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Alain Finkielkraut nervt

Auch die NZZ ist geschichtsvergessen.

Man kann den französischen Intellektuellen Finkielkraut interviewen. Man könnte sich kritisch mit seinen Behauptungen auseinandersetzen. Man sollte dann aber auch seine kurvenreiche Vergangenheit erwähnen, oberhalb des kurzen Schlenkers «Sie selbst waren einmal Maoist», auf den Finkielkraut salopp antworten darf: «ein paar Wochen», um dann das Thema zu wechseln.

Man hätte in seiner Biographie – oder zumindest in Form einer Frage – nicht auslassen dürfen, dass sich der Nationalist Finkielkraut auch schon so äusserte: «die einzige Partei, die die Franzosen mit ihrer verunsicherten Identität ernst» nehme, sei der «Front National», schwurbelte er 2013. Einwanderung führe zu einem Niedergang Frankreichs, seiner Kultur, ja seine «Identität» sei gefährdet.

Aber wie seinem Kollegen bei Tamedia geht es Benedict Neff von der NZZ mehr darum, einen Gleichgesinnten abzufragen, als sich seines Handwerks als kritischer Journalist zu besinnen. So rutscht Neff bereits auf einer Schleimspur ins Interview:

«Sie haben die woke Ideologie an den amerikanischen Universitäten schon früh kritisiert. Gelegentlich hielt ich Ihre Warnungen für übertrieben. Nach dem 7. Oktober und den Pro-Hamas-Demonstrationen an verschiedenen Unis dachte ich: Er hatte recht. Was ging Ihnen durch den Kopf? – Ich war schockiert. Ich war fassungslos. Ich war überwältigt. Sagen wir, um den französischen Autor Jean Racine zu paraphrasieren: Mein Unglück übertraf meine Hoffnung.»

Sozusagen als negative Ergänzung zu Lüscher stellt Finkielkraut dann die steile These auf: «Nach dem Massaker vom 7. Oktober scheint es, als sei der Antisemitismus das höchste Stadium des Wokeismus. Der Wokeismus reduziert die Komplexität menschlicher Konstellationen gnadenlos auf die Konfrontation von Herrschern und Beherrschten, Unterdrückern und Unterdrückten.»

So wie Lüscher den Antisemitismus vor allem rechts verortet, lebt er für Finkielkraut links: «Die Partei von Jean-Luc Mélenchon, La France insoumise, ist sehr explizit zu einer antisemitischen Bewegung geworden.» Da könnte ein Interviewer vielleicht nachfragen, woran konkret der Philosoph das festmache. Aber nachhaken war gestern, heute ist labern lassen.

So darf Finkielkraut ungebremst einen wahren Rachefeldzug starten: «Die humanitären Organisationen, die heute gegen Israel hetzen, verlieren kein Wort, um das Verhalten der Hamas anzuprangern.» Und: «Selbst der 7. Oktober wird wie der Eintrag in einer Buchhaltung behandelt. Es gab 1200 Tote und einige tausend Verletzte, während die israelischen Bombardements und Angriffe in Gaza viele, vielleicht 19 000 Tote gefordert haben. Viele Menschen verstehen nicht mehr, was Krieg ist. Sie wollen von der tödlichen Taktik der Hamas nichts mehr hören.»

Spätestens hier hätte Neff vielleicht auf die Berichterstattung im eigenen Blatt eingehen können:

Und haben während der illegalen und völkerrechtswidrigen Besiedelung der Westbank bis heute Hunderte von Palästinensern umgebracht, meistens ohne dafür zur Verantwortung gezogen worden zu sein. Auch das ist kein Eintrag in einer Buchhaltung. Aber ein Hinweis darauf, dass der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis vielleicht etwas komplexer ist, als ihn Finkielkraut als terrible simplificateur darzustellen beliebt. Und was die extra hingereiste «NZZ-Reporterin» Andrea Spalinger zu erwähnen vergisst. Front National, woke ist Antisemitismus und der Feind im Inneren unserer Gesellschaft. Israelische Kriegsverbrechen? Wer davon spricht, verstehe nicht, was Krieg sei, behauptet der Philosoph.

Papierdünne Thesen, geeignet für ein kritisches Gespräch, in dem der wendige Debattierer Gelegenheit hätte, seine rhetorischen Fähigkeiten und intellektuellen Saltos in der Manege vorzuführen. Aber weil er nur abgefragt wird, kommen sein Antworten merkwürdig flach, matt, unanimiert daher. Dabei hat er im Gegensatz zu Lüscher durchaus intellektuelle Potenz, ist gestählt an der lebhaften Kultur der Auseinandersetzung in Frankreich, wo ihm allerdings schon lange Michel Houellebecq vor der Sonne steht, der noch radikaler und skandalträchtiger kantige Thesen vertritt.

