Wumms: Marc Walder

Wird ihm seine Grossmannssucht zum Verhängnis?

Zwei Glatzköpfe vereint im Kampf gegen Corona. Alain Berset trat in der Grauenvoll-Zeitschrift «Interview by Ringier» als Modepuppe auf  und zeigte sich Seite an Seite mit Walder bei der Vernissage des neuen Organs.

Walder reagierte hysterisch auf die Pandemie und liess sich doch tatsächlich dabei filmen, wie er stolz verkündete, dass er «seinen» Redaktionen die Stallorder ausgegeben habe, das Tun von Regierung und Ämtern nach Kräften zu unterstützen. Der damalige Oberchefredaktor der «Blick»-Familie musste auf der Frontseite in einem peinlichen «Statement» behaupten, dass seine Redaktionen selbstverständlich völlig unabhängig von Walders Meinung seien. Michael Ringier höchstpersönlich griff zur Feder und sprang seinem in die Bredouille geratenen Tennis- und Juniorpartner beiseite.

Kaum war das einigermassen abgewettert, wurde bekannt, dass Walder in einem regen Austausch mit Bersets Kommunikationschef Peter Lauener stand. Das hatte selbstverständlich keinerlei Zusammenhang damit, dass der «Blick» Anträgen aus Bersets Departement regelmässig medialen Schub gab, bevor der Bundesrat darüber beriet.

Währenddessen machte Berset mit privaten Kapriolen Schlagzeilen und leistete sich die Peinlichkeit, als Privatflieger von der französischen Luftwaffe zur Landung gezwungen zu werden, weil er sich in ein militärisches Sperrgebiet verfranzt hatte. Es muss grossartig gewesen sein, wie Berset den Franzosen zu erklären versuchte, dass er ein conseil fédéral  der Schweiz sei. «Und ich bin der Papst», hat er sicher von einem Funktionär zur Antwort gekriegt.

Als Sündenbock in der ganzen Walder-Affäre musste bislang Lauener hinhalten; natürlich habe sein Chef nichts Genaueres von diesen Kontakten gewusst. Diese Verteidigungslinie liess sich aufrecht erhalten, solange SMS zwischen Berset und Walder geheim blieben. Walder berief sich dabei auf seinen Quellenschutz.

Aber der «Weltwoche» sind nun die Protokolle der Unterhaltungen zugespielt worden. Die wenigen veröffentlichten Beispiele zeigen, dass es einen engen Kontakt zwischen den beiden gab – und dass Walder aktiv versuchte, auf Entscheidungen des Bundesrats Einfluss zu nehmen: «So eine ganz klare Aussage wäre die kommende Woche wichtig», damit begleitete Walder einen Artikel der NYT, den er Berset ans Herz legte. Der antwortete brav: «Vielen Dank! Werde es lesen und schauen, was wir noch machen können.»

Dass mächtige Manager bei Regierenden ein und ausgehen, ist bekannt. Dass sie gefragt und ungefragt Empfehlungen geben, Forderungen aufstellen, in ihrem Sinne beeinflussen, nichts Neues. Aber dass ein führender Medienmanager dermassen ungeniert  mitregieren will, das ist neu – und schockierend.

«Bersets Berater und Vertrauter», so nennt die «Weltwoche» Walder. Trifft das so zu, ist die Glaubwürdigkeit des Ringier-Organs «Blick» kontaminiert. Dass Walder operativ etwas in den Hintergrund verschoben wurde, ist reine Kosmetik, er ist weiterhin der designierte Nachfolger von Michael Ringier als Verwaltungsratspräsident.

Ausser, Walder fällt doch noch über sein übergrosses Bedürfnis, bei den Mächtigen und Wichtigen auf Augenhöhe zu sein. Männerfreundschaften mit Pierin Vincenz und Philippe Gaydoul resultierten daraus. Beide agierten eher glücklos als Geschäftsleute, um es mild auszudrücken. Dennoch hielten die Ringier-Organe Vincenz lange, zu lange die Stange und gaben ihm die Möglichkeit, Kritiken in Gefälligkeitsinterviews wegzubügeln.

Die Berset-Lauener-Walder-Connection ist inzwischen erstellt. Wie direkt nahm Walder Einfluss auf die «Blick»-Redaktion? Das bleibt solange im Dunkeln, bis weitere SMS oder E-Mails auftauchen. Denn auf eines kann man sich im elektronischen und digitalen Zeitalter verlassen: Kommunikation hinterlässt immer ihre Spuren. Früher hiess das «paper trail», heutzutage ist es viel perfider. Alles, was digital in die Welt gesetzt wurde, verschwindet nie mehr.

Nun muss sich Walder über die Feiertage eine Strategie überlegen, wie er diese neuerlichem Enthüllungen überstehen will. Wir sind gespannt.

 

Ein grauenvolles Jahr

Tiefseebohrung. Das beschreibt den Zustand der Schweizer Medien im Jahr 2023.

Dass nach der Entlassungsrunde vor der Entlassungsrunde ist, daran mussten sich die verbliebenen angestellten Redakteure gewöhnen. Die grossen Verlagshäuser Tamedia, CH Media und Ringier zeigen damit den überlebenden Journalisten, was sie von ihnen halten: nichts.

Sie sind ein unangenehmer Kostenfaktor, bis die KI die meisten ihrer Aufgaben übernimmt. Den gutbezahlten Managern in der Teppichetage ist auch 2023 nur ein einziges Heilmittel gegen die Arglist der Zeit eingefallen: sparen, feuern, letzte Fleischreste vom Knochen abschaben. Das ist erbärmlich.

