Wumms: Alex Baur

Der pensionierte WeWo-Redaktor verrennt sich.

Seinen Kerngedanken drückt schon der Titel aus:

Wenn Satire bekanntlich alles darf, darf dann auch ein angebräunter Brandstifter wie Björn Höcke alles? Oder anders gefragt, ist diese Behauptung von Alex richtig? «Auf jedes Verbot, das nicht unbedingt nötig ist, ist unbedingt zu verzichten. Mehr denn je.»

Nun lässt sich der begabte Rhetoriker ein Hintertürchen offen: «… das nicht unbedingt nötig ist». Aber mit diesem Hintertürchen ist natürlich die ganze Ansage im Eimer. Denn die Kardinalfrage bleibt mal wieder unbeantwortet: wer entscheidet denn dann, was «unbedingt nötig» ist? Vielleicht gar der «gesunde Menschenverstand»? Oder, noch schlimmer, das «gesunde Volksempfinden»?

Sollen der Hitlergruss und/oder das Hakenkreuz in der Schweiz verboten werden, wie sie es in Deutschland sind? Obwohl sie es in den USA nicht sind? Oder führe das zu Übergriffigkeiten: «Ein Historiker illustriert sein Buch über den zweiten Weltkrieg mit Hakenkreuz oder Hitlergruss. Früher oder später wird er sich vor dem Richter rechtfertigen müssen, und sei es nur, weil ihm ein Konkurrent schaden will

Das ist natürlich Unsinn. Selbst «Mein Kampf» konnte in Deutschland wieder veröffentlicht werden, eingepackt in historische Kommentare und Erklärungen. Es mag sein, dass im ewigen Kampf mit Intrigen, Neid und Blödheiten mal einer einen anzeigt, weil der ein historisches Werk mit Nazisymbolen illustriert. Auch gravierende Fehlurteile sind möglich, aber dieses Risiko muss man halt eingehen. Und wenn ein Böhmermann ungeniert fordern darf, dass man mal Nazis keulen sollte, dann wird Meinungsfreiheit weiterhin breit ausgelegt.

Richtig ins Gebüsch galoppiert Baur dann mit der Verteidigung Höckes: «Der AfD-Politiker sitzt in Deutschland auf der Anklagebank, weil er eine Rede mit dem Satz «Alles für Deutschland» beschloss. Kein Mensch machte damals eine Verbindung zum Nationalsozialismus – bis irgendeiner herausfand, dass dieses Sätzlein auch der Leitspruch von Hitlers SA war. Höcke versichert, dass auch ihm diese Koinzidenz damals nicht bewusst war. Das bewahrte ihn jedoch nicht vor einem Gesinnungs-Prozess, der an die dunklen Zeiten der Inquisition erinnert.»

Wenn etwas nicht an «dunkle, braune Zeiten erinnert», dann muss es unbedingt «an die dunklen Zeiten der Inquisition erinnern». Klar, ein öffentlicher Prozess wegen eines offenkundigen Gesetzesverstosses, bei dem der Angeklagte weder während noch nachher auf die Streckbank gelegt oder gevierteilt oder verbrannt wird, erinnert an die Inquisition. Holy cow!

Bei einem solchen Beispiel ist eben auch die Vorgeschichte zu beachten. Höcke hat eine ganze Reihe von angebräunten Sprüchen zu verantworten. Fangen wir bei diesem an, die vollständige Version lautet: «Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland.» Ist es da wichtig, ob der letzte Spruch eine SA-Losung war? Kann sich Höcke damit salvieren, dass er das nicht gewusst habe?

Das ist Haarspalterei, denn der Satz ist in Deutschland verboten, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, und natürlich wollte Höcke hier einen braunen Sound intonieren. Hitlergruss und Hakenkreuz sind ebenfalls verboten. Solange entsprechende Gesetze gelten, kann man dagegen meckern oder diese Symbole verwenden, wenn man in Kauf nimmt, sich damit strafbar zu machen.