Aber vielleicht fühlte sich Neff einem Interview mit dem nicht gewachsen und zog es vor, etwas gelahrter mit dem Mitglied der altehrwürdigen Académie française zu parlieren …

Wir wollten das Positive sehen

Aber WoZ und «Republik» machen es einem nicht einfach.

Der Plan war gut. ZACKBUM liest je einen Artikel aus der WoZ und aus der «Republik» und betont das Positive. Aber schon die Planwirtschaft ist an der Realität gescheitert.

Bei der WoZ traf es den Artikel «Rechtsumkehrt. Wie die Schweizer Medien politisch immer weiter nach rechts driften». Eine interessante These des Mit-Chefredaktors Kaspar Surber. Wir sind auf eine brillante Analyse mit schlagenden Beispielen gespannt. Aber leider, leider …

Wer eignet sich als Einstieg besser als der Gottseibeiuns aus Herrliberg. Der hatte doch tatsächlich im Januar dieses Jahres Eric Gujer von der NZZ gelobt. Christoph Blocher sei übrigens der Mann, «der mit sehr viel Macht, noch mehr Geld und zuweilen auch mit dreisten Lügen die Medien in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten zu beeinflussen suchte».

Nach dieser rechten Geraden als Einleitung kommt Surber nun zu einem Topos, der früher von rechtsbürgerlichen Warnern bedient wurde: die Unterwanderung. Gujer wird von Blocher gelobt, in die «Sonntagszeitung» sind gleich drei Rechte eingewandert; Rico Bandle, Andreas Kunz und Bettina Weber von der «Weltwoche» hätten sich dort eingefunden. «Und sie tun, was sie von Köppel gelernt haben. Sie frönen dem Kontraintuitiven

Noch schlimmer ist natürlich das U-Boot Markus Somm. Der wurde zuerst von der WeWo zur BaZ entsandt, nun gibt er den «Nebelspalter» heraus. Allerdings widerspricht sich Surber hier selbst, denn all diese Blätter, die BaZ bis zu Somms Abgang, die «Weltwoche», vom «Nebelspalter» ganz zu schweigen, sind alles andere als Erfolgsmodelle. Die BaZ wurde an Tamedia weiterverkauft, die WeWo hat kräftig an Auflage verloren, der «Nebelspalter» dümpelt in der Bedeutungslosigkeit, ewige Redesigns, Kurs- und Mitarbeiterwechsel sind deutliche Anzeichen einer gravierenden Krise.

Aber dahinter steht natürlich ein finsterer Plan. «Die Abwärtsspirale von etablierten Medienmarken ermöglichte es wiederum rechten Financiers, ihren Einfluss zu vergrössern.» Aber auch hier schreckt Surber nicht davor zurück, sich selbst gleich zu widersprechen: «Just um die Jahrtausendwende, als der Werbeboom der Medien in der Schweiz seinen Zenit erreichte, ritten sie ihren ersten erfolgreichen Angriff.»

Also Abwärtsspirale oder Boom? Macht nix, drei Angriffe würden «viel zu selten im Kontext erzählt». Viel zu oft, würde es besser treffen. Den Kontext, dass Gottseibeiuns Blocher sich inzwischen ein kleines Imperium an Amts- und Gratisblättern zusammengekauft hat, der ist dem Recherchiergenie Surber offenbar entgangen.

Aber Surber hat noch eine Personalien auf Lager: «Auch bei der NZZ machen Leute Karriere, die bei den Rechtsaussenblättern ihre Sporen abverdient haben. So etwa Benedict Neff, der von Somms «BaZ» nach Berlin geschickt wurde, dort später das Deutschlandbüro der NZZ mit aufbaute und von Eric Gujer schliesslich zum neuen Feuilletonchef gekürt wurde.»

Die BaZ als Rechtsaussenblatt? Ach was. Aber diese Gefahr ist ja durch den Verkauf durch die angeblich kapernden Rechten gebannt. Um nur durch die nächste ersetzt zu werden: «Kippt nun auch der «Tagi»? Das wäre besonders fatal.» Woran Surber das festmacht?  Der Tagi habe die Rentenaltererhöhung begrüsst und kritisiert, dass der «Frauenstreik» dieses Jahr von links gekapert worden sei, das habe «viele Feminist:innen verärgert». Und verärgerte Feminist:innen sind sicher der Massstab dafür, ob der Tagi kippt oder nicht.

