Wumms: Eric Gujer
Gelobt sei der schneidende Ton des NZZ-Chefs.
ZACKBUM mag mit seiner Feriengestaltung nicht ganz einverstanden sein, aber seine wöchentliche Arbeit mit dem Schneidbrenner, genannt «Der andere Blick», ist herausragend.
Im allgemeinen Niedergang der Schreibkräfte und Schreibfähigkeiten ragt Eric Gujer wie ein Leuchtturm heraus, wenn er seine verbalen Blitze schleudert. Besonders schnell auf Betriebstemperatur kommt er, wenn es um die Grünen geht. Natürlich hat er recht, einen opportunistischeren und übleren Haufen in der Politik gibt es weder in Deutschland noch in der Schweiz.
Zunächst säbelt Gujer die Kritiker an der Vetternwirtschaft im Hause Habeck nieder: «Die Empörung über den grünen Klüngel im Wirtschaftsministerium ist im höchsten Mass lächerlich. Nepotismus und Ämterpatronage gehören zur Politik. Seit je werden Günstlinge und Parteigänger in einflussreiche Positionen befördert. Trauzeugen bekleiden auch in anderen Ministerien in Berlin wichtige Posten.»
Darauf türmt er ein verbales Massaker an den Grünen-Bewunderern: «Sie sehen in ihnen die Garanten eines besseren Deutschland: einsame Kämpfer gegen den Klimawandel, sensibel, gendergerecht und divers, Retter der Flüchtlinge, geleitet von Werten statt von schnöden Interessen.»
Dann zeigt er einen kurzen Moment der Schwäche: «Jetzt müssen die Medien feststellen, dass die Grünen eine ganz normale Partei sind. … Sogar die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» raunt von einer «Entzauberung», als hätten die Grünen jemals einen Zauber besessen.» Nein, die Grünen sind keine ganz normale Partei. Während sich dort die Wändehälse maximal um 180 Grad drehen können, ist das hier – um die grüne Aussenministerin Baerbock zu paraphrasieren, um mindestens 360 Grad möglich.
Aber schnell erreicht Gujer wieder seine normale Flughöhe: «Wer glaubt, dass Parteien ein Zauber innewohnt, sollte zum Arzt gehen.» Welch feine Anspielung auf den Elder Statesman Helmut Schmidt, der alle zum Arzt schicken wollte, die Visionen haben.
Nun legt Gujer das Florett zur Seite und greift zum Zweihänder: «Die Grünen waren noch nie besonders moralisch.» Das könne man den Grünen aber auch nicht unbedingt vorwerfen, denn welche Partei sei das schon. Aber, beim Streit um das verbieten fossiler Heizungen haben die Grünen schlimmer versagt: «Allerdings wäre es die Aufgabe des Ministeriums gewesen, den Widerstand vorherzusehen und Mehrheiten zu suchen – auch um den Preis einer weniger ambitionierten Vorlage. Tragfähige Lösungen zu erarbeiten, um die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen, das ist in der Politik Moral.»
Dann geht Gujer zum peinlichen Thema «Atomkraft, nein danke» über: «Ohne den sehr deutschen Spleen des Atomausstiegs würde Deutschland heute deutlich weniger CO2 produzieren. Indem die Grünen den Atomausstieg (unter Mithilfe der Merkel-CDU) unbeirrt durchgesetzt haben, gewichteten sie das Ideal höher als das praktische Ergebnis. Genau das ist in der Politik amoralisch.»
Das gilt natürlich auch für die Frau mit der schwer erträglichen Stimme: «Ähnlich verhält sich Aussenministerin Baerbock, wenn sie sich als die heilige Annalena von Xinjiang inszeniert. Indem sie die chinesischen Kommunisten möglichst oft und öffentlich über Menschenrechte belehrt, verbessert sie die Lage der Uiguren kein Jota.»
Nun erlaubt sich Gujer keinen Durchhänger mehr und packt die Todeskralle aus: «Die grüne Vorhut degradiert die Ehe zur «Verantwortungsgemeinschaft», nennt Deutsche «Kartoffeln» und Mütter «gebärende Personen». Das neue Ideal ist der nichtbinäre Mann mit Migrationshintergrund. Massstab der Politik ist nicht das grösste Glück der grössten Zahl, sondern die Befindlichkeit von sich immer weiter ausdifferenzierenden Minderheiten.»
