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Milei macht Ernst

Und hat dafür seinen Mann fürs Kleinklein. Don’t cry for me, Argentina, diesmal live.

Es wird mal wieder augenfällig: während Tamedia dummes Gewäffel übernimmt und das angeblich arme Argentinien bemitleidet, das noch drei Jahre unter dem neuen Präsidenten Milei aushalten müsse, der bekanntlich ein brutaler, neoliberaler Anarcho-Kapitalist sei, der die Bevölkerung in die Massenarmut schicke, analysiert die NZZ die Arbeit seiner Regierung genauer.

«Der rechtsliberale Staatschef ist kein Vorbild, sondern eine Gefahr», behauptet der SZ-Journalist Christoph Gurk, frei von jeglicher ökonomischer Sachkenntnis, natürlich auch in den Blättern von Tamedia. Ganz anders der NZZ-Korrespondent Alexander Busch. Man kann ihm höchstens vorwerfen, dass er zu einem etwas reisserischen Titel gegriffen hat. Aber der Inhalt seiner Analyse ist das, was Qualitätsjournalismus ausmacht:

Genauer hinschauen und erklären. In diesem Fall schaut Busch auf die Tätigkeit von Federico Sturzenegger, dem Chef Deregulierung von Milei, der offenkundig Schweizer Abstammung ist. Nun ist schon alleine Deregulierung für viele woke Journalisten ein rotes Tuch. Dabei bedeutet es in diesem Fall, dass Sturzenegger ganze 4200 Gesetze und 2000 internationale Abkommen Argentiniens daraufhin durchforstet hat, ob sie sinnvoll sind, abgeschafft oder geändert gehören.

Er kam schon vor der Präsidentschaft Mileis zum Schluss, dass 300 Gesetze ganz abgeschafft und viele hundert umgeschrieben werden müssen: «Alles müsse von Grund auf geändert werden, um die Privilegien abzuschaffen, die sich durch den Staat eingenistet hätten, sagt er.»

Busch zitiert einen engen Mitarbeiter Sturzeneggers, der selbst kaum Interviews gibt: «Für den Deregulierer sei der argentinische Staat von Partikularinteressen kooptiert. Unternehmer, Gewerkschafter und Politiker hätten sich Privilegien verschafft und saugten seit Jahrzehnten die Ressourcen des Staates ab. Wenn man sich die Liste der reichsten Argentinier anschaue, stünden an der Spitze dieselben Familien wie vor fünfzig Jahren. Damit wolle Sturzenegger Schluss machen.»

Während Oberflächenbetrachter sich am Bild von Milei mit der Kettensäge festhalten und unken, dass der den Staat zerstören wolle, stellt Busch richtig: «Tatsächlich ist aber wenig bekannt darüber, wie langfristig und akribisch die Deregulierung in Buenos Aires vorbereitet wurde und wie radikal und diszipliniert sie jetzt umgesetzt wird. Wie eine Maschine produziert Sturzeneggers Team täglich neue Gesetzesänderungen, die mit der Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft treten

Erste Erfolge sind unübersehbar:

«Es sei eine beachtliche politische Leistung Mileis, die Staatsausgaben um ein Viertel gekürzt zu haben, sagt der befragte Ökonom. Keine Regierung zuvor habe es gewagt, die zentrale Ursache des jahrzehntelangen Inflationsproblems so radikal anzugehen.»

Die Bürokratie ist auch in Lateinamerika ein Grundübel der Gesellschaft. Denn die einfache Tatsache wird gerne übersehen, dass kein Beamter in irgend einer Form Wertschöpfung betreibt, produktiv im ökonomischen Sinn ist. Daher die zweite Stufe der Staatsreform: «40 000 Beamte sollen in den nächsten drei Monaten Prüfungen ablegen, ob sie die Kriterien für ihren Job erfüllen. Geprüft werden Mathematik, Logik, Denk- und Lesefähigkeit sowie Kenntnisse im öffentlichen Recht. In drei Stufen, je nach Position.» Nachdem bereits 33’000 auf einen Schlag entlassen wurden. Ohne dass Anarchie und Chaos ausgebrochen wären.

Die Sondervollmachten Mileis und Sturzeneggers laufen am 8. Juli 2025 ab, da der Präsident im Parlament über keine Mehrheit verfügt, regiert er mit Dekreten.

Ob das Experiment einer Radikalkur nach Jahrzehnten des Niedergangs, der Vetternwirtschaft, der Korruption, in denen Argentinien, einstmals das reichste und produktivste Land der Welt, von Staatsbankrott zu Staatsbankrott taumelte, gelingen wird, ist absolut offen.

Aber zumindest die meisten Argentinier wissen, dass es so, wie es war, nicht weitergehen konnte und kann. Nur diverse Korrespondenten und ideologisch verblendete «Analysten» müssen das noch lernen. Statt mit Schlagworten um sich zu werfen, wäre ein genauer Blick auf die Wirklichkeit ein erster Schritt.

Schreiben über sich selbst

Sebastian Briellmann treibt das in der NZZ sehr weit.

Kaum von der «Basler Zeitung» in die Inlandredaktion der NZZ eingewechselt, haut Briellmann schon einen raus, dass die Wände wackeln:

«Der überforderte Bürger: 1,7 Millionen erwachsene Schweizer können kaum lesen oder rechnen», titelt er anklägerisch. Und fragt bang: «Was sagt das über das Land aus?» Die Schweiz, ein Land von funktionalen Analphabeten mit versagendem Schulsystem, die ständig beim Bezahlen übers Ohr gehauen werden?

Das ist eine Interpretationsmöglichkeit. Oder aber, es handelt sich um einen einzigen Redaktor, der nicht mal in der Lage ist, die Resultate einer Untersuchung richtig einzuordnen. Und das in einem Blatt, das Analyse und Einordnung als seine Kernkompetenz sieht. Aber vielleicht sind halt zehn Tage seit Start etwas zu wenig, damit sich Briellmann gleich aufs Niveau der alten Tante hochschwingen kann.

