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Angsthase Scholz?

Der deutsche Bundeskanzler wird, wie der Schweizer Aussenminister, als schlapp kritisiert.

Bundeskanzler Scholz, der Zögerer und Zauderer. Bundesrat Cassis, der nicht mal russische Kriegsverbrechen anprangern will. Dabei sollte man doch endlich schwere Waffen, alles Gerät in die Ukraine liefern, das das Land braucht, um sich gegen die Invasion Russlands zu wehren. Und überhaupt, die Sanktionen, da sollte die Schweiz völlig auf ihre Neutralität pfeifen und noch viel mehr und schärfere anwenden.

Wieso findet immer noch russischer Rohstoffhandel in der Schweiz statt? Gibt es noch einen Oligarchen, der es sich in seiner Villa in Gstaad oder Lausanne oder Genf gutgehen lässt? Gibt es noch russische Künstler, die kein Auftrittsverbot haben? Wann hört man endlich auf, Tschaikowski zu spielen oder Tolstoi zu lesen?

Selbst die sonst so friedlichen und sanften Grünen hören auf, Bäume zu umarmen, und fordern lautstark, dass sich die Schweiz endlich der NATO anschliessen sollte. Selbst CH Media Clanchef Peter Wanner ist auf dem Kriegspfad und fordert in allen seinen Blättern eine «klare Kante» gegen Putin; keine Weichheiten mehr, sich ja nicht erpressen lassen.

Russland ist die grösste Atommacht der Welt? Na und, man weiss doch, wohin Appeasement führt, halbgebildete Historiker sagen nur «München 1938». Da habe man schon einmal Diktatoren nachgegeben, in der Hoffnung damit den Frieden für diese Zeit zu retten. Und ein Jahr später brach Hitler den Zweiten Weltkrieg vom Zaun.

Also doch lieber klare Kante, und wieso zögert Scholz und eiert so rum? Eigentlich ist die Antwort ganz einfach, wenn man etwas darüber nachdenkt, mit einem nicht verklebten Hirn. Selbst die «Weltwoche» findet inzwischen, Putin sei nicht ein «Unverstandener», sondern geht der Frage nach, welche Ähnlichkeiten er mit Hitler habe. Sozusagen eine Art Abbitte, dass sich Roger Köppel mal wieder in seinem ewigen Bemühen, gegen den Mainstream zu schwimmen, unter die Wasseroberfläche gedrückt hatte. Es ist halt nie eine gute Idee, einfach zu sagen: Wenn es die anderen so sehen, sehe ich das Gegenteil. Aus Prinzip. Worum geht’s eigentlich? Keine Ahnung, aber viel Meinung.

Nun erklärt sich Kanzler Scholz in einem Interview in aller Klarheit: «Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt.» Hoppla, könnte es den geben, und wenn ja, wäre das kein Videospiel? Echt jetzt? Mit echten Toten überall, mit radioaktiver Strahlung und einer Welt, die bestensfalls wie in den «Mad Max»-Dystopien aussähe?

Es gibt nunmal einen Unterschied zwischen Hitler und Putin: der deutsche Massenmörder hatte keine Atombomben. Das macht Putin nicht sympathischer, aber gefährlicher.

Alle, die bereits «Putin-Versteher» denken, dürfen hier gerne mit der Lektüre aufhören.

Denn die nächsten Fragen drängen sich auf: Ist es die Ukraine wert, einen atomaren Schlagabtausch, einen finalen dritten Weltkrieg zu riskieren? Ist es eine gute Idee, für die Ukraine eine militärische Lösung anzustreben? Will man wieder in die Logik der Stellvertreterkriege zurückfallen? Als die USA in Vietnam einfielen, unterstützte das damals noch existierende kommunistische Lager natürlich die Gegner der USA. Als die Sowjetunion sich in Afghanistan engagierte, rüsteten die USA fundamentalistische Wahnsinnige mit Stinger-Raketen aus.

Nun ist Russland in der Ukraine eingefallen und hat sich, wie die USA in Vietnam, wie die UdSSR in Afghanistan, schwer verschätzt, was die Widerstandskraft der Einheimischen betrifft. Die werden nun zunehmend mit westlichen Waffen ausgerüstet, beim schweren Gerät wie Panzer greift man noch auf Bestände der Ex-UdSSR zurück, die in ehemaligen Ostblockstaaten lagern.

