Obduktion einer Ente

Der Wunsch war Vater des Gedankens: Ueli Maurer tritt ab. Oder doch nicht.

Im Biotop Bern passiert eigentlich nicht viel Aufregendes. 246 Parlamentarier und sieben Bundesräte tun wichtig und dies und das. Regieren, legislieren, intrigieren, lassen unter dem Siegel der Vertraulichkeit angeblich furchtbar heisse Informationen raustropfen.

Der erfahrene Bundeshausjournalist weiss zu unterscheiden. Besser: er wusste es. Aber in Zeiten, in denen ganze Horden von Redaktoren sich japsend mit gestohlenen Geschäftsunterlagen anfüttern lassen, ohne auch nur eine Sekunde über die Motive der Diebe nachzudenken, nimmt man jedes Gerücht gerne auf und serviert es brühwarm seinen Lesern.

Nach der alten Devise: nur die Story, die man selbst erfindet, hat man exklusiv. Einen Gerüchtebrei reinzwängen muss der Urheber überhaupt nicht, wenn das Servierte sowieso den Wünschen, Hoffnungen, Vorlieben des Breifresser entspricht.

Ist das nicht eine wunderschöne Ente?

Ideal dafür geeignet ist zum Beispiel: Ueli, der Treichler, tritt zurück. Denn spätestens seitdem sich der SVP-Bundesrat ein T-Shirt der «Freiheitstrychler» überstreifte, ist er zum liebsten Feind der Mainstream-Medien geworden.

Zunächst wird die Küche angeheizt

Also heizte am 30. September der zu CH Media gewechselte ehemalige NZZaS-Journalist Francesco Benini die Gerüchteküche ein:

«Erklärt Ueli Maurer am Freitag seinen Rücktritt?»

Damit nicht der Eindruck aufkommen könnte, dass das eine persönliche Ente von Benini ist, die er hier spazierenführt, fügt er hinzu: «Aufregung in Bundesbern».

Welch ein Bild. Rund ums Bundeshaus rennen aufgeregte Politiker auf und ab, in der Wandelhalle spielen sich hektische Szenen ab, der Mobilfunk kommt an seine Belastungsgrenzen, sämtliche Hinter- und Sitzungszimmer sind gefüllt, Krisenstäbe tagen ohne Unterlass.

Denn, Benini brütete das Entenei natürlich nicht selbst aus. Keinesfalls, schon «seit zwei Tagen» verbreite sich das Gerücht, unkt er, um zu beweisen, mit welch übermenschlicher Zurückhaltung er bislang mit diesem Primeur zuwartete. Da gibt es dann den «Nationalrat», der natürlich nicht namentlich genannt sein will. Und die Indizien, eigentlich schon eine Beweiskette. Der Mann wird im Dezember 71. Ist seit 12 Jahren in der Landesregierung.

Der Beleg: der Mediensprecher sagt nichts

Und, fast schon der Beweis, sein Mediensprecher will sich zu diesem Thema «nicht äussern». Alles klar, wir sind natürlich schon einen Schritt weiter: «Im Bundeshaus sprechen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier bereits über mögliche Nachfolger Maurers.»

Denn was ist schon eine Ente gegen eine Entenfamilie. Die ersten Namen werden genannt, also eigentlich verbrannt. Die nächste, noch dickere Ente, die Benini watscheln lässt: Altmeister Blocher wolle Toni Brunner zu einer Kandidatur überreden.

Nach dieser Tat konnte sich Benini zurücklehnen, seine Entenschar wurde von aufgeregten Hühnern umflattert, also von den übrigen Medienschaffenden. Über 170 Treffer erzielt man im Medienarchiv SMD, wenn man mit den Stichworten Maurer + Rücktritt sucht.

Eine Ente kommt selten allein …

Beförderlich bei solchem Unsinn ist immer, dass die wenigen noch vorhandenen Blattmacher die wenigen noch vorhandenen Journalisten in ihren Verrichtungsboxen zu Höchstleistungen anspornen: was haben wir zusätzlich?

Es muss doch noch mehr dransein

Denn die reine Wiederholung bringt’s ja nicht. Entweder muss ein Knaller-Spruch her «Maurer: Kä Luscht?», das genügt dem «Blick». Tamedia muss weiter gehen, wohin? Richtig geraten, ins Gendern. Denn auch die Liste der Nachfolger wurde schon erstellt, aber Tamedia (wenn Philipp Loser an den Tasten ist, wird’s immer unfreiwillig komisch) kritisiert streng nach einem Blick zwischen die Beine: die möglichen Nachfolger sind «fast alles Männer». Tja, so ist halt die Machopartei SVP.

Nun hatte all das Geschnatter und Geflatter nur ein klitzekleines Problem. Der Freitag kam, der Freitag ging, und Maurer blieb einfach im Amt. Der Schlingel. Wie kann er nur. Unsere Qualitätsmedien hatten doch seinen Rücktritt verkündet und die Schar der Nachfolger aufgestellt, gebüschelt und zurechtgestutzt.

Also alles getan, was man einer vertrauenswürdigen, verantwortungsvollen Vierten Gewalt erwarten darf, die deshalb auch unbedingt mit einer Steuermilliarde abgefüttert werden muss. Ohne die könnte sie nicht mehr ihres Amtes walten, denn Quersubventionierung aus den sprudelnden Einnahmequellen der Medienclans von Tamedia, CH Media und Ringier, das ist natürlich nicht.

Schliesslich weiss doch der normale Leser und Abozahler gar nicht, wie kostspielig der Unterhalt von Yachten, Privatjets, Villen, Feriendomizilen und eines Fuhrparks ist. Wegen so einer kleinen Fake News – wenn sie nicht aus der Küche des pösen, pösen Putins stammt – sollte man doch kein Büro aufmachen.

Putzig, aber nur in der Badewanne.

Ringier! THE Place to be!

Journalismus in der Krise? Ach was. Zumindest Ringier ist ein «Great Place to Work®». Gibt’s denn Doppelgänger?

Endlich konnte Corporate Communication richtig in die Harfe greifen: Die Ringier AG sei «für ihre Arbeitsplatzkultur als Great Place to Work® ausgezeichnet. Mit diesem Resultat gehört die Ringier AG zu den besten Arbeitgeberinnen der Schweiz.»

Let’s dance, let’s work together, we can do it! Stimmungsbild von Ringier.

Alle sind glücklich. Der Mitbesitzer der Zertifizierungsbude: «Insgesamt sehen wir Ringier auf dem Niveau der besten Arbeitgeberinnen in der Schweiz! Damit hat Ringier eine beeindruckende Entwicklung bei der Zufriedenheit seiner Mitarbeitenden in den letzten Jahren vollzogen. Die Bewertungen des Vertrauens untereinander und der erlebten Fairness liegen weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Schweizer Unternehmen.» Tatä.

CEO Marc Walder ist auch glücklich: «Die Zufriedenheit und Akzeptanz unserer Mitarbeitenden ist für uns von zentraler Bedeutung. Wir haben hart gearbeitet, viel unternommen und angepasst, um diese zu steigern.» Tatö.

Natürlich ist auch der «Chief People Officer» glücklich: «Unsere Unternehmenskultur ist stark von einem persönlichen Miteinander geprägt – und das möchten wir aufrechterhalten.» Tatä, tatö.

Die Mitarbeiter sind sowieso glücklich.

«Zufriedenheit 87 Prozent, Trust-Index 76 Prozent.»

Das ergab die «anonyme Befragung» in erster Linie unter den Angestellten von Ringier Schweiz. Da soll noch einer sagen, Journalisten würden leiden. Die haben offenbar gelernt, einfach lautstark zu klagen. Dabei geht’s doch super. Spitze. Denn ab 65 Prozent beim «Trust-Index» gibt’s schon die «Zertifizierung Great Place to Work®».

Da müssen an Dufourstrasse wieder mal die Champagnerkorken geknallt haben; der Verkehr musste umgeleitet werden, weil zu viele glückliche, aber beschwipste Mitarbeiter auf der Strasse torkelten und tanzten.

Das hat sicherlich alle davon abgehalten, die Sache mal näher anzuschauen. Ein Zertifikat ist ja immer so gut wie sein Herausgeber. Das ist hier, Überraschung, die Firma «Great Place to Work». Auf ihrer Webseite wirft sie mit dem üblichen Geblubber um sich. «Ihre Arbeitskultur ist unsere Mission». Wunderbar. Als Medienschaffender wendet man sich für weitere Auskünfte natürlich an die Medienstelle.