Dann hat noch ein «Politologe» untersucht, Surber hat sich ein Exemplar der Unternehmensgeschichte des Tagi bis 1993 besorgt und mit – natürlich anonymen – Quellen aus Tamedia gesprochen. Die ranzen unter diesem Deckmantel: «In den neoliberalen Hierarchien sei die Empathie völlig verloren gegangen. Die einzige Temperatur, die beständig vermessen werde, sei die Klickrate einzelner Artikel.» Surber muss diese Gespräche aber vor einer ganzen Weile geführt haben, denn die Klickrate ist überhaupt nicht mehr das wichtigste Kriterium. Aber macht ja nix, ansonsten stimmt wohl auch nichts.

Nach dieser tiefschürfenden Analyse kommt Surber zum traurigen Fazit:

«Die Geschichte des Rechtsrucks der Schweizer Medien handelt von strategischen Investoren, die geschickten Jongleuren die Manege bauten. Von Vorturnern, die sich so weit aus der Manege hinaus radikalisierten, dass sie sich längst nicht mehr an die berufsethischen Regeln halten. Von einem einst stolzen Wirtschaftsblatt, das mittlerweile die AfD bedient. Von einer «SonntagsZeitung», die schludrige Thesen fabriziert, die von anderen Medien wegen der hohen «Temperatur» weitergeschmiedet werden.»

Das widerspiegelt nun einzig und alleine die Weltsicht eines Gesinnungsjournalisten, nichts von diesem Geschwurbel ist mit einem Fakt unterlegt. Die NZZ bediene die AfD? Was für ein dümmlicher Spruch. Wird null von seinen Narrativen gestützt.Surber ist zu jung, um sich daran zu erinnern, dass die WoZ und ihr Vorgänger «Das Konzept» immer wieder den Vorwurf anhören mussten, sie bedienten die Interessen Moskaus, des Kommunismus.  Das ist schon mal sehr ernüchternd. Wenn das die Qualitätsansprüche der WoZ erfüllen kann, liegen die leider auf Höhe Türschwelle. Da war man doch anderes gewohnt in früheren Jahren.

Aber der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf. Man darf weiterhin gespannt sein, wie die WoZ mit dem kleinen Sexismus-Problem umgeht, in das sie sich selbst hineingeschrieben hat.

Der zweite Versuch mit der «Republik» folgt.

Wenn die NZZ schwächelt

Die deutsche Kriegstreiberin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bekommt ein Streichelinterview.

Zwei Redakteure bietet die NZZ auf, um mit der deutschen Kriegspolitikerin mit den beiden Doppelnamen ein Interview zu führen. Benedict Neff, seines Zeichens Feuilletonchef der NZZ und vielleicht nicht der sattelfesteste Militärberichterstatter. Und Claudia Schwartz, lange Jahre für «Streaming/TV verantwortlich», dann 2020 der Wechsel ins Feuilleton. Gute Beziehungen nach ganz oben helfen immer, auch bei einer doppelseitigen Berichterstattung über ein österreichisches Wellness-Hotel, das sie zusammen mit dem Göttergatten besuchte.

Diese beiden ausgewiesenen Fachleute bieten nun Strack-Zimmermann die Gelegenheit, weitgehend unwidersprochen ihre Positionen auszubreiten. Begleitet von unverständlichen Lobhudeleien: «MarieAgnes StrackZimmermann ist eine unbestechliche Stimme, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht.» Unbestechlich? Die Rüstungsindustrie-Lobbyistin sei unbestechlich, im Sinne von unvoreingenommen? Ein unglaublicher Schwächeanfall der NZZ.

Aber er setzt sich durchs ganze Interview hindurch fort: «Dieses Zögern und Abwarten (bei deutschen Waffenlieferungen, Red.) war ein grosser Fehler. Die Bundesrepublik hätte deutlich schneller reagieren müssen.» Sie hätte noch schneller – und im Gegensatz zur Schweiz – ihre Waffenausfuhrgesetze über Bord werfen sollen?