Die Ukraine hat einen Eilantrag zur Aufnahme in die EU gestellt. Der Beitritt zur NATO hat sogar Verfassungsrang. Mischt sich der Westen nun immer massiver in die militärischen Auseinandersetzungen ein, kann das in der absurden Kriegslogik bedeuten, dass Putin das ab einem gewissen Punkt mit einem direkten Eingreifen der NATO gleichsetzt. Um das Bild zu vervollständigen, muss man nur noch erwähnen, dass Russland dem Westen bei konventionellen Waffen unterlegen ist.

Wer jeden Versuch einer Verhandlungslösung unter Berücksichtigung der russischen Interessen als unverständliches Appeasement gegenüber einem skrupellosen Diktator denunziert, zeigt damit eine gewisse Realitätsferne. Im Gegensatz zum weltberühmten Linguisten und politischen Aktivisten Noam Chomsky. Mit unglaublicher Luzidität gibt der der «Weltwoche» ein Interview und sagt fundamental richtige Dinge:

«Es gibt nur zwei Möglichkeiten, einen Krieg zu beenden. Entweder mit einer Verhandlungslösung. Oder mit der Vernichtung der einen oder der anderen Seite.»

Was Chomsky auch in aller nüchternen Klarheit konstatiert: «Die USA sind ein Schurkenstaat, der mit grossem Abstand der führende Schurkenstaat dieser Welt ist – niemand kommt auch nur annähernd an uns heran. Und doch fordern wir Kriegsverbrecherprozesse gegen andere, ohne mit der Wimper zu zucken.»

Man sieht, wenn man sehen will: Das mediale Gebelfer und die Forderungen nach mehr Sanktionen, mehr Boykotten, mehr Waffenlieferungen, mehr Flüchtlingen, mehr Kriegsverbrecherprozessen haben nur ein Gutes: solche medialen Forderungen von Leitartiklern abwärts haben null Wirkung. Wer nimmt denn diese Kommentatoren noch ernst. Aber die Berichterstattung lullt natürlich Volkes Stimme ein, setzt eine gewisse Grundströmung in der Bevölkerung.

Und führt beispielsweise, laut Chomsky, dazu, dass über ein Drittel der US-Bevölkerung für einen Krieg bereit sind, selbst wenn das ein Atomkrieg wäre.

Seit es Atomwaffen gibt und seit sie einige Staaten besitzen, sind alle alten Regeln der militärischen Auseinandersetzung ausser Kraft gesetzt. Vor einem atomaren Vernichtungssturm schützte uns bislang nur die banale Erkenntnis: wer hier als Erster schiesst, stirbt als Zweiter.

Ob diese Erkenntnis aber, bei all den Kriegsgurgeln, Sandkastengenerälen, Sandkastenstrategen, in der breiten Bevölkerung die Oberhand behält?

 

 

 

Putin, allein zu Haus

Krachend gescheitert und in eine Sackgasse manövriert. Muss man mal hinkriegen.

Immerhin gibt es noch einige Stimmen, sogar bei Tamedia, die erklären, «warum Zurückhaltung in einem Krieg von Haltung zeugt». Denn zu sehr hat sich die Öffentlichkeit daran gewöhnt, dass die Unschuldsvermutung, das Prinzip «über jeden vernünftigen Zweifel erhaben» Skandalisierungen geopfert wird.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist das, was im ukrainischen Butscha passierte, ein Kriegsverbrechen. Mit Sicherheit ist die Position des Schweizer Aussenministers richtig, dass eine internationale Untersuchungskommission zu einem Ergebnis kommen muss, bevor der das Wort Völkermord benützt.

Wer – was selbstverständlich sein müsste – von einem «mutmasslichen russischen Kriegsverbrechen» schreibt, versinkt in Shitstorms vom Gröbsten. Der Irrwitz daran ist, dass uns genau diese Begriffe von Willkür und Barbarei trennen, wie sie in autokratischen Staaten wie Russland oder China herrschen. Während wir uns nach Kräften bemühen, mit Russland keine Handelsbeziehungen mehr zu haben, floriert der Handel mit China.

Dort wird gerade kein offener Krieg geführt, aber was mit den Uiguren passiert, in Tibet, mit Dissidenten, in welchem Ausmass hier die Gedankenkontrolle praktiziert wird, wie sie sich nicht einmal Orwell vorstellen konnte: na und? Auch über solche Heuchelei könnte man nachdenken. Kein russisches Gas mehr, dafür aber aus Katar. Emirat, die mittelalterliche Scharia ist Grundlage der Gesetzgebung, die Halbinsel ist berüchtigt für ihre Unterstützung der Muslimbrüder und Terrororganisationen wie der Hamas. Hat aber Erdgas in Hülle und Fülle.