Aber kein Great Place für Medienanfragen.

Zunächst wundert man sich, wieso die letzte PM von Anfang April stammt – 2019. Die Erklärung bekommt man sofort: der angegebene Medienkontakt «arbeitet nicht mehr für» die Bude, «Ihre Mail wird nicht weitergeleitet». Ob Ben Seiler den «Great Place to Work» doch nicht so great fand? Man weiss es nicht, aber immerhin wird eine Ersatzperson angeboten. Die arbeitet tatsächlich noch und antwortet sehr abstrakt auf konkrete Fragen.

Konkrete Fragen, sehr flauschige Antworten

Zum Beispiel:

«Es gibt wahrlich immer viel zu pflegen auf den Webseiten und wir werden den Kontakt für zukünftige Medienanfragen gerne aktualisieren.» Ach, nach 2,5 Jahren?

Frage: Ringier liege «weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Schweizer Unternehmen», welchen?

«Wir nutzen bei Great Place to Work® eine über Jahrzehnte entwickelte Methodik, um die Arbeitsplatzkultur und das Vertrauen in einer Organisation zu erfassen.» Gut zu wissen, war aber nicht die Frage. Ah, aber vielleicht so: Die Rückmeldung der Mitarbeiter liege «weit über einem repräsentativen Benchmark für die Schweiz (Per Markforschung erhoben, repräsentativ für die Bevölkerung über verschiedene Branchen)». Mark- und Beinforschung?

Aha; aber ein Medienunternehmen sollte wohl mit anderen Medienunternehmen «vergleichbar» sein, die fehlen aber in den Listen von der Great-Firma. Na und, da die Firma «pro Jahr mehrere Millionen Arbeitnehmende» befrage, weiss sie: «eine gute Arbeitsplatzkultur ist demnach keine Frage der Branche. Und die Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in einem Medienhaus sind nicht grundsätzlich verschieden als in anderen Organisationen mit vergleichbarer Grösse.» Allerdings:

«In der Schweiz haben wir bisher tatsächlich kein anderes Medienhaus zerfitifiziert.» Ohä, wohl auch nicht zertifiziert.

Aber macht ja nix, nächste Frage: Ringier hat die «Certification only»-Untersuchung in Auftrag gegeben. Laut Eigenbeschreibung eignet sie sich «für Organisationen, die hauptsächlich an der schnellen Auszeichnung zum Great Place to Work® interessiert sind, nur wenige und oberflächliche Einblicke in ihre Arbeitsplatzkultur möchten». Wollte Ringier also nur wenige und oberflächliche Einblicke sowie eine schnelle Auszeichnung?

Aber nein, nein, natürlich nicht. «Der Erhalt einer Zertifizierung macht jedoch im Umkehrschluss keine Aussage dazu, in welchem Umfang wir mit einer Organisation zusammenarbeiten. Ringier möchte mit der Mitarbeitendenbefragung und Analyse einen umfangreichen Einblick und Ergebnisse für Teams und Einheiten erhalten um mit diesen Erkenntnissen weiterzuarbeiten – die Zertifizierung als Great Place to Work ist ein «Sahnehäubchen».»

Alles unklar? Wunderbar. Aber was genau untersucht wurde und was das gekostet hat? Da solle man sich doch an Ringier wenden.

Ringier antwortet noch flauschiger

Nur: leider verzichtet das Unternehmen auf die Beantwortung von 9 konkreten Fragen. Dafür gibt’s eine Kurzzusammenfassung der Jubel-PM, als ob man nur solche blöden Fragen stellen könnte, wenn man die nicht kapiert habe.

Auf jeden Fall sei das eine Super-Sache gewesen: «Das Group Executive Board hat gemeinsam mit HR unternehmensübergreifend Handlungsfelder definiert, die gemeinsam mit interessierten Mitarbeitenden in der nächsten Zeit schwerpunktmässig bearbeitet werden. Zudem setzt sich jeder einzelne Bereich mit seinem individuellen Befragungsergebnis auseinander.»

Wollten wir zwar alles nicht wissen, dafür schon, was denn bezahlt wurde, wie tiefschürfend denn die Befragung war, und dass die Medienseite der Zertifizierungs-Bude in einem jämmerlichen Zustand ist, das bewegt das Medienhaus Ringier auch zu keiner Bemerkung.

Ohne weder oberflächliche noch tiefschürfende Untersuchungen angestellt zu haben, muss ZACKBUM allerdings sagen:

  • «Great Place to Work»: Zertifikat zweifelhaft.
  • Ringier: Zertifikat fragwürdig.
  • ZACKBUM: nicht zerfitifiziert, aber great

Wenn das viel besser als der Benchmark in der Schweiz sein soll, obwohl man nicht weiss, wie der bei «vergleichbaren» Buden erstellt wird, muss es ja grauenhaft zu und hergehen. Ausserhalb von der Insel der Glücklichen, die bei Ringier arbeiten dürfen. Wenn wir das nächste Mal beim Pressehaus vorbeifahren, werden wir darauf achten, wie laut die Jubelchöre sind.

«Blick»: Augen fest zusammengekniffen

Informieren, gewichten, analysieren. So könnte es sein. Aber doch nicht beim «Blick».

Das Organ der gehobenen Belanglosigkeit hat sich zum Ziel gesetzt, die Führungscrew der Credit Suisse der Lächerlichkeit preiszugeben. Nein, das ist natürlich Fake News; «Blick» würdigt das Teamwork und die herausragenden Leistungen der CS-Spitze. Denn weder der VR-Präsident noch der CEO haben es verdient, dass man wegen ein paar Milliarden Miese oder dem im tiefen Keller dümpelnden Aktienkurs an ihren Fähigkeiten zweifelt.

Diese Lobeshymnen binden ganz schön Kräfte, und so viele Kindersoldaten hat’s dann auch nicht im Newsroom, dass man viel Zusätzliches abdecken könnte. Aber, so viel Nutzwert muss sein, die erfahrene Polit-Journalistin Lea Hartmann informiert über die kommende Abstimmung zum Covid-Gesetz.

Entscheidungsoffene Frage. Bloss: fehlt das Ja …

Objektiv, entscheidungsoffen, wie man so schön sagt. Es gibt ja bei solchen Abstimmungen verblüffenderweise zwei Möglichkeiten. Ein Ja oder ein Nein. Ja ist eigentlich gesetzt, erwartet, nötig, zu begrüssen. Also muss darüber nicht gross berichtet werden. Hingegen ein mögliches Nein, das wäre fatal. Aber dem kann abgeholfen werden, mit einer ganz neutralen Auflistung der möglichen Folgen.

Die würden sich zunächst im Portemonnaie bemerkbar machen, warnt Hartmann. Ausweitung der Härtefallhilfen, Kurzarbeitsentschädigung, Hilfsgelder für Künstler, alles futsch. So nebenbei auch: «Unterstützung von Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen.» Aber das hindert einen unterstützten Konzern nicht daran, objektiv zu berichten.

Den richtigen Knaller hat sich Hartmann noch aufgespart:

«Es dürften keine Zertifikate mehr ausgestellt und kontrolliert werden.»

Zwar nicht per sofort, aber im März 2022, ein Jahr nach dem Inkraftreten des Gesetzes. Im Fall, dass es an der Urne durchfallen würde.

Kein Zertifikat mehr, das Leben wäre ein anderes

Ja was heisst denn das? Nun, die ganze schöne Zertifikats-Übung wäre für die Katz. Kein Zertifikat, keine Kontrolle, furchtbar. Noch schlimmer natürlich: «Das Wegfallen des Schweizer Corona-Passes könnte für Reisende zu «erheblichen Problemen» führen, warnt das Innendepartement.»

Also man könnte schon noch ins Ausland, aber schwierig, und Restaurants sowie Hotels oder kulturelle Einrichtungen würden dem zertifikatslosen Schweizer verschlossen bleiben. Schluchz. So nebenbei: das würde auch für Bundesräte gelten und auch für den Besuch eines Liebesnests in Freiburg im Breisgau.

Also wäre das menschlich schwer erträglich. Nun könnte der Laie meinen, dass das mit dem Zertifikat doch nicht so ein Ding sein wird; sollte es so nötig bleiben, könnte man doch eine neue gesetzliczhe Grundlage dafür schaffen. Oder nicht?