Allerdings tun auch die Journalisten nicht gerade viel, um die wichtigsten Assets, Glaubwürdigkeit und Vertrauen, zu schützen und zu bewahren. Nabelschau, kreischige Rechthaberei, Bedienung der Gesinnungsblase, Schwarzweiss-Verblödung. Wer dachte, man sei noch nie so schlecht über einen Krieg informiert gewesen wie in der Ukraine, sah sich eines Schlechteren belehrt. Was im Gazastreifen tatsächlich passiert, niemand weiss Genaueres.

In beiden Fällen versagt die Journaille auf einem ihrer wichtigsten Handlungsfelder: analytische Einordnung liefern, Argumente zur Bildung einer eigenen Meinung bei den Lesern. Da vielfach ältere und damit teurere Journalisten weggespart werden, sinkt das allgemeine Niveau der Berichterstattung auf erschreckend bildungs- und kulturlose Minusgrade. Historische Zusammenhänge, Kenntnis von Kultur und Literatur, was nicht im schnellen Zugriff mit Google aufpoppt, existiert nicht.

Wenn die Sprachverbrecher Lukas Bärfuss und Kim de l’Horizon als die zwei bedeutendsten Vertreter der Schweizer Gegenwartsliteratur angesehen werden, dann ist wohl der Boden der Geschmacklosigkeit erreicht. Wobei man mit solchen Vermutungen vorsichtig sein sollte. Bevor Kim auftauchte, meinte man den mit Bärfuss alleine schon ausgelotet.

Wer meinte, die Sprachreinigungshysterie, die Verhunzung der deutschen Sprache durch Gender-Sternchen und andere Methoden zur angeblichen Inkludierung habe einen dermassen hysterischen Höhepunkt erreicht, dass es nur noch vernünftiger werden könne, sah sich ein weiteres Mal getäuscht. Das gilt auch für alle Post-#metoo-Schwurbeleien.

Unbelegte Anschuldigungen öffentlichkeitsgeiler Weiber oder anonymer Denunzianten reichten auch 2023 aus, um Karrieren zu vernichten oder Menschen fertigzumachen. Trotz vielen Flops haben die Scharfrichter in den Medien nichts dazugelernt. Schnelle Vorverurteilung, grosse Entrüstung, dann peinlich berührtes Schweigen, wenn der Skandal mal wieder keiner war. Aber auf zum nächsten, der kommt bestimmt.

Auch als Jahresbilanz muss man festhalten: Dass sich die Medienproduzenten weiterhin von Google, Facebook & Co. online die Werbebutter vom Brot nehmen lassen, ist an Unfähigkeit und Dummheit nicht zu übertreffen. Das Gejammer über wegfallende Print-Inserate und der anhaltende Ruf nach staatlicher Unterstützung der Vierten Gewalt sollen nur übertönen, dass die Krise der Medien nicht den Umständen geschuldet ist, sondern selbstverschuldet.

Kein vernünftiges Distributionsmodell, das aberwitzige Geschäftsmodell, für immer weniger immer mehr zu verlangen, seichte Inhalte, sich im Hamsterrad der Online-Produktion bis zur Bewusstlosigkeit drehende News-Abdecker – wie kann man für diese klägliche Leistung ernsthaft Geld vom Konsumenten verlangen?

Geradezu autistisch richten viele Redakteure ihren Blick an diesen Problemen vorbei, schauen in sich hinein und langweilen den Leser mit der Leere, der sie dort begegnen. Oder regen ihn auf, indem sie ihre politischen und sozialen Steckenpferde auf offener Bühne zu Tode reiten. Ein Kommentar zur Gratis-Abgabe von Tampons, wieso traut sich keiner mehr, die einzig richtige Antwort an der Themenkonferenz zu geben: «Aber nicht im Ernst

In diesem Niedergang wird das Schweizer Farbfernsehen, die mit Gebühren alimentierten Radiosender immer wichtiger. Aber das Angebot der SRG ist dermassen lausig, dass die 200-Franken-Gebühreninitiative intakte Chancen hat. Auch hier ist es den privaten Unternehmen nicht gelungen, eine valable Konkurrenz dazu auf die Beine zu stellen. Das sei eben die Übermacht der SRG, jammert der Wannerclan von CH Media. Anstatt zuzugeben, dass die Einkaufstour in den elektronischen und Printmedien als deutlichstes Resultat lediglich eine Massenentlassung gebracht hat.

Völlig von der Rolle sind Tamedia und Ringier. Der Tagi war einmal eine ernstzunehmende, linksliberale Stimme, seine Leitartikel und Forderungen hatten Gewicht. Aber heute? Das nimmt doch keiner mehr ernst, wenn sich die Oberchefredaktorin zu Wort meldet und absurde Forderungen zu den nächsten Bundesratswahlen aufstellt.

Der «Blick» als wichtigstes Organ des Hauses Ringier wurde seines Wesenskerns beraubt, die Führungsriege geköpft, dafür ein Rudel von Heads und Chiefs installiert, deren Funktionsbezeichnungen kabarettreif sind. Weniger lustig sind allerdings ihre Leistungen. Springer zieht weiter in die Zukunft und trennt sich konsequent von seinen Printtiteln. Ringier kauft sie auf. Mathias Döpfner mag persönlich ein eher unausstehlicher Mensch sein, was er mit Marc Walder gemein hat. Aber der Unterschied im Wirken und in der Performance der beiden an ihren Unternehmen beteiligten CEOs ist unübersehbar.

Ach, und die NZZ? Ein Leuchtturm mit einigen blinden Flecken auf der Linse, das Bild ist schwer zu schlagen, so zutreffend ist es. Häufig Labsal und Kopfnahrung, manchmal aber auch ärgerliche Ausflüge ins Unterholz der vorgefassten Meinungen und neuerdings auch üblen Rempeleien in einer Tonlage, die die alte Tante seit Ende des Kalten Kriegs nicht mehr verwendete.