Den Einstieg nudelt er nach Methode 08/15 runter ein, zwei konkrete Beispiele für die Leseschwäche. Dann der Aufschwung ins Allgemeine: in der Studie «Pisa für Erwachsene» der OECD kam heraus: «Jeder Zehnte zwischen 16 und 65 in der Schweiz versteht» eine einfache schriftliche Aufforderung nicht, dazu kommt: «Weitere 20 Prozent sind dazu zwar in der Lage, verstehen aber nicht mehr als simple Botschaften, etwa auf einer Liste.»

Nicht besser stehe es bei den «Fähigkeiten in Alltagsmathematik und der Problemlösung». Schrecklich: «Insgesamt hat fast ein Drittel in mindestens einem der Bereiche «geringe Kompetenzen». Das sind 1,67 Millionen Menschen in diesem Land.»

Briellmanns Schlussfolgerung: «der überforderte Bürger». ZACKBUMs Schlussfolgerung: der überforderte Journalist. Lesen und schreiben kann er offensichtlich, aber verstehen? Briellmann fügt noch hinzu, dass sich die Verfasser der Studie «einigermassen konsterniert» zeigten: «Die Ergebnisse hätten sich in den letzten zehn Jahren, als diese Studie letztmals gemacht worden sei, verschlechtert.»

Der überforderte Bürger? So ganz nebenbei weist Briellmann auf eine mögliche Ursache des Problems hin: «Es zeigt sich beispielsweise, dass die Schweiz als beliebtes Einwanderungsland auch Folgen dieser Migration spürt.»

Vielleicht ein wenig Alltagsmathematik für Anfänger: Der Ausländeranteil in der Schweiz betrug Ende 2023 2,4 Millionen oder 27 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung. 2014 waren es noch 1,95 Millionen … davon sind rund 200’000 Flüchtlinge.

Könnte es vielleicht sein, dass ein nicht unbedeutender Prozentsatz der «überforderten Bürger» aus Weltgegenden stammt, wo man weder in der Fremdsprache Deutsch, noch in der eigenen Sprache bewandert ist? Und wo auch einfache Mathematik oder Problemlösen keine Kernkompetenzen sind?

Oder ist es inzwischen auch bei der NZZ erlaubt, primitiven Thesenjournalismus zu betreiben, wo man im Titel mal einen raushaut und dann im Text versucht, dem nachzurennen?

ZACKBUM hofft, dass Briellmann so die Probezeit, sollte eine vereinbart worden sein, überlebt. Dabei würde sicherlich helfen, wenn er mal nachrechnen täte, wie hoch der Prozentsatz von ausländischen überforderten Problembürgern ist, und wie hoch da wiederum der Prozentsatz von geflüchteten Bürgern. Gerne auch aufgeschlüsselt nach Herkunftsland und Geschlecht. Wenn das nicht zu viel Mühe macht oder seine Fähigkeiten übersteigt …

 

Eine Meldung und ihre Geschichte

Aus den Niederungen des modernen Qualitätsjournalismus.

Tamedia, das Haus der Qualitätsmedien mit dem unbedingten Anspruch, dorthin die Weichen zu stellen, am liebsten mit Entlassungen, tickert in vollem Bewusstsein seiner staatsbürgerlichen Verantwortung eine kleine Meldung aus dem Nahen Osten:

UN-Hauptquartier im Libanon beschossen – zwei Verletzte
Israelische Truppen haben im Libanon nach Darstellung der Vereinten Nationen das Hauptquartier der UN-Mission Unifil beschossen und dabei mindestens zwei UN-Soldaten verletzt. Ein Panzer der israelischen Armee habe einen UN-Beobachtungsposten direkt getroffen.
Der Beschuss ereignete sich in Nakura im südlichen Grenzgebiet. An der Mittelmeerküste ist es der erste grössere Ort im Libanon nahe der Demarkationslinie mit Israel. Die Unifil-Mission hat hier ihr Hauptquartier. Dieses und die Umgebung seien «wiederholt getroffen» worden, erklärte der Unifil-Sprecher. Die beiden UN-Soldaten seien nicht schwer verletzt, nach dem Angriff aber im Krankenhaus. Ein weiterer israelischer Angriff habe auch den Eingang zu einem Bunker getroffen, in dem UN-Soldaten Schutz gesucht hatten. Dabei seien auch UN-Fahrzeuge und ein Kommunikationssystem beschädigt worden. (SDA)

An diesem schönen Beispiel kann man sich fragen, ob diese Art von Journalismus noch einen Rappen wert ist. Zunächst einmal handelt es sich um eine Tickermeldung der SDA, einer Newsagentur. Eigenleistung Tamedia: null.

Nun könnte man sich  – da ja dafür Geld verlangt wird – eine Eigenleistung von Tamedia vorstellen. Was behaupten die Qualitätsmedien immer? Einordnung, Interpretation, Analyse. Also ein Zusatznutzen, der es verständlich macht, wieso Tamedia für den Konsum seiner Leistung Geld verlangt.

Und zwar nicht zu wenig. Das Angebot «Classic Plus», täglicher Zugang Print und umlimitiert Internet, sieben Tage die Woche, kostet läppische 759 Franken im Jahr.

Das ist nun ein Zehntel eines monatlichen Durchschnittseinkommens eines Schweizers. Also nicht nichts. Oder der Gegenwert von 152 Kaffees, um die Einheit der «Republik» in Ansatz zu bringen.

Dafür kann man vielleicht ein Quentchen Leistung erwarten. Denn überraschenderweise ist es im Kapitalismus so, dass ein kostenpflichtiges Angebot so attraktiv sein muss, dass es eine entsprechende Nachfrage auslöst.

Tamedia, im Sinne Simon Bärtschis, hält es allerdings so, dass es weniger Angebot bei gleichbleibenden Preisen als ein zukunftsfähiges und nachhaltiges Geschäftsmodell präsentiert.

Nun wäre die von der SDA übernommene Meldung, dass Israel ein neuerliches Kriegsverbrechen begangen hat, durchaus der Analyse und Einordnung wert. Ist die Darstellung der UNO korrekt? Was sagt das israelische Militär dazu? Selbst Kindersoldaten im Newsroom, denen man noch nicht den Zugang zu Internet und Skype beschränkt hat, wären allenfalls in der Lage, dazu noch Mehrwert beizusteuern.