Ebenso wie die meisten Alternativquellen für fossile Brennstoffe, angeführt vom Mörderregime in Saudi-Arabien, das eine Oppositionellen in der Botschaft umbringt und in Einzelteilen abtransportiert. Eine Diktatur, die seit Jahren einen grauslichen Krieg im Jemen führt. Oder Libyen. Oder der Irak. Alles grauslich und zum Reflektieren, wenn man gegen russische Exporte fäustelt.

Putin hat sich ohne Not in die Kacke manövriert

Aber das alles ist nichts gegen die Position, in die sich der russische Präsident ohne Not hineinmanövriert hat. In welchem Ausmass er sich in die Kacke bewegte, illustriert ein Vergleich der Situation vor dem Überfall auf die Ukraine mit heute. Er empfing an seinem lächerlich langen Tisch einen westlichen Führer nach dem anderen und machte seine Position klar, dass er definitiv gegen einen Eintritt der Ukraine in die EU oder gar die NATO sei.

Kleiner Mann, grosses Telefon.

Zudem könne keine Rede davon sein, die Krim oder die sogenannten autonomen Provinzen im Osten der Ukraine wieder diesem Staat einzuverleiben. Im Gegenteil. Diese Position hätte er höchstwahrscheinlich durchgekriegt. Denn so wie die USA ihren Hinterhof haben, so wie sich China mit abhängigen Staaten umgibt, so will auch Russland kein feindliches Militärbündnis an seiner Flanke. Und einen Beitritt in eine Wirtschaftsgemeinschaft, die ihre Überlegenheit gegenüber dem russischen Modell vorführte, das wäre auch schlecht fürs Geschäft und die Herrschaft.

Wie nachhaltig das gewesen wäre? Präsident Putin wird dieses Jahr 70; bis an sein Lebensende hätte das wohl gehalten. Und schon Fidel Castro sagte ganz richtig auf die Frage, was denn mit Kuba passiere, wenn er mal tot sei, dass man ihn doch wenigstens im Grab mit solchen Fragen in Ruhe lassen solle.

Nun hat sich Putin aus dieser relativ komfortablen Lage in die Katastrophe manövriert. Sein gefürchteter Geheimdienst FSB hat versagt und ein rosarotes Bild gemalt, dass die Ukrainer die russischen Befreier mit Blumen bewerfen würden und jubilieren, dass sie endlich das faschistische Joch von drogenabhängigen Desperados an der Regierung loswürden.

Versagt auf ganzer Linie

Der von Putin nicht ernst genommene Komiker von Gnaden eines ukrainischen Oligarchen wuchs in der Krise über sich selbst hinaus und zeigte sich als charismatischer Führer und erster Sieger im Propagandakampf. Die TV-Auftritte von Selenskyj sind mit bescheidenen Mitteln inszeniert, durchschlagend gut und die Narrative beherrschend. Auch wenn er mit seinen Forderungen nach einem direkten militärischen Eingreifen der NATO glücklicherweise auf taube Ohren stösst.

Viele Telefone um ein Nichts.

Dagegen sitzt im Kreml oder anderswo ein kleiner Mann an einem viel zu grossen Schreibtisch mit viel zu vielen Telefonen und spricht verkniffen ab Blatt. Benützt Fäkalsprache, stösst wilde Drohungen bis hin zu atomaren aus und kann bis heute keinen einzigen vernünftigen Grund nennen, wieso er die Ukraine überfallen hat.

Blamabel ist der Krieg für die russische Armee. Veraltetes Gerät, demotivierte Soldaten, die nicht mal genau wissen, wo sie sind und wogegen sie kämpfen. Schmerzliche Verluste, schändliche Angriffe auf zivile Ziele. Auch nach sechs Wochen ist das wichtigste Ziel, die Eroberung der Hauptstadt Kiew, in weiter Ferne. Wo sich russische Truppen zurückziehen müssen, offenbaren sich schreckliche Verbrechen.

Damit nicht genug. Durch die provozierten Sanktionen ist die russische Wirtschaft – und die Bevölkerung – schwer getroffen. So wie es für den Westen nicht blitzartig möglich ist, sich von der Abhängigkeit von fossilen russischen Rohstoffen zu trennen, ist es für Russland nicht möglich, blitzartig neue Abnehmer zu finden.