Wie steht es mit Höcke-Sprüchen wie «für eine tausendjährige Zukunft», ist das rein zufällig nahe am tausendjährigen Reich, meinte er mit dem «Denkmal der Schande», dass das Holocaust-Denkmal in Berlin an diese Schande erinnert oder dass es selbst eine Schande sei? Die EU müsse sterben, damit «das wahre Europa leben» könne, «Volksverräter», «Volkskörper», «kulturfremd», halten Muslime ihre ungläubigen Gastgeber für «lebensunwertes Leben», alles Zufälligkeiten, ungewollte, unbewusste Anleihen an braunes Vokabular?

Natürlich tut sich Deutschland mit seiner braunen Vergangenheit bis heute schwer; die Paragrafen 86 und 86a (Verbreitung von Propagandamitteln, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und der Paragraf 130 (Volksverhetzung) sind Ausdruck davon.

Ist dann auch das Tragen des Judensterns mit der Inschrift «ungeimpft» strafbar? Ein Grenzfall, bei dem deutsche Gerichte unterschiedlich urteilten. Klar ist hingegen: «Parolen wie «Blut und Ehre», «mit deutschem Gruss» und auch «Deutschland erwache» sind verbotene «Kennzeichen», ebenso Symbole wie SS-Runen, Keltenkreuz, Wolfsangel. Kennzeichen im Wortsinne, etwa Nummernschilder an Autos, können ebenfalls verbotene «Kennzeichen» sein, zum Beispiel HH 88, da dies für «Heil Hitler» stünde», zählt die akkurate NZZ auf.

Und natürlich dürfen solche Propagandamittel zur Aufklärung, in der Kunst, in Lehre und Forschung und zum Zweck der Berichterstattung verwendet werden. Womit Baurs Behauptung vollständig in sich zusammenfällt.

Natürlich ist die Frage, ob ein Gerichtssaal der richtige Ort für eine Auseinandersetzung mit Höcke ist. Abgesehen davon, dass er sich halt strafbar gemacht hat. Aber dass er ein widerlicher Brandstifter ist, der ganz bewusst und absichtlich an die Grenzen des Erlaubten geht, um dann mit unschuldigem Gesicht zu behaupten, es sei doch eine bösartige Unterstellung, dass er sich der Nazisprache bediene, das ist ein dermassen leicht zu durchschauender Trick, dass es verwundert, wie jemand wie Baur darauf hereinfallen kann.

Eine Debatte über die Verwendung von Nazisymbolen ist sinnvoll, genauso sinnvoll wie eine Debatte über ihr Verbot. Verbote verbieten wollen, das ist hingegen sinnentleert.

17 Kommentare
  1. Irgendeiner
    Irgendeiner sagte:

    >»…und natürlich wollte Höcke hier einen braunen Sound intonieren.»

    Solange dafür keine Beweise vorgelegt werden ist dies eine bedenkliche Unterstellung.

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  2. Peter Bitterli
    Peter Bitterli sagte:

    „Wenn Satire bekanntlich alles darf, darf dann auch…“
    Der mit „Wenn“ beginnende Nebensatz ist die Bedingung, bei deren Vorliegen nach „dann“ die Folge genannt wird. In diesem Fall wird die Folge problamatisiert; mit einem Fragesatz wird nach deren Korrektheit gefragt. Das haut hin. Nicht hin haut das Adverb „bekanntlich“, das artfremd die Bedingtheit der Prämisse abschwächt oder sogar unterläuft. Möglich wäre vielleicht eine komplizierte Formulierung wie „Wenn Satire alles darf, was von Vielen als gesichert angenommen wird, darf dann auch…“
    Dies bloss wegen der Sinnentleertheit von Formulierungen.

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  3. Marcella Kunz
    Marcella Kunz sagte:

    Geht wohl nicht mehr lange, bis die Rückennummer 88 für Fussballer, Hockeyspieler etc. verboten wird. Vorreiter DE, dann EU-weit, und CH-BR übernimmt.