Aber diese kleine Tickermeldung illustriert perfekt: das ist dem Qualitätsorgan Tamedia schlichtweg wurst. Scheissegal. Seine verbleibenden Redaktoren kümmern sich lieber um die Betrachtung des eigenen Bauchnabels, um die genderkorrekte Verwendung der Sprachvergewaltigung, um den Kampf gegen rechts, gegen Rechtspopulismus, Ausgrenzung und Diskriminierung.

Statt um die eigentliche Aufgabe, für die man tatsächlich Geld verlangen könnte. Sind immer weniger Konsumenten verständlicherweise bereit, dafür das Portemonnaie zu öffnen, wird nicht etwa das eigene Versagen hinterfragt. Sondern die Arglist der Zeiten bejammert und direkt oder indirekt Staatssubvention eingefordert.

Es ist schon nassforsch, was der gierige Coninx-Clan hier aufführt. Innerhalb der Holdingstruktur von TX werden alle Geschäftsfelder in einzelne Profitcenter aufgesplittet. Der ursprünglichen Quelle allen Reichtums, den Newsmedien, werden alle mit ihnen gross gewordenen Einkommensgebiete wie Stellen-, Wohnungs- oder Verkaufsanzeiger weggenommen. Dennoch sollen sie weiterhin eine absurde Profitrate erwirtschaften. Ist ein Organ zu erfolgreich, wird «20 Minuten» aus der Medienholding herausgenommen und zu einem eigenen Profitcenter gemacht, damit ja keine Quersubventionen entstehen können. Die geforderte Profitrate kann von einem überforderten Management lediglich durch Skelettierung und unablässige Sparrunden auf Kosten der Qualität und des Inhalts erzielt werden.

Worauf der Coninx-Clan dann sagt: Achtung, Gefahr, die Vierte Gewalt im Staate ist existenzgefährdet, subventioniert sie, damit wir uns weiterhin Luxusvillen und Yachten leisten können.

Gibt es eine Steigerung von absurd?

So ein Frechdachs

Eric Gujer schreibt das Unaussprechliche.

Der NZZ-Chefredaktor hat Mut. Andere reden von Brandmauern, ein CH-Media-Korrespondent erklärt sich umständlich, wieso er die AfD als «rechtsradikal» bezeichne, auch wenn das seinen Lesern nicht passt.

Da man Björn Höcke laut Gerichtsurteil als Faschisten beschimpfen darf, «plagt die Deutschen wieder ein Albtraum: Der Faschismus steht vor der Tür. In Thüringen liegt Björn Höcke fast zehn Prozentpunkte vor der zweitplatzierten CDU».

Der öffentlich-rechtliche Staatsfunk in der BRD kriegt sich fast nicht mehr ein: «Die ZDF-Chefredaktorin Bettina Schausten verglich den Wahlsieg Höckes mit Hitlers Überfall auf Polen.» Auf diesen groben Klotz setzt Gujer einen groben Keil: «Der mit einer Zwangsabgabe finanzierte und daher zur Ausgewogenheit verpflichtete Sender begibt sich auf das Niveau von Fake News und Geschichtsfälschung

Dann lässt er etwas Geschichtskenntnisse über den Leser regnen, wieso Vergleiche mit der Weimarer Republik so abseitig sind wie Versuche, aus Höcke einen Wiedergänger Hitlers zu machen. Der Mann ist ein Brandstifter und zeuselt gerne mit angebräunten Begrifflichkeiten, aber ein Faschist im Sinne Hitlers ist er sicher nicht.

Daher konstatiert Gujer kühl: «Ministerpräsident Höcke, na und? Eine Demokratie, die es nicht aushält, wenn auch einmal zweifelhafte Gesellen die Regierung bilden, ist keine.»

Dann analysiert Gujer mit echtem Weitblick weiter, wo andere in Gewäffel und Warnrufen verharren. Denn das Problem in Deutschland wie in den USA ist: wenn mehr als 30 Prozent – oder wie in den USA fast 50 Prozent – den «falschen» Kandidaten wählen, wie wird der Mainstream-Journalismus damit fertig? Er knödelt einige Sätze über das Recht auf freie Wahl, um dann aber mehr oder minder gewunden durchblicken zu lassen, dass Staatsbürger, die Höcke oder Trump wählen, damit eigentlich ihr Wahlrecht verwirkt haben. Zu blöd, zu einfältig, falsch gewählt, rauswinken, wegstellen, im Staatskundeunterricht nachsitzen.

«Die Vorstellung, ein Höcke könne wie Hitler die Republik zu Fall bringen, ist so absurd, dass man an der Zurechnungsfähigkeit der kommentierenden Klasse zweifelt. Wenn die kollektive Hysterie wütet, muss man sich verweigern. Auch das ist Zivilcourage. Nichts wäre entlarvender als eine von Sahra Wagenknecht geduldete Minderheitsregierung der AfD in Thüringen. Den Phrasen würde die Luft herausgelassen. Schnell erwiese sich Höckes Widerstandsgestus als Popanz. Oder fürchtet man, dass er ganz passabel und vor allem: populär regieren könnte? Dann wäre nicht der Populist das Problem, sondern die etablierten Parteien und ihre Unfähigkeit, den Zeitgeist in attraktive Politik zu verwandeln.»

Geradezu putzig wird es, wenn Gujer dem marxistischen Historiker Eric Hobsbawm die Referenz erweist, der bekanntlich das 20. Jahrhundert das «Zeitalter der Extreme» nannte. Um Hobsbawm gleich anschliessend indirekt eine überzubraten, indem Gujer sich einen Ausrutscher leistet: «Lenin wie Hitler gelang ihre Revolution nicht nur wegen ihrer Ruchlosigkeit, sondern auch weil ihre Botschaften die Massen überzeugten.»

Der ewig untaugliche Vergleich, der durch seine Wiederholung weder besser, noch richtiger wird.

Aber dann wird es wieder glasklar bei Gujer: «Die Populisten von heute wollen die herrschende Ordnung nicht stürzen, weil sie diese brauchen. Nur so können sie gegen das «System» und die «Systemparteien» polemisieren. Viktor Orbans Protest geht gerade so weit, dass er Brüssel zwar ärgert, aber die ungarischen Pfründen nicht gefährdet. Dem Gulasch-Illiberalismus fehlt die kriminelle Energie, die es für eine Revolution braucht. Er hat ein parasitäres Verhältnis zur EU, kein revolutionäres

Schlussfolgerung: Das 21. Jahrhundert beherbergt (noch) keine Extreme, sondern: «Heute dominiert rationaler Opportunismus, wie ihn Giorgia Meloni und Marine Le Pen vertreten.»

