Forever old

Ein Beitrag zur Qualitätsoffensive bei Tamedia.

Wem es bislang entgangen sein sollte: Es gibt ein neues «Gefäss» bei Tamedia. Das heisst «Forever Young». Da ist nun nomen nicht wirklich omen:

Das sind die vier «neusten» hier angepriesenen Artikel. Erscheinungsdatum von links nach rechts: 17.5., 20.5., 23. 5., 17. 5. Wir schreiben heute den 30. Mai

Aber das kann man (bzw. frau, denn die Chefredaktion ist bekanntlich weiblich) noch steigern:

Dieses «Interview in der Serie «Forever Young»» mag dem einen oder anderen «Magazin»-Leser nicht ganz unbekannt vorkommen. Denn wer noch so jung ist, dass ihn noch nicht Alzheimer im fortgeschrittenen Stadium ereilt hat, erinnert sich noch, dass dieser Artikel, neu auf der Webseite von Tamedia unter dem schnuckeligen Titel «News Pause», aber angepriesen als «Beitrag der Serie «Forever Young»», am 7. 10. 2022 zum ersten Mal das Licht der Welt erblickte.

Wahrscheinlich ist das ein Beitrag dazu, was das Mitglied der Chefredaktion Kerstin Hasse als «digital Storytelling» versteht. Vielleicht ist das ein weiblicher Ansatz, der sich dem männlichen Verständnis entzieht. Das ist die eine Variante.

Die andere: in dieser «neuen» Rubrik bleiben alte Artikel tagelang auf der Webseite stehen, weil es keine neuen gibt. Das mag ja noch knapp angehen, obwohl es alle Regeln des digitalen Erzählers widerspricht. Aber vielleicht war Hasse damit ausgelastet, ein lustiges Video über die Käfigtierhaltung im neuen Newsroom von Tamedia, Pardon, «Tages-Anzeiger», zu drehen.

Aber dass man (oder vielmehr frau) nun die Stirn hat, einen fast 8 Monate alten Artikel zu rezyklieren, der schon damals schnarchlangweilig war, das zeugt nun von einer Leserverachtung, um ein stärkeres Wort zu vermeiden, die schon bemerkenswert ist.

Die Fragen sind nach wie vor brandaktuell: «Liebe Oma – du hast im Februar deinen fünfundachtzigsten Geburtstag gefeiert. Wie fühlt sich das an?» Wohl so, wie sich dieses Jahr das Feiern der 86. angefühlt hat. Unvergesslich auch diese Passage:

«Warst du auch mal überfordert vom Grundkonzept des Existierens? – Vom was? – Also, dass man ungefragt auf diese Erde geworfen wird … – … und in den meisten Fällen auch ungefragt wieder gehen muss. – Genau.»

Solche investigativen Fragen und luziden Antworten kann man gar nicht oft genug lesen. Dass man dafür allerdings zuerst ein Abo abschliessen müsste, das ist schon ein starkes Stück. Der zukünftige Abonnent, den Chefredaktorin Raphaela Birrer bekanntlich «an die Paywall heranführen» will, soll also Geld abdrücken dafür, dass er einen Uralt-Artikel, der als neu serviert wird, lesen darf.

Dass er in eine Serie «Forever Young» eintauchen darf, die so was von alt ist.

Dass er Beiträge der «Süddeutschen Zeitung» aus München lesen darf, die schon dort kaum jemanden interessieren, und dort leben Deutsche. In der Türkei leben Türken, und die haben gewählt. Und sich wieder für Recep Erdogan entschieden. Da wäre es sicherlich interessant zu erfahren, was der grösste Schweizer Medienkonzern mit seinen unzähligen Kopfblättern in der Zentralredaktion in Zürich dazu zu kommentieren hat.

Aber leider behält er das für sich, wahrscheinlich wollte sich Auslandchef Christof Münger davon nicht seine Pfingstferien verderben lassen. Also kommentiert «Raphael Geiger aus Istanbul». Der Korrespondent der «Süddeutschen». Der ist herausragend qualifiziert, denn er übt diesen Job seit 2023 aus. «Zuletzt war Geiger USA-Korrespondent in New York.»

Auch das ist ein spezielles Verständnis von Qualität. Statt die eigene, theoretisch noch vorhandene Auslandredaktion zu bemühen, lässt der Qualitätskonzern Tamedia einen seit 2023 im Amt befindlichen SZ-Korrespondenten in die Tasten greifen, der zuvor in den USA stationiert war. Und für diesen Schrott, «Erdogan ist gerade noch einmal davongekommen», will Tamedia auch noch Geld, bevor man das lesen darf.

Eigentlich ist’s so. Wer Tamedia zuschaut, begleitet einen Fallschirmspringer auf dem Weg nach unten. Und blickt ihm in die Augen, als er merkt, dass sich der Fallschirm nicht öffnet. Brrr.

 

 

Immer wieder Sonntag

Das übliche Morgengrauen …

Eigentlich wollte ZACKBUM mit der «NZZam Sonntag» beginnen. Aber wir rauschten, ohne durch bemerkenswerte Inhalte aufgehalten zu werden, bis zu Seite 16 durch. Dort lasen wir, dass Patti Basler abtrete. Doch zu früh gefreut: sie macht nur eine überlange Sommerpause. Aber man nimmt heutzutage, was man kriegen kann.

Das ist auch das Motto von Nicole Althaus. Sie erfreut den Leser mit einer bahnbrechenden Erkenntnis des «Verhaltensforschers Joonghwan Jeon von der University of Texas in Austin». Zu der kam er zwar schon 2007, dafür aber als Erster: «Mater semper certa est». Für die wenigen Nicht-Lateiner unter unseren Lesern: «die genetische Abstammung von der Mutter ist sicher, die des Vaters nicht.»

Was Althaus eigentlich sagen will: sofern es zu keiner Verwechslung im Spital kommt, weiss die Mutter, dass das ihr Baby ist. Der Vater so spontan nicht. Es geht hier allerdings nicht um die genetische Abstammung des Vaters, sondern vielleicht darum, dass es einen Gentest bräuchte, um seine Vaterschaft zu beweisen. Oder so. Aber mit bahnbrechend neuen Erkenntnissen ist es eben so eine Sache, da verrutscht die Sprache schon mal gerne. Oder aber, verflixt, es handelt sich hier um Frauensprache, die dem Mann weder genetisch noch sonst wie leicht erschliessbar ist.