«Auf russischen Panzern steht «nach Berlin», … Das Nein der Schweiz hat in Deutschland die Frage aufgeworfen, wie zuverlässig die Lieferkette dringend benötigter Munition in Zukunft sein wird, wenn die Schweiz selbst bei der Verteidigung von Lebensmittelausfuhr nicht liefert, … Die Antwort liegt auf der Hand. In Zukunft sollte die Munition ausschliesslich in Nato-Staaten eingekauft beziehungsweise in Deutschland direkt hergestellt werden … Das Kanzleramt hat mir tatsächlich mal unterstellt, ich würde ein «Geschäftsmodell» daraus machen, den Kanzler zu kritisieren. Ich finde das offen gestanden geradezu zynisch … Umso unvorstellbarer ist es, dass gerade sie (Alice Schwarzer, Red.) das Leid der vergewaltigten Frauen in der Ukraine ausblendet und nicht einmal bei Demonstrationen thematisiert. Sie verrät ihre eigenen Werte … Wehrhaftigkeit ist das zentrale Thema der nächsten Generation.»

Jede Menge Stoff, um kritische Nachfragen zu stellen. Aber doch nicht die beiden Feuilletonisten der NZZ. Dann wäre ein ungeheuerliche Lügenmeldung von Strack-Zimmermann zu thematisieren gewesen:

«Nicht nur haben russische Raketen offenbar Polen und NATO-Gebiet getroffen, sondern auch zu Toten geführt. Das ist das Russland, mit dem hier einige offenkundig und absurderweise immer noch «verhandeln» wollen. Der Kreml und seine Insassen müssen sich umgehend erklären.»

Das sonderte sie direkt nach dem Einschlag einer Rakete in Polen ab. Sie ist immerhin die Vorsitzende des Deutschen Verteidigungsausschusses, und als solche müsste sie ihre Worte vorsichtig wählen. Mit dieser Behauptung betrieb sie eindeutig Kriegshetze. Was aber noch schlimmer war: als sich herausstellte, dass sie (und andere) auf ukrainische Propaganda reingefallen war, die Rakete in Wirklichkeit eine Abwehrrakete der ukrainischen Armee war, nahm Strack-Zimmermann ihre Behauptung nicht zurück, wies eine Entschuldigung dafür weit von sich.

Zudem ist sie Präsidiumsmitglied in der «Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik» (DWT). Sie ist Vizepräsidentin der «Deutschen Atlantischen Gesellschaft» (DAG), die sich trotz des allgemeinen Namens zum Ziel gesetzt hat, «das Verständnis für die Ziele des Atlantischen Bündnisses zu vertiefen und über die Politik der NATO zu informieren». Zudem ist sie Präsidiumsmitglied beim «Förderkreis Deutsches Heer» (FKH), neben der DWT die wichtigste Lobby-Gruppe der deutschen Rüstungsindustrie.

Aus all dem hätte sich vielleicht die eine oder andere kritische Frage ergeben können. Aber doch nicht vom Duo Neff/Schwartz. Und sollte jemand Kundiger in der NZZ die Nase gerümpft haben, tat er das still und leise. Denn wer will sich schon mit Schwartz anlegen? Niemand.

Stunde der Komödianten

Haut den Walder. Dabei müssen die harschen Kommentatoren auf ihr Glashaus achten.

Die NZZ legt für einmal die Glacehandschuhe beiseite. In ihrem steten Bemühen, schon im Titel alles zu sagen, schwingt sie den Morgenstern: «Journalisten sollen die Pandemiepolitik der Regierungen unterstützen, findet der CEO von Ringier. Dies ist eine Bankrotterklärung.»

Benedict Neff haut ungeniert der Konkurrenz eine rein. «Befremdliches Verständnis von Journalismus», fängt er harmlos an. Dann gibt er Gas: «Das ideologische Fundament für diese Form der regierungsgefälligen Berichterstattung scheint der CEO von Ringier selbst gelegt zu haben.»

Anschliessend wird geholzt: «mildernde Umstände gibt es nicht … Werte des eigenen Geschäfts verraten … Komplize der Regierung.» Das ist keine Abrechnung, das ist eine Hinrichtung.

SRF ist inzwischen auch aufgewacht und gibt Marc Walder die Möglichkeit, sich in einem Interview zu erklären. Hier war er allerdings noch in Verwedelungs- und Abstreitstimmung.

Ungeordneter Rückzug mit Entschuldigung

Das änderte sich dann zunehmend; interner Erklärungsversuch, Entschuldigung Richtung «Bild», deren kritische Berichterstattung er indirekt scharf kritisiert hatte. Wahrscheinlich rief Mathias Döpfner mal kurz an und faltete Walder zusammen.

Inzwischen gesteht er «Fehler» ein, sogar, dass er etwas Überflüssiges gesagt habe. Aber, heute ist ja alles egal, in einem Interview in der NZZ (wieso denn nicht in Ringier-Organen; nicht seriös genug für wichtige Mitteilungen?) beharrt er aber:

«Doch auf die Tatsache, dass unsere Publikationen nicht auf billigen Empörungsjournalismus setzen, sondern faktenorientiert und sachlich über die Notwendigkeit verschiedener Massnahmen schreiben, bin ich stolz.»