Im Prinzip nein, sagt da der zuständige Bundesrat Alain Berset. Das ordentliche Gesetzesverfahren würde viel zu lange dauern: «Es wäre damit ausgeschlossen, dass eine gesetzliche Grundlage schon 2022 bereitstehen würde».

Wenn alles so klar ist, wieso dann ein Referendum?

Also spricht doch eigentlich alles gegen dieses Referendum. Warum wurde es dann überhaupt eingereicht? Zwängerei, verantwortungslose Nein-Sager, ist den Initianten eigentlich die Volksgesundheit in der Schweiz egal?

Was habe die überhaupt für Argumente? Ach, das würde offenbar für Hartmann zu weit führen: «Die Corona-Krise lässt sich nicht per Volksabstimmung beenden. Einige der von Bundesrat und Parlament beschlossenen Corona-Bestimmungen allerdings schon.»

Aber warum denn? «Federführend sind die «Freunde der Verfassung». Das Covid-Gesetz sei unnötig und extrem, finden sie. Die Corona-Massnahmen stellen aus ihrer Sicht eine Diskriminierung der Ungeimpften dar und führten in Kombination mit der Zertifikatspflicht zu einem indirekten Impfzwang.»

Ach was, mehr haben die nicht auf Lager? Im Prinzip schon, denn vor allem wird auf die desaströsen wirtschaftlichen Folgen verwiesen, verursacht durch die Pandemie-Bekämpfung mit (fast) allen Mitteln.

Dem setzt nun «Blick» ganz objektiv und völlig unbeeinflusst davon, dass die «Freunde der Verfassung» auch das Referendum gegen ein Gesetz unterstützen, das die Verteilung von zusätzlich einer Milliarde Franken an notleidende Medienclans enthält, klare Worte entgegen.

Denn all das kann doch ein der Objektivität und aufrichtigen Recherche verschriebenes Blatt wie den «Blick» überhaupt nicht in seinem Urteil beeinflussen. Niemals. Auf keinen Fall. So liebe Kinder, dann geht’s ins Bettchen, und morgen erzählen wir Euch ein anderes Märchen.

Wenn eine Bank auf dem Weg nach unten ist

Die «Financial Times» berichtete, dass der VR-Präsident seinem CEO das Vertrauen entzogen habe. Die Reaktion: ein Doppelinterview – im SoBli.


«How low can you go?» Ein sinnvolle Frage – beim Limbo. Beim Fine Swiss Banking ist sie eher deplatziert.
Die FT, neben dem WSJ die Benchmark in der Wirtschaftsberichterstattung, beschrieb in einem längeren Artikel die Differenzen zwischen dem neuen VR-Präsidenten Ontario Horta-Osório und dem auch nicht so lange amtierenden CEO Thomas Gottstein.

Stein des Anstosses: Die Doppelklatsche, die die Credit Suissse mit Greensill und Archegos einstecken musste. Exponiert in einem Fonds eines vorbestraften Hasadeurs in den USA, investiert in ein durchschaubar lusches Geschäftsmodell eines australischen Hasardeurs. Nicht angeleiert vor Gottstein, aber von ihm nicht gestoppt, bis es zu spät war.

Soll der neue VRP nicht so toll gefunden haben, deshalb schaue er nach Ersatz oder spiele sogar mit dem Gedanken, die Position des CEO temporär selbst zu übernehmen. Zudem führe er Gottstein an sehr kurzer Leine, berichtet die FT.

Ob das so ist, lässt sich von aussen schwer beurteilen. Normalerweise publiziert die FT allerdings nur, wenn sie ihrer Sache verdammt sicher ist. Andererseits: solange der Break nicht vollzogen ist, sind solche Meldungen sehr schädlich für eine Bank. Was tun? Gegensteuer geben, natürlich.

Zwei ganz dicke Freunde, wie man auf dem Foto oben sieht

Wie das? Am einfachsten, indem man zu zweit ein Interview gibt und Friede, Freude, Eierkuchen zelebriert. Problem dabei: die FT ist dafür nicht zu haben. Die NZZ auch nicht. Nicht einmal Tamedia oder die Schweizer Wirtschaftspresse. Was tun? Plan B, wohl eher Plan C: gemeinsames Interview im Zentralorgan der gehobenen, seriösen Wirtschaftsberichterstattung. Dem «SonntagsBlick».

Nichts gegen den SoBli. Aber man stelle sich kurz die internationale Resonanz vor. FT berichtet dies, die beiden CS-Spitzen dementieren, im SoBli.

Where? What the heck is the «SonntagsBlick»? Is this serious? Are they kidding?

So ungefähr die Reaktion auf den internationalen Finanzmärkten.

Haben die beiden wenigstens Substanzielles zu sagen? Nun ja; der SoBli geht in medias res, obwohl er den Ausdruck sicher nicht kennt. Fragt knallhart, ob der VRP seinen CEO auswechseln und selbst die operative Führung übernehmen wolle. Knallharte Antwort: zweimal ein «Nein».

Nach einem knallharten Doppelnein fliegen Wattebäusche

Nachdem das geklärt ist, kann man das übliche Banker-Gequatsche ablassen: «Wir sind heute in einer viel besseren Position als zuvor.» Aktienkurs im tiefen Keller, nach der Klatsche ist sicherlich vor der Klatsche, die CS wäre zu einem Schnäppchenpreis zu haben, ihr passiert das nur deswegen nicht, weil alle noch weitere Leichen im Keller befürchten. Aber super Position.

Könnte man vielleicht denken, dass es mit der Handhabung von Risiken, so angesichts von Milliardenverlusten, etwas hapert? Ach nein: «Historisch verfügt die CS über eine sehr ausgeprägte Risikokultur. …  Aber es ist klar, dass es seither gewisse Versäumnisse gab.» ( Gottstein) «Wir müssen den Risikoappetit zügeln und die Anreize richtig setzen.» (Horta-Osório).

Gut, damit wäre das auch geklärt, worüber reden wir denn noch? Vielleicht über die wirklich wichtigen Sachen:

Frage: Sie sind ein sehr guter Tennis-Spieler, Herr Gottstein ein begnadeter Golfer …
Horta-Osório: Moment! Ich bin okay. Aber Thomas spielt besser Golf als ich Tennis.
Gottstein: Da bin ich mir nicht so sicher.
Horta-Osório: Du hast am letzten Sonntag beim Golfen unentschieden gespielt, ich habe meine Tennispartie verloren. Das ist Beweis genug. (lacht)

Haben die beiden seelenverwandten Sportskanonen vielleicht noch weitere Ratschläge auf Lager, ein Anlagetipp möglicherweise? Nun, das nicht, aber:

Horta-Osório: «Ich vermeide Gluten und Milchprodukte. Ich versuche, mich ans Intervallfasten zu halten, um meinen Körper zu entgiften. Auch ein wichtiger Aspekt ist der Schlaf.»

Nun gibt der VRP bekanntlich die Strategie und die grossen Linien vor, der CEO führt aus. Hier allerdings schwächelt Gottstein bedenklich: «Da ist er disziplinierter als ich.»

Damit gewinnen die beiden jede Limbo-Meisterschaft mit Abstand. Und bei Corporate Communication der CS sollten vielleicht ein paar Stellen neu besetzt werden. Schon alleine das Foto (oben am Anfang des Artikels als Bildzitat) freizugeben, müsste zu einer fristlosen Entlassung führen. Eigentlich.

 

 

Impfpflicht: Beeinflussung und Zwang

Übernehmen oder sich übernehmen: die beide Tamedia-Varianten des Qualitätsjournalismus.

Wenn die grossen und teuren Kopfblätter von Tamedia ein Interview von der «Süddeutschen Zeitung» übernehmen, muss man froh sein. Dann steht wenigstens nichts Schlimmeres in den Blättern. Bloss Seichtes.

Der SZ fiel es ein, weil auch ihr nicht viel einfällt, den emeritierten Professor Robert Cialdini zu interviewen. Der hat mal ein Buch namens «Influence» geschrieben. Das war ein Bestseller – 1984. Inzwischen hat der Pensionär viel Zeit für Gespräche.

Wer sich über das popoglatte Gesicht des immerhin 76-Jährigen wundert: heute ist medizinisch einiges möglich. Nur nicht immer so auffällig …

Die SZ leitet ihr Gespräch mit dem «Godfather of Influence» so ein: «Wenn es jemanden gibt, der weiß, wie man andere beeinflusst, dann sind Sie das, Mr. Cialdini. Ihr Buch „Influence“, das erstmals 1984 erschien, hat sich weltweit fünf Millionen Mal verkauft. Wie bringt man Menschen dazu, sich impfen zu lassen?»