Dann kommt eine Story, die sozusagen einen Kontrapunkt gegen den drohenden Hitzesommer setzen will: «Immer mehr Frauen lassen ihre Eizellen einfrieren». Also genauer: in einer Einfrierklinik waren es früher «eine Frau alle paar Monate», nun seien es pro Woche «zwischen fünf bis zehn Frauen». Wenn das mal kein Trend ist.

Voll im Trend ist auch R. James Breiding. Er will dem harmlosen Leser am Sonntagmorgen einen solchen Schrecken einjagen, dass dem das Gipfeli aus der Hand fällt: «Wie die Schuldenkrise die Welt in den Abgrund reissen könnte». Merke, lieber Leser: Titel die «wie Blabla könnte» enthalten, plus das Wort Abgrund, sind ein klarer Hinweis für: überblättern.

Putzig ist hingegen der Titel «Die Brust versiegt». Also nicht wirklich, industrielle Säuglingsnahrung ist einfach weiter auf dem Siegespfad. Schrecklich ist hingegen diese News: «Vögel meiden die Schweiz». Aber immerhin, der Eieranschlag auf eine «Autorperson» ist der NZZaS keine Zeile wert. Dafür hat sie halt Jan Weiler mit seiner unendlichen Fortsetzungsgeschichte. Also sie ist bei Folge 13 angelangt, kommt einem aber unendlich vor.

Während sich Patti Basler* wenigstens direkt, allerdings früh in die Sommerpause abmeldet, tut das die «SonntagsZeitung» ebenfalls früh, dafür indirekt:

Typisch Tamedia, die wollen einem auch alles vermiesen. Scheint mal die Sonne, wird der fehlende Regen bemängelt – oder die hohen Preise bejammert.

Dann fordert Arthur Rutishauser den Skalp von Barbara Schmid-Federer. Institution Schweizerisches Rotes Kreuz, überfordert, nicht denkbar, dass sie sich noch halten könne. Mal schauen.

Dann kommen wir zu einem Höhepunkt für jeden Schweizer Leser. Das grosse Interview, der Hammer, die Themen, der Gesprächspartner, der Wahnsinn. Boris Herrmann, Nicolas Richter und Robert Rossmann vereinen die guten Kräfte, um den Eidgenossen ein Gespräch zu schenken. Nun sind die Drei im Sold der «Süddeutschen Zeitung» in München, und nicht mal dort interessiert brennend, was der deutsche «Oppositionsführer» (so würde man ihn in Deutschland allerdings nicht nennen) Friedrich Merz so zu sagen hat. Ob er den Geist Adenauers beschwören wolle, wird Merz einleitend gefragt. Wetten, dass kaum ein Schweizer Leser sich für die Antwort interessiert? Überblättern …

Dann weiss Bettina Weber sozusagen Intimes vom frischgebackenen und fehlgestarteten republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron DeSantis, inzwischen schon gerne DeSaster genannt: er höre «nur auf seine Frau». Wahnsinn, da kommt endlich mal einer ohne grossen Beraterstab aus. Oh, DeSantis hat einen grossen Beraterstab? Ach was.

Woran merkt man sonst, dass anscheinend schon Ende Mai das Sommerloch gähnt? Wenn im «Fokus» der Chef-Butler (eine Frau, darf man die heute in der SoZ noch Chef-Butler nennen? Wo bleibt die Genderpolizei? Weiss das Birrer, wieso hat Tobler nicht eingegriffen) des Dolder Grand interviewt wird. Auch hier war das grosse Interview mal eine Institution. ZACKBUM rätselt aber: Chef-Butlerin? Chefin-Butlerin? ChefIn-Butler*? Wo bleiben die Gender-Päpste und -Päpstinnen, wenn man sie mal braucht.

Und so nebenbei. Dieser Gender-Lapsus erinnert doch daran, dass es auch der SoZ scheissegal ist, dass eine leitende Mitarbeiterin über Jahre hinweg von einem Hassmob verfolgt wurde, angeführt von der hasserfüllten Kämpferin gegen Hass im Internet, haarklein aufgezeigt in einer mehrteiligen Serie über interne Chatprotokolle. Aber  Jolanda Spiess-Hegglin ist halt nicht in der SVP

Die Spargelsaison neigt sich so langsam dem Ende zu; höchste Zeit, die jährliche Sommerlochstory zu schreiben: «Wie viel Arbeit wirklich hinter dem Trendgemüse steckt». Hinter? Hm.

Dann will Rutishauser, das Bauernopfer auf dem Kriegspfad, auch noch den Skalp von Tidjane Thiam. Beziehungsweise an dessen Bonus: «Karin Keller-Sutter hat fünf gute Gründe, seinen Bonus zurückzufordern.» Wetten, dass sie es nicht tut?

Apropos Sommerloch im Mai: «Richtig essen für ein langes Leben», abgestaubter Stehsatz.

Eigentlich wollte ZACKBUM die erste Ausgabe unter neuer Leitung des «SonntagsBlick» genauer anschauen. Aber:

Es gibt Gähnreflexe, die fast in einer Kiefersperre enden.

Kaum hat man die überwunden, liest man, was Reza Rafi höchstpersönlich recherchiert hat: «Schweiz will Andrei Melnitschenko loswerden», behauptet er. Und will wissen: «Der Russe verbringe zu viel Zeit im Ausland und nicht an seinem gesetzlichen Wohnsitz, womit er die Bedingungen (für eine Niederlassung C, Red.) nicht mehr erfülle

Nun wird’s etwas peinlich, wenn man dem Chefredaktor des SoBli Nachhilfeunterricht in Faktenkenntnis erteilen muss. Melnitschenko steht auf der EU-Sanktionsliste, die von der Schweiz gehorsam übernommen wird. Seine Frau übrigens auch, obwohl EU-Bürgerin. Also ist ihm die Einreise in die Schweiz verwehrt.

Das ist nun tatsächlich ein kafkaeskes Problem. Ein Besitzer der Niederlassung C darf sich, auf Antrag, bis zu zwei Jahre am Stück im Ausland aufhalten. Allerdings sollte er danach wieder zurückkehren. Wie kann das nun Melnitschenko tun, der zwar als langjähriger Aufenthalter, Mieter und bedeutender Steuerzahler, der sich in der Schweiz nie etwas zu Schulden kommen liess und jegliche Nähe zu, geschweige denn Unterstützung von Putin bestreitet, dieser Vorschrift seiner Niederlassung entsprechen?