Die Lobhudeleien für Bundesrat Berset, der in einer Ringier-Gazette als Dressman und Interviewer auftreten darf, seien faktenorientiert und sachlich? Es darf gelacht werden.

Grossartiger Film mit grossartigen Schauspielern.

Inzwischen ist auch CH Media aufgewacht und – immerhin vier Tage nach dem Explodieren des Skandals – darf Francesco Benini kommentieren. Der fällt in seinen NZZ-Jargon zurück:  «Dass der Chef eines Medienunternehmens in einer solchen Lage seine unbedingte Treue zum Bundesrat bekundet, mutet befremdlich an.»

Hau den Boten

Zu viel mehr Kritik an Walder lässt er es nicht kommen. Dafür haut er dem Boten kräftig eins über die Rübe. Denn «den Text» habe Philipp Gut geschrieben. Der arbeite als Journalist und leite zugleich «die Kampagne gegen das Medienpaket»: «Das ist eine dubiose Rollenvermischung, denn ein Journalist sollte beobachten und einordnen, aber nicht selber zum Akteur werden. Nicht nur bei Ringier sollte man also über die Bücher, was die Aufgabe der Journalisten anbelangt

Vielleicht sollte man das auch bei CH Media, denn dass dieser Familienclan vom Medienpaket profitieren würde und deshalb dafür ist, das wäre doch möglicherweise von Interesse für die Leser.

Auch Tamedia legt noch einen drauf und spricht von «Gift für die Demokratie».

Aber es ist wie bei Graham Greenes Roman «Die Stunde der Komödianten». Schäbig ist das Handeln der meisten Journalisten, verlogen, heuchlerisch, selbstgerecht, unreflektiert und arrogant.

«Sind wir nicht alle Komödianten?» Burton und Taylor.

Walder hat sich tatsächlich selten dämlich benommen. Denn das sagt man doch nicht vor laufender Kamera, mitsamt dem bescheuerten Satz, dass es «im kleinen Kreis» bleiben solle.

Bei allen anderen sind die Redaktionen unabhängig?

Aber welche Heuchelei, wenn nun die Konkurrenz von Ringier so tut, als gäbe es bei ihr nichts Heiligeres als die völlig Unabhängigkeit der Redaktion. Nur sind halt die anderen Familienclans intelligent genug, solche Sätze nicht vor einer Videokamera zu sagen.

Eine Bemerkung im Lift, ein kurzes «übrigens» bei einer zufällig-beabsichtigten Begegnung auf dem Flur, ein Wink beim Verabschieden nach einer Sitzung, so macht man das. Oder es wird ein Bote ausgeschickt, der ganz im Vertrauen beim Chefredaktor ausplaudert, dass er zufällig gehört habe, dass die oberste Etage überhaupt nicht glücklich sei mit der Berichterstattung.

Jeder Chefredaktor, der seinen Posten liebt, weiss, dass es dann nicht der richtige Moment ist, Rückgrat zu zeigen. Das konnten sich nur früher mal wenige leisten, die so erfolgreich waren, dass ihnen die Meinung der Besitzer wurst war. Das ging dann allerdings auch nicht ewig gut.

Aber heutzutage, bei diesen Wendehälsen und Gummirücken, wo jeder von oben bis unten in erster Linie Schiss hat, ob er die nächste Sparrunde auch überleben wird: da werden alle sibyllinischen Bemerkungen aus den Besitzerclans begierig aufgesogen und im vorauseilenden Gehorsam erfüllt.

Wer sollte solchen Stuss glauben?

Oder glaubt jemand ernsthaft, in der NZZ würde jemand wagen, das Gegenteil der Meinung des Chefredaktors zu schreiben? Oder den Namen René Zeyer als möglichen Autor erwähnen, nachdem der lustige Ferienerlebnisse der Familie Gujer ausplauderte?

Es ist richtig; Walder hat sich selbst und die wenigen überlebenden Chefredaktoren desavouiert. Aber war es vorher wirklich ein Geheimnis, dass weder Christian Dorer noch Gieri Cavelty nur und ausschliesslich so kommentieren und lenken, wie es ihren journalistischen Überzeugungen entspricht?

