Menschliche Kopierer

Dem Apparat kann man keine Vorwürfe machen.

Denn genau das ist die Aufgabe eines Kopierers. Ein möglichst originalgetreues Abbild eines Originals herstellen. Werden Journalisten zu Kopierern, sieht’s etwas anders aus.

Es gibt die niedrigste Form der Kopie: die Übernahme fremder Texte. Integral, teilweise, geschüttelt, gequirlt, Wort für Wort. Erfolgt das ohne Quellenangabe, ist’s eine Schweinerei.

Die nächste Stufe ist die Übernahme mit. Zum Beispiel hier bei Tamedia:

Dem Leser des «SonntagsBlick» kommt das nicht unbekannt vor:

Nein, Autor «mae» (gilt da nomen est omen für Malte Aeberli?) erwähnt aufrecht, dass er das dem SoBli abgeschaut hat.

Peinlicher wird es allerdings, dass «mae» der Einfachheit halber ganze Passagen aus dem SoBli übernimmt, ohne das auszuzeichnen. Zum Beispiel; so lautet es im Original:

«Dort heisst es: «Die Betreuung basiert auf den Grundprinzipien der Scientology-Religion und den Erziehungsprinzipien von L. Ron Hubbard.» Hubbard ist der hochumstrittene Gründer der Sekte. Laut Handelsregister ist die Kita in erster Linie für Kinder reserviert …»

Das Echo im Tagi:

«Dort heisst es: «Die Betreuung basiert auf den Grundprinzipien der Scientology-Religion und den Erziehungsprinzipien von L. Ron Hubbard.» Hubbard ist der hochumstrittene Gründer der Sekte. Laut Handelsregister ist die Kita in erster Linie für Kinder reserviert …»

Oder, Original: «Scientology sieht sich international seit Jahren mit heftigen Vorwürfen konfrontiert. Die Sekte sei totalitär, antidemokratisch, und wer einmal Mitglied ist, finde nur noch schwer hinaus. Die Scientology-Bewegung streitet das ab.»

Das Echo: «Scientology sieht sich international seit Jahren mit heftigen Vorwürfen konfrontiert. Die Sekte sei totalitär, antidemokratisch, und wer einmal Mitglied sei, finde nur noch schwer hinaus. Die Scientology-Bewegung streitet das ab

Wobei es dann textidentisch weiter und weiter geht. Sogar Zwischentitel übernimmt «mae» der Einfachheit halber. Original:

«Wir berücksichtigen die staatlichen Vorgaben»
Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet Scientology seit 1997. Schon vor Jahren kam dieser zum Schluss …»
Kopie: «Wir berücksichtigen die staatlichen Vorgaben»
Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet Scientology seit 1997. Schon vor Jahren kam dieser zum Schluss …»
Nun könnte man sagen, dass der SoBli-Text halt dermassen toll geschrieben und aufgebaut sei, dass es dem armen «mae» gar nicht möglich war, das besser oder anders zu formulieren.
Es ist aber doch die Frage erlaubt, ob der Tamedia-Leser für sein Geld nicht etwas mehr erwarten könnte. Als dass ihm nicht nur eine Fremdstory serviert wird, eigener Aufwand bei Tamedia null, sondern dass per copy/paste auch viele Passagen des Fremdartikels einfach übernommen werden.
Da wäre es doch ehrlicher, dem Leser reinen Wein einzuschenken: am Sonntag sind wir sowieso unterbesetzt und nicht wirklich in Arbeitslaune. Ist sonst nix los, übernehmen wir halt Fremdartikel. Holen wir die aus internationalen Medien samt Übersetzung, dann machen wir sowieso copy/paste, und wenn wir in Stimmung sind, gibt’s sogar einen Hinweis auf das Original (muss aber nicht sein). Nun machen wir das Gleiche bei Schweizer Medien. Aber wer rechnet denn schon damit, dass jemand SoBli und Tagi aufmerksam liest.
So nebenbei: eine KI hätte das sicher besser hingekriegt …
Solche Schlaumeiereien, Schlampigkeiten sind einer der vielen Sargnägel für die Mainstream-Medien. Oder sagten wir das schon?

 

 

2 Kommentare
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Raphaela Birrer in einem Interview:
    «Wer mich kennt, weiss, dass der Qualitätsanspruch für mich die zentrale Richtschnur ist. Ich möchte den Tagi konsequent als nationales Leitmedium im Qualitätsjournalismus positionieren.»
    Sie «möchte» aber schafft es nicht.

    Antworten
  2. Slavica Bernhard
    Slavica Bernhard sagte:

    Es werden nicht nur Texte kopiert, sondern auch Ideologien. Statt «copy-paste» wäre eigenes Recherieren und eigenes Denken angesagt!

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