Das wäre eigentlich die interessante Frage gewesen. Aber Rafi ist nicht für interessante Fragen zuständig, sondern blödelt halt im Text vor sich hin. Man kann also konstatieren, dass er das Niveau seines Vorgängers problemlos tieferlegt. Unter die Relevanzschwelle, unter jede Schwelle. Unterirdisch.

*Nach Leserhinweis korrigiert …

Die Welt verroht mit rohen Eiern

Dafür braucht es einen «Chef Recherche».

Es gilt Schreckliches zu vermelden. Nicht nur, dass im Iran Ehebrecherinnen gesteinigt werden. Nicht nur, dass in vielen Ländern der afrikanischen Welt Frauen zwangsbeschnitten werden. Nicht nur, dass in Israel Christen verfolgt werden. Nein, wir müssen ganz in unserer Nähe miterleben, wie Eier zweckentfremdet werden.

Oder um es mit den erschütternden Worten des «Chef Recherche» Fabian Eberhard zu sagen: «Die preisgekrönte Autorenperson Kim de l’Horizon wurde von zwei Buben mit Eiern beworfen. Das berichtet de l’Horizon auf seinem Instagram-Account. «Ich wurde gerade von zwei Kindern attackiert. Niemand hat eingegriffen.» Die beiden hätten gewusst, dass niemand eingreift – weil die Leute das selten tun würden

Zunächst: Eberhard ist ein Chef ohne Indianer. Und Recherche, nun ja, seit er todesmutig ein leeres Büro fotografierte und behauptete, das sei das Hauptquartier des Internetradios «Kontrafunk» (ohne sich jemals für diese Ente ernsthaft zu entschuldigen), zweifelt ZACKBUM etwas an seinen Fähigkeiten.

Doch eine Recherche am Pult in der Käfigtierhaltung Newsroom, das ist eher seine Kragenweite. Statt selbst zu recherchieren (stimmt die Story überhaupt, was war der Anlass, waren es Buben), gibt er ergriffen wieder, was die «Autorenperson» behauptet: so «habe die Gesellschaft den Buben beigebracht, dass sie nicht gleichzeitig Bart und Make-up tragen dürften. Nicht breitschultrig sein und zugleich Frauenhosen tragen können. So wie de l’Horizon zum Zeitpunkt der Attacke.»

Die Autorenperson, die man auch schlichtweg bei ihrem richtigen Namen nennen könnte, keilt nach und «appelliert an die Eltern: «Ich bin es leid, euren Job zu machen.» Die Erziehungsberechtigten sollten ihren Kindern beibringen, dass es okay ist, anders zu sein.»

Ähm. Die «Gesellschaft» habe den Buben das beigebracht? Was für ein Quatsch. Und die «Autorenperson» sei es leid, den Job der Eltern zu machen? Kinder zu erziehen? Seit wann tut er denn das? Und noch ein paar Fragen für den Rechercheur: Wer hat denn eigentlich die «Beweisfotos» aufgenommen? Eine der Personen, die nicht eingegriffen hätten? Nun sieht man aber niemanden weit und breit. Alle vom Tatort geflohen?

Offensichtlich ist das Foto beim Migros Wengihof aufgenommen, ob es da vielleicht Zeugen für die schreckliche Tat gab? Am Boden rechts von der «Autorenperson» sieht man weitere Eierüberreste, woher stammen die? Der/die/das behauptet weiter, die Attacke sei erfolgt, weil er breitschultrig Frauenhosen trage. Muss man aber auch extra erwähnen. Bart und Make-up trage. Auf dem Foto kann man aber ausser einer, Pardon, merkwürdigen Frisur nichts Aussergewöhnliches obenrum erkennen.

Ob da nicht die Frage an den «Chef Recherche» gestattet ist: haben Sie wirklich recherchiert, ob das nicht ein verzweifelter Versuch ist, mal wieder in den «Blick» zu kommen, schlichtweg Fake News?

Samstag am Sonntag

Ein Blick in die frühere «Schweiz am Sonntag».

Auf der Front wird’s schon merkwürdig. «Mehr Schutz für Opfer von Internet-Hetze». Oh, denkt der Leser, nach dem Abgang von Pascal Hollenstein traut sich CH Media endlich, die Hetze gegen die Journalistin Michèle Binswanger zu thematisieren. In der Serie «#hateleaks» wurde anhand von Chat-Protokollen nachgewiesen, wie die hasserfüllte Kämpferin gegen Hass im Internet Jolanda Spiess-Hegglin und ihr Adlatus Hansi Voigt eine schmutzige Kampagne, die sie selbst «Drecksarbeit» nannte, orchestrierten und organisierten.

Aber leider nein, es handelt sich um die Provokation des SVP-Nationalrats Andreas Glarner, der eine öffentliche Telefonnummer öffentlich machte. Im Fachjargon «Doxing» genannt. Das, was Binswanger erlebte, war ja nur ein Shitstorm, eine Hetzkampagne, der Versuch, sie zum «Auswandern» zu bringen, als Mensch und Journalistin unmöglich zu machen. Mittels Fake-Accounts zu Aussagen zu provozieren, die man dann gegen sie und für die eigene Anwältin verwenden konnte.

Wie sagt Bundesrätin Baume-Schneider so richtig: «Es geht um die Fähigkeit, mit anderen Meinungen umzugehen und sie zu akzeptieren. Wir müssen auf solche Exzesse reagieren.» Allerdings.

Richtig blöd ist’s halt, wenn man Freitagnacht Abschluss hat, aber behauptet, man wolle das ganze Wochenende aktuell sein:

Leider finden halt viele Wahlen im In-und Ausland am Sonntag statt …

Aber immerhin, das ist mal was Neues und natürlich Beunruhigendes, da es um Banken geht:

Konkret heisst das, dass die UBS lediglich verpflichtet ist, die Geschäftsbücher der CS zehn Jahre lang aufzubewahren. Protokolle der VR-Sitzungen, der Geschäftsleitung, welche Pfeife hat wann was gesagt, wer ist für eine der vielen Fehlentscheidungen verantwortlich? All das kann problemlos im Aktenvernichter landen. Denn der Bundesrat hat es auch hier versäumt, entsprechende Vorschriften an seine Unterstützung zu knüpfen. Amateurliga.