Original …

Das ist Tamedia natürlich zu lang und nicht politisch korrekt genug, also schrumpft sie ein auf: «Wie bringt man Menschen dazu, sich impfen zu lassen?»

… und Kopie.

Beide Weltblätter bringen aber die gleiche banale Antwort:

«Jedenfalls nicht, indem man ihnen sagt, dass sie Idioten sind.»

Das hätten wir Laien nicht gedacht, auch dem Politik-Chef von Tamedia wäre diese Erkenntnis neu (siehe unten). Auch bezüglich der Wahl eine Gerichts hat Cialdini wertvolle Erkenntnisse zu referieren: «Wenn man Restaurantgästen sagt, dass ein Gericht das beliebteste ist, wird es noch beliebter. Nach einer Studie wird jedes Gericht sofort 13 bis 20 Prozent stärker nachgefragt, wenn es auf der Speisekarte als beliebtestes Gericht ausgewiesen ist.»

Beeindruckt referierte Banalitäten

Nun soll Cialdini vor einem runden Dutzent Jahren auch beim Wahlkampf von Barack Obama beraten haben; welche Erkenntnisse hat er denn da aufblitzen lasse? «Menschen wählen Kandidaten, die sie mögen. Klingt banal, ist aber so.»

Das klingt nicht nur banal, das ist eine Binse. Auch die Erkenntnis, wie sich Menschen orientieren: «Gerade in Zeiten der Unsicherheit flüchten wir in immer kleinere Stämme. Rät uns einer etwas aus unserem Stamm, sagen wir Ja.»

Das alles ist an Flachsinn nicht zu überbieten, löst aber dennoch bei den SZ-Journalisten Gehirnkrämpfe aus: «Das klingt alles ziemlich kompliziert.» Was hat uns denn der Professor noch mit auf den Weg zu geben?

«Menschen werden eher aktiv, wenn es den persönlichen Interessen dient».

Auch das hätte vor ihm niemand gedacht. Wer bis hierher noch belustigt bis genervt reagiert (Letzteres, wenn er für diesen Dumpfsinn auch noch bezahlt), sollte sich eines Besseren belehren lassen. Solche Nullnummern sind immer noch besser als hausgemachte Meinungen bei Tamedia.

Banal, aber immer noch besser als Selbstgedachtes

Da hätten wir mal den zweiten ins zweite Glied zurückbeförderten Chefredaktor Mario Stäuble. Der ist offensichtlich finster entschlossen, sich wechselweise mit seiner Kollegin Priska Amstutz lächerlich zu machen. Einmal sie, einmal er.

Dieses Wochenende war er dran, er durfte einen «Leitartikel» schreiben. Sein kleines Missverständnis: das bedeutet nicht, Leid beim Leser auszulösen.

«Die Hetze muss aufhören», dekretiert Stäuble ex cathedra (nur googlen, lieber Mann). Denn: «Vier Tage nach Maurers Rede skandieren Demonstranten in Bern «Ueli! Ueli!», bevor sie am Zaun rütteln, der das Bundeshaus schützt.» Dieser zeitliche und inhaltliche Zusammenhang ist ausser Stäuble bislang niemand aufgefallen.

Gehetzt wird überall, barmt Stäuble, besonders in der «Ostschweiz», die habe einen Gastkommentar «vollgepackt mit fiebriger Kriegsrhetorik» veröffentlicht: «Jetzt müssen wir kämpfen. (…) Wenn wir die Herrschenden nicht daran hindern, werden sie unser Land dem Teufel verkaufen. (…)»

Vollscheiben sind immer die anderen

Vollscheiben, Kriegsrhetoriker, SVP, QAnon-Verschwörungstheoretiker, furchtbar: «Hier werden Grenzen überschritten.» Nach all dem Gehetze glaubt man Stäuble nicht mal mehr das Feigenblatt, dass er auch gegen andere Hetzer austeilt: «Provokateure gibt es indes auf beiden Seiten. Es hilft nicht, wenn der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause sich selbst als Beschützer des Parlaments inszeniert, indem er sagt, man habe einen «möglichen Sturm aufs Bundeshaus» verhindert.»

Wieso sucht er eigentlich nicht konfrontative Kommentatoren im eigenen Haus? Wohl weil es sich um seinen Vorvorgesetzten handelt, den Oberchefredaktor Arthur Rutishauser. Der beliebt zu kommentieren: «Fanatisierte Impfgegner sprechen wegen des Covid-Zertifikats von Faschismus, sie versprühen Hass.»

Rutishauser schreibt etwas gewählter und streicht sogar im Nachhinein unangemessene Faschismus-Vergleiche. Er umwickelt seinen Hammer etwas mit Schaumgummi: «Sympathisch sind uns Zwangsverordnungen eigentlich nie. Aber wenn es darum geht, ob man noch einmal das ganze Land schliessen muss, oder ob man dies mit einer Impfpflicht für alle nicht lebensnotwendigen Aktivitäten verhindern kann, ist diese Zeitung für die zweite Lösung.»

Das ist diese Flachrhetorik: eigentlich bin ich gegen die Todesstrafe. Aber wenn es darum geht …

Hetzer im eigenen Blatt

«Diese Zeitung ist eindeutig für diese Lösung», denn ausdrücklich nimmt Rutishauser seinen Politik-Chef in Schutz, der noch deutlicher durchrastete:

«Jetzt muss Berset die Gegner endlich zur Impfung zwingen»

Das ist mal eine klare Ansage, denn: «Mit der Rücksicht auf esoterische oder ideologische Impfverweigerer und rücksichtslose Trödler muss Schluss sein. Der Bundesrat und die Kantone müssen jetzt jeden erdenklichen Druck auf Impfverweigerer machen. Das Tabu Impfzwang, sei er direkt oder auch nur indirekt, muss jetzt fallen. Impfen ist in dieser Situation keine Zumutung, sondern Bürgerpflicht

Zwingen, jeden erdenktlichen Druck machen, rücksichtslose Trödler, Bürgerpflicht? Das Vokabular des Totalitarismus, das Denis von Burg verwendet. Eigentlich müsste ein Polit-Chef eines bedeutenden Zeitungsverbundes nach einem solchen Ausraster scharf ermahnt ode gleich entlassen werden, mit Rücksichten à la Corona-Kreische und Politikerbeschimpfer Marc Brupbacheralle übergeschnappt») müsste Schluss sein.

Aber doch nicht bei Tamedia.

Es darf gelacht werden: Resteverwertungen

Ob’s eine Milliarde verbessert? Unsere zwei Qualitätskonzerne als Abfalleimer.

Wie es inzwischen auch Tamedia aufgefallen ist: Die Ära Merkel geht in Deutschland zu Ende. Echt jetzt. Dazu interessiert den Schweizer Leser der gesammelten Kopfblätter sicher eine Bilanz, eine Würdigung. Vielleicht auch aus Schweizer Sicht.

Wieso denn, es gibt doch Linda Tutmann. Linda wer? Also bitte, die Dame ist Redaktorin bei «Zeit»-Online und wird dort als Allzweckwaffe eingesetzt. Das Schicksal in Afghanistan steckengebliebener und verratener Hilfskräfte, Ganztagesbetreuung in Deutschland, Schule und Corona, virtuelles Verlieben, kein Thema ist vor ihr sicher.

Da reicht es doch auch noch für «Wie die Kanzlerin mir als Linke ans Herz wuchs». Für so einen Quatsch wäre sich «Die Zeit» zu schade, aber da haben wir doch unsere helvetischen Resteverwerter wie Tamedia.

Qualität mit copy/paste und Bauchnabelschau

Ausland: wird weitgehend von der «Süddeutschen» angeliefert. Wie auch Kultur, Gesellschaft, so ziemlich alles. Nun also auch noch eine deutsche Linke über ihr Verhältnis zu Angela Merkel. Das ist von rasender Brisanz, von atemberaubender Aktualität, eine Pflichtlektüre für jeden aufgeschlossenen Schweizer Leser, wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist den «Freiheitstrychlern» zu lauschen.

Welchen Gewinn kann man aus den 17’000 A ziehen?

«Wenn man so will, ist Angela Merkel die Savanne unter den Politikern und Politikerinnen.»