Auch der ruppige Umgang mit Chefredaktoren ist neu. War die Absetzung von Markus Spillmann zwar ein absolutes Novum, aber dennoch gerechtfertigt, wurde die Absetzung von Luzi Bernet und sein Ersatz durch Jonas Projer eher ruppig durchgeführt. Das war aber noch geradezu stilvoll und zartbesaitet im Vergleich dazu, wie dann Projer entsorgt wurde.

Dabei, wie bei der Nicht-Inauguration von Markus Somm als NZZ-Chefredaktor, spielte die Redaktion eine üble Rolle. Bei Somm stellte sich im Nachhinein heraus – als er mit der Absurd-Idee, aus dem «Nebelspalter» ein bürgerlich konservatives Kampforgan zu machen, baden ging –, dass der NZZ doch einiges erspart blieb. Aber der Zwergenaufstand in der Redaktion gegen Projer führte nur erwartungsgemäss dazu, dass die NZZaS viel näher an das Stammblatt gebunden wurde. Der notfallmässig installierte Beat Balzli ist noch viel mehr von der Gnade Eric Gujers abhängig als sein Vorgänger.

Allerhand Betrübliches und Besorgniserregendes ist von den Medien im Jahr 2023 zu vermelden. Gibt es Hoffnung für 2024? Für die klassische Medien nicht. Vor allem bei Jugendlichen haben sie längst die Meinungshoheit als Newslieferant verloren. Wenn der Bezahl-Inhalt qualitativ sich kaum von Gratis-Angeboten unterscheidet, wieso soll ein vernünftiger Mensch noch etwas bezahlen?

Natürlich sollte der Content einer Newsplattform nicht gratis sein. Eine Bezahlschranke macht aber nur dann Sinn, wenn dieser Inhalt auch etwas wert ist. «Blick+» ist das beste Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Die Idee wurde bei «Bild+» abgekupfert, aber jämmerlich umgesetzt. Tamedia macht ähnlichen Unsinn, indem es beim Berliner «Tagesspiegel» die Idee übernimmt, sauteure Angebote für spezifische Zielgruppen zu machen. Wer einen  fantasielosen Verwaltungsrat mit einer digitalen Offensive betraut, der sich dann an seine frühere Wirkungsstätte erinnert, ist selber schuld.

Nein, das ist kein Aufsteller,diese Jahresbilanz. Aber zum Jammertal, durch das der Journalismus wankt, passt eben auch, dass solche offenen Worte nurmehr hier auf ZACKBUM möglich sind.

Für das anhaltende Leserinteresse, liebe Worte (immer hinter vorgehaltener Hand) und auch (wenige) Widerworte danken wir ganz herzlich.

 

Analytiker Hossli

USA, das kann er. Meint der Leiter der Journalistenschule.

Mit dieser Position sollte eine gewisse Vorbildfunktion verbunden sein. Nichts gegen Peter Hossli, aber ob er diesem Anspruch wirklich gewachsen ist?

Zunächst meldete der «Blick» noch nachrichtlich:

Das oberste Gericht des Bundesstaats Colorado nahm einen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg stammenden Verfassungszusatz zum Anlass, Präsidentschaftskandidat Donald Trump von den Vorwahlen auszuschliessen. Dieser 14. Zusatzartikel bestimmt, dass niemand ein öffentliches Amt ausüben darf, der einen Eid auf die Verfassung ablegte, sich dann aber an einem Aufstand beteiligte. So wie das Trump bei der Stürmung des Capitols getan haben soll.

Da Colorado ein ziemlich sicher demokratisch wählender Bundesstaat ist, würde selbst ein Nichtantreten Trumps keine gröberen Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen (oder die Vorwahlen innerhalb der republikanischen Partei, wo er haushoch führt) haben.

Aber das Urteil ist ein Triumph für die Trump-Gegner, die mit ähnlichen Klagen bereits in Michigan und Minnesota gescheitert waren.

Nun soll Boulevard etwas kreischiger und ruppiger sein als die gehobene Zeitung. Allerdings soll der «Blick» gar nicht mehr Boulevard sein, dekretierte seine oberste Verantwortliche. Ob Hossli das mitgekriegt hat?

Das nennt man üblen Konjunktiv- oder Vermutungsjournalismus. Das Urteil bedeutet sicher nicht eine Wende bei der US-Wahl, aber es «könnte». Denn ohne dieses Modalverb würde die ganze «Analyse» wie ein Soufflé zusammenfallen. Das ist Journalismus im Stil: Ich könnte im Lotto gewinnen, wenn ich sechs Richtige hätte. Oder: Wenn meine Oma Räder hätte, wäre sie ein Fahrrad.

Aber das ist die Voraussetzung fürs Aufblasen des Soufflés:

«Hat Donald Trump (77) einen Putsch angezettelt? Diese Frage dürften schon bald Amerikas oberste Richterinnen und Richter behandeln. Sagen sie mehrheitlich Ja, kann Trump nie mehr ein öffentliches Amt bekleiden. Sagen sie Nein, hat der ehemalige Präsident gute Chancen, erneut ins Weisse Haus einzuziehen.»

Faktencheck ist dabei Hosslis Sache auch nicht so: «In Michigan ist eine Klage noch hängig.» Nö, ist sie nicht; abgeschmettert.

Peanuts, aber dann pumpt Hossli weiter: «Geht er in Berufung, erhalten die US-Wahlen eine Wende, bevor eine einzige Stimme abgegeben worden ist. Wie im Jahr 2000 hätten neun Richter mehr Macht über das Wohnrecht im Weissen Haus als die rund 170 Millionen amerikanischen Wählerinnen und Wähler. Heisst das Gericht das Urteil von Colorado gut, wäre Trump in allen 50 Bundesstaaten von politischen Ämtern gesperrt

Kühne Interpretation, denn das Oberste Gericht der USA müsste im Fall einer Berufung ja nur entscheiden, ob das Urteil von Colorado Bestand hat oder nicht. Das gälte natürlich nicht automatisch für alle anderen Bundesstaaten.