Glaubte vorher jemand, dass sich Benini bei CH Media gegen das Medienpaket aussprechen würde, wenn er es persönlich scheisse fände? Und würde sich Benedict Neff auch so inquisitorisch äussern, wenn es um einen Fall im eigenen Beritt ginge?

Der grösste Vorwurf, den man Walder machen kann, ist der einer strafwürdigen Dummheit. Wer aber den Inhalt seiner Aussage damit kritisiert, dass doch die Trennung zwischen Verlag und Redaktion, zwischen Besitzern und Ausführenden, heilig sei, der ist nichts mehr als ein Komödiant, ein Heuchler, ein Opportunist.

Das alles trägt genauso zum Verlust des Ansehens der Medien bei wie die dumme Bemerkung Walders. Nein, es ist noch schlimmer. Walder hat ja nur beschrieben, was völlig normal ist im Verlagswesen. Was überall so gehandhabt wird. Wer das allerdings abstreitet, braucht sich um seinen Ruf keine Sorgen mehr zu machen.

Die Nestbeschmutzerin

Sibylle Berg ist gegen die Verschärfung des Covid-Gesetzes. Ihre Gesinnungsblase blubbert kräftig.

Es ist herrlich zu beobachten, wie es vermeintlich intellektuellen Geistesgrössen die Worte vom Mund bläst. «Oh je, Sibylle», lässt sich der nicht so komische Komiker Mike Müller vernehmen. Der völlig humorlose Millionenerbe Patrick Frey schmäht:

«Echt jetzt, liebe Sibylle? Du weisst aber schon, mit wem du dich damit ins Lotterbett legst, oder?»

Eigentlich riecht das streng nach Sexismus, aber gegenüber einer Abtrünnigen ist wohl alles erlaubt.

Im Lotterbett? Sibylle Berg.

Der komische Komiker und Epidemiologe Viktor Giacobbo ist staatstreu, gesetzestreu für das Gesetz und dekretiert: «Alle, die es jetzt bekämpfen, ob Rechte oder Linke, sorgen für eine Verlängerung der Pandemie. Und vielleicht sollten wir uns auch in dieser Hinsicht ein Beispiel an Dänemark nehmen.»

Dunkel bleibt das Komikerwort, was Dänemark betrifft. Beeindruckend aber, mit welcher wissenschaftlicher Sicherheit die Witzfigur Harry Hasler (oder ist es Fredi Hinz, eventuell sogar Debbie Mötteli?) hier zulangt. Man sieht ihn vor sich, wie er sich auf die Wampe haut und knarrend letzte Weisheiten absondert. Assistiert von Mergim Muzzafer, alias Mike Müller.

Was um Himmels willen ist denn geschehen?

Aber was ist denn geschehen, was den unheiligen Zorn all dieser Fachleute in der Bekämpfung der Pandemie hervorruft? Eine, die sie als eine der Ihren ansehen, ist ihrer Meinung nach fahnenflüchtig geworden.

Sibylle Berg, sonst fester Bestandteil der linken Gesinnungsblase, tapfer immer auf der richtigen, guten, fortschrittlichen Seite, schwesterlich im Kampf gegen das Falsche, Böse, Rückschrittliche, also das Fremdenfeindliche, Hetzende, Rechtsnationale, in einem Wort die SVP und Roger Köppel, macht etwas, was verboten ist.

Wollen Berg und Gesinnungsgenossen so eine Zukunft?

Sie denkt selbständig. Grauenhaft, wie kann sie nur. Aber das ginge ja noch, wenn sie nicht zu völlig falschen Erkenntnissen käme:

«Bei vollem Respekt für die Schwierigkeit der Situation und in Anerkennung einer weltweit vorhandenen schweren Atemwegserkrankung halte ich ein Zertifikat, das Menschen Zugang oder Nichtzugang zur Teilhabe am täglichen gesellschaftlichen Leben gestattet oder verweigert, für gefährlich.»

Man merkt der gewundenen Formulierung an, dass Berg – intelligent wie sie ist – wusste, dass das ganz furchtbar Dresche geben wird. Mit ihr zusammen streiten einige Unentwegte in einem linken Komitee gegen die Verschärfung des Covid-Gesetzes, also für ein Nein an der Urne. Darunter auch der Sprecher des Chaos Computer Clubs der Schweiz, sonst auch ein sicherer Wert im Lager der Pächter der Entscheidungsbefugnis, was gut und richtig und was daher böse und nichtig sei.