Ehrlich gesagt begann ZACKBUM hier, nur noch quer zu lesen. Bei Karl May lassen wir uns sogar «Durch die Wüste» gefallen, aber ein solches schräges Bild, hergeleitet vom Schnarch-Modebegriff «Resilienz»? Nein, danke.

Apropos, der Head Global Media, die Repräsentanz von «Equal Voice» bei Ringier, Ladina Heimgartner, baut ihre ganze Karriere auf dieses Wort. So oft verwendete sie es bei einer Podiumsdiskussion des Clubs der Zürcher Wirtschaftsjournalisten. Die Zukunft der Medien? «Resilienz». Die Strategie? «Resilient werden.» Überlebenschancen eines Printprodukts? «Hängt davon ab, wie resilient es wird.»

Im Gegensatz zu Tamedia will aber Ringier auch nicht unbedingt als Konzern gelten, der nur teuer zu bezahlende Qualität, überragende Eigenleistungen herstellt. Wobei die Frage schon gestellt werden darf, wieso man für Nonsens über Schamlippen, per copy/paste übernommene Artikel aus der SZ und der Restenverwertung allgemein mehr als 700 Franken im Jahr bezahlen soll. Plus eine Zusatzmilliarde an Steuergeldern für notleidende Medienclans.

Was treibt der andere Teil des Tageszeitungsduopols?

Aber schauen wir, was der andere Teil des Tageszeitungsduopols so macht, also CH Media. Dort zeigt Daniel Zulauf Wirtschaftskompetenz. In seinem Kommentarfoto sieht er allerdings, mit Verlaub, mehr so aus, als hätte er gerade in eine Steckdose gefasst. Aber das muss ja keine schädlichen Auswirken auf die Hirnzellen haben.

Redaktor mit Notfrisur: Daniel Zulauf.

Er will die Leser über «Die Not mit der Politik des Geldes» aufklären. Nein, er fängt ganz grundsätzlich an; Staatskunde für Anfänger:

«Bei uns bedeutet Politik Staatsführung zum Nutzen aller.»

Da bohrt endlich mal einer ganz dicke Bretter. Aber es geht ihm gar nicht so um Politik zum Nutzen aller, sondern um «die Politik des Geldes». Also Geldpolitik, nur hört sich eine Genitiv-Konstruktion viel gelehrter an als ein Kompositum.

Zulauf klärt dann  alle CH Media-Leser auf, dass Geld ja keine Zinsen mehr abwirft, daher die Notenbank kaum etwas tun kann, um das «Kreditangebot im überhitzten Hypothekenmarkt so rasch als möglich weiter zu verknappen».

Am Leitzins könne Nationalbank-Chef Thomas Jordan «kein Jota» ändern, das würde eine massive Aufwertung des Franken bewirken. Eine Erkenntnis, die nicht nur einen Dreitagebart wie Zulauf hat. Dann gäbe es aber noch den «antizyklischen Kapitalpuffer». Also der Zwang für Banken, bei Kreditvergabe mehr Eigenkapital dafür vorzuhalten.

Auch diese Erkenntnis ist so neu wie die Zeitung von vorgestern. Abgesehen davon, dass bei weiter brummender Konjunktur und Nullzinsen der Hypothekenmarkt weit entfernt von Überhitzung ist: ein Kommentar, dessen Erkenntniswert für den Leser ungefähr dem Studium einer Keilschrift entspricht.

Immerhin eigene Auslandberichterstattung, wobei …

Nun muss man der Gerichtkeit halber erwähnen, dass CH Media die Berichterstattung über den deutschen Wahlkampf von Fabian Hock bestreiten lässt. Nein, der arbeitet nicht für ein deutsches Organ, sondern ist Co-Leiter Ausland und durfte tatsächlich an einen Auftritt von Armin Laschet nach Villingen-Schwenningen reisen. Allerdings: Damit muss dann die einzige Seite «Ausland» gefüllt werden.

Denn der Begriff Co-Leiter ist ein wenig irreführend. Das gesamte Ausland-Ressort des zweiten Qualitätsmedienverbunds besteht aus haargenau zwei Nasen. Und wenn eine auf Reisen ist, muss die andere schlichtweg die ganze Welt im Blick behalten. Das traut sich nicht jeder zu.

Anderes Niveau bei der NZZ

Ganz anders aufgestellt, muss auch gelobt werden, ist die NZZ. Am gleichen Freitag gönnt sie dem Leser ganze vier Seiten «International», darunter eine Seite verdienstvolle Berichterstattung über die Befürchtungen der Journalisten in Afghanistan. Die haben entschieden andere Probleme, als sich über die Verwendung des Begriffs Schamlippen aufzuregen.

Wie man mit einer Karikatur den Abschied Merkels viel besser darstellen kann, als eine minderbegabte Autoren mit vielen Buchstaben, zeigt die NZZ nebenbei auch:

Politisch nicht ganz korrekt, aber lustig.

Schellen und Treicheln

Ein schöner Brauch auf Abwegen. Meint Tamedia zumindest.

Eigentlich muss man nur ein wenig ins Bildarchiv steigen, dann wird alles klar:

Ueli Maurer und der Gottseibeiuns aus Herrliberg.

Ist zwar ein rundes Dutzend Jahre her, aber man hätte es ahnen können: diese beiden Herren wollen harmlose Kuhglocken für üble politische Zwecke missbrauchen.

Es gibt ja noch ein weiteres Beweisfoto:

Christoph Blocher als Treichler.

Auch da konnte man schon ahnen, dass bei der Ablehnung des EWR-Beitritts 1992 die Glocken des Grauens nicht ihren letzten Auftritt hatten.

Wie aus dem Nichts sind nun die «Freiheitstrychler» aufgetaucht und bereiten vielen Journalisten Unbehagen. Auch solche, die mit dem schönen Brauch eigentlich nichts am Hut haben.

Die Welt der Treichler ist natürlich eine eigene, da muss man sich erst mal einlesen. «Die flachen Gotthard- und Prageltreicheln tönen anders als die bauchigen Froschmaultreicheln». Heisst es auf Wikipedia. Leider fielen die letzten «Eidgenössischen Scheller- und Trychlertreffen» der Pandemie zum Opfer.

Kleiner geht’s nicht: Landspalter Tamedia.

Nun konzentrieren sich die Hoffnungen der rund 3800 Treichler in der Schweiz auf Menzingen im Kanton Zug und das Jahr 2023. Hier amtet Stefan Keiser, und der Präsident der örtlichen Trychler habe «mit Freunden diskutiert, wie man damit umgehen soll, dass Freiheitstrychler das Image des Brauchtums zu schädigen drohen», wissen die Brauchtumsspezialisten David Sarasin und Andreas Tobler.

Expedition ins Geläut

Sie durften offenbar ihre Verrichtungsboxen im Newsroom kurz verlassen und berichten daher: «Stefan Keiser trägt seine beiden Treicheln auf einen der vielen Hügel von Menzingen. Hier oben kann man den Blick schweifen lassen. Keiser stellt die Glocken ins Gras

Jetzt kommt sicher was Weltbewegendes. Nun ja: Er zeige ins Tal hinunter, ««dort unten kommen in zwei Jahren die ganzen Trychler zusammen», sagt er.

Und alle sollen daran teilnehmen können, «auch die Freiheitstrychler», sagt Keiser.»

Ist natürlich blöd, dass er so versöhnlich spricht, wo doch «der Graben in der Trychlerszene derzeit auch durch die einzelnen Vereine» gehe, wissen die Autoren. Es herrschen Angst und Bangen unter den tapferen Mannen: «Es wäre «sozialer Selbstmord», wenn er sich in der aktuellen Situation öffentlich äussern würde, sagt ein Trychler-Präsident, der angesichts der hitzigen Diskussionen lieber anonym bleiben will.»

Ach, immer diese anonymen Quellen, als sei’s ein Stück der «Republik». Selbst ein angefragter «Freiheitstrychler» wolle «anonym» bleiben, bevor er sich zum gewagten Statement aufrafft: «Für ihn ist das Engagement der Trychlergruppen an den Demonstrationen der Massnahmenkritiker selbstverständlich. «Das Treicheln an Anlässen gehörte immer schon zu unserer Tradition», sagt er.»