Gujer empfiehlt, dass die AfD mit dem BSW eine Koalition bilden sollte, in der sich beide entzaubern könnten. Aber dafür sei Sahra Wagenknecht halt zu schlau, diagnostiziert er.

Dann fällt er mit voller Wucht über die CDU her: «Stattdessen führt man in Thüringen ein erbärmliches Schauspiel auf. Die CDU ist so versessen auf die Macht, dass sie alles zusammenkratzen wird, um eine Regierung zu bilden. Zwar haben sich die Christlichdemokraten geschworen, nie mit den Erben der kommunistischen Diktatur gemeinsame Sache zu machen. Doch ist das einerlei, seit der Parteichef Friedrich Merz Wagenknecht zur möglichen Koalitionspartnerin in den Ländern geadelt hat. Ausgerechnet Wagenknecht.»

Der Todesstoss, elegant gesetzt: «Ein Unvereinbarkeitsbeschluss in Bezug auf die Linkspartei, aber ein Bündnisangebot an das BSW: Die CDU verläuft sich im Unterholz der ostdeutschen Politik. … Warum die CDU mit der Altstalinistin Wagenknecht zusammengehen kann, aber gegenüber der AfD eine Brandmauer errichtet, ist schwer verständlich.»

Man kann nun politisch nicht das Heu auf der gleichen Bühne wie Gujer haben. Aber es ist unbestreitbar, dass gegenüber seinen Kommentaren und anderen Blicken die Kommentare und Analysen der übrigen Journaille in der Schweiz verzwergen, peinlich provinziell, intellektuell mit kleinem Besteck angerichtet wirken. Von sprachlicher Brillanz ganz zu schweigen. Von der Spitze von Tamedia abwärts und aufwärts wirkt deren Geholper so, wie schon Franz Kafka den Schweizer Dialekt nannte: ein mit Blei ausgegossenes Deutsch.

 

Heiteres Kriegerlis-Raten

Da guckst du. Was macht denn die Ukraine in Russland?

Nun ist’s doch schon einige Tage her, dass ukrainische Truppen in Russland eingefallen sind. Das brachte vor allem die deutsche Regierung etwas in die Bredouille; weil schon wieder deutsche Panzer in der Nähe von Kursk, das erinnert halt fatal ans letzte Mal, als unter Adolf Nazi die deutsche Wehrmacht hier barbarisch hauste.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich die Indizien verdichten, dass die Sprengung der Nordsee-Pipeline von Selenskyj höchstpersönlich angeordnet und von ukrainischen Tauchern durchgeführt wurde. Das geht jedenfalls aus einem profunden Recherchierstück des «Wall Street Journal» hervor. Und das wäre dann nicht nett gegenüber Deutschland.

Aber fast noch schlimmer hat’s alle Kriegsgurgeln und Kommentatoren und Analysten und Besserwisser und Schreibtischgeneräle erwischt. Was soll man von diesem Einmarsch halten? Der Leser erwartet Einordnung und Analyse. Serviert bekommt er Gewäsch:

«Zurzeit sei sehr schwer abzuschätzen, ob diese Operation tatsächlich ein strategischer Erfolg wird, sagt der Militärexperte Georg Häsler in dieser Videoanalyse.» Wo ist nur der zackige Oberst Häsler in der NZZ, wenn man ihn mal braucht.

Auch der ETH-Militärexperte Marcus Keupp «ordnet ein». Unverdrossen, nachdem er schon mal den baldigen Sieg der Ukraine vorhergesagt hatte. Allerdings für den Herbst 2022. Dadurch gewitzt, ist er nun entschieden vorsichtiger geworden und äussert nur noch Brei:

«Die Ukraine führt diesen Krieg als eine Art Testoperation.» Ach was, was wird denn da getestet? «Es gibt kein klares Operationsziel, sondern man versucht eher, Lücken im Gelände ausfindig zu machen.» Und was macht der Russki? «Auch wenn die Russen im Moment ziemlich dilettantisch agieren, wird es ihnen irgendwann schon gelingen, diesen Raum abzusichern.» Raum absichern, das Gummiwort des Tages.

Wie immer völlig sicher in seiner Analyse ist sich der Kriegstreiber am heimischen Herd der «Süddeutschen Zeitung» in München. Der Tagi übernimmt brav, was Stefan Kornelius nicht wieder alles weiss: «Moskau soll sehen, dass es verwundbar ist». Inzwischen hat er auch den Kremlherrscher Putin völlig durchschaut: «Offensichtlich gehört es zu den Mustern des Krieges, dass Putin Muster nicht erkennt.»

Völlig gaga wie immer ist der «Nebelspalter». «Die Ukraine trägt den Krieg nach Russland. Gut so.» Na ja, wenn man einen Chef hat, der schon die Bombardierung Moskaus forderte …

Nur «watson» ist für einmal nachdenklich: «Ukrainer rücken in Russland vor – und haben sich damit womöglich komplett übernommen». Ein Hintertürchen gibt’s allerdings, sollte das nicht der Fall sein: das Zauberwort «womöglich». Und selbst die SDA buddelt etwas im Sandkasten: «Ukraine sieht Kursk als Faustpfand für Friedensverhandlungen

Eher fatalistisch gestimmt ist dagegen «20 Minuten»: «Ukraine erobert 1000 km2 Russland – und wartet auf Putins Rache». Und «Cash» schliesslich weiss: «Krisensitzung in Moskau: Putin will endlich Ruhe an neuer Front von Kursk».

Ruhe, wer will das nicht. Der Leser will vor allem seine Ruhe vor all diesen Kommentatoren, die doch Mal für Mal nichts anderes zeigen als: sie haben keine Ahnung. Sie können nichts vorhersehen. Ihre Analysen haben eine Halbwertzeit von einer Flasche Wodka bei einem russischen Umtrunk. Niemand von ihnen hat mit der Möglichkeit gerechnet, dass die Ukraine die Grenze zu Russland überschreitet.