Dennoch wird diese Abnabelung stattfinden, zum grossen Schaden für beide. Aber der Westen hat entschieden mehr ökonomische Reserven als Russland. Ein Staat, der seine Einnahmen wie ein Drittweltland aus dem Export von Rohstoffen generiert, ausser Trollfabriken im Hightech-Bereich nicht viel zu bieten hat. Dazu über eine Armee verfügt, die kläglich an einem viel schwächeren Feind scheitert. Aber es bleibt das Atomwaffenarsenal.

Das Verhältnis für Jahre vergiftet

Wie auch immer der Ukrainekrieg beendet wird, und das wird er: Putin ist der grosse Verlierer. Es wird eine Generation, wenn nicht länger dauern, bis sich die bilateralen Beziehungen mit dem Westen wieder normalisiert haben. Wer in der Ukraine noch Sympathien für Russland hatte, hasst es inzwischen. Wer im Westen an Wandel durch Annäherung glaubte, vertraut Russland nicht mehr.

Kein Anschluss unter dieser Nullnummer.

Alle Vorurteile, der russische Bär, die Barbaren aus dem Osten, unzivilisierte militärische Horden, die marodieren, brandschatzen, vergewaltigen, töten – sie werden nach Kräften bedient. Putin ist krachend gescheitert. Die Frage ist nur, ob es für ihn einen gesichtswahrenden Ausweg gibt oder nicht. Ob es genügend starke Kräfte in Russland gibt oder nicht, die ihn von der Macht entfernen, was diesmal sicherlich nicht wie im Fall Gorbatschows mit Hausarrest beginnen würde.

Historische Vergleiche sind immer gefährlich und von beschränkter Aussagekraft. Hitler in seinem Führerbunker war am Ende überzeugt, dass das deutsche Volk den Untergang verdient, es sich seiner nicht würdig erwiesen habe. Hätte er, vor seinem Selbstmord, auf den roten Knopf der atomaren Zerstörung gedrückt, falls der vorhanden gewesen wäre? Die Antwort ist beängstigend.

Dr. Strangelove lebt

Der richtige Moment, an einen genialen Film zu erinnern.

ZACKBUM versteht sich nicht zuletzt als bürgerliche Bildungsanstalt. Wir versuchen immer wieder, bedenkliche Lücken und Krater in der Allgemeinbildung der Leserschaft im Allgemeinen und von Medienschaffenden im Speziellen zu schliessen.

Mit gelegentlichen Hinweisen auf Egon Erwin Kisch, Lincoln Steffens, Kurt Tucholsky, Karl Kraus, Joseph Roth, Carl von Ossietzky und andere unerreichbare Vorbilder. Da ist bei den Journalisten meistens Hopfen und Malz verloren; selbst der geschenkte Kindle verstaubt in der Ecke, ein reales Buch, das hat meist mehr als sieben Siegel.

Also probieren wir es doch visuell, im Zeitalter von YouTube. Ein genialer Film des in einer Liga für sich spielenden Stanley Kubrick aus dem Jahre 1964 hat niemals seine Aktualität verloren. Aber seit der Invasion in der Ukraine bekommt er geradezu prophetische Gaben.

Wir sprechen natürlich von «Dr. Strangelove or: how I learned to stop worrying and love the bomb». Schon zu Zeiten des Kalten Kriegs konnte man der gegenseitigen Fähigkeit der beiden Supermächte USA und UdSSR, sich gegenseitig und dabei die ganze Welt zu vernichten, nur mit einer Satire beikommen. Denn wie sonst sollte man das Prinzip beschreiben, das der Welt das Überleben garantierte, dessen Abkürzung nicht umsonst MAD (für verrückt) lautete: mutual assured destruction. Gegenseitig versicherte Zerstörung, Gleichgewicht des Schreckens, oder einfach:

Wer zuerst auf den roten Knopf des Atomschlags drückt, stirbt als Zweiter.

Peter Sellers als US-Präsident.

In handlichen 93 Minuten wird diese Story erzählt: der geistesgestörte und impotente US-General Jack D. Ripper (Sterling Hayden in seiner wohl besten Rolle) erteilt den ihm unterstellten B-52-Bombern den Befehl, die Sowjetunion mit Atombomben anzugreifen. Im War Room wird daraufhin der US-Präsident davon unterrichtet (eine der insgesamt vier Rollen von Peter Sellers). Ein wilder General (grossartig George C. Scott) schlägt vor, gleich alles hinterherzuschicken, um die Chance zu ergreifen, die Roten ein für alle Mal fertigzumachen.

Sterling Hayden als Jack D. Ripper.