Anonyme Quellen und gegenseitiges Abschreiben

Das mag ja so sein, aber neben dem Zitieren von anonymen Quellen betreiben die Tamedia-Journalisten auch noch die zweite moderne Lieblingsbeschäftigung: abschreiben. «Inzwischen gibt es Hinweise, dass zumindest einzelne Freiheitstrychler eine Nähe zu den extremen Rechten haben. So soll der Betreiber der Freiheitstrychler-Website eine Zeit lang auch eine rechtsextreme Seite gehostet haben, wie der «Sonntags-Blick» in seiner jüngsten Ausgabe schreibt.»

Durch Abschreiben eines Gerüchts zur Wahrheit veredelt; wie betreichelt ist das denn?

Es gab Zeiten, da wäre ein Journalist für so einen Satz zurechtgewiesen worden. Vielleicht hätte man sogar ein paar aus Blech gehämmerte Treicheln zum Einsatz gebracht. Oder gar Glocken. So eine schöne Treichel mit allem Drum und Dran kostet gerne mal 2000 Franken, das ist doch im Gegensatz zu den Gehältern einiger Tamedia-Journi gut angelegtes Geld.

Die Polizei sagt dies, «Megafon» sagt das

Nachdem die einen nicht vorhandenen Graben in der Trychler-Szene herbeigeschrieben haben, zeigen sie abschliessend noch, wie man objektiv mit Informationen umgeht, was Gewaltanwendung bei der Demo in Bern betrifft:

«Auch die Polizei spricht gegenüber der «SonntagsZeitung» von «gezielten Provokationen» auf der Seite der Gegendemonstrationen. Auf Twitter wird dies unter anderem vom «Megafon», der Zeitschrift der Berner Reitschule, angezweifelt und bestritten: Von Agents Provocateurs könne keine Rede sein.»

Leider gibt es keine empirischen Untersuchungen, welche Auswirkungen das Geläut einer Treichel auf die Gehirntätigkeit von Kühen hat. Bei Journalisten müssen wir aber bedenkliche Phänomene konstatieren.

Zum Beispiel eine glockenförmige Verengung des Gesichtsfelds. Denn, was den beiden Recherchier-Genies völlig entgeht, nicht nur die «Freiheitstrychler» spalten die Kuhglocke.

Karl «Kari» Mächler von den «Helvetia Trychler».

Fernsehen bildet. Das trifft hier für einmal zu. Denn auch das Schweizer Farbfernsehen widmet sich dem Phänomen, dass politisch und aufmüpfig getreichelt wird. Mächler kann sogar stolz behaupten, dass er bereits 1992 an der Seite von Blocher die Treicheln geschwenkt hat. Damals gab es die «Freiheitstrychler» noch gar nicht. Sarasin und Tobler als Journalisten auch nicht. Das waren noch Zeiten.

 

Quellenstudium à la Tagi

Wer war gewalttätig? Erregte Massnahmengegner oder Agents Provocateurs? Tamedia probiert eine neue Methode der Wahrheitsfindung.

Auch Tage nach der Demo vom Donnerstag in Bern gehen die Wogen noch hoch. Wer war gewaltbereit, wer hat am Zaun gerüttelt, wer hat wen provoziert, wer hat eskaliert?

Während sich der SoBli darum kümmert, alles in einen Topf zu schmeissen, von den «Freiheitstrychlern» über Ueli Maurer bis zum Referendumskomitee, das erfolgreich 50’000 Unterschriften gegen das Milliarden-Subventionsgesetz für Medien gesammelt hat, geht Tamedia investigativ auf Spurensuche.

Im ganzen Schlamassel vom Donnerstagabend gibt es zwei Vorfälle und eine Behauptung, die besonders kontrovers dargestellt werden. Haben Gegendemonstranten der sogenannten Antifa-Bewegung gewalttätig versucht, den Demonstrationszug aufzuhalten und dabei einen Sicherheitsmann der Freiheitstrychler «mittelschwer» verletzt, wie die behaupten?

Waren es Demonstrationsteilnehmer oder Provokateure, die solange am Absperrgitter vor dem Bundeshaus rüttelten, bis die Polizei Wasserwerfer einsetzte? Wurde dabei vom Ordnungsdienst der Demonstration deeskalierend eingegriffen oder weggeschaut?

Trifft es schliesslich zu, dass ein «Sturm aufs Bundeshaus» gerade so abgewehrt werden konnte?

Zusammenfassend: Kann man aus all diesen Ereignissen schliessen, dass die «Gewaltbereitschaft» der Massnahmen-Kritiker zunimmt?

Heutzutage wird alles aufgezeichnet und ist digital vorhanden

Angesichts der heutigen Handyvideo-Kultur sollte es doch möglich sein, all die kontrovers dargestellten Vorfälle zu dokumentieren und mit Zeugenaussagen den Ablauf zu rekonstruieren. Eigentlich eine klassische Aufgabe für ein Qualitätsmedium wie die «Berner Zeitung». Oder den «Bund». Oder den «Tages-Anzeiger». Oh, das ist ja alles das Gleiche.

Nein, das war nicht am Donnerstag letzter Woche.

Macht ja nix, die Aufgabe ist klar und lösbar. Wäre. Im Titel des Tamedia-Kurzartikels wird immerhin das Problem adressiert, wie man so schön sagt:

«Nach der eskalierten Corona-Demo in Bern geben prominente Massnahmengegner linken Gegendemonstranten die Schuld für die Gewalt. Daran gibt es jedoch Zweifel.»

Lassen wir die Definition der Begriffe «eskaliert» und «Gewalt» beiseite. Also, wie spielte sich die Auseinandersetzung zwischen Gegendemonstranten der Antifa und den Manifestanten ab? Da kommt nun sicher eine Zusammenfassung der Recherche-Ergebnisse einer Zentralredaktion plus der Doppelpower von immer noch existierenden zwei Lokalredaktionen zu Bern.

So sieht es in Bern aus, wenn Gewalt eskaliert.

Zunächst schildert Christoph Albrecht ausführlich, wie die Massnahmengegner versuchten, «den Spiess umzudrehen» und anderen die Schuld für Eskalationen in die Schuhe zu schieben. Vielleicht etwas länglich, aber gut, wieso nicht. Schliesslich steigert das die Spannung auf die Ergebnisse seiner Eigenrecherche.

Leider wird die Spannung grausam enttäuscht: ««Das «Megafon» lässt an der Darstellung der Massnahmengegner jedenfalls deutliche Zweifel aufkommen. Auf Twitter hat die Zeitung aus der Berner Reitschule die Vorkommnisse vom Donnerstagabend akribisch aufgearbeitet.»

  • Wie bitte?

Lobeshymne im «Schweizer Journalist».

Kann Albrecht (29) noch für sich in Anspruch nehmen, als Kindersoldat im Lokalressort der «Berner Zeitung» mildernde Umstände einzufordern? Das höchsten journalistischen Standards und der Objektivität verpflichtete «Megafon», das Gewaltexzesse jeglicher Art und vor allem um die Reitschule herum immer klar und deutlich verurteilt hat, soll Tamedia die Recherche abgenommen haben? Auf Twitter? «Akribisch»?

Faulpelz Albrecht stört sich nicht einmal daran, dass auf dem «Megafon»-Twitterkanal die Videos über die Auseinandersetzungen zwischen schwarzem Block und Demonstranten bis fast zur Unkenntlichkeit weichgezeichnet oder verpixelt sind. Erkenntniswert, wie auch die Interpretation anderer Aufnahmen: null.

800 Abos, weitgehend anonyme Redaktion.

Man könnte fairerweise sagen, dass es weder für die Behauptung Provokateure noch für den genauen Hergang, der zur Verletzung eines Sicherheitsmannes führte, sachdienliche Hinweise gibt. Auch nicht zur Frage, ob das Sicherheitspersonal wegschaute oder Schlimmeres verhindern wollte.

Das Material ist weder akribisch zusammengestellt, noch aussagekräftig

Klar erwiesen scheint mit diesem Material nur, dass von einem drohenden «Sturm» auf das Bundeshaus nicht im Ansatz die Rede sein kann. Eine Handvoll Chaoten rüttelt am Absperrgitter, wird abgeduscht und verzieht sich. Als Höhepunkt der Gewalteskalation tritt einer sogar dreimal ans Gitter. Mit Anlauf, aber ohne Erfolg.

Ist das alles ein Beleg dafür, dass die «Gewaltbereitschaft» der Demonstranten zugenommen habe? Im Gegenteil, auf der Tonspur hört man immer wieder Rufe, sich ja nicht provozieren zu lassen. Dafür, dass sich eher konservative Manifestanten Aug in Aug mit Schwarzvermummten gegenüberstanden, ging es eigentlich wie bei der Kappeler Milchsuppe zu. Hätte nur noch ein grosser Topf gefehlt.