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  4. Felix Abt
    Felix Abt sagte:

    Das Hakenkreuz ist in Asien weit verbreitet, wo es seit Tausenden von Jahren Glück und Wohlstand symbolisiert. Es gibt keinen Grund, es zu verbieten, nur weil die Nazis es von den Asiaten kopiert und missbraucht haben. Stattdessen sollte es in Europa entgiftet werden und die Europäer sollten mit seiner ursprünglichen Bedeutung vertraut gemacht werden, wie ich es in diesem Artikel versucht habe: https://www.easternangle.com/the-swastika-is-not-what-many-people-in-the-west-think-it-is/

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          • René Zeyer
            René Zeyer sagte:

            Meine Güte. Zwischen «Dümmlichkeit und Geschichtsvergessenheit, weil» und argumentationsfreier Behauptung. Kann doch nicht so schwer sein. Ich erklär’s gaaanz laaangsam. Ich polemisiere stark. Aber niemals, ohne Begründungen, Argumente, Zitate anzuführen, weshalb und worüber ich polemisiere. Ich sage nicht einfach, Ryser sei ein Charakterlump. Sondern ich begründe es vorher. That makes all the difference, um es deutsch und deutlich zu sagen.

  5. Alois Keel
    Alois Keel sagte:

    Klar ist die Debatte über Verbote nützlich, klar sind Verbote nötig. Es stellt sich aber die Frage, welche Verbote vom Staat zu erlassen und durchzusetzen sind und welche der Sitte, der Sittlichkeit und der Moral zu überlassen sind.
    Siehe dazu Rudolf von Jhering, Der Zweck im Recht, Bd. 2, 3. Aufl., 1898, S. 243: «Das System der Freiheit ist auf die Dauer nur da haltbar, wo die Sitte stark genug ist, den gesetzlichen Zwang zu ersetzen. (…) Die Sitte ist die Selbstbeschränkung der Freiheit; wo sie nicht kräftig entwickelt und gut organisiert ist, wo nicht die öffentliche Meinung den würdigen Gebrauch der Freiheit zu einem Ehrenpunkt zu erheben und ihn zu erzwingen versteht, da wird die Freiheit nie gedeihen.»

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  6. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Während des schreiben sollte der «ausderferneschreibtischjournalist» Baur keine Kokablätter kauen auch wenn er damit seine Arthritis behandeln will. Koka benebelt auch!

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    • C. Wallens
      C. Wallens sagte:

      Was für ein niederträchtiger Beitrag. Immer voll auf den Mann und möglichst nicht aufs Thema eingehen. Irgendetwas bleibt schliesslich immer hängen. Sie haben schnell gelernt von all den Meinungseinpeitschern in den «Qualitätsmedien».

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    • Peter Bitterli
      Peter Bitterli sagte:

      Wäre für Sie die letzte Gelegenheit gewesen, mal anderer Meinung als Zeyer zu sein, und das jenseits von nachgeplapperten „payrolls“ und „Nuttenboulevards“ auch zu begründen. Dazu aber reicht es dann doch nicht. Nachtreten ist halt viel energieschonender.

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  7. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    80 Jahre nach dem «Untergang» wollen ein paar opportunistische Politiker hier im Land endlich «Zeichen setzen». Reichlich spät. So geht das «Lösen» von Nicht-Problemen durch Politiker-Darsteller.
    Auf meinem Nummernschild steht BL – BLood? Dann kommt auch noch die Ziffernfolge 44 vor. Also DD. Gemäss Wiki: «Die oft mit einer sehr üppigen Brust assoziierte Körbchengröße DD existiert im europäischen Größensystem nicht.». Schwein gehabt, sonst würden ja noch die auf den Plan gerufen, welche überall Sexismus wittern.

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  8. Ast
    Ast sagte:

    In Deutschland tümelt es mal wieder gewaltig, hüben wie drüben, schwarz-weiss-rot-blau, lila und grün. Mit Worten und Waffen. –
    Da „ungläubige Gasgeber“ nicht in Anführungszeichen gesetzt wurde, frage ich mich aber schon, ob das eine der üblichen zeyerschen Projektionen auf das Mindset aller Muslime ist oder einfach wieder Ihr Unbewusstes durchgebrochen ist?

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