Unaufhaltsam dem Ende entgegen

Der Präsident informiert stattdessen die Sowjetunion über den Fehlangriff. Die teilt aber mit, dass sie eine Weltvernichtungsmaschine konstruiert habe, die auf einen solchen Angriff automatisch und nicht aufhaltbar mit dem totalen atomaren Gegenschlag reagieren würde. Daraufhin wird der Luftwaffenstützpunkt des verrückten Generals zurückerobert, und es gelingt, den Code für den Rückruf der Richtung UdSSR fliegenden Bomber zu behändigen.

Peter Sellers als Captain Kong.

Alle kehren daraufhin um, aber das Flugzeug des texanischen Captains «King» Kong wurde von einer Abwehrrakete getroffen, die seine Funkanlage zerstörte. Also fliegt die Maschine weiter. Kong löst höchstpersönlich den Abwurf der Atombombe aus, sitzt rittlings auf ihr und schwingt dabei seinen Cowboyhut.

Peter Sellers als Dr. Seltsam.

Währenddessen hat im War Room Dr. Seltsam seinen grossen Auftritt. Der ehemalige Nazi, nun im Dienst der USA, sitzt im Rollstuhl und erklärt, wie es möglich sein wird, in Bergwerken zu überleben und dort in den nächsten hundert Jahren die Zukunft der US-Gesellschaft zu sichern. Gelegentlich reckt er seine rechte Armprothese zum Hitlergruss, und am Schluss seines Vortrags stemmt er sich aus dem Rollstuhl und schreit: «Mein Führer, ich kann wieder gehen.»

George C. Scott als wilder General.

Der Film endet, untermalt vom Kriegsschlager «We’ll meet again», mit einer apokalyptischen Abfolge von Atombombenexplosionen.

Das war der Moment, wo die Satire ihre volle Wucht entfaltete. Denn gekitzelt von einer dichten Abfolge satirischer Szenen, die immer wieder Gelächter auslösen, bleibt dem Zuschauer hier das Lachen in der Kehle stecken.

Peter Sellers als englischer Verbindungsoffizier mit Ripper.

Denn alle Archetypen solcher Entscheidungen sind in diesem Film versammelt. Der impotente General, der willige Befehlsempfänger, der rücksichtslose Feldherr, der mit Skrupeln beladene oberste Entscheider, der verrückte Wissenschaftler. Vor allem aber die geradezu maschinell-präzise Verkettung sogenannter unglücklicher Umstände, die am Schluss zum unvermeidlichen Ende im atomaren Feuersturm führt.

Der Film ist, ein schwerer Schlag für die Gratis-Generation, im Internet nicht umsonst zu haben, kann aber mit wenigen Handgriffen gekauft und gestreamt werden. Diese anderthalb Stunden seien jedem (und jeder, auch Non-Binäre sind inkludiert) ganz warm ans Herz gelegt.

Peter Sellers als der verkörperte Wahnsinn.

Ähnlichkeiten mit realen Personen und Ereignissen sind nicht zufällig

Man sollte sich an den Film erinnern, wenn man den ukrainischen Präsidenten hört, der eine No-Fly-Zone über der Ukraine fordert, durchgesetzt von der NATO. Die das (bislang) zurückweist, weil es eine direkte Konfrontation mit Russland bedeuten würde. Man sollte sich daran erinnern, wenn der polnische Vizeregierungschef Kaczynski eine «NATO Friedensmission» fordert. Konkret ein bewaffnetes Eingreifen von NATO-Truppen auf dem Territorium der Ukraine.

Denn leider ist es so, dass alle die von Kubrick karikierten Typen von Entscheidungsträgern nicht nur schwarzweiss in diesem Film existieren. Sondern auch heute in Fleisch und Blut. Farbig in der Realität, aber genauso durchgeknallt wie Dr. Seltsam und Konsorten. Natürlich, dazu gehört auch der russische Präsident Wladimir Putin, zuvorderst sogar.

Denn er ist jetzt schon der grosse Verlierer, unabhängig davon, ob er den Krieg militärisch gewinnt oder nicht. Und Verlierer neigen zu irrationalen Reaktionen. Genau wie Kriegsgurgeln im Westen, während der ukrainische Präsident wenigstens mildernde Umstände bei seiner Forderung geltend machen kann. Deren Umsetzung aber die Welt ebenfalls einen kräftigen Schritt näher an die atomare Zerstörung bringen würde.

