kein Randphänomen … Der Hass auf Juden bietet sich als Lösung an … werden instrumentalisiert zu reinen Stellvertretern eines feindlichen Systems … In den marxistischen Klassikern ist Antisemitismus eine Konstante … üblichen Täter-Opfer-Umkehr … », es ist verblüffend, wie Lukas Bärfuss eine hohle Worthülse auf die andere stapelt, ohne dass es ihm auffällt.

Aber seine Spezialität ist ja das Dunkle, Unverständliche: «Der Begriff «Schulmedizin» ist gang und gäbe und wird nicht nur von Impfgegnern und Homöopathen verwendet, obwohl seine antisemitischen Konnotationen hinlänglich untersucht sind.» Hä? Die Einleitung, um plötzlich gegen Esoterisches, gegen Rudolf Steiner vom Leder zu ziehen: «Die esoterische Praxis kann nicht von der Ideologie getrennt werden. Wer obskure, antisemitisch grundierte Ideen in der Landwirtschaft, in der Kosmetik oder bei der Erziehung seiner Kinder gutheisst, wird sie in der Politik nicht von vornherein zurückweisen.» Hä?

Noch schräger wird es, wenn die Karikatur eines Schriftstellers sich mit der Sprache beschäftigt, die er konsequent misshandelt, missbraucht, quält: «Die deutsche Sprache ist versetzt mit Begriffen, die sich gegen jüdische Menschen richten. «Mauscheln» und «schachern» gehören dazu. Auch hier braucht es Aufklärung – und sie muss stetig, nachhaltig und unaufhörlich sein.»

Vielleicht sollte sich Bärfuss mal mit dem Begriff Etymologie vertraut machen, aber das ist für einen so grimmig dreinschauenden Menschen wohl auch schon irgendwie antisemitisch.

Hat der Büchner-Preisträger eigentlich auch Lösungsvorschläge? Aber ja, einen sehr praktikablen sogar:

«In einer Demokratie hat niemand das Recht, auf den Staat, auf die Wirtschaft, auf die Institutionen zu warten. Das Einschreiten gegen Judenhass ist Bürgerpflicht. Wer Antisemitismus sieht oder hört, muss einschreiten, laut werden, Solidarität zeigen – und zwar jetzt, hier, immer.»

Einschreiten, laut werden, Solidarität zeigen. Da ist ZACKBUM aber mal gespannt, wie das geht, wie das von Bärfuss selbst praktiziert wird. Wer ihn beim Einschreiten, Lautwerden oder Solidaritätzeigen beobachtet, bitte sofort an ZACKBUM melden.