Das muntere Feuilleton der NZZ

Weniger plump als der «Blick» und die sich in ihm äussernden irritierten Recht- und Linkshaber lässt sich natürlich die NZZ vernehmen, genauer ihr neuer Feuilleton-Chef, der fröhlich weiter austeilt, dass es eine intellektuelle Freude ist. Er nimmt den Begriff «Dystopie» auf, die böse Schwester der Utopie, die eine schreckliche und nicht wünschenswerte Zukunft beschreibt.

Allen kommt dabei sofort George Orwells «1984» in den Sinn, die 1948 verfasste Schreckensvision eines totalen Überwachungsstaats. In jüngster Zeit legte Robert Harris mit «Der zweite Schlaf» nach, eine durch ihre Plausibilität verstörende Dystopie. Immer geht es um Überwachung und Kontrolle. Um Machtausübung, legitimiert durch den Verweis auf ein übergeordnetes, unbezweifelbares Prinzip. Geschöpft aus Ideologie, Religion, immer mit der Behauptung, nur das Gute und Bessere für alle zu wollen.

 

Könnte man kennen. Wenn man nicht nur blöd blubbern würde.

Einig sind sich die Apologeten dieser Gutwelten, dass es böse Menschen zu bekämpfen gilt, die sich dem Fortschritt und der Verbesserung in den Weg stellen. Besonders gehasst werden natürlich Renegaten, Abweichler, vermeintliche Kampfgenossen, die plötzlich zu Verrätern werden.

Das NZZ-Feuilleton erteilt aber all diesen Kläffern gegen den Berg, wenn dieser Kalauer gestattet ist, eine intellektuelle Abfuhr, die es in sich hat. Benedict Neff zitiert den Bundespräsidenten, der warnte, dass dieses Gesetz nicht der «geeignete Ort» sei, um «seinen Unmut auzudrücken».

Dagegen hält Neff mit intellektueller Schärfe: «Warum aber eigentlich nicht? Je fragwürdiger die Verhältnismässigkeit der Grundrechtseinschränkungen ist, desto mehr erodiert die Akzeptanz für diese Politik in der Bevölkerung. Von der Risikogruppe der über 60-Jährigen sind mittlerweile deutlich mehr als 80 Prozent geimpft, die Lage in den Intensivstationen hat sich wieder stabilisiert. Je mehr der Eindruck entsteht, die Regierung betreibe eine Katastrophenpolitik, ohne dass es eine Katastrophe gibt, desto schwieriger ist diese Politik noch zu vermitteln.»

Dass auch grössere Denker irren können, beweist gerade der deutsche Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas, der den Kampf bis zum Endsieg, Pardon, gegen das Virus als «gemeinsamen Gegner» bis zur «Herdenimmunität» fordert, die natürlich nur durch Impfung erreichbar sei.

Impfen, zertifizieren, kontrollieren. Sonst …

Neff hingegen wünscht sich eine Regierung, die mit ihrer Politik weniger Anlass zu «dystopischen Assoziationen geben» würde. Denn nicht nur die Abteilung Komiker dreht leicht im roten Bereich, auch der Beamte, ein als Biedermann verkleideter Brandstifter, beunruhigt, wie Neff richtig konstatiert:

«Wem jetzt schon angst und bange ist vor einem Staat, der sich selbst ermächtigt, dem dürfte ein Zürcher Beamter weitere dystopische Schauer verabreicht haben. Eine «gutmütige Diktatur» sei eine gute Art und Weise, um eine Pandemie zu bewältigen, meinte Peter Indra, Chef des Zürcher Amts für Gesundheit, im deutschen Fernsehen.»

 

Aber hallo, liebe NZZ

Der neue Feuilletonchef Benedict Neff langt kräftig zu. Bravo.

Es herrscht Elend, Zähneklappern, Gewäffel und Gejammer auf dem Schweizer Medienmarkt. In einer seltsamen Volte werfen sich Linke und Alternative dafür in die Schlacht, dass schwerreiche Medienclans mit Steuermilliarden unterstützt werden.

Geschenke für Multimillionäre, was für eine Verwirrtheit, was für ein Verrutschen aller Massstäbe. Das ist bei der NZZ entschieden anders. In jeder Beziehung. Denn der NZZ-Verlag ist ausgesprochen für das verabschiedete Mediengesetz als «Kompromiss», und somit entschieden gegen das ergriffene Referendum.

Was bei Tamedia, CH Media oder Ringier völlig ausgeschlossen wäre, ist bei der NZZ offenbar gelebte Liberalität. Schon der zweite Redaktor knallt den Befürwortern der Steuermilliarde schwer eine vor den Latz.

Spitzenleistung an Klarsicht.