Denn was in diesem Film ganz harmlos beginnt, ist auch heute oberflächlich betrachtet harmlos. 2000 Kilometer von der Schweiz entfernt (24 Autostunden, ohne Schikanen) herrscht Krieg, wird um die Hauptstadt Kiew gekämpft. Lokal, ohne Einsatz von Atomwaffen. Gefährlicher war schon die Eroberung eines ukrainischen AKW, von denen es noch – neben Tschernobyl – drei weitere gibt. Deren mögliche Zerstörung würde eine atomare Katastrophe auslösen.

Oberhalb davon ist der Mechanismus der gegenseitigen Eskalation, die auch mal MAD ausser Kraft setzen kann. Denn MAD ist schon verrückt, aber richtig Verrückte könnten sich auch verleitet sehen, tatsächlich einen atomaren Schlagabtausch zu riskieren. Vielleicht sollte man daher den Film nicht am späten Abend schauen …

Wumms: Mauro Mantovani

Wer wird Chefexperte? Hier der zweite Versuch des «Blick».

Immerhin: Mauro Mantovani ist Head, Department of Strategic Studies bei MILAK at ETH Zurich. MILAK steht für Militärakademie. Wenn man Wikipedia glauben darf, ist das die «Ausbildungsstätte für die Aus- und Weiterbildung der Berufsoffiziere der Schweizer Armee. Sie ist ein national und international anerkanntes Kompetenzzentrum für Militärwissenschaften».

Allerdings muss man sich Sorgen um die Ausbildungsqualität der Schweizer Offiziere machen. Denn ein leicht zerstreuter «Head» stottert im «Blick TV» vor sich hin und hat gelegentlich Mühe, einen Satz korrekt und siegreich zu beenden.

Mantovani hat immerhin eine interessante Erklärung, was die Ausrufung erhöhter Alarmbereitschaft bedeute. Don’t panic, nun könne der Befehlshaber vor Ort, bspw. in einem Atomsilo, den Entscheid nicht mehr autark treffen. Es handle sich vielmehr um eine «Straffung der Entscheidungsstruktur».

Ohä. Vorher konnte laut dem «Head» also ein Kommandeur, sagen wir auf der Halbinsel Kamtschatka, einen Atomkrieg entfesseln, wenn ihm seine Videospiele zu langweilig geworden wären?

Nun aber sei es so, dass Putin wohl nicht alleine losschlagen könne; auch der Verteidigungsminister und der Militärchef sässen dann an dem Tisch, «wo der rote Knopf äh, äh angebracht ist». Hoffentlich ist das nicht dieser lange, weisse Tisch, an dem Präsident Putin vor der Invasion ausländische Staats- und Regierungschefs empfing.

Das wird uns sicher wieder Minuspunkte in der Bewertung als genderneutrale Institution eintragen, aber wir können es nicht lassen, bei diesem Screenshot die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die Lippen der Moderatorin zu lenken. Wir haben da einen Verdacht, den wir aber nicht äussern wollen.

Wumms: Laurent Goetschel

Die «Experten» kämpfen um Aufmerksamkeit.

Laurent Goetschel ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Basel und Direktor der Schweizerischen Friedensstiftung (swisspeace). Nachdem Virologen zurzeit nicht so gefragt sind, bricht die gute Zeit für Politologen, Kreml-Astrologen, Slawisten und Wodka-Trinker an.

Jedes Organ sucht noch nach dem Oberchampion und Putin-Erklärer. Nau.ch hat schon mal kräftig ins Klo gegriffen. Das Online-Portal wollte von Goetschel wissen, was er von Putins Ankündigung einer erhöhten Alarmbereitschaft für «Abschreckungswaffen» hält.

«Die Kommunikation von Putin deutet darauf hin, dass er sich bedrängt fühlt.» Gut, dafür muss man noch nicht studiert haben. Sind denn Sorgen vor einem Atomkrieg dennoch unbegründet, fragt nau.ch bang: «Ja, davon bin ich nach wie vor überzeugt», meint der Professor. Aber bevor der Leser aufatmen kann, fährt Dr. Strangelove fort:

«Mal ganz abgesehen von den enormen humanitären Konsequenzen wäre es auch ein Zeichen der Schwäche.»

Genau, der Einsatz von Atombomben wäre sackschwach, lieber Herr Präsident. Bedenken Sie auch: «Am Schluss hätten damit alle verloren, insbesondere aber auch Putin.»

ZACKBUM findet, der Schweizer Steuerzahler verliert jetzt schon das Geld, das die Finanzierung dieser Professorenstelle kostet.