Und wem widmet sich das «Wochenende», indem die Reste von «Kultur & Leben» versorgt sind? Nein, da muss man nicht raten:

Nachdem Turner pflichtschuldig albgenudelt ist, wird’s dann allerdings dünn, sehr dünn:

Wenn ein Schüler zu spät in den Unterricht kam, pflegte der Mathematiklehrer Schiller zu zitieren: «Spät kommt ihr, doch ihr kommt.» Das wollen wir hier auch so halten.

Geht’s noch dünner? Das Stichwort für Simone Meier, die Kolumnistin. Was macht man als Kolumnistin, wenn einem nun wirklich überhaupt nichts mehr einfällt? Richtig, Man schreibt übers Kolumneschreiben. In der Agenda sei der «Schreibbefehl Kolumne!» gestanden. Darunter Stichwörter, die sie aber nicht mehr entziffern könne. Das wiederum führt zurück zum Aufsatzschreiben in der Schule, und dann …, sorry, aber hier sind uns die Augen endgültig zugefallen. Einzig bedauerlich, dass Meier nicht – endlich mal was Originelles – einfach vier Worte für die Kolumne verwendet hat: «Mir fällt nix ein.» Wäre zumindest ehrlich gewesen.

Erholt man sich wenigstens im «Lifestyle»? Mässig:

Ein runder Geburtstag, als anlassloser Anlass für Rezykliertes. Passt eigentlich zu Heidi Klum, die sich ja ausschliesslich mit äusseren Werten über Wasser hält.

Und das war’s dann schon auf Seite 62. Prädikat: nicht wirklich wertvoll. War auch schon besser. Vielleicht eine besonders schwache Ausgabe erwischt. Wir versetzen das Blatt in die Probezeit.

Weg nach unten

Obwohl nicht schwindelfrei, blicken wir in den Abgrund «Tages-Anzeiger».

Eigentlich ist es eine rührende Idee. Nachrufe veröffentlichen auf x-beliebige Personen. Das ist eine gute Idee für einen Dorfanzeiger, der damit die Leser-Blatt-Bindung verstärkt und sich in seiner überschaubaren Umgebung gut platziert.

Ist es auch eine gute Idee für eine sogenannte «Qualitätszeitung», die wegen schrumpfenden Umfängen eigentlich um jeden Zentimeter redaktionellen Raum kämpfen sollte? Obwohl sie schon genug Platz von der «Süddeutschen Zeitung» aus München füllen lässt.

Nun aber die Serie «Nachrufe». Nichts gegen die hier porträtierte Person, die allerdings schon vor einem Jahr mit Exit aus dem Leben schied, wie man dem Schulaufsatz von Artikel entnehmen kann. Aber ist das ein Angebot, mit dem man den zahlenden Leser bei der Stange hält? Sicher nicht, muss man sagen.

Aber hier geht es sicher zur Sache:

Das ist ein Interview mit dem Ökonom Aymo Brunetti. Der Professor war Präsident der Expertenkommission, die zuhanden des Bundesrats Lösungsvorschläge bezüglich der «too big to fail»-Problematik erarbeiten sollte. Nach der grossen Finanz- und Bankenkrise von 2008.

Die Vorschläge waren so überzeugend, dass sie bei der CS-Krise nicht mal aus der Schublade genommen wurden. Offensichtlich völlig untauglich. Das wäre nun tatsächlich die Gelegenheit für ein munteres, angriffiges Interview gewesen. Aber auch Brunetti weiss, wieso er ausgerechnet dem Tagi Red und Antwort steht.

Weil auch bei ihm von Beatrice Bösiger die inzwischen gewohnte Tagi-Nummer angewendet wird: was wollten Sie Bitteschön immer schon mal sagen?

Da darf Brunetti zunächst markig verkünden: «Eine Bank muss in Konkurs gehen können. Die staatliche Rettung einer Bank widerspricht jeglichen marktwirtschaftlichen Regeln und ist total unfair.»

Dann wagt sich Bösiger an die Frage, wieso denn das von ihm ausgearbeitete Vorgehen nicht mal abgestaubt wurde, sondern im Papierkorb, Pardon, in der Aktenablage blieb: «Wir wissen nicht, ob und wie es funktioniert, weil die Bank eben nicht gemäss diesen Regeln abgewickelt wurde.»

Das ist ein «Schlange beisst sich in den Schwanz und frisst sich auf»-Argument. Die Frage ist doch genau, warum diese Regeln nicht angewendet wurden. Wohl doch deswegen, weil sie völlig untauglich waren und sind. Also hat der Herr Professor Pfusch abgeliefert.

Aber das wären ja harte Fragen gewesen, wir verliessen den Komfortbereich des Tagi. Da darf Brunelli noch zudem sagen: «Für mich ist noch nicht bewiesen, dass man die Credit Suisse nicht hätte in Konkurs gehen lassen können.»

Also, die von ihm entwickelten Rezepte sind untauglich. Die Nationalbank hätte – wie andere kompetente Koryphäen wie beispielsweise Ossi Grübel fordern – problemlos die Liquidität zur Verfügung stellen können, die unfähigen Manager auswechseln und anschliessend die CS, wahrscheinlich sogar mit Gewinn an die Börse bringen. Auch dem widerspricht Brunetti: «Es ist nicht die Aufgabe der Nationalbank, ins Risiko zu gehen und eine Bank vor dem Konkurs zu retten.»

Genau das hat aber die SNB gemacht, nur hat sie gleichzeitig damit der UBS ein Riesengeschenk gemacht. Auch bei dieser Antwort hätten sich eigentlich zwei Fragen anschliessen müssen. Aber stattdessen lässt Bösiger den Professor weiter klugscheissen: «Die Bilanz der UBS ist nach der Übernahme der Credit Suisse gemessen an der Wirtschaftsleistung viel zu gross für die Schweiz.»

Während der Finanzkrise eins war die Bilanz der UBS noch viel grösser, das hat Brunetti damals aber nicht zu dieser Einsicht gebracht. Wenn schon, war die Bilanz der UBS auch schon vor diesem Geschenkverkauf zu gross für die Schweiz, was Brunetti aber nicht hörbar störte.

Selbst der Laie als Leser kommt auf diese oder jene Frage, die man Brunetti hätte stellen sollen, müssen. Aber eben, heutzutage kann man sich seine Interviewpartner aussuchen. Will man ungestört von kritischen Fragen Öffentlichkeit erreichen, sozusagen präventiv verhindern, dass die Frage aufkommt, was denn eigentlich der Versager, der die «too big to fail»-Regeln entwickelte, dazu sage, dass sie so untauglich sind, dass sie nicht mal beim nächsten Fall angewendet werden.