Keiner ist in der Lage, die möglichen Folgen aufzuzählen. Ein Debakel nach dem anderen. Nach wie vor ist völlig unklar, wie sich diese Lage weiterentwickeln wird. Genauso unklar, wann es endlich zu Friedensverhandlungen kommen wird. Denn nur völlig verblendete Kriegsgurgeln rechnen ernsthaft damit, dass die Ukraine Russland zurückschlagen oder gar besiegen könnte.

Wer Sieger wird, steht in den Sternen. Nur die Verlierer sind längst bekannt. Die ukrainischen und russischen Soldaten. Die Zivilbevölkerung. Und der Leser, der sich solchen Quatsch und solches Gequassel anhören muss. Muss? Muss er eben nicht …

 

Wie im hölzigen Himmel

Die NZZ ist neben der Spur.

Man könnte meinen, dass bei einem staatstragenden Ereignis wie auf dem Birkenstock die weltläufige NZZ zur Höchstform aufläuft und Halt sowie Orientierung, von tiefdurchdachter Analyse ganz zu schweigen, abliefert. Aber leider hätte man sich selten so getäuscht, wäre das die Erwartung gewesen.

Wer einen Militärkopf in Militäruniform Kriegsgegurgel faseln lässt, von dem kann man leider beim Thema Ukrainekrieg nichts gut Ausgebackenes erwarten.

Auch Andreas Rüesch erfüllt mal wieder alle Erwartungen, die man in einen Kommentar von ihm setzen muss. Da kommt nichts Gescheites bei raus, wie schon der Titel seines neusten Ergusses zeigt: «Wenn die Ukraine auf dem Bürgenstock nicht gestärkt wird, haben alle verloren, auch die Schweiz».

Dann wirft er allen anderen einen Denkfehler vor, indem er selbst einen begeht: «Sicherheit in Europa entsteht nicht mit, sondern gegen Russland.» Das ist wirklich glorios. Bislang dachte man, dass ein Krieg durch eine Friedenskonferenz unter Beteiligung der Kriegsparteien beendet wird. Ganz falsch, meint Rüesch. Dass er mit diesem Denkfehler ziemlich alleine dasteht, kümmert ihn nicht. Dass Sicherheit in Europa, ob einem das passt oder nicht, immer nur mit Russland entstehen kann, das zum Teil ein Teil Europas ist, das ist eine historische Konstante und banal, dass man sich wundert, dass das jemand mal wieder in Frage stellt.

Rüesch denkt wie der Geisterfahrer, der die Warnmeldung im Autoradio hört und sich sagt: ein Geisterfahrer? Hunderte!

Bei ihm gilt: ein einziger Denkfehler? Nein, einer nach dem anderen: «Die Schweiz ist unter Druck geraten wegen ihrer international unverständlichen Neutralitätspolitik und ihren als schäbig empfundenen Hilfeleistungen an die Ukraine.» Was soll an der Einhaltung der Neutralität unverständlich sein, so ausserhalb des Denkapparats von Rüesch? Und was soll an Schweizer Hilfsleistungen schäbig sein? Weil die keine Waffen enthalten, wie es die Neutralität gebietet? Weil die Schweiz nicht grossmäulige Ankündigungen wie Frankreich oder Schweden macht – die dann nichts oder kaum was liefern, im Gegensatz zur Schweiz?

Aber zurück zur grossen Weltpolitik gestern, heute und morgen. Da muss Rüesch nun allen Fehldenkenden eine Lektion erteilen: «Der Bundesrat hat denn auch immer wieder durchblicken lassen, dass er Russland gerne mit am Tisch sähe, wenn nicht jetzt, so spätestens beim nächsten Mal. Diese Sichtweise zeugt von einer erschütternden Weltfremdheit und Geschichtsvergessenheit

Wie ist es denn, wenn man so wenig weltfremd und geschichtsvergessen wie Rüesch ist? «Grosse Kriege enden aus ganz anderen Gründen – in aller Regel, weil eine Seite militärisch niedergerungen wurde oder keine Perspektiven für militärischen Erfolg mehr sieht.» Der Irrwisch meint also ernsthaft, man könne Russland – auf Kosten der Ukraine, versteht sich – militärisch niederringen? Das ist erschütternd.

Auch wenn er mit dem ehemaligen deutschen SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel einig geht. Der faselt auch davon, erst noch als Deutscher, dass man Russland «niederringen» sollte. Der letzte Versuch endete mit 25 Millionen toten Russen und einem völlig zerstörten Deutschland.

Aber wer wie Rüesch im vollen Galopp in Parallelwelten abschwirrt, macht auch vor den absurdesten Schlussfolgerungen nicht Halt:

«Dass Moskau nicht vertreten ist auf dem Bürgenstock, ist daher kein Mangel, sondern ein Vorteil.»

Der Leser fragt sich allerdings erschüttert, geschüttelt und unangenehm berührt, ob die Qualitäts-, Denk- und Logikkontrolle der NZZ dorthin abgeschwirrt ist, wo sich die von Tamedia schon längst befindet: ins Nirwana …

Aber immerhin, in den letzten sieben Tagen ergibt das Stichwort Bürgenstock 1627 Treffer für die NZZ im Medienarchiv SMD. Da bleibt die leise Hoffnung, dass einige Artikel vielleicht ein gehobeneres Niveau versprühen. Da sich ZACKBUM dieser Illusion nicht berauben will, schauen wir aber nicht nach.

Es bleibt aber für alle Zeiten festzuhalten: wer in einem Jahr das gesammelte Geschreibsel der grossen Medienkonzerne der Schweiz liest, der wird erschüttert sein. Und entweder in schallendes Gelächter ausbrechen – oder sich in Grund und Boden fremdschämen.

NZZ – Tagi: 3 : 0

Brutaler Niveauunterschied bei der Berichterstattung über das Kinderspital.

Das finanzielle Fiasko um den Neubau des Zürcher Kinderspitals ist Anlass für ambitionierten Lokaljournalismus. Im Gegensatz zum Gejammer der «Republik» funktioniert der bestens, wenn man sich auch Mühe gibt.