So werden die Grünen «nie Kanzlerpartei», denn stärkste politisch Kraft werde man nicht, «wenn man die Mehrheit der Gesellschaft offen oder auch nur insgeheim verachtet». Volltreffer. «Den Grünen bleibt dann nur die Rolle des ewigen Steigbügelhalters für die SPD oder die Union, da können Baerbock und Habeck noch so lange strampeln.»
Auch wenn die NZZ bei Fragen der Neutralität oder bezüglich Waffenlieferungen im Ukrainekrieg manchmal schwächest (aber was soll sie machen, ihre ideologische Heimat FDP ist da ganz schwach auf der Brust): Gujer sorgt doch immer wieder für Lesespass.
Und so ganz spontan: welcher andere Journalist der Mainstreammedien, welcher andere Chefredaktor (generisches Maskulin, Frau Birrer, Sie bleiben schon sichtbar) fällt einem da ein?
Gujer ist ein Kriegshetzer. Er will den totalen Krieg. Gegenüber ihm kommen die Falken vom Pentagon geradezu als Friedenstauben daher. Ob er Kinder hat, die er folgerichtig wohl an die Front beordern würde, weiss ich nicht.
Tja, Eric Gujer weiss eben, was er als Chefintendant Westfernsehen seinen Lesern schuldet.
Ach der Guyer was der alles zusammen schreibt um sich bei der Rechten in Deutschland einzuschleimen. Er soll doch als Massstab die Merkeljahre, CDU/SPD, nehmen, Merkel hat den Atomausstieg eingeleitet, D von russischem Gas abhängig gemacht trotz der Annektion der Krim, war Erfüllungsgehilfin der korrupten deutschen Autoindustrie, Aussenpolitik die den Namen nicht verdiente. Infrastrukturen, Gesundheitsreform und Bildung vernachlässigt. Alle reingelassen, dafür mussten Deutsche mit ihrem Leben bezahlen. Die Merkeljahre waren die Fortsetzung der Kohljahre, gepflegter Stillstand. «Wir schaffen das!», nichts hat sie geschafft, ein Desaster hinterlassen!
Ja richtig, seine frühere Position in den Merkeljahren war mutlos und gar opportunistisch. Seine Beschreibung der Grünen in seinem jetzigen Essay geht aber in Ordnung.
……und ganz gönnerhaft, fand auch die Frau Birrer noch Erwähnung am Schluss…….Smile.
Danke Eric Gujer für seine engagierten Betrachtungen in der NZZ. Direkte Sprache und Lesespass in einem. Eine verdiente Auszeichnung auf Zackbum.
Frau Birrer hat Ansprüche, sie will den TA zum «nationalen Leid(Leit)medium machen. An der Werdstrasse ist jeden Tag 1. April!
Die Diskrepanz zwischen echten Qualitätsmedien und selbsternannten Qualitätsmedien wird immer grösser. Der Tagesanzeiger, der tagtäglich verbissen auf der Suche ist von feministischen Themen, kann dem Weltorgan NZZ nie das Wasser reichen. Ein solch herausragendes Essay, wie es eben wieder Eric Gujer vermittelt, gibt es im TA nicht.
Die angesagte Bescheidenheit als Geschäftsmodell wird böse ins Auge gehen beim Tagesanzeiger. Die missionarisch vorangetriebenen feministischen Themen, werden immer mehr Männer vergraulen. Relevanz ist Alles – und nicht dogmatischer Gender-Gugus.
Die NZZ hat bloss ein Problem. Das Abonnement ist teuer. Gerade treue, langjährige Leser sollten mit einem mehrjährigen Abo geködert werden, welches nicht teurer is als die Konditionen des TA bei einem Jahresabonnement.
Warte nur noch auf die «Tages-Anzeiger*in».
Grossartige NZZ-Medienkritik über den Leuchtturm Eric Gujer, der nicht einfach laviert, sondern Geschwüre an offenen deutschen Wunden skalpellscharf analysiert und auswertet.
Ein grosses Kompliment auch an René Zeyer. Seine messerscharfe, unerschrockene Medienkritik garniert mit Lob und Zuspruch, bekommt grosses Gewicht. Eine helvetische Version eines zeitgenössischen Marcel Reich-Ranicki, der nicht zögerlich um den Brei herum spricht.
Eric Gujer ist wirklich äusserst nahe dran mit seinen Analysen. Auch das kürzliche Essay von Benedict Neff «#MeToo als Geschäftsmodell», war guter (bezahlwürdiger) Lesestoff.
Wünschte mir sehr, dass NZZ Deutschland noch deutlich wachsen könnte.