Das wäre andernorts Gelegenheit für einen Schwitzkasten gewesen. Aus dem sich Brunetti vielleicht mit guter Rhetorik hätte befreien können. Das wäre auf jeden Fall für die Leser interessant geworden. Aber eben, wir sind hier beim Genderstern-Tagi, wo das Wort «Qualität» zwar in den Mund genommen wird – und erst noch weiblich ist –, aber dann sofort ausgespuckt, wenn keiner hinguckt.

Aber nicht nur bei dieser nicht abreissenden Reihe von Weichspüler- und Federstreichel-Interviews tritt es dann doch offen zu Tage: weniger Genderwahnsinn, mehr journalistischer Einsatz, mehr Sichtbarkeit für handwerklich niveauvolle Leistungen, das wäre doch was. Das wird aber nix.

Das hat man halt davon, wenn das Geschlecht als Beförderungskriterium (40 Prozent Frauenanteil auf allen Hierarchiestufen) wichtiger wird als die Qualifikation, die Kompetenz. Damit ist dann niemandem gedient, nicht mal den so beförderten Quotenfrauen. Die Qualität leidet, der Leser leidet, die Mitarbeiter leiden, die Einnahmen leiden. Unterwegs nach unten, aus eigener Schuld und Unfähigkeit.

Wumms: Eric Gujer

Gelobt sei der schneidende Ton des NZZ-Chefs.

ZACKBUM mag mit seiner Feriengestaltung nicht ganz einverstanden sein, aber seine wöchentliche Arbeit mit dem Schneidbrenner, genannt «Der andere Blick», ist herausragend.

Im allgemeinen Niedergang der Schreibkräfte und Schreibfähigkeiten ragt Eric Gujer wie ein Leuchtturm heraus, wenn er seine verbalen Blitze schleudert. Besonders schnell auf Betriebstemperatur kommt er, wenn es um die Grünen geht. Natürlich hat er recht, einen opportunistischeren und übleren Haufen in der Politik gibt es weder in Deutschland noch in der Schweiz.

Zunächst säbelt Gujer die Kritiker an der Vetternwirtschaft im Hause Habeck nieder: «Die Empörung über den grünen Klüngel im Wirtschaftsministerium ist im höchsten Mass lächerlich. Nepotismus und Ämterpatronage gehören zur Politik. Seit je werden Günstlinge und Parteigänger in einflussreiche Positionen befördert. Trauzeugen bekleiden auch in anderen Ministerien in Berlin wichtige Posten

Darauf türmt er ein verbales Massaker an den Grünen-Bewunderern: «Sie sehen in ihnen die Garanten eines besseren Deutschland: einsame Kämpfer gegen den Klimawandel, sensibel, gendergerecht und divers, Retter der Flüchtlinge, geleitet von Werten statt von schnöden Interessen.»

Dann zeigt er einen kurzen Moment der Schwäche: «Jetzt müssen die Medien feststellen, dass die Grünen eine ganz normale Partei sind. … Sogar die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» raunt von einer «Entzauberung», als hätten die Grünen jemals einen Zauber besessen.» Nein, die Grünen sind keine ganz normale Partei. Während sich dort die Wändehälse maximal um 180 Grad drehen können, ist das hier – um die grüne Aussenministerin Baerbock zu paraphrasieren, um mindestens 360 Grad möglich.

Aber schnell erreicht Gujer wieder seine normale Flughöhe: «Wer glaubt, dass Parteien ein Zauber innewohnt, sollte zum Arzt gehen.» Welch feine Anspielung auf den Elder Statesman Helmut Schmidt, der alle zum Arzt schicken wollte, die Visionen haben.

Nun legt Gujer das Florett zur Seite und greift zum Zweihänder: «Die Grünen waren noch nie besonders moralisch.» Das könne man den Grünen aber auch nicht unbedingt vorwerfen, denn welche Partei sei das schon. Aber, beim Streit um das verbieten fossiler Heizungen haben die Grünen schlimmer versagt: «Allerdings wäre es die Aufgabe des Ministeriums gewesen, den Widerstand vorherzusehen und Mehrheiten zu suchen – auch um den Preis einer weniger ambitionierten Vorlage. Tragfähige Lösungen zu erarbeiten, um die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen, das ist in der Politik Moral.»

Dann geht Gujer zum peinlichen Thema «Atomkraft, nein danke» über: «Ohne den sehr deutschen Spleen des Atomausstiegs würde Deutschland heute deutlich weniger CO2 produzieren. Indem die Grünen den Atomausstieg (unter Mithilfe der Merkel-CDU) unbeirrt durchgesetzt haben, gewichteten sie das Ideal höher als das praktische Ergebnis. Genau das ist in der Politik amoralisch

Das gilt natürlich auch für die Frau mit der schwer erträglichen Stimme: «Ähnlich verhält sich Aussenministerin Baerbock, wenn sie sich als die heilige Annalena von Xinjiang inszeniert. Indem sie die chinesischen Kommunisten möglichst oft und öffentlich über Menschenrechte belehrt, verbessert sie die Lage der Uiguren kein Jota

Nun erlaubt sich Gujer keinen Durchhänger mehr und packt die Todeskralle aus: «Die grüne Vorhut degradiert die Ehe zur «Verantwortungsgemeinschaft», nennt Deutsche «Kartoffeln» und Mütter «gebärende Personen». Das neue Ideal ist der nichtbinäre Mann mit Migrationshintergrund. Massstab der Politik ist nicht das grösste Glück der grössten Zahl, sondern die Befindlichkeit von sich immer weiter ausdifferenzierenden Minderheiten.»

So werden die Grünen «nie Kanzlerpartei», denn stärkste politisch Kraft werde man nicht, «wenn man die Mehrheit der Gesellschaft offen oder auch nur insgeheim verachtet». Volltreffer. «Den Grünen bleibt dann nur die Rolle des ewigen Steigbügelhalters für die SPD oder die Union, da können Baerbock und Habeck noch so lange strampeln

Auch wenn die NZZ bei Fragen der Neutralität oder bezüglich Waffenlieferungen im Ukrainekrieg manchmal schwächest (aber was soll sie machen, ihre ideologische Heimat FDP ist da ganz schwach auf der Brust): Gujer sorgt doch immer wieder für Lesespass.