Gerade hier tun sich aber mal wieder Abgründe zwischen den beiden Zürcher Lokalmatadoren auf. Um es auf den Punkt zu bringen: der Tagi macht das, was man halt im Billig-Schnellschnell-Journalismus so tut. Er macht ein Interview mit dem Stiftungsratspräsidenten Martin Vollenwyder. Dafür bietet er gleich zwei Redaktorinnen auf. Aber Sabrina Bundi und Susanne Anderegg sind – sicherlich aus Zeitmangel – nur oberflächlich vorbereitet.

Das kann auch daran liegen, dass Bundi erst 2023 zum «Tages-Anzeiger» wechselte; zuvor war sie im Bündernland tätig. Aber Anderegg, seit 1995 beim Tagi, ist eine Veteranin im Themenbereich Gesundheitswesen.

So darf Vollenwyder zum Beispiel ungeniert flunkern: «Es gab damals in den Jahren 2011 und 2012 einen anonymen Wettbewerb unter 19 Architekturbüros. Das Spital sagte, was es braucht, und die Büros machten Vorschläge. Die Jury hat sich für ein Projekt entschieden, und als am Schluss das Couvert aufgemacht wurde, entpuppte sich das Büro Herzog & de Meuron als Gewinner.»

Wer die NZZ liest, weiss mehr, aber dazu später. In diesem Interview passiert das, was immer passiert, wenn ein Kenner der Sachlage von Journalisten befragt wird, die nur oberflächliche Kenntnisse der Hintergründe und Fakten haben. Vielleicht hätten sie besser zuvor die NZZ gelesen.

Da hätten sie sich bei der Gestaltung auch ein paar Scheibchen abschneiden können, schon formal heisst es 1 : 0 für die NZZ. Tagi ist gähnlangweilig:

Riesenfoto eines älteren Herrn in dunklem Anzug, darunter noch ein Minifoto des neuen Forschungszentrums.

Dagegen inszeniert die NZZ ihren Hintergrundartikel so, dass Leselust entsteht:

Hier geht es nicht einfach um die Wiederholung von Altbekanntem, nämlich dass das Kispi mit einem kantonalen Darlehen und Betriebskredit vor dem Kollaps gerettet werden muss. Es geht auch nicht darum, den verantwortlichen Gelegenheit zu bieten, wie üblich alle Schuld von sich zu weisen. Sondern der NZZ geht es darum, «die Geschichte hinter der Rettungsaktion für das grösste Kinderspital des Landes» zu erzählen.

Denn: «Wenn Monumente wanken, werden Menschen wütend. Das war bei der Swissair so, bei der Credit Suisse – und nun auch beim Kinderspital

Also blättern Jan Hudec und Marius Huber didaktisch geschickt die verschiedenen Aspekte durch, die zur finanziellen Katastrophe führten. Zuerst nehmen sie sich den lautstark erhobenen Vorwurf vor, dass das Kispi halt nicht zwei Stararchitekten hätte beauftragen sollen. Bei genauerer Betrachtung fällt diese Kritik in sich zusammen. Auch unterlegene Konkurrenten bestätigen, dass Herzog & de Meuron mit ihrem Vorschlag in einer anderen Liga spielten als die übrigen Teilnehmer am Wettbewerb: «Einleuchtende Betriebsabläufe, eine heimelige, kindgerechte Atmosphäre mit viel Holz und Pflanzen, eine unverwechselbare Erscheinung – Sieger in allen Kategorien. Und weil ihr Entwurf obendrein kompakter ist als alle anderen, sollte er laut der Kostenschätzung eines Experten auch der günstigste sein.»

Das bestätigt auch der damalige Stadtbaumeister, der die Jury präsidierte: «Es war, als ob Real Madrid in der Schweizer Super League angetreten wäre.» Allerdings, dass der Wettbewerb anonym durchgeführt wurde und am Schluss bei der Öffnung des Couverts der Name Herzog & de Meuron heraushopste, wie Vollenwyder im Tagi erzählt, stimmt so nicht: «Tatsächlich trifft dies aber nur für die erste Phase des Wettbewerbs zu, in der entscheidenden zweiten Phase wird die Anonymisierung aufgehoben – und kein Mitbewerber hat annähernd das Renommee von Herzog & de Meuron», weiss die NZZ. 2 : 0.

Erstes Fazit der NZZ: «Unter jenen, die mit der Materie vertraut sind, herrscht Konsens: Stararchitektur ist nicht der Grund, weshalb die Kosten für den Neubau des Kinderspitals zum Problem wurden. Die Wurzeln des Problems reichen tiefer

Zum Beispiel in die Zeitenwende, dass früher die Zürcher Spitäler davon ausgehen konnten, dass ihnen der Kanton ihre Bauten zahlt: Das Kinderspital bestellt, der Kanton übernimmt die Rechnung. «So wird dies 2009 in einer Vereinbarung festgehalten. Und davon geht die Eleonorenstiftung, die private Betreiberin des Spitals, aus, als sie die Kosten für den Neubau ermittelt

Die neuen Spielregeln lauten dann: «Grund dafür ist das neue Spitalfinanzierungsgesetz. Dieses sieht vor, dass die Spitäler ihre Infrastruktur aus den Fallpauschalen selbst finanzieren müssen

2015, so komplex ist die Vorgeschichte, geht dann Vollenwyder ins Risiko: «Er bewegt den Stiftungsrat dazu, den Neubau trotz komplett veränderten Spielregeln wie geplant zu realisieren und das Geld dafür selbst aufzutreiben.»

Wäre eine Alternative gewesen, das ganze Projekt zu stoppen? «Der Businessplan sei aufgegangen», behauptet er, alle Alternativen wären noch teurer geworden, und: «Was später kam – die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg –, habe niemand ahnen können

Dann steigen die Kosten, von 625 auf 680 Millionen Franken, dann auf 761 Millionen. Damit ist Ende Fahnenstange, denn in seiner Laufzeit könnte der Neubau höchstens 500 Millionen Franken refinanzieren. 100 Millionen waren von Anfang an als Spenden eingeplant, die wurden dann auf 150 Millionen angehoben. Aber selbst mit der Investition des Eigenkapitals der Stiftung reichte es nicht mehr, um 761 Millionen zu stemmen. 3 : 0 für die NZZ.

Daher der Hilferuf an den Kanton. Womit die Krise noch nicht ausgestanden ist, denn der Betrieb muss rentieren und auch in vier Jahren eine erste Anleihe von 200 Millionen refinanzieren.