Aber all das wird überstrahlt von einer Bankrotterklärung des grössten Medienkonzerns der Schweiz. Echt jetzt, das ist alles, was Tamedia zur Aufklärung der Vorfälle beitragen kann? Und das soll eine Steuermilliarde an Zusatzsubventionen wert sein?

Das kann ja wohl nicht Euer Ernst sein, lieber Arthur Rutishauser, lieber Herr Supino.

 

Reza Rafi: ein Büttel am Werk

Wenn Journalisten zu Mietmäulern werden, ersäuft der Beruf in der Schmiere der verborgenen Parteilichkeit.

Erfolg der Falschen ist irritierend. Zurzeit demonstrieren Tausende von Massnahmen-Skeptikern. In Bern, Winterthur, Chur und anderswo.

Abgesehen von einer Handvoll Chaoten friedlich und im Rahmen ihrer demokratischen Rechte. Mit erlaubten, aber auch mit nicht erlaubten Umzügen. Meistens vorne dabei: die «Freiheitstrychler».

Eine Gruppe, die sich innert weniger Wochen von völlig unbekannt zu präsent auf allen Kanälen gemausert hat. Kein Wunder, dass die Mainstream-Medien sich Gedanken machen, woher die denn kommen und wer die sind.

Gutes Merchandising ist alles heutzutage.

Früher, viel früher, gab es mal so etwas wie eine entscheidungsoffene Recherche und Reportage. Die Schönheit des Berufs bestand darin: man kann überall hingehen, an Türen klopfen, in fremde Leben eintreten – und beschreiben, was man da antrifft. Prallt man an der Realität ab, kann passieren, dann schob man’s in den Rundordner und widmete sich einem anderen Thema.

Zuerst die These, dann die Bestätigung

Diese Zeiten sind vorbei. Heute wird zuerst eine These gebastelt, daran wird dann die Story nacherzählt. Der alte Taschenspielertrick ohne den geringsten Erkenntnisgewinn. Der Reporter weiss schon von Vornherein, wie’s ist. Dann schreitet er mutig in die Wirklichkeit und kommt von seiner Expedition mit der grandiosen Erkenntnis zurück: sagte ich doch, es ist so.

Auch wenn der Reporter nicht wirklich sehr tief in die Wirklichkeit eingedrungen ist. Früher hätte spätestens der Produzent an dieser Stelle gesagt: Wand dusse, so kann man doch nicht anfangen. Aber auch der Produzent wurde weggespart, also darf Reporter Reza Rafi beschreiben, wie er scheiterte:

«Die Fenster sind verriegelt. Auf dem schmucklosen Balkon im Erdgeschoss steht ein Tisch. Darauf ein Bierkarton der Marke Eidgenoss, der von zwei Corona-Flaschen flankiert wird. Die Symbolik muss der Hausherr bewusst kreiert haben. Der Name des Spassvogels: Andreas «Andy» Benz. Wir stehen vor einem mehrstöckigen Gebäude in der Anlage «Seepark» in Altendorf SZ.»

Mangels anderer Ergebnisse legt Rafi das Stethoskop an die Wohnung und diagnostiziert: «Hier schlägt das Herz einer Bewegung», die der «Freiheitstrychler». Aber oh Graus, «am Donnerstag führten sie einen Marsch durch Bern an, der in Randale vor dem Bundeshaus mündete». Erwähnen, dass auf dem Weg dorthin laut Medienberichten einem Mitmarschierer von gewaltbereiten Antifa-Chaoten die Zähne ausgeschlagen wurden? Ach, was, das passt doch nicht in diese Wirklichkeit.

Grossmäulige Ankündigung, aber nix dahinter.

Wir merken uns den Namen eines Reporters, der ohne rot zu werden bekannt gibt, dass er an einer Wohnungstüre geklingelt hat. Aber niemand machte auf. Zur Strafe tritt Rafi noch nach, denn dieser Benz ist «der Initiator dieser losen Gruppierung», und an der Klingel stehe «Holz & Bauen Consulting». Aber, da war der Rechercheur gnadenlos, «diesen Titel sucht man im Handelsregister oder im Altendorfer Firmenverzeichnis vergeblich».

Genauso wie eine Aussage des «Herzens» der Bewegung in diesem Artikel. Aber was sich von der Verrrichtungsbox im Newsroom aus recherchieren lässt, das tut Rafi natürlich. Denn die «Freiheitstrychler» verfügen doch tatsächlich über eine eigene Webseite, und die stammt von Hilweb, und diese Firma gehört Markus Hilfiker. Der wiederum haust in Glattfelden und schuf «ein Konglomerat von Internetseiten, das um das Portal patriot.ch herum entstanden ist und mit der Covid-Pandemie eine Renaissance erlebt. Womit die 4000-Seelen-Gemeinde Glattfelden gewissermassen den heimlichen Knotenpunkt des neuen rechten Anti-Establishments bildet».

Gewissermassen. Leider ist Rafi auch an Hilfiker nicht herangekommen, deshalb muss er sich mit diesem Anschwärzen begnügen: «Vor einigen Jahren geriet der Zürcher in den Fokus von Szenebeobachtern, als seine Firma der rechtsextremen Seite swissdefenceleague.ch eine Weile lang den Server zur Verfügung stellte.»

Dass die Webseite nicht mehr existiert und der Name nicht mehr registriert ist, was soll’s, irgendwann hört’s auch mal auf mit Nachforschungen.

Eine Medienmitteilung recherchieren? I wo.

Dennoch von so viel Recherche völlig erschöpft, kommt es Rafi nicht mal in den Sinn, sich eine «Medienmitteilung» anzuschauen, die auf der Webseite der Treichler für Recherchierjournalisten und Laien problemlos einsehbar ist.

Stellungnahme zu Übergriffen: interessiert doch keinen Büttel.

Hier schreiben die Treichler unter anderem: «Der Sicherheitsdienst wurde angegriffen und ein Teammitglied erlitt mittelschwere Verletzungen. Die Täter sind flüchtig.» Dann wird die Vermutung geäussert, dass es sich bei den paar Chaoten, die am Absperrgitter vor dem Bundeshaus rüttelten, um «Agents Provocateurs» handelte. Dieser Behauptung hätte ein umsichtiger Reporter nachgehen können. Aber doch nicht Rafi.

Auch dieses Foto aus der Medienmitteilung sah man nirgends.

Aber damit der knallharten Recherche nicht genug. Der Name «Freiheitstrychler» ist doch tatsächlich beim Amt für geistiges Eigentum eingetragen, von Andy Benz. Hängig sei noch ein zweites Gesuch, auch das Logo zu schützen. Dahinter stehe wiederum Benz, zusammen mit, oha, Markus Hilfiker.

Als Journalismus noch gewissen Minimalanforderungen genügen musste, hätte nach all diesen Erkenntnissen spätestens der Ressortleiter gesagt: bis hierher eine Nullnummer, spülen.

Aber doch nicht mehr heute, und nach all diesen Karikaturen einer Recherche gibt Rafi Vollgas. Denn das «Netzwerk» dieser dunklen Gestalten ist natürlich noch viel umfassender. Schliesslich habe der Rapperswiler Bruno Hug vor Jahren Benz «publizistisch begleitet und unterstützt», als der «sich einen bizarren Streit mit den Altendorfer Behörden lieferte, die seine Eigentumswohnung zu einem Bastelraum herabstufen wollten».

Alle bizarr, streitlustig und vernetzt

Ja und? Ha, dieser Hug mache als «Komiteegründer gegen das Mediengesetz Furore». Noch entlarvender: «Hugs Kompagnon, der Autor Philipp Gut (49), trat am Samstag als Redner am Trychler-Protest in Winterthur auf

Abgründe tun sich da auf, denn: «Dass der Kreis der Trychler und Patrioten anderen Massnahmen-Gegnern wie Nicolas A. Rimoldis Verein Mass-Voll oder den Freunden der Verfassung nahesteht – geschenkt.»

Geschenkt? Geschenkt wie billig, wie nichts wert? Aber es fehlt noch etwas.

«Nationalräte der SVP überbieten sich gegenseitig mit Trychler-Huldigungen. Der grösste Fan ist und bleibt indes Finanzminister Ueli Maurer.»