Und so ganz spontan: welcher andere Journalist der Mainstreammedien, welcher andere Chefredaktor (generisches Maskulin, Frau Birrer, Sie bleiben schon sichtbar) fällt einem da ein?

 

Freitag oder Montag?

Was kommt heraus, wenn drei Tagi-Journis KKS interviewen?

Drei gegen eine, kann das gutgehen? Das geht butterweich supergut, wenn es drei Tamedia-Journalisten sind, die die Finanzministerin Karin Keller-Sutter interviewen. Die ist politisch für den überhasteten Verkauf der Credit Suisse an die UBS für ein Trinkgeld verantwortlich. Und hat mit ihrer Bemerkung, dass das kein Bail-out gewesen sei, also keine Staatsrettung, dem Steuerzahler möglicherweise die Zahlung von 17 Milliarden Franken aufs Auge gedrückt. Und die Reputation des Finanzplatzes Schweiz als Rechtsstaat schwer beschädigt.

Ihre Befähigung, über Finanzfragen entscheiden zu können, muss doch ernsthaft in Frage gestellt werden. Aber doch nicht von Tamedia. Da schleicht man sich liebedienerisch ins Interview:

«Was von diesem dramatischen Wochenende werden Sie nie vergessen?» – «Vor allem diese unglaubliche Spannung und Hektik. Den Druck, in kürzester Zeit eine Lösung finden zu müssen – denn am Montag wäre die CS in Konkurs gegangen, mit unabsehbaren Folgen für die Schweiz und das globale Finanzsystem

Alleine diese Antwort hätte mehrere Nachfragen verdient. Wieso diese Hektik, wieso wurden nicht sinnvolle Alternativen geprüft, woher will KKS wissen, dass die CS am Montag Konkurs gegangen wäre; hatte ihre Bankenaufsicht FINMA nicht noch wenige Tage zuvor deren Stabilität und Liquidität bestätigt?

Aber es könnte ja sein, dass KKS dann wieder ins Rudern gekommen wäre, und das wollten Markus Häfliger (Bundesshausredaktor, keine Ahnung von AT1-Bonds und so Sachen), Konrad Staehelin (Politologe, zuständig «für das Dossier Luftfahrt») und Delphine Gasche (frischgeschlüpfte «correspondante parlementaire à Berne») sicher nicht.

Stattdessen darf KKS sich und alle anderen Beteiligten loben: «Alle haben am gleichen Strick gezogen … wenn es sein muss, können wir sehr schnell sein. Die CS-Krise hat auch gezeigt: Unsere Institutionen funktionieren. Die Schweiz ist handlungsfähig.»

Sagt KKS nicht so Sachen, sagt sie so Sachen:

«Diese Frage kann ich nicht beantworten … Dazu kann ich nichts sagen … Diese Frage kommt zu früh … Nichts wird nicht geschehen … Das sind heikle Fragen, zu denen ich mich nicht äussern kann … Ich sehe das pragmatisch … Es ist immer schwierig, herauszufinden, warum eine Vorlage abgelehnt wurde … Es wird mir vorgeworfen, auf eine Frage nicht geantwortet zu haben, die mir gar nicht gestellt worden ist. Das ist irreführend.»

Das mag sein, aber auch auf Fragen, die ihr gestellt wurden, antwortet sie klimaschädlich: mit heisser Luft.

Es scheint zum neuen Qualitätskonzept von Tamedia (oder wie der Laden auch immer gerade heisst) zu gehören, dass man Interviewpartner ungestört das sagen (oder nicht sagen) lässt, was denen gerade in den Kram passt. Erkenntnisgewinn für den Leser: null. Allerdings sind die Auswirkungen auf den Blutdruck und den Adrenalinspiegel nicht zu unterschätzen.

ZACKBUM hat einen Vorschlag zur Güte und zur Vereinfachung. Anstatt drei Nasen aufzubieten, wieso schickt Tamedia (oder der «Tages-Anzeiger» oder wie diese Rumpfredaktion auch heisst) nicht ein kurzes Mail an den Medienverantwortlichen von KKS, den ehemaligen Lautsprecher von Jolanda Spiess-Hegglin, Pascal Hollenstein: Neben einem aussagelosen Riesenfoto von KKS haben Sie knapp 9000 Anschläge Platz. Füllen Sie den doch mit Fragen und Antworten nach Gutdünken und schicken Sie den Text bitte vor 18 Uhr zurück, damit wir alle in den ordentlichen Feierabend gehen können.

Das würde doch viel unnötigen Aufwand sparen.

Titel und Inhalt

Mogelpackungen sind nie verkaufsfördernd.

Das gilt für aufgeplusterte Verpackungen genau so wie für Schlagzeilen.

«20 Minuten» ködert den Leser mit einer brandheissen Meldung. Welche Todesursache wurde «enthüllt»?

«Ein Sprecher der Queen of Rock ’n’ Roll hat am Donnerstag weitere Details zur Todesursache gegeben. Wie er gegenüber der «Dailymail» sagte, sei Tina Turner eines natürlichen Todes gestorben.»

Lachen ist sicherlich die beste Reaktion.

Da will natürlich auch das Blatt mit dem Regenrohr im Titel nicht nachstehen; auch der «Blick» weiss mehr:

Die Todesursache war auch hier ein «natürlicher Tod». Ganz im Gegensatz zum unnatürlichen oder gar übernatürlichen.

Auch nau.ch obduziert die Todesursache:

Dass es auch richtig geschmacklos geht, beweist diese Gedenktafel in London, als ob sich so das Leben Tina Turners zusammenfassen liesse:

Selbst die NZZ nimmt einen Augenschein am Gatter vor Turner Villa:

Leider hat der Journalist des Qualitätsorgans nicht recherchiert, wieso «Algonquin» am Tor steht. Ts, ts. Aber sehr boulevardesk beobachtet er dann Beobachter beim Beobachten, also Seinesgleichen bei der Arbeit, die er dann auch leistet. «Sie ass gerne Zitronensuppe», übermittelt Tobias Marti der Welt, denn er hat dem Sternekoch gelauscht, der ganz in der Nähe Turner bekochte. Der 8-Gänger kostet hier standesgemässe 265 Franken, und die Sterne leuchten wohl, weil das Restaurant zuvor «Kunststuben» hiess …

Dann belästigt Marti den Gemeindepräsidenten Markus Ernst telefonisch, der vermelden kann: ««Es ist unglaublich», sagt der Milizpolitiker, gegen 25 Interviews habe er heute schon gegeben, und er werde den Rest des Tages auch nichts anderes mehr tun. Da ist es gerade einmal drei Uhr nachmittags.»