Ein ambitioniertes Ziel, wie der Wirtschaftsprüfer vorsichtig sagt. Auf Deutsch: starker Harakiri-Verdacht.

Das alles weiss, wer den gründlich recherchierten, fundierten und im besten Sinne des Wortes Entscheidungsgrundlagen zur Beurteilung liefernden Artikel in der NZZ liest.

Wer den Tagi liest, hat nur die Verwertung von Altpapier verzögert. Was wieder einmal beweist: die Krise des Journalismus ist in weiten Teilen hausgemacht. Prinzip NZZ/Gujer gegen Prinzip Tamedia/Supino. Resultat: 3 : 0 für die NZZ. Real Madrid gegen FCZ eben.

 

 

Pfeifen im Wald, Part xxx

Kann man peinlich steigern? Fabian Fellmann versucht’s.

Was soll man zu einer solchen «Analyse» noch sagen? «Donald Trump verschafft sich am Super Tuesday einen entscheidenden Vorsprung für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner. Doch der Wahltag offenbart auch seine grösste Schwäche.»

Worin besteht die denn?  Nun, da hätten wir dieses gravierende Schwächezeichen: «Mit Vermont gewann Nikki Haley nach der Bundesstadt Washington bereits die zweite Vorwahl. Auch in Virginia trat Trumps Schwäche offen zutage. Haley, von sämtlichen Kommentatoren längst abgeschrieben, konnte ihm mehr als ein Drittel der Stimmen abringen.»

Ein Kandidat hat 995 Delegiertenstimmen, der andere 89. Der eine Kandidat hat die Kandidatur im Sack, die andere Kandidatin hat ihren Ausstieg verkündet. Weil sie nicht nur von allen Kommentatoren (ausser dem tapferen Fellmann) «abgeschrieben» ist, sondern das auch selber eingesehen hat (im Gegensatz zu Fellmann).

Aber man kann, wenn man nur laut genug pfeift, noch mehr Schwächezeichen bei Trump entdecken: «Aber Haley hat bewiesen, dass mehr als ein Drittel der Republikaner auch genug hat von Trumps Chaos, seinen Rache- und Diktatorenfantasien. Ohne ihre Stimmen aber kann er am 5. November nicht gewinnen.»

Haley allerdings erst recht nicht, weil sie trotz diesem Drittel aussichtslos im Rennen gelegen hat. Aber was soll auch Logik in einer Analyse. Wenn sie von Fellmann stammt.

Das ist noch nicht alles. Kommt es dann zum Zweikampf zwischen einem senilen Greis und einem Amok-Greis, dann hat der Mann mit der gewöhnungsbedürftigen Frisur über zu viel Bräuner im Gesicht noch mehr Schwächen: «Trump betreibt schon seit 14 Monaten Kampagne, und seine Geldbeutel leeren sich. Biden verfügt über prall gefüllte Kassen, die er in den kommenden, entscheidenden Monaten konzentriert einsetzen kann. Das Rennen um die US-Präsidentschaft kann beginnen – der Ausgang ist offen

Da bleiben auch einige Fragen offen.

  1. Wieso heisst dieses Stück demagogischer Polemik «Analyse»?
  2. Wieso wird der verbliebene Tamedia-Leser damit belästigt?
  3. Wieso hat Fellmann nicht das geringste Schamgefühl und kein Gespür für Peinlichkeit?
  4. Kann jemand einen einzigen Grund nennen, wieso das geldwert sein soll?
  5. Warum müssen hier 4452 Zeichen verschwendet werden? Weil es die Gefässpolitik im Kopfblattsalat nicht kürzer zulässt?
  6. Wieso schreibt Fellmann nicht einfach: Ich finde die Vorstellung, dass Trump wieder Präsident wird, zum Kotzen und wünsche ihm bis dahin alles Schlechte? Das wäre wenigstens mal eine ehrliche Ansage.

Und die Bonusfrage: Wieso betreibt Tamedia Etikettenschwindel und bezeichnet etwas, das man noch ganz knapp als Kommentar rubrizieren könnte, als «Analyse»? Seit wann ist Pfeifen im Wald eine Analyse? Weiss Fellmann überhaupt, was das ist?

Damit er nicht in Wikipedia nachschlagen muss: «Eine Analyse ist eine systematische Untersuchung, bei der das untersuchte Objekt in seine Bestandteile (Elemente) zerlegt wird.»

Ähnlichkeiten mit der «Analyse» von Fellmann wären rein zufällig und nicht beabsichtigt …

Ganz grosser Kopf in der NZZ Pro

Flachdenke auf der Bel Etage der NZZ.

NZZ Pro Global steht für «exklusiv produzierte Analysen, Hintergrundberichten und Reportagen zu Globalisierungstrends und den Fokusthemen Technologie, Asien, USA.»  Aber auch für Leichtes:

Und für Seichtes. Wenn zum Beispiel Ulrich Speck in die Tasten greift. Der «hat in Prag, Washington, Brüssel und Berlin als aussenpolitischer Experte für eine Reihe von Think-Tanks gearbeitet. Hier analysiert er wöchentlich ein geopolitisches Thema».

Wow, da kann man tiefe Denke, durchgearbeitete Analyse, Brainfood, Bewusstseinserweiterung, dampfende Leckerbissen aus der Intellektuellenküche erwarten. Erwarten kann man vieles, geliefert wird hier nur lauwarmes Wasser.

Fängt schon mit dem Lead an: «Auf Dauer kann die Ukraine nur überleben, wenn sie in der Lage ist, Russland mit militärischen Mitteln abzuschrecken.» Aha, also im Umkehrschluss, wenn sie das nicht könnte, würde sie nicht überleben. Aha, und Verhandlungen, abgesehen von der völligen Niederlage immer das einzige Ende eines Krieges – seien «keine Lösung».

Nun ist die Lage ernst, wie Speck als Durchblicker erkannt hat. Militäroffensive gescheitert, bzw. «zerschellt an den Verteidigungsanlagen der Russen». Der Westen liefere nicht genug Waffen und Munition, USA, Trump, Orban betreibe «seine prorussischen Spielchen» (ob der das weiss?), Olaf Scholz wolle Deutschland «aus der Position einer Hauptverantwortung für die Ukraine herauszunehmen»; dieses Geholper versteht man nur ansatzweise.

