Plötzlich sensibel

Das Zürcher «Theater am Neumarkt» sagt ein Stück ab.

2016 waren die Theatermacher überhaupt nicht sensibel. Da verkündeten sie eine hirnlose Provokation des «Zentrums für politische Schönheit», dem das Neumarkt Gastrecht eingeräumt hatte: Ein «extra für diesen Anlass eingeflogener Voodoo-Priester», der vor einiger Zeit schon für den tödlichen Autounfall des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider «verantwortlich zeichnete», werde Roger Köppel verfluchen, was das Publikum auch vorher schon auf der unter der Ägide des Theaters am Neumarkt aufgeschalteten Website tun durfte. Der Ankündigungstext fuhr fort: «Wir bitten die Bevölkerung, sich in weiten Kreisen an der Deportation des Köppels (ein gemeingefährlicher Straftäter) zu beteiligen.»

Philipp Ruch, der Kopf hinter dem «Zentrum für politische Schönheit», machte im Herbst davor bereits Schlagzeilen, als er in der Strassenzeitung «Surprise» zum Mord am SVP-Nationalrat und Besitzer der «Weltwoche» aufrief: «Tötet Roger Köppel!» Obwohl das damals nicht nur vom Zürcher «Tages-Anzeiger» wohlwollend als Ausdruck künstlerischer Freiheit bewertet wurde – es handle sich doch nur um einen «Theatermord» –, entschuldigte sich der Herausgeberverein von «Surprise» anschliessend: «Wir haben die Wirkungen und Interpretationen dieses Gastbeitrags eindeutig unterschätzt», seine Publikation sein «ein Fehler» gewesen.

Davon unbeeindruckt, ergriff das Theater am Neumarkt unerschrocken die Gelegenheit, einem drittklassigen Schlingensief-Adepten erneut die Plattform für angeblich künstlerischen Nonsens zu geben.

Das kostet das Neumarkt kurzfristig 50’000 Franken Subventionen. Inzwischen fliessen aber wieder die Steuergelder ungehemmt. Nicht so wie beim Schauspielhaus, das satte 38 Millionen Franken bekommt. Aber ein paar Hunderttausend läppern sich schon.

Wie überhaupt die Theaterszene Zürich flächendeckend künstlich mit Steuergeldern beatmet wird. Theater Rigiblick, Theater Stadelhofen, Theater Purpur, selbst das «Zirkusquartier Zürich» bekommen Hunderttausende reingesteckt. Die erwähnten alleine über 1,5 Millionen. Jährlich.

Nun hat das Theater am Neumarkt beschlossen, eine Eigenproduktion im letzten Moment abzusagen. Ihr vielversprechender Titel: «bullet zen. ein Abend über dopamin, terror und meditation». Die Story hätte sicher rasenden Zuspruch gefunden: «das stück ging aus von einer wahren geschichte, in der in mexiko ein schweizerischer zen-mönch von einem drogenkartell entführt und mehrere wochen in geiselhaft gefoltert wurde.»

Am 4. November wäre Premiere gewesen. Wäre, denn einen Tag vorher blies das Theater das Theater ab. Das Stück hätte bis am 14. Dezember gespielt werden sollen. Eintritt kostet bis zu 45 Franken, da läppern sich die Ausfälle. Aber macht ja nix, wenn der Steuerzahler sowohl einen besetzten wie auch einen leeren Theaterstuhl subventioniert.

Nun wird so ein Stück ja nicht einfach einen Tag vor der Premiere auf die Bühne gewuchtet. Da wird inszeniert, geprobt, die Direktion ist natürlich eng in alles eingebunden. Dann gibt es noch Hauptproben, also jede Menge Möglichkeiten, Korrekturen anzubringen, wenn etwas nicht passen sollte.

Aber doch nicht am Neumarkt. Da kam man zum Schluss, salbadert der Pressesprecher, dass die Umsetzung künstlerischen und ethischen Ansprüchen nicht genüge.

Mal langsam. So wurde der Kracher angekündigt: «ein mexikanisch-schweizerisches regieteam bringt die auf wahren begebenheiten basierende geschichte auf die bühne und befragt das potenzial der buddhistischen lehre im kontext von gewalt und unterdrückung. kann sie antworten auf die krisengeschüttelte gegenwart liefern? in der nicht enden wollenden spirale aus dopamin, terror und meditation entsteht eine sinnliche parabel für eine welt am abgrund

Nun ist die «sinnliche Parabel» selbst in den Abgrund gefallen. Es ist eigentlich die Aufgabe einer Theaterdirektion, Stücke auf die Bühne zu bringen. Selbst bei einem Schwachsinn wie dem Köppel-Angriff hatte die Direktion keine Probleme damit gehabt. Das war allerdings ein Gastspiel, ohne Probe, mit nur rudimentären Kenntnissen, welche Schmiere hier aufgeführt würde. Diese Stück aber wurde von Anfang an eng begleitet.

Um dann im letzten Moment gekübelt zu werden. Normalerweise würde nach so einem Flop die Direktion Asche aufs Haupt streuen und auf offener Bühne Selbstmord begehen, beziehungsweise mit dem Ausdruck des Bedauerns zurücktreten.

Das werden aber Tine Milz, Julia Reichert und Hayat Erdogan nicht mal in Erwägung ziehen. Zu verlockend sind die Futtertröge des Zürcher Subventionstheater, wo man auch Kohle kriegt, wenn man nicht mal ein Theaterstück auf die Bühne stellen kann.

Daraus könnte man eigentlich ein Lustspiel machen, eine Komödie, eine Parabel über die Unfähigkeit eines Künstlerkollektivs. Vielleicht interaktiv unter Einbezug des Publikums. Am Premiereabend hätte man eine lustige Diskussionsrunde anbieten können. Oder überhaupt etwas leisten. Aber doch nicht am Schnarchtheater Neumarkt.

3 Kommentare
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Bulletin Neumarkt, Homepage:
    «zum jetzigen zeitpunkt und angesichts der aktuellen politischen weltlage haben wir uns dazu entschlossen, unsere produktion «bullet zen» nicht rauszubringen».

    Warum die Bühne die nur noch von vergangenen Ruhm zehrt nicht für immer schliessen? Die Weltlage wird nicht besser. Als Israel angegriffen wurde mit Toten, Verletzten, Entführten kam keine Reaktion vom Theater, jetzt wo die Hamas unter Druck ist auch mit Toten und Verletzten wird «getrauert». Versteckte einseitige Solidarität für die Hamas? Antisemitismus? Die 3 Frauen des Direktoriums sollten klären!

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  2. C. Wallens
    C. Wallens sagte:

    Beim Stück geht es um einen Mönch in Geiselhaft, der freikommt, weil er seine Peiniger davon überzeugen kann, dass Gewalt keine Lösung ist. Sowas hat in Zeiten von Krieg und moralischer Selbstüberhöhung des Wertewestens natürlich gar nichts zu suchen in einem Staatstheater. Schliesslich gilt es, den Bürger nicht von Frieden, sondern von Krieg zu überzeugen.

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