Was ja wohl heissen soll, dass auch Marti nicht gerade zu den Frühaufstehern gehört.

Eher enttäuschend ist dagegen die Berichterstattung von «watson». Dieses Magazin für Freunde der Quantenphysik und andere Intellektuelle lässt es bei einer Meldung und der obligaten Bio bewenden. Offenbar nicht in der Lage, die Bedeutung dieses Todes für sein Zielpublikum zu erkennen. Denn Turner, dass ist wie Jagger: auch Menschen, die deren Enkel sein könnten, mögen die Musik.

 

Gesetzesbrecher

Journalisten kennen nix, wenn es um Waffenlieferungen geht.

Das Kriegsmaterialgesetz der Schweiz lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Jeder Laie versteht den Artikel 22a, «Bewilligungskriterien für Auslandgeschäfte».

Die werden nicht bewilligt, «wenn das Bestimmungsland in einen internen oder internationalen Bewaffnete Konflikt verwickelt ist».

Um das scheunentorgrosse Schlupfloch von erlaubten Lieferungen an Staaten zu schliessen, die das Kriegsmaterial dann flugs weiterverkaufen, gibt es zudem die Pflicht der «Nichtwiederausfuhr-Erklärung». Auch das versteht jeder Laie.

Das verstehen aber viele Politiker und auch Journalisten nicht. In geradezu nordkoreanischem Dreiklang meinen die grossen meinungsbildenden Konzerne Tamedia, CH Media und NZZ, dass der Export von 25 Leopard 2 nach Deutschland schon voll in Ordnung sei. Maja Briner ist seit fast 5 Jahren Bundeshausredaktorin in Teilzeit bei CH Media. Sie ist Militärexpertin und Rechtsspezialistin. Oder nein, sie hat einen BA in Medien- und Kommunikationswissenschaft. Also kommuniziert sie: «Die Schweiz aber steht abseits. … Nun kommt endlich etwas Bewegung in die verhockte Debatte … dass sie auf eingemotteten deutschen Panzern hockt, die sie nicht braucht, während andere sie dringend benötigen: Das ist in dieser Situation kaum zu rechtfertigen.» Dieser Verkauf sei «ein erstes Zeichen von gutem Willen».

Dass Mario Stäuble von vielem wenig versteht, ist bekannt. Nun outet er sich auch noch als Nicht-Gesetzesversteher bei Tamedia: «Der Bundesrat will alte Kampfpanzer nach Deutschland zurückgeben, um die Ukraine zu unterstützen. Das ist pragmatisch und richtig … er verletzt weder das Neutralitätsrecht noch verursacht er grosse Kosten … das Narrativ eines Staates, der Mühe damit hat, sich auf die neue europäische Sicherheitslage einzustellen, wird abgeschwächt».

Georg Häsler ist Philologe und Oberst der Schweizer Armee. Mit dieser Autorität ausgestattet, verkündet er in der NZZ, dass gegen diesen Entscheid nichts einzuwenden sei «– im Gegenteil. Die Schweiz als westliches Land hat ein Interesse daran, dass die ukrainische Armee die Besatzungstruppen zurückschlagen und im besten Fall vertreiben kann. Auch aus militärischer Sicht ist die Rückgabe von 25 von 96 stillgelegten Leopard 2A4 knapp vertretbar».

Aber immerhin, es ist dann doch die NZZ, fügt er hinzu: «Zuerst reagiert Bern mit grossen Worten, dann wahlweise taub oder gekränkt – und knickt dann schliesslich ein.»

Die Beschreibung ist nicht schlecht. Sie beinhaltet aber unausgesprochen, dass in der Schweiz Gesetze, die aus irgend einem Grund nicht genehm sind, nicht mehr auf dem vorgeschriebenen Weg geändert – sondern schlichtweg umgangen werden. Wie das Deutschland und diverse andere europäische Staaten auch tun.

Blasen wir die Nebel des Krieges von diesem Thema. Und kehren wir zu den einfachen Worten des Gesetzes zurück. Waffenlieferungen an die Ukraine sind verboten. Verboten heisst hier verboten, wie in verboten. Waffenlieferungen an nicht kriegführende Staaten sind erlaubt, wenn sie nicht in Kriegsgebiete weiterexportiert werden. Das ist verboten. Verboten wie in verboten.

Nun kommt eine Schlaumeierei. Wie ist es denn dann, wenn die Schweiz an Deutschland Panzer liefert, damit Deutschland Panzer an die Ukraine liefern kann? Machen wir einen kleinen Multiple Choice Test: Das ist

a) erlaubt
b) verboten
c) eine Schlaumeierei
d) eine verdammte Schlaumeierei

Natürlich ist die Antwort b) richtig. Erlaubt ist es auf keinen Fall, und Schlaumeiereien sind in Gesetzen eigentlich nicht vorgesehen. Die betreiben normalerweise Winkeladvokaten, die nach Auslegungen, Auswegen und Umwegen suchen, um trotz klarem Wortlaut eines Gesetzes einen Verstoss wegzuschummeln. So à la Bill Clinton: «Ich hatte keinen Sex mit dieser Frau.» Nein, das war nicht gelogen, in den Südstaaten gilt Oralverkehr nicht als Sex, ätsch.

Zu den vielen Gebieten, auf denen die Medien versagen, gesellt sich nun noch ein ziemlich wichtiges. Sie behaupten unverzichtbar zu sein, weil sie die Vierte Gewalt seien, eine Kontrollfunktion wahrnähmen, vor allem staatliches Handeln kritisch unter die Lupe nähmen. Wie schon während der Pandemie …

Das obrigkeitshörige, manchmal geradezu kriecherische Verhalten der Mainstreammedien gegenüber der Regierungspolitik bei Corona war bereits hochbedenklich. Nun wiederholen aber die Medien beim Ukrainekrieg ungehemmt den gleichen Fehler. Statt kritisch zu begleiten, Fragen nach Gesetzestreue zu stellen, sich Gedanken zu machen, was die Aufgabe der Neutralität bewirken könnte – lobhudeln sie fragwürdige Regierungsentscheidungen, rufen sogar nach mehr und direkteren Waffenlieferungen an die Ukraine.

Mit dem absurden Argument, dass das den «Druck des Auslands» auf die Schweiz nehme, sie damit zu den «guten» Staaten gehöre, nicht länger «abseits stehe», «berechtigten Forderungen» nachgebe. Welch ein Niedergang.