Auch Hossli selbst ist da nicht ganz verfassungssicher:

«Lehnen die Richter in Washington die Berufung ab, wäre Trump nur in Colorado von den Vorwahlen ausgeschlossen

Also was denn nun? Lehnt das Gericht seine Berufung ab und stützt damit das Urteil von Colorado, wäre er dann nur dort oder überall von den Vorwahlen der Republikaner ausgeschlossen?

Hossli gibt allerdings sowieso Entwarnung: «Auf die dortigen Stimmen wäre er nicht angewiesen, um Kandidat der Republikaner zu werden.»

Wir fassen die Analyse zusammen. Dieses Urteil könnte eine Wende bedeuten. Trump könnte von den Vorwahlen in Colorado ausgesperrt bleiben. Ausser, er geht in Berufung. Dann könnte er in allen Bundesstaaten allenfalls nicht antreten. Oder nur in Colorado nicht. Oder so. Oder anders. Oder who cares.

Dieses Urteil bedeutet wohl keine Wende im US-Vorwahlkampf. Aber es hat immerhin einen wendigen Artikel provoziert. Vielleicht sollte der einfach als Anschauungsmaterial für die Journalistenschüler dienen. Um auch Konjunktiv-Journalismus zu betreiben, nach der Devise: seht Ihr, liebe Eleven, so sollte man das nicht machen. Immer schön die Fakten checken, keinen Vermutungs- oder Konjunktivjournalismus betreiben, sich nicht selbst widersprechen.

Das wäre eine gute Idee, vermutet ZACKBUM. Aber vielleicht sollte man sie nicht publizieren.

Achtung, bissiger Rimoldi

Vor dem Mann muss gewarnt werden.

Der «Souvereignist, Gründer und Präsident Bewegung massvoll» ist ein massloser Rabauke. Jeder, der sich aus welchen Gründen auch immer politisch mit ihm einlässt, biegt auf die Verliererstrasse ein. Denn immer wieder die Weltmeisterschaft auf dem Gebiet «geht noch eine blödere Provokation?» gewinnen, das ist weder zukunftsfähig, noch in der politischen Auseinandersetzung brauchbar.

Das Problem all dieser Provokateure, die inhaltlich wenig zu bieten haben, ist immer das gleiche: Steigerungen sind nötig, aber immer schwerer zu erreichen. Wenn man auf den Zehenspitzen steht und so laut kräht, dass man das Halszäpfchen sieht, was soll da noch gehen?

Immerhin, das ehrt die Dumpfbacke, er versucht’s:

«Menschenfeindin Natalie Rickli, die Ungeimpfte wie mich zum Staatsfeind erklärte, spuckt auf die Gräber der Menschen, die sie mit mRNA und Corona-Zwangsmassnahmen ermordet hat: ‹Der Friedhof ist ein schöner Ort›. Die Aufdeckung wird gnadenlos sein.»

Darüber regt sich sogar Christoph Mörgeli in der «Weltwoche» auf. Die öffnete dem Berufsrandalierer schon wohlwollend ihre Spalten und berichtete auch über seine versuchte Provokation, eine launig-dumme Bemerkung einer Grünen Nationalrätin zum Aufruf zum Mord am ihm hochzuzwirbeln.

Aber nun scheint das Tischtuch zerschnitten: «Der «Massvoll»-Chef wird masslos», schimpft Mörgeli, und gibt (vergeblich) gute Ratschläge: «Solche seiner Sache schadenden Töne sollte Rimoldi schleunigst unterlassen. Denn ein vorgeblicher Kämpfer für die individuelle Freiheit kann es nicht nötig haben, andere Individuen mit justiziablen Verleumdungen und nachweislichen Falschanschuldigungen anzuschwärzen.»

Damit geht er natürlich dem nach jeder medialen Aufmerksamkeit Lechzenden voll auf den Leim. Nicolas Rimoldi belfert auf X zurück:

Mörgeli «taumelt auf Abwegen», aber nicht mit Rimoldi: «Sie können mich attackieren, wie sie wollen. Wir werden siegen», wirft er sich in vorweihnachtliche Märtyrerpose. Dabei kracht und rumpelt es in seinem Verein schon seit Längerem, wenden sich (in der «Weltwoche» notabene) langjährige Kampfgefährten von ihm ab.

Daher ist das Beste in Sachen Rimoldi: gar nicht erst ignorieren. Diesem Ratschlag wird ZACKBUM zukünftig eisern folgen.

Kriegs-Kreische

Der Mann kann sich noch steigern. Leider.

Auch die NZZ ist weitgehend beratungsresistent. Sonst würde sie es ihrem obersten Oberst und Sandkastenstrategen nicht mehr durchgehen lassen, dass er immer finsterer zukünftige Kriege vorhersagt, die Unke.

Neben der dringend nötigen Neuauflage des Zivilverteidigungsbüchleins, was gehört denn sonst zur «ernsthaften» Vorbereitung der Schweiz? Diesmal ist Georg Häsler um die Zukunft der Schweizer Rüstungsindustrie besorgt. Denn: «Ihr Überleben ist spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ernsthaft infrage gestellt. Die Kunden mussten feststellen, dass die Schweiz kein zuverlässiger Partner mehr ist.»

«Kein zuverlässiger Partner», weil sich der Rechtsstaat Schweiz – im Gegensatz zu Deutschland und anderen Staaten – an seine eigenen Exportgesetze hält? Da wird Häsler in seinem Furor auch noch zum militanten Gegner des letzten Walls gegen Willkür und Barbarei. Unglaublich, für die NZZ.