Ach, und dann Minsk, Minsker Abkommen, Minsk: «Das Abkommen von 2015 beruhte fast ausschliesslich auf der Hoffnung, Russland werde nicht angreifen. Die militärische Machtbalance hingegen wurde nicht oder nur kaum verändert.»

Was folgt also daraus? «Wenn also Verhandlungen mit Russland nicht funktionieren und die Nato-Garantie für die Ukraine nicht erhältlich ist, dann bleibt nur die massive militärische Stärkung der Ukraine als Weg, die Eigenstaatlichkeit der Ukraine zu sichern.»

Nun verzweifelt auch Speck, wie so viele seiner Kollegen, an der Dummheit der Regierenden: «Ob dies überall im Westen verstanden wird, ist fraglich.» Blödköpfe aller Orten, das ist halt das Problem, unter dem Speck, Kornelius und so viele leiden.

Dabei weiss doch auch Speck die Lösung, offensichtlich, piece of cake, liegt auf der Hand: «Der Rückblick aber auf das krachende Scheitern von Minsk im Februar 2022 sollte Anlass für eine realistischere Strategie sein: die massive Bewaffnung der Ukraine, um die europäische Sicherheitsordnung gegen russischen Revisionismus wetterfest zu machen.»

Tja. Kleines Problem dabei: die «realistische Strategie» scheitert an all dem, was Speck vorher aufgezählt hat. Die USA wollen nicht mehr wirklich, Deutschland auch nicht, Frankreich ebenso wenig, also wer denn dann? Der Weihnachtsmann? Der liebe Gott? Wer lässt denn nun eine «massive Bewaffnung» vom Himmel regnen, damit noch möglichst viele ukrainische und russische Soldaten verrecken?

Wieso sammeln eigentlich all die Kriegsgurgeln und Besserwisser nicht selber Waffen ein und transportieren sie höchstpersönlich an die Front? Dann könnte man ihrem Gedöns wenigstens einen gewissen Respekt zollen. So aber … Die Thinktanks sind zu bedauern, für die Speck gearbeitet hat. Und der Leser von «NZZ Pro». Wofür steht da eigentlich «Pro»? Für «pro bono»? Pro stulto? Pro simplici? Pro illusione?

Die NZZ kann Hintergrund

Wieso ist sie damit so verdammt alleine?

Nachdem der zweitletzte Konkurrent von Donald Trump aufgegeben hat, herrscht allgemeines Rhabarber, was das denn nun bedeute. Ob Trump nun tatsächlich, Himmels willen, als Präsidentschaftskandidat der Republikaner gesetzt sei – oder ob Nikki Haley doch noch eine Chance habe.

Vermutungs- und Hoffnungsjournalismus, Pfeifen im Wald, Wundenlecken, die Journalisten sich selbstverschuldet durch unsinnige Prognosen zugefügt haben. Wildeste «würde, könnte, wenn, unter Voraussetzung, dass»-Turnereien.

Aber erklärt mal jemand, wie denn eigentlich das Vorwahlsystem der Republikaner genau funktioniert, was das für die weitere Entwicklung der Vorwahlen bedeutet? Dagegen spricht schon mal, dass es bei genauerer Betrachtung verdammt kompliziert ist.

Die Caucuses laufen nach verschiedenen Prinzipien ab, «the winner takes it all» gegen Proporzwahlsysteme, wobei eine absolute Mehrheit wieder Auswirkungen haben kann. Letztlich sieht es schwer danach aus, als ob Trump einen totalen Triumph einfahren könnte.

Woher ZACKBUM das weiss? Weil es die NZZ detailliert erklärt. Nolens volens endet der Autor Andreas Rüesch mit der düsteren Feststellung: «Trump könnte sogar einen eigentlichen Vorwahlkantersieg erringen, mit Erfolgen in sämtlichen Gliedstaaten. In der Geschichte der beiden Grossparteien ist dies, abgesehen von wieder antretenden Präsidenten, noch nie jemandem gelungen – und wäre, ohne Trumpsche Übertreibung, «really huge»

Das ist mal eine Analyse und Prognose mit Hand und Fuss. Kann doch gar nicht so schwer sein. Was unweigerlich zur Frage führt, wieso sich die übrigen deutschsprachigen Medien – vor allem auch die Deutschschweizer – dermassen damit schwertun, ihren Lesern inhaltlichen Mehrwert zu bieten?

Hier sind nur Vermutungen möglich, aber doch solche mit Hand und Fuss.

  1. Dem Journalisten ist die Zurschaustellung der eigenen Befindlichkeit wichtiger als die Befriedigung des Leserinteresses.
  2. Der Journalist sieht seine Aufgabe nicht in der möglichst akkuraten Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern in der Beschreibung, wie sie sein sollte.
  3. Der Journalist will nicht rapportieren, was seiner Meinung nach ist, sondern wie es sein sollte, könnte, müsste.
  4. Der Journalist will nicht aufklären, sondern belehren, erziehen, das Richtige vom Falschen trennen, den Konsumenten bevormunden.
  5. Der Journalist möchte seiner schwindenden Bedeutung mit dem Reiten seiner Steckenpferde begegnen. Sei das Wokeness, Genderwahnsinn, Warnung vor einem neuen Faschismus oder Polemik gegen alles, was ihm nicht in den Kram passt.
  6. Der Journalist missbraucht schreiben oder berichten als Selbsttherapie, indem er den Konsumenten mit seiner eigenen Befindlichkeit langweilt.

Es ist eine allgemeine zunehmende Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Brötchengeber, dem Zahler zu verzeichnen. Es ist so eine Haltung, wie wenn der Verkäufer im Laden sagen würde: ach, Sie möchten dieses Produkt kaufen? Sind Sie sicher? Also ich würde das nicht tun. Und haben Sie sich schon mal überlegt, ob es nicht von Kindern in der Dritten Welt hergestellt wurde? Und überhaupt, wollen Sie nicht zuerst meine Meinung zum Produkt und über die Welt anhören?

Ein solcher Verkäufer würde hochkant auf die Strasse gestellt – oder der Laden ginge pleite. Aber im Journalismus …