Und fertig ist die Schmiere. Ist ein Artikel, der behauptet, das angeblich «stille Netzwerk» der «Freiheitstrychler» zu enttarnen. Gut, dass die beiden Hauptnetzwerker «Anfragen von SonntagsBlick unbeantwortet» liessen.

Das macht die Arbeit des des Medienbüttels viel einfacher. Aber nicht besser. Treichler, SVP, Ueli Maurer, Rechtsradikale, Verschwörungstheoretiker – und das Komitee gegen das Mediengesetz. Alles eine Sauce. Das will Rafi insinuieren.

Früher gab es auch mal ein Korrektorat bei Zeitungsredaktionen.

Eigene Interessen wenigstens ausweisen? I wo.

Ohne darauf hinzuweisen, dass dieses Komitee den Verlegern kräftig in die Subventionssuppe gespuckt hat. Die schaukelten bekanntlich einen Raubzug auf das Portemonnaie des Steuerzahlers durchs Parlament. Eine Milliarde zusätzlich, damit die Verlegerclans nicht verlumpen.

Kaum waren die Champagnerflaschen nach der erfolgreichen Gesetzgebung geleert, kam doch tatsächlich ein Referendum dagegen zustande. Nun kann die Bevölkerung im Februar nächsten Jahres darüber abstimmen, ob sie wirklich Yachten, Schlösser und Kunstsammlungen von Multimillionären subventionieren will.

Das hingegen ist kein übles Geraune wie das von Rafi. Sondern einfach die Wahrheit. Dagegen: Ein Redaktor als Alarmglocke läutet Sturm gegen Randalierer und vernetzte Gesellen. Ein Beitrag zur Arbeitsplatzsicherung, aber das Totenglöcklein für anständigen Journalismus.

Ach, zwei weitere Eigenschaften sind im modernen Spar- und Elendsjournalismus verloren gegangen: Scham und Selbstachtung.

Hilfsmittel im modernen Newsroom.

Buebetrickli mit UKW?

Radiopionier Roger Schawinski feierte einen Etappensieg. Aber jetzt schlägt die Staatsbürokratie zurück.

Man soll einen alten Piraten nie unterschätzen. Im Alleingang brachte er eine Petition mit über 60’000 Unterschriften auf den Weg. Damit kippte Roger Schawinski die Absicht, in der Schweiz die Ausstrahlung per UKW demnächst abzustellen.

Das hatten die Beteiligten, also SRG, BAKOM und die Vereinigung der Privatradios, so untereinander abgekartet. Die Privatradios stimmten zu, weil ihnen dafür als Zückerchen erlassen wurde, sich nochmals um ihre Konzessionen bewerben zu müssen. Nur einer verweigerte damals sein Einverständnis. Na und, sagten sich die übrigen Privatradios, Schawinski lebt halt in der Vergangenheit, wir in der Zukunft.

Seither sangen sie das Hohelied der Abschaltung, die DAB-Technologie sei ein prima Ersatz dafür, zudem koste die Fortführung der UKW-Ausstrahlung ein Gewehr oder sogar zwei; der Präsident der Privatradiovereinigung sprach sogar von einem «mehrstelligen Millionenbetrag», der eingespart werden könnte.

Auf Nachfrage von ZACKBUM, wie er denn auf diese Zahl komme, drückte er aber auf die Räuspertaste und ging spontan in eine Sendepause. Unhöflich und inkompetent, auf eine Bitte um Stellungnahme nicht einmal mit einem «rauch’s dir» zu reagieren.

Viele gute Kräfte sind gegen eine UKW-Abschaltung

Die beiden ehemaligen Medienminister Moritz Leuenberger und Doris Leuthard, unter deren Regie die Abschaltung beschlossen worden war, schlugen sich hingegen auf die Seite Schawinskis und verlangten einen Marschhalt.

Denn Tatsache ist: DAB oder DAB+ ist kein sinnvoller Ersatz. Für diese Technologie spricht lediglich, dass sie mit Dutzenden von Steuermillionen gepusht wurde. Die bittere Wahrheit ist aber: UKW wird dereinst vom Internet-Empfang abgelöst werden. DAB+-Empfangsgeräte werden dann genauso zu Elektroschrott wie zuvor die DAB-Empfänger.

Nun schaffte es Schawinski, die beschlossene Abschaltung zumindest aufzuschieben. Ein Triumph, aber so schnell geben sich Beamte natürlich nicht geschlagen. Schliesslich hat das für Konzessionen zuständige Bakom jahrelang in Abstimmung mit der SRG diese DAB-Technologie promotet – inzwischen in ganz Europa alleine auf weiter Flur.

Nun versucht es das Bakom offenbar mit einem Buebetrickli. Wie Schawinski auffiel, fehlt in der Vernehmlassung für das neue Konzessions-Konzept für Privatradios ein entscheidender Punkt: die Erwähnung der Verbreitungstechnologien.

Immer noch im Kämpfermodus: Roger Schawinski.

Auf Deutsch und auf Nachfrage räumt das Bakom ein, dass es neuerdings ab Anfang 2025 UKW nicht mehr geben soll. Punkt. Warum? Darum.

Obwohl kaum die Hälfte aller Autos in der Schweiz mit DAB-Empfängern ausgerüstet sind, obwohl es noch mindestens sieben Jahre dauern wird, bis für die Verkehrssicherheit nötige 90 Prozent DAB empfangen könnten.

Es gibt einen peinlichen Grund für dieses Verhalten

Der einzige Grund für dieses Buebetrickli liegt auf der Hand. Würde das Bakom, wie es vernünftig wäre, die Abschaltung von UKW flexibel so handhaben, dass sie erst erfolgt, wenn eine allgemein verwendete Ersatztechnologie vorhanden ist, dann würde das bedeuten, dass diese via 5G und VoIP erfolgt. Nicht mehr über DAB+.

Das wiederum würde bedeuten, dass zum zweiten Mal alle Käufer solcher Empfangsgeräte Elektroschrott entsorgen dürften. Und das wiederum würde offenkundig machen, dass sich das Bakom, zusammen mit der SRG, einen multimillionenteuren Flop geleistet hat.

Obwohl dafür kein einziger Sesselfurzer persönlich zur Verantwortung gezogen würde: das mag der Beamte nicht. Das würde an seiner Selbsteinschätzung kratzen, dass er vielleicht nicht der Schnellste und Hellste ist, aber dafür korrekt, akkurat und verantwortungsvoll. Keinesfalls ein Verschwender von Steuergeldern und keinesfalls der Schuldige dafür, dass Millionen von Empfangsgeräten entsorgt werden müssen.

Nach der gewonnenen Schlacht ist vor der nächsten

Schawinski muss schon wieder zur Attacke blasen, denn: «Eine inhaltliche Begründung» für die Abschaltung 2025 lieferte das Bakom nicht.

«Damit aber will sich das zuständige Bundesamt schon wieder in die Büsche schlagen. Zuerst taten sie das mit dem Hinweis auf eine «Branchenvereinbarung», die dann grandios kollabierte. Jetzt im Hinblick auf die Neukonzessionierungen.»

«Dagegen gilt es nochmals anzutreten», ruft Schawinski auf persoenlich.com zum neuerlichen Gefecht.

Wofür sind die Mainstream-Medien eigentlich noch gut?

Immer fragwürdiger wird hier die Informationspolitik der grossen Verlegerclans. Vor allem Wanners CH Media verfügt über eine nette Kollektion privater Radio-Stationen. Nach einer eher unglücklichen Intervention von Wanner Junior herrscht hier Schweigen. Schawinski, Petition, Verschiebung des ursprünglich beschlossenen Termins zur Abschaltung?  Ach, war da was?

Schlimmer noch: Das Referendum gegen das verabschiedete Mediengesetz ist zustande gekommen.

Die Agentur SDA waltete ihres Amtes und machte eine Meldung daraus. Alle grossen Medienkonzerne der Schweiz beziehen ihre Artikel von der SDA. Hier handelt es sich zudem um ein Thema, das sie unmittelbar betrifft. Schliesslich sollen ihnen eine Milliarde Steuerfranken zugehalten werden. Darüber muss nun im Februar 2022 abgestimmt werden. Aber: Schweigen im Blätterwald. Vierte Gewalt, Informationsauftrag, wichtig, seriös, Qualität? Pipifax.

UKW als Nostalgie-Funk. Hätte CH Media gerne.