Plus Wehrwille, plus Rüstungsindustrie.

Denn, so urteilt Scharfrichter Häsler: «Die Zeitenwende kommt allmählich auch im Bundesrat an. Das weltfremde KMG (Kriegsmaterialgesetz, Red.) hat den Realitätstest nicht bestanden – im GegenteilHier verhaspelt sich Häsler in seinem Sturmangriff sogar. Denn wenn das KMG «im Gegenteil nicht bestanden» hätte, dann hätte es doch bestanden. Aber Kriegsgurgel und Logik, das sind Todfeinde.

Dabei geht es ihm um Fundamentales: «Es geht um die Bereitschaft, die Demokratie auch wirklich zu schützenKlare Sache: Wer nicht mit Häsler übereinstimmt, schützt nicht die Demokratie – oder im Gegenteil oder so. Er ist vielmehr ein Defätist, ein Diversant oder wie die schönen Ausdrücke heissen, die Häsler sich nicht in den Mund zu nehmen getraut.

Dabei geht es hier um alles, wie Constantin Seibt sabbern würde. In der Version Häsler:

«Die Landesverteidigung ist in letzter Konsequenz eine Frage von Leben und Tod; nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, die bereit sind, ihren Militärdienst zu leisten.»

Ja, so ist das mit den letzten Fragen, zu denen man bei der Landesverteidigung in einem kühnen Vorstoss dringt und drängt und zwängt. Denn die Lage ist nicht nur ernst, sondern fast hoffnungslos: «Wie gesagt: Pessimistische Analysen innerhalb der Nato rechnen mit einer Eskalation bereits in drei Jahren. Die Schweiz muss sich ernsthaft auf einen grösseren Krieg in Europa vorbereiten.» Himmels willen, wo soll denn dieser grössere Krieg herkommen? Blöde Frage: «Am Ende des Jahrzehnts könnte Russland auch einen Nato-Staat angreifen», behaupte der deutsche Verteidigungsminister.  Ohne sich der Ironie bewusst zu sein, dass das letzte Mal Deutschland Russland angegriffen hat. «Pessimistischere Szenarien rechnen mit drei Jahren, bis sich der Ukraine-Krieg ausweitet», raunt Häsler hinterher.

Die Schweizer Rüstungsindustrie wird’s freuen, dass sie hier einen strammen Verbündeten hat. Ob der Grossstratege Häsler allerdings ernsthaft davon ausgeht, dass ein aufgerüsteter Schweizer Wehrwille, die Beantwortung der Frage «von Leben und Tod», den russischen Bären davon abhalten würde, die NATO anzugreifen? Vielleicht ist es seiner Aufmerksamkeit entgangen, dass die NATO unter dem atomaren Schutzschirm der USA steht und mit Frankreich und Grossbritannien zwei weitere Atommächte als Mitglieder hat.

Natürlich ist es möglich, dass Präsident Putin suizidal veranlagt ist. Aber wahrscheinlich ist das nicht. Ernsthafter sollte allerdings die Frage beantwortet werden, wie lange die NZZ sich mit solchen Kommentaren noch lächerlich machen will.

Wahnsinns-PR

Volles Rohr für die Harley-Davidson der ZKB im «Blick».

Das ist mal eine erfolgreiche PR-Aktion. Die ZKB schafft es in Print und online ganz nach vorne beim Organ mit dem Regenrohr im Logo.

Online gleich noch ergänzt durch den Ratgeber «So musst du vorgehen, wenn du die Bank wechseln willst». Unverständlich, wieso nicht getitelt wurde «wenn du zur ZKB wechseln willst». Aber man kann ja noch nachlegen.

Kaum zu übertreffen ist die Schleimspur, die im Interview mit dem ZKB-Chef Urs Baumann hingelegt wird. Das fängt bei der Einleitung an:

«Vor den Fenstern des Konferenzraums blinken die Lichter der traditionellen Weihnachtsbeleuchtung an der Zürcher Bahnhofstrasse. Zum Gespräch mit dem Chef der Zürcher Kantonalbank (ZKB) werden Weihnachtsguetzli von Sprüngli serviert. Das Angebot für einen (alkoholfreien) Punsch lehnen wir dankend ab.»

Fehlt nur noch, dass dem Journalisten ein Sparbüechli und ein Goldvreneli als Weihnachtsgeschenk überreicht wurde. Hier darf Baumann ungehemmt schwelgen: «Unsere Vision ist es, dass das Alltagsbanking bei uns kostenlos ist.» Da spricht der Weihnachtsmann persönlich, keine Frage. Am Bart arbeitet Baumann noch, aber nächstes Jahr dürfte das dann auch klappen.

Es muss herrlich sein, wenn Corporate Communication höchstens noch ein paar Glanzlichter auf das gesagte setzen muss: «… ist es unser Anliegen, dass auch die Kleinsparer davon profitieren können … alle ohne Zusatzbedingungen vom neuen kostenlosen Alltagsbanking profitieren können … substanzielles Dankeschön an unsere Kundschaft … wir haben viele Privatkunden dazugewonnen …» Ist das nicht etwas repetitiv? Ach was, wenn’s so schön ist und das Christkind im Raum schwebt …

Gibt es denn keine Wermutstropfen im alkoholfreien Punch? Nun ja, der «Blick»-Journalist müsste nicht unbedingt so aussehen wie ein «Blick»-Journalist:

Sonst noch was? Ach, nur Kleinigkeiten. ZKB-Zinsen auf einem Privatkonto: 0,00 Prozent. Jugendprivatkonto bis 25’000 Franken: 0,25 Prozent, danach 0,00. ZKB Sparkonto: bis 50’000 Fr. 0,85 Prozent, danach 0,25, ab 250’000 noch 0,00 Prozent.  Eine ZKB Festhypothek, Laufzeit 10 Jahre, kostet dagegen 2,36 Prozent. Ach, Teuerung in der Schweiz im Jahr 2023: 2,2 Prozent. Das heisst, bei all diesen Angeboten kann der ZKB-Kunde zuschauen, wie seine Einlage abschmilzt. Macht er nicht Gewinn, sondern Verlust.