Der neue Feuilletonchef langt richtig zu

Diesmal ist es immerhin der frischgebackene Feuilleton-Chef Neff. «Die verlorene Glaubwürdigkeit der Schweizer Grossverleger», so lautet der Titel seines Kommentars, und in dieser Preislage geht es weiter.

Neff bringt die Schizophrenie auf den Punkt:

«Die geplante Förderung der Schweizer Medien droht an der Urne zu scheitern. Und dies zu Recht. Aus liberaler Sicht sind die Subventionen abzulehnen. Aber auch Linke dürfen sich fragen: Brauchen schwerreiche Unternehmer wirklich Staatshilfe?»

Natürlich nicht, erklärt Neff. Mehr noch; die Verlegerclans würden immer mit der Wichtigkeit ihrer Aufgabe hausieren gehen und damit, dass die Glaubwürdigkeit das grösste Kapital der Medien sei. «Umso mehr wundert man sich, dass der Verlegerpräsident und seine Verbandskollegen so fahrlässig mit der Glaubwürdigkeit des Journalismus umgehen.» Zack.

Im Gegensatz zum Gesülze von Linken und vom Verlegerverband bringt es Neff auf den Punkt:

«Bei den Familien Coninx (TX Group), Ringier (Blick) und Wanner (CH-Media) handelt es sich um reiche bis schwerreiche Familien, die über Jahrzehnte vorzüglich am Mediengeschäft verdient haben und immer noch gut verdienen.»

Neff zieht den Exponenten dieser schwerreichen Familien die Hosen stramm. Sowohl Ringier-CEO Marc Walder wie Pietro Supino von Tamedia sprächen von «primitivem Populismus» der Gegner der Mediensubventionierung, von «purer Polemik». Neff: «Mit Stilkritik reagiert oft, wer nicht in der Lage ist, die Argumente des Gegners auseinanderzunehmen.» Tschakta.

 

Clanbildung ist in Schottland gut, aber nicht in den Medien.

Neff verarbeitet die wenigen Argumente der Befürworter zu Kleinholz

Neff hat einen Lauf:  «Für die Glaubwürdigkeit privater Medienunternehmen ist die grösstmögliche Unabhängigkeit von zentraler Bedeutung.»

Der Coninx-Clan würde von der Medienförderung am stärksten profitieren, konstatiert Neff, dabei kontrolliere der Clan bereits 40 Prozent der veröffentlichten Meinung in der Deutschschweiz und 70 Prozent in der Westschweiz.

«Wer glaubt, dieses Zeitungskonglomerat habe sich in den letzten Jahren um den Journalismus besonders verdient gemacht, irrt. Obwohl sich der Verlag ein eigenes Korrespondentennetz gut leisten könnte und dies der Förderung von Schweizer Journalisten zweifellos dienen würde, stammt der Ausland-Teil bis auf wenige Artikel aus der «Süddeutschen Zeitung».» Zackbum.

Die TX Group habe dabei nach den Regeln des Kapitalismus gespielt, Marktanteile aufgekauft und die Kosten gedrückt. Alles erlaubt.

«Stossend und bigott wird es aber, wenn ein solches Unternehmen die hohle Hand macht und die Steuerzahler bittet, für die angeblich notwendigen Investitionen aufzukommen, die es selbst schon lange nicht mehr tätigen will.»

Dass hier die «Republik» und Tamedia vereint im Kampf für die Steuermilliarde seien, das ist in den Augen Neffs wirklich nur noch ironisch zu verstehen. «Die klassenkämpferische Attitüde der «Republik»-Journalisten ruht in diesem speziellen Fall aber: Gemeinsam mit Supino freut man sich auf die künftigen Millionen.»

Mit liebevoller Unterstützung der Klassenkämpfer von der «Republik».

Fazit: «Dass die Verleger nicht die Kraft haben, sich aus der Umarmung der Politik zu befreien, ist bedauernswert.» Das nennt man mal eine Breitseite, einen Blattschuss. Ein Kommentar zum Einrahmen.

Es ist auch mehr als ironisch, dass einzig die NZZ, von Linken gerne bis heute als Sprachrohr des Kapitals geschmäht, so klare Worte findet. Gegen die Interessen des Kapitals, gegen den eigenen Verlag, der sich auch auf Subventionsmillionen freut.

Die NZZ erledigt die Denkarbeit und kritisiert die Unterstützung reicher Clans mit einer Steuermilliarde. Linke Exponenten werfen sich für Multimillionäre in die Bresche. «World gone mad», so nannte der alte Weise Bob Dylan vor Jahren eine Song-Sammlung. Wie recht er doch hat.