Politiker sind flexibel, das ist bekannt. Der gleiche Bundesrat Berset, der in Berlin noch tapfer verkündete, dass sich die Schweiz an ihre Gesetze halte, sich zuvor sogar gegen einen «Kriegsrausch» aussprach, gehört nun plötzlich zu den Befürwortern dieses Gesetzesbruchs.

Wenn aber der vermeintliche Wächter des Staates, die Vierte Gewalt, klarem Rechtsbruch applaudiert, sogar noch mehr fordert, dann kann er die Behauptung dieser Funktion auch gleich selbst beerdigen. Denn das Publikum glaubt auch hier kein Wort mehr.

 

Stumm wie ein Fisch

Was nicht mal stimmt, denn Fische geben Laut. Journalisten nicht.

Es ist eine zunehmende Unsitte. Journalisten verlangen lauthals Auskunft, Stellungnahmen und unterstellen flugs unlautere Absichten, wenn jemand einfach nicht auf ihre Anfragen antwortet.

Kurt W. Zimmermann macht sich völlig zu Recht in der aktuellen «Weltwoche» darüber lustig: «Dazu will ich mich nicht äussern», überschreibt er seine Medienkolumne. Als Paradebeispiel dient ihm Anuschka Roshani. Die hat im «Spiegel» ihren ehemaligen Chef und den Tamedia-Verlag in die Pfanne gehauen, dass es nur so gekracht hat.

Inzwischen musste der «Spiegel» bereits diverse Vorwürfe löschen, Prozesse sind hängig, und Roger Schawinski hat ein Aufklärungsbuch geschrieben, in dem – gestützt auf einen topseriösen Untersuchungsbericht – fast alle Vorwürfe von Roshani in der Luft zerrissen und ins Reich der (bösartigen) Fantasie verwiesen werden.

Wäre also durchaus sinnvoll, wenn sich Roshani nach ihrer Breitseite im «Spiegel» Anfang Februar erklären würde. Aber nein, sie sagt kein Wort. Oder nur zwei, drei, als sie von einer wohlgesonnenen Journalistin der «Süddeutschen Zeitung» Gelegenheit erhält, zu einer besonders peinlichen Tatsache Stellung zu nehmen. Nämlich der, dass sie vor ihrem internen und dann öffentlichen Mobbing sich um den Stuhl ihres Chefs schriftlich beworben hatte, obwohl der noch draufsass. Das sei eine «Vorwärtsstrategie» gewesen, darf sie unwidersprochen sagen.

Noch irrer war dann der «Literaturclub» des Schweizer Farbfernsehens, in den sie eingeladen wurde. Man habe entschieden, zum aktuellen Fall nichts zu sagen, sondern nur über Bücher zu sprechen. Geisterbahn ist noch ein sanfter Ausdruck für diese Art von Journalismus.

Aber es greift immer mehr um sich. Der ehemalige publizistische Leiter von CH Media ist offenbar und nachweisbar das Sprachrohr von Jolanda-Spiess-Hegglin gewesen, gab ihr seine Artikel vorab zur Durchsicht und koordinierte die Veröffentlichung mit ihr. Ob das stimme, und was das soll, wurde Pascal Hollenstein gefragt. Schweigen.

Bruchpilot Hansi Voigt ist Journalist und hält seinen Latz eigentlich überall rein. Welch üble Rolle spielte er eigentlich bei der Hetzkampagne gegen Michèle Binswanger? Schweigen. Welche Mitarbeiter hat eigentlich die «Republik» warum entlassen? Schweigen.

Die Beiräte von Hetzcourage, Pardon «Netzcourage» werden angefragt, ob sie nicht auch Zweifel an der charakterlichen Eignung der beiden Exponenten haben. Schweigen, mit Ausnahme eines Anwalts, der sagt, dass er nur mit dem Vorstand in dieser Sache rede, nicht mit der Öffentlichkeit.

Anfragen an Chefredaktoren und Journalisten, eine Anfrage an Fabian Urech von der NZZ, an Kaspar Surber von der WoZ, an Salome Müller von der «Zeit», an Renato Beck von der WoZ, statt einer inhaltlichen Antwort kommt bei ihm zurück: «Sind Sie jetzt im bürgerlichen Mainstream angekommen?» Sonst Schweigen, tiefes Schweigen oder höchstens mal ein flapsiger Spruch.

Schweigen oder Wurstigkeit, ein weiteres Symptom für den Niedergang des Journalismus. Wer soll denn noch Anfragen von Journalisten ernst nehmen, wenn die nicht mal selbst antworten?

Wer soll denn Journalisten noch ernst nehmen, wenn die nicht einmal rechtsgültige Verurteilung wegen eines einzigen Tweets aus dem Jahre 2020 über 70 Treffer in der Mediendatenbank SMD zeitigt, die Veröffentlichung erschreckender «#hateleaks», die Auswertung von tausenden von Mitteilungen, wird hingegen im Mainstream stumm übergangen?

Ist das noch ernstzunehmender Journalismus, betrieben von ernstzunehmenden Journalisten? Die sich über nebensächliche Themen wie Genderstern, inkludierende Sprache und das eifrige Nachführen von Listen von Wörtern, die man nur noch als N-Wort oder als M***kopf ausschreibt, ungehemmt und ungebremst verbreitern?

Sich unglaubwürdig machende Journalisten schreiben über Pipifax, antworten nicht auf Anfragen und legen überhaupt ein geistiges Niveau vor, bei dem sich selbst ein Schimpanse am Kopf kratzt. Das tragen sie zudem in einer Sprache vor, die auch ohne Genderstern mehr Geholper als Gekonntes ist. Sie summen im Chor die gleiche Meinung mit, wiederholen die ewig gleichen Scherenschnitte (Trump, au weia, Putin, sehr au weia, Xi, furchtbar au weia), fühlen mit jeder durch einen wollüstigen Blick belästigten Frau mit, scheren sich aber einen Dreck darum, wenn eine renommierte Journalistin durch eine Schmieren- und Hetzkampagne fertiggemacht werden soll.

Und dann wundern sie sich wirklich, dass die Lust des Publikums rapide abnimmt, dafür auch noch das Portemonnaie zu öffnen? Sich an die «Paywall heranführen» zu lassen, wie das die Chefredaktorin von Tamedia mit unübertroffener Einfalt radebrecht?