Aber he, wieso soll der «Blick» dem Chef der ZKB unangenehme Fragen stellen? Das wäre doch Journalismus, vielleicht gar vom Boulevard, und das will man (oder frau) nicht mehr. Schliesslich bekommt Baumann noch einen klitzekleinen Tritt ans Schienenbein im Kasten «Persönlich»: «Eines seiner Hobbys gehört allerdings nicht zu den umweltfreundlichsten: Der ZKB-Chef braust gern mal mit der Harley-Davidson über Landstrassen». Aber auch das wird abwattiert: Er «kommt zum Ausgleich dafür ab und zu aus der Seegemeinde Kilchberg mit dem Stand-up-Paddle zur Arbeit».

Vermisst man sonst noch was an dieser Lobeshymne? Schon, trotz angestrengtem Suchen findet man nirgends einen Hinweis wie «native ad» oder «sponsored content» oder gar «Publireportage».

Alles dicht?

Ein Schlag ins Gemächt, äh, Gesicht aller Frauen.

«Die Frauen haben es ja von Zeit zu Zeit auch nicht leicht. Wir Männer aber müssen uns rasieren.» Das wusste schon Kurt Tucholsky. Wer das war? Ach, so ein Macho aus Deutschland.

Aber zum Ernst des Lebens. Also in die Politik. Liliane Minor klagt im «Tages-Anzeiger» an, dass der Zürcher Kantonsrat sich «eine so bemühende wie peinliche Debatte» geleistet habe, «ob Schulen künftig Tampons und Binden zur Verfügung stellen sollten». Jeder aufgeklärte, moderne Mensch – ob Mann, Frau, hybrid, Trans, divers oder Kim – weiss, was die richtige Antwort wäre. Aber: «Am Ende sagte er Nein. Und man blieb ratlos zurück.»

Es ist halt kein Wunder, dass DER Kantonsrat nein sagte. Wieso aber «man» ratlos zurückbleibt? Nun, Minor wagt einige kühne Vergleiche. Schliesslich gebe es auch WC-Papier gratis. Schniefende Mitmenschen wären auch froh um «öffentliche Nastuch-Dispenser (und zur Not WC-Papier)». Logisch. WC-Papier ist (normalerweise) erhältlich, aber: «so braucht jede menstruierende Person mitunter dringend einen Tampon».

ZACKBUM gesteht, dass uns dieses Thema etwas wesensfremd ist; wir haben noch nie einen Tampon gebraucht. Und auf der Rangliste unsympathischer Wörter steht «Damenbinde» weit oben. Wir sind aber bedingungslose Befürworter der Gratis-Abgabe von WC-Papier. Obwohl das beispielsweise Japaner eher gruselig und unhygienisch finden.

Aber wir schweifen ab. Die Forderung nach Gratis-Abgabe von Tampons hat nämlich durchaus ernsthafte Gründe:

«Es geht dabei auch um Hygiene und Gesundheit. Untersuchungen zeigen, dass etwa jede zehnte Frau das Wechseln von Monatsprodukten hinauszögert, sei es aus Kostengründen oder weil sie keinen Ersatz dabeihat. Das erhöht das Risiko von Infektionen.»

Es gibt Frauen, die sich nicht mal das Menstruieren leisten können. Und das in der reichen Schweiz. Den Scherz mit dem Rasieren (und der Gratis-Abgabe von Rasierklingen) weist Minor auch entrüstet zurück: «Ein Bart ist kein Gesundheitsrisiko. Und er kommt auch einfach nicht in den dümmsten Momenten zum Vorschein.» Letzteres stimmt, was sich hingegen in einem ungepflegten Bart neben Essensresten so alles tummelt, das möchte man auch nicht genau wissen.

Aber wir schweifen ab. Gratis-Abgabe von Tampons wäre das Gebot der Stunde. Denn selbst bei den sparsamen Schotten «sind kostenlose Binden und Tampons übrigens seit anderthalb Jahren überall erhältlich». An der Gratis-Abgabe von Whiskey arbeitet man noch.

Nur der (männliche!) Kantonsrat Zürichs ist noch geiziger und spart auf Kosten der Gesundheit der Frauen. Deshalb tropft (Pardon) am Schluss diese Aufforderung aus dem empörten Kommentar: «Was gibt es also zu zweifeln, lieber Kantonsrat? Tut es doch einfach.»

Abgesehen von dem leidigen Stossseufzer nach Niveaukontrolle wirft dieser Tampontext noch weitere Fragen auf. Man will als Mann ja nicht über Dinge schreiben, von denen man keine Ahnung hat. Aber ist es für Frauen wirklich nicht möglich, in ihren meistens geräumigen Taschen einen oder zwei Tampons mit sich zu führen? Anscheinend heisst die Mens ja auch Regelblutung, weil sie normalerweise regelmässig und nicht überfallartig erfolgt. Wer schnieft, trägt Taschentücher bei sich oder kauft sich welche. Ist das bei Tampons nicht möglich?

Und schliesslich: wie steht es da mit der vielgerühmten weiblichen Solidarität? Wenn Not am Mann, Pardon, an der Frau ist, kann da nicht eine Geschlechtsgenossin aushelfen? Oder aber, sollte der Gentleman, der selbstverständlich immer ein Taschentuch dabeihat, zukünftig vielleicht auch einen Tampon für solche Notfälle griffbereit halten?

Aber Minor hat noch ein weiteres Argument auf Lager, wieso in «allen öffentlichen WCs» Tampons gratis zur Verfügung stehen sollten: «Was daran diskriminierend sein soll, ist ein Rätsel. Geburtshilfe ist ja auch nicht diskriminierend, obwohl gemeinhin nur Frauen gebären.» Das ist wahr und gilt auch für Prostata-Operationen.

Allerdings wäre die Liste von Produkten, die gratis abgegeben werden müssten, noch viel länger, aber Frauen denken halt nur an sich. Typisch. Wie steht es eigentlich mit Reinigungstüchern für Brillenträger? Untersuchungen zeigen, dass jeder Zehnte schon mal in einen Baum hineingelaufen ist, weil er durch die verschmierte Brille nichts sah. Gratis-Deos gegen plötzliche Schweissausbrüche? Zahnreinigungs-Kits nach dem Mittagessen? Viagra ab 65? Präservative ohne Altersbeschränkung? Gratis-Tickets für den ÖV? Regenschirme auch bei Sonnenschein? Lieber Kantonsrat, tut endlich was!

Man könnte diesen Unfug unter «selten so gelacht» abbuchen. Allerdings: Minor «unterrichtet am Medienausbildungszentrum Luzern». Abgesehen vom Problem, dass dort keine Gratis-Tampons abgegeben werden: soll man eine dermassen verpeilte Journalistin wirklich auf hoffnungsfrohe Anfänger (Pardon, Anfänger:Innen*) am MAZ loslassen? Mit oder ohne Menstruation, die kriegen doch ein ganz falsches Bild von den Aufgaben des Journalismus …

Glück und Pech

Glück für die Migros, Pech für Ringier.

Im März musste der erfolgreiche und beliebte Chefredaktor der «Blick»-Gruppe eine «Auszeit» nehmen. Als merkwürdige Begründung diente, dass Christian Dorer angeblich eine «bestimmte Mitarbeitergruppe» bevorzugt behandeln würde, was immer das bedeuten mochte.

Ringier behauptete dann, dass in der sechsmonatigen Auszeit untersucht würde, was es damit auf sich habe – und ob Dorer danach wieder in seine Position zurückkehren werde. Dann behauptete Ringier, dass man mit Dorer im Gespräch sei, um ihm allenfalls eine andere Aufgabe im Medienkonzern zu übertragen, aber als «Blick»-Oberchefredaktor kehre er nicht zurück.

Die Resultate der monatelangen «Untersuchung» wurden nie bekannt gegeben, «Persönlichkeitsschutz». Dass irgend jemand gegen Dorer Vorwürfe erhoben hätte, wurde jedenfalls nicht öffentlich bekannt. Soweit das Trauerspiel bei Ringier, ein Ablenkungsmanöver von desaströsen Zahlen in der «Blick»-Familie und dem Abserbeln von «Blick TV».

Profitieren davon tut nun die Migros. Wie bekannt wurde, übernimmt Dorer ab Februar die Gesamtleitung der Kommunikation des Migros-Genossenschaftsbundes. In dieser Funktion ist er direkt dem Präsidenten der Generaldirektion unterstellt, was die Bedeutung seiner Position unterstreicht. Migros hat damit einen versierten, kompetenten und gut vernetzten Kommunikationsprofi gewonnen, der zudem für die grösste Zeitschrift der Schweiz zuständig sein wird, das unterschätzte «Migros Magazin». Von dessen Auflage (2,15 Millionen) und Reichweite (3,15 Millionen) kann die unglückliche «Blick»-Familie nicht mal träumen.

Aber wenn auch dort die Auflagenzahlen nach unten gehen, steigt die Anzahl von Heads und Chiefs ins fast Unermessliche. Wahrscheinlich steckt Absicht dahinter: umso mehr leitende Köpfe es gibt, desto einfacher kann man einen köpfen, wenn mal wieder zur Ablenkung ein Schuldiger gefunden werden muss.

Preisgekrönte Nullen

Wenn Journalisten Journalisten Preise geben dürfen …

Dann kommt Lustiges heraus. So wurde Fabian Eberhard von den Lesern des Magazins «Schweizer Journalist» (Pardon, «Schweizer Journalist:in») zum «Journalist des Jahres» gewählt (müsste doch eigentlich «Journalist:in» heissen, aber lassen wir das). Eberhard ist das Ein-Mann-«Investigativteam» des «SonntagsBlick». Angesichts äusserst dünner Personaldecke ist er auch noch stellvertretender Chefredaktor geworden. Womit die Häuptlinge (von all den Heads und Chiefs ganz zu schweigen) wohl die Indianer zahlenmässig übertrumpfen.

Eberhard ist der Journalist, der nicht mal die Büroräumlichkeiten eines angeblich «AfD-nahen» Radios findet. Er machte sich investigativ auf die Pirsch und fand zunächst heraus: «Spuren führen zu Satiriker Andreas Thiel». Als weiteren Höhepunkt fotografierte Eberhard dann einen Briefkasten an einem Bürogebäude. Furchtlos betrat er das Epizentrum des rechtsradikalen Grauens, verlief sich dann allerdings; vielleicht, weil ihm der Angstschweiss in die Augen tropfte.

Auf jeden Fall fotografierte er unter Lebensgefahr einen leeren Gang und ein leeres Zimmer, um anklagend festzuhalten, dass das die angeblichen Räumlichkeiten von Kontrafunk* seien. Bloss: das Dummerchen hatte sich schlichtweg verlaufen und das funktionierende Büro nicht gefunden …

Auch als Denunziant läuft Eberhard zu Höchstformen auf, als sich die Band «Lauwarm» doch getraute, an einem WeWo-Fest aufzuspielen.

Aber wenn die Gesinnung stimmt (sonst allerdings nicht viel), dann regnet es Preise. ZACKBUM gratuliert.

Auch die Jury hat stilsicher nur die Besten prämiert. Es darf (und muss) gelacht werden:

Raphaela Birrer sei die Chefredaktorin des Jahres, Nora Zukker die beste Kulturredaktorin, Jacqueline Badran führe die beste Kolumne. Corsin Zander sei der beste Lokaljournalist und Salvador Atasoy der beste Rechercheur. Sozusagen die Negativauslese.

Lediglich Christof Franzen (Reporter), Lukas Hässig (Wirtschaft), Nathalie Christen (Politik), Fibo Deutsch (Lebenswerk) und als Beste der Schlechten die Redaktion vom «Echo der Zeit» kann man gelten lassen.

Aber diese Preisverleihung hat etwas Gutes. Besser könnte man den desolaten Zustand des Deutschschweizer Journalismus nicht illustrieren.

Viel sinnvoller wäre es allerdings, auch beim Medienpreis eine «Goldene Himbeere» zu verleihen. Das würde dem Schaffen der meisten hier Preisgekrönten viel eher gerecht werden. Während aber in den USA noch wahre Meinungsfreiheit herrscht, muss ZACKBUM leider darauf verzichten, seinerseits die Tätigkeit der weiteren hier Gekrönten genauer zu beschreiben. Denn unsere Rechtsabteilung ist zwar bestens aufgestellt (resilient, zukunftsfähig und strukturell), aber die vermaledeiten Kosten würden uns umbringen.

Das wünschen sich zwar insgeheim viele Journalisten, diesen Gefallen wollen wir ihnen dennoch nicht tun.

*ZACKBUM-Redaktor René Zeyer hat eine einstündige Wirtschaftssendung bei Kontrafunk, in der er nach Lust und Laune Themen behandelt, die ihm zusagen. Sehr hörenswert, übrigens.

 

 

Wumms: Fabienne Kinzelmann-Opel

Eine bedeutende feministische Stimme erhebt sich.

Kinzelmann-Opel ist ein journalistisches Schwergewicht. Ihre Selbstbeschreibung lässt kein Klischee aus: «Digital- und Print-Journalistin mit unternehmerischer Denkweise und redaktioneller Erfahrung in Deutschland, der Schweiz und den USA. Brennt für gutes Storytelling, mutige Ideen und dafür, Dinge nach vorne zu bringen

Inzwischen sei sie «internationale Korrespondentin» bei der «Handelszeitung». Ob die das weiss? Dort ist sie im Impressum einfach als Nummer zwei unter «Internationale Wirtschaft» aufgeführt.

Eigentlich müsste sie dort Chefredaktorin, wenn nicht Editor at Large sein, bei dem Vorleben: «Zuvor war ich die führende Auslandsredakteurin für Blick und SonntagsBlick, eine der größten Schweizer Tages- und Sonntagszeitungen. Ich schrieb Analysen, Porträts und Interviews für Print und Online, berichtete bei brisanten Themen live vor Ort oder analysierte im Studio und verantwortete kanalübergreifend die Auslandsberichterstattung mit einem besonderen Schwerpunkt auf den USA, Europa, dem Klimawandel und sozialen Bewegungen. Zudem entwickelte und schrieb ich einen eigenen Newsletter über US-Politik

«Führende Auslandredaktorin» beim «Blick» ist nicht schlecht; dabei hat sie wohl sich selbst geführt …

Zudem ist sie noch «Co-Präsidentin des Vereins Qualität im Journalismus». In dieser Eigenschaft röhrt sie auf «persoenlich.com»: «Missbrauchsfälle zeigen strukturelles Versagen». «Strukturell», das ist auch so ein Allerweltswort wie «resilient» oder «zukunftsfähig». Auf die Frage, was bei den «Corona-Leaks» schief gelaufen sei, rudert sie qualitätsvoll um die Wahrheit herum: «Die richtige Frage wäre gewesen: Hat ein Bundesrat ein einzelnes Medienhaus bevorzugt – oder schlicht sein Departement nicht im Griff? Stattdessen schoss die Branche auf sich selbst, besonders auf den Ringier-Verlag. Aus meiner Sicht war da viel Neid dabei. Ich habe damals selbst für die Blick-Gruppe gearbeitet und bin sicher voreingenommen, aber ich habe ja live mitgekriegt, wie die Kolleginnen und Kollegen gearbeitet haben, was für gute Kontakte sie geknüpft haben.»

So kann man das auch sehen. Und wie steht es mit den Affären um Christian Dorer und Werner De Schepper; zwei Mitarbeiter, die unter dubiosen Umständen abgesägt wurden? «Ich möchte mich nicht zu Einzelfällen äussern. Denn diese zeigen immer auch ein strukturelles Versagen: Es gibt ein Umfeld, das absichtlich oder unabsichtlich nicht genau hinschaut oder gewisse Verhaltensweisen akzeptiert oder sogar fördert.»

Ein strukturelles Versagen liegt hier wohl eher beim Management, das Karrieren ruiniert, ohne eine nachvollziehbare Begründung dazu zu liefern. Huldvoll verzichtete «persoenlich.com» darauf, Kinzelmann-Opel zu fragen, wie sie im Rahmen von strukturellem Versagen die Berichterstattung der «Blick»-Familie beispielsweise zum Thema Till Lindemann qualifizieren würde. Da musste der «Blick» schleunigst einen Artikel löschen und ein liebedienerisches Interview mit dem Anwalt des Rammstein-Sängers veröffentlichen. Das war sicherlich kein Ruhmesblatt des Qualitätsjournalismus.

Ebenso wenig wie dieses Watteinterview